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Der Kampf für die Herstellung der Einheitsfront wirft auch ein anderes, überaus wichtiges Problem auf, das Problem der Einheitsfront in den Ländern, wo sich sozialdemokratische Regierungen oder Koalitionsregierungen unter Teilnahme der Sozialisten an der Macht befinden, wie z.B. in Dänemark, Norwegen, Schweden, der Tschechoslowakei und Belgien.
Unsere absolut ablehnende Stellung zu den sozialdemokratischen Regierungen, die Regierungen dies Kompromisses mit der Bourgeoisie sind, ist bekannt. Aber dennoch betrachten wir das Bestehen einer sozialdemokratischen Regierung oder einer Regierungskoalition der sozialdemokratischen Partei mit bürgerlichen Parteien nicht als unüberwindliches Hindernis für die Herstellung der Einheitsfront mit den Sozialdemokraten in bestimmten Fragen. Wir sind der Meinung, daß auch in diesem Falle die Einheitsfront zum Schutze der Lebensinteressen des werktätigen Volkes und im Kampfe gegen den Faschismus durchaus möglich und notwendig ist. Es versteht sich, daß in den Ländern, wo Vertreter der sozialdemokratischen Partei an der Regierung teilnehmen, die sozialdemokratische Führung sich der proletarischen Einheitsfront am meisten widersetzt. Das ist vollkommen begreiflich. Wollen sie doch der Bourgeoisie zeigen, daß gerade sie besser und geschickter als alle anderen es verstehen, die unzufriedenen Arbeitermassen im Zaum zu halten und sie vor dem Einfluß des Kommunismus zu bewahren. Allein die Tatsache, daß die sozialdemokratischen Minister der proletarischen Einheitsfront ablehnend gegenüberstehen, kann nicht im geringsten einen solchen Zustand rechtfertigen, wo die Kommunisten nichts zur Schaffung der Einheitsfront des Proletariats tun.
Unsere Genossen in den skandinavischen Ländern gehen häufig den Weg des geringsten Widerstandes, indem sie sich auf die propagandistische Entlarvung der sozialdemokratischen Regierung beschränken. Das ist ein Fehler. In Dänemark z.B. sitzen die sozialdemokratischen Führer schon zehn Jahre in der Regierung und die Kommunisten wiederholen zehn Jahre tagaus, tagein, daß dies eine bürgerliche, kapitalistische Regierung sei. Man muß annehmen, daß diese Propaganda den dänischen Arbeitern bekannt ist. Der Umstand, daß eine bedeutende Mehrheit ihre Stimmen dennoch für die sozialdemokratische Regierungspartei abgibt, zeigt nur, daß die propagandistische Entlarvung der Regierung durch die Kommunisten nicht genügt, zeigt aber nicht, daß diese Hunderttausende von Arbeitern mit allen Regierungsmaßnahmen der sozialdemokratischen Minister zufrieden sind. Nein, sie sind nicht zufrieden damit, daß die sozialdemokratische Regierung mit ihrem sogenannten „Krisenabkommen“ den Großkapitalisten und Großgrundbesitzern und nicht den Arbeitern und armen Bauern hilft; daß sie durch ihre Verordnung vom Januar 1933 den Arbeitern das Streikrecht genommen hat; daß sie beschlossen hat, die Polizei neu zu bewaffnen und in Kasernen unterzubringen; daß die sozialdemokratische Führung eine gefährliche antidemokratische Wahlreform projektiert (mit bedeutender Verringerung der Anzahl der Abgeordneten). Ich werde wohl kaum fehlgehen, wenn ich behaupte, daß 99 Prozent der Arbeiter Dänemarks solche politischen Maßnahmen der sozialdemokratischen Führer und Minister nicht billigen.
Können denn die Kommunisten die Gewerkschaften und die sozialdemokratischen Organisationen in Dänemark nicht auffordern, die eine oder die andere dieser aktuellen Fragen zu erörtern, ihre Meinung darüber zu äußern und gemeinsam für die proletarische Einheitsfront zur Durchsetzung der Arbeiterforderungen einzutreten? Im vorigen Jahre, im Oktober, als unsere dänischen Genossen an die Gewerkschaften mit der Aufforderung herantraten, gegen die Kürzung der Arbeitslosenunterstützung Stellung zu nehmen und für die demokratischen Rechte der Gewerkschaften einzutreten, schlossen sich etwa 100 lokale Gewerkschaftsorganisationen der Einheitsfront an.
In Schweden befindet sich zum drittenmal eine sozialdemokratische Regierung an der Macht, aber die schwedischen Kommunisten haben in der Praxis lange Zeit auf die Anwendung der Einheitsfronttaktik verzichtet. Warum? Waren sie denn gegen die Einheitsfront? Natürlich nicht, sie waren grundsätzlich für die Einheitsfront, für die Einheitsfront im allgemeinen, aber sie begriffen nicht aus welchem Anlaß, in welchen Fragen, zur Verteidigung welcher Forderungen man die proletarische Einheitsfront erfolgreich herstellen könnte, wo und wie man anpacken soll. Einige Monate vor der Bildung der sozialdemokratischen Regierung, während des Wahlkampfes trat die sozialdemokratische Partei mit einer Plattform hervor, die eine Reihe von Forderungen enthielt, die gerade in eine Plattform der proletarischen Einheitsfront hätten aufgenommen werden können. Beispielsweise die Losungen: „Gegen die Zölle“ „Gegen die Militarisierung“, „Schluß mit der Verschleppung der Arbeitslosenversicherung“, „Sicherung einer zum Leben ausreichenden Altersrente“, „Nichtzulassung solcher Organisationen wie MunchCorps“ (faschistische Organisation), „Nieder mit den von den bürgerlichen Parteien geforderten Klassengesetzen gegen die Gewerkschaften“.
Über eine Million Werktätige Schwedens stimmten 1932 für diese von der Sozialdemokratie aufgestellten Forderungen und begrüßten 1933 die Bildung einer sozialdemokratischen Regierung in der Hoffnung, daß nunmehr die Verwirklichung dieser Forderungen folgen würde. Was konnte in dieser Situation natürlicher sein – und was konnte in größerem Maße den Wünschen der Arbeitermassen entsprechen – als ein Herantreten der Kommunistischen Partei an alle sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen mit dem Vorschlag, gemeinsame Aktionen zur Durchführung dieser von der Sozialdemokratischen Partei aufgestellten Forderungen zu veranstalten.
Wenn es gelungen wäre, die breiten Massen zur Durchführung solcher von den Sozialdemokraten selbst aufgestellten Forderungen wirklich zu mobilisieren, die sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterorganisationen zu einer Einheitsfront zusammenzuschließen, so hätte dadurch die Arbeiterklasse Schwedens zweifellos nur gewonnen. Die sozialdemokratischen Minister Schwedens hätten sich natürlich darüber nicht sehr gefreut. Denn in diesem Falle wäre die Regierung gezwungen gewesen, wenigstens einige Forderungen zu befriedigen. Auf jeden Fall wäre nicht das eingetreten, was jetzt eingetreten ist, wo die Regierung statt der Aufhebung der Zölle einige Zölle erhöht hat, wo sie statt der Einschränkung des Militarismus den Militäretat erhöht und statt der Ablehnung aller gegen die Gewerkschaften gerichteten Gesetze selbst einen solchen Gesetzentwurf im Parlament eingebracht hat. Allerdings hat die KP Schwedens im Zusammenhang mit der letzten Frage eine gute Massenkampagne im Geiste der proletarischen Einheitsfront durchgeführt und hat erreicht, daß sich schließlich sogar die sozialdemokratische Parlamentsfraktion gezwungen sah, gegen den Gesetzentwurf der Regierung zu stimmen und dieser fiel vorläufig durch.
Die norwegischen Kommunisten handelten richtig als sie am 1. Mai die Organisationen der Arbeiterpartei zu gemeinsamen Demonstrationen aufriefen und eine Reihe von Forderungen aufstellten, die im Grunde mit den Forderungen der Wahlplattform der norwegischen Arbeiterpartei zusammenfielen. Obgleich dieser Schritt zugunsten der Einheitsfront schwach vorbereitet und die Führung der norwegischen Arbeiterpartei gegen ihn Stellung nahm, fanden dennoch in dreißig Ortschaften Demonstrationen der Einheitsfront statt.
Früher hatten viele Kommunisten Angst, daß es ihrerseits eine Äußerung des Opportunismus sein würde, wenn sie nicht jeder Teilforderung der Sozialdemokraten ihre eigenen, zweimal so radikalen Forderungen entgegensetzen. Das war ein naiver Fehler. Wenn die Sozialdemokraten beispielsweise die Forderung der Auflösung der faschistischen Organisationen aufstellen, so brauchen wir nicht hinzuzufügen: „sowie Auflösung der staatlichen Polizei“ (denn es ist zweckmäßig, diese Forderung in einer anderen Situation aufzustellen), sondern wir müssen den sozialdemokratischen Arbeitern sagen: wir sind bereit, diese Forderungen eurer Partei anzunehmen als Forderungen der proletarischen Einheitsfront und bis ans Ende für ihre Verwirklichung zu kämpfen. Wollen wir zusammen den Kampf aufnehmen.
Auch in der Tschechoslowakei kann und muß man zur Herstellung der Einheitsfront der Arbeiterklasse bestimmte, von der tschechischen und deutschen Sozialdemokratie sowie von den reformistischen Gewerkschaften aufgestellte Forderungen ausnützen. Wenn die Sozialdemokratie z.B. die Arbeitsbeschaffung für die Arbeitslosen oder – wie sie das z.B. bereits seit 1927 tut – die Aufhebung der Gesetze fordert, die die Selbstverwaltung der Gemeinden einschränken, so muß man in jedem Orte, in jedem Bezirk diese Forderungen konkretisieren und Schulter an Schulter mit den sozialdemokratischen Organisationen für ihre tatsächliche Verwirklichung kämpfen. Oder wenn die sozialdemokratischen Parteien die Träger des Faschismus im Staatsapparat „im allgemeinen“ anprangern, so muß man in jedem Bezirk die konkreten faschistischen Wortführer ans Licht der Sonne bringen und gemeinsam mit den sozialdemokratischen Organisationen für ihre Entfernung aus den staatlichen Institutionen eintreten.
In Belgien sind die Führer der Sozialistischen Partei mit Emil Vandervelde an der Spitze in die Koalitionsregierung eingetreten. Diesen „Erfolg“ erzielten sie durch ihre langandauernde breite Kampagne für zwei Hauptforderungen: 1. Aufhebung der Notverordnungen und 2. Realisierung des Plans de Man. Die erste Frage ist von großer Wichtigkeit. Die frühere Regierung hatte insgesamt 150 reaktionäre Notverordnungen erlassen, die als überaus schwere Bürde auf den Schultern des werktätigen Volkes lasten. Sie sollten sofort aufgehoben werden. Das war eine Forderung der Sozialistischen Partei. Hat aber die neue Regierung viele dieser Notverordnungen aufgehoben? Keine einzige. Sie hat nur einige Notverordnungen etwas gelindert, um eine Art „symbolische Zahlung“ für die großzügigen Verheißungen der sozialistischen Führer Belgiens zu leisten (ähnlich dem „symbolischen Dollar“, den einige europäische Mächte Amerika als Zahlung für die Millionen Dollar ihrer Kriegsschulden anboten).
Was die Realisierung des großspurigen Plans de Man betrifft, so nahm die Sache eine für die werktätigen Massen ganz unerwartete Wendung: die sozialistischen Minister erklärten, daß man zuerst die Wirtschaftskrise überwinden und nur diejenigen Teile des Plans de Man durchführen müsse, die die Lage der Industriellen und Banken verbessere, dann erst würde man diejenigen Maßnahmen durchführen können, die auf eine Erleichterung der Lage der Arbeiter abzielen. Wie lange sollen jedoch die Arbeiter auf ihren Teil des „Wohlergehens“ warten, das der Plan de Man verheißt? Über die belgischen Bankiers ergoß sich bereits ein wahrer Goldregen. Es wurde eine Entwertung des belgischen Franken um 28 Prozent durchgeführt und durch diese Manipulation konnten sich die Bankiers 4½ Milliarden Franken als Trophäen auf Kosten der Lohnempfänger und der Ersparnisse der kleinen Leute aneignen. Wie verträgt sich das mit dem Inhalt des Plans de Man? Wollte man dem Wortlaut des Plans Glauben schenken, so verspricht er ja „Repressalien“ gegen Monopolmißbräuche und Spekulationsmanöver.
Die Regierung setzte auf Grund des Plans de Man eine Kommission zur Kontrolle über die Banken ein, aber eine Kommission, die aus Bankiers besteht, die jetzt lustig und sorglos sich selbst kontrollieren!
Der Plan de Man verspricht auch eine Reihe anderer guter Sachen: „Kürzung des Arbeitstages“, „Normalisierung der Löhne“, „Minimallöhne“, „Organisierung eines allumfassenden Systems der Sozialversicherung“, Erweiterung der Bequemlichkeiten durch neuen Wohnungsbau usw. Das alles sind Forderungen, die wir Kommunisten unterstützen können. Wir müssen an die Arbeiterorganisationen Belgiens herantreten und sagen: die Kapitalisten haben schon genug und sogar zuviel bekommen. Wollen wir von den sozialdemokratischen Ministern verlangen, daß sie ihre Versprechungen, die sie den Arbeitern gegeben haben, einlösen. Wollen wir uns zur Einheitsfront für die erfolgreiche Verteidigung unserer Interessen zusammenschließen. Minister Vandervelde, wir unterstützen die in Ihrer Plattform enthaltenen Arbeiterforderungen; aber wir erklären offen: wir meinen es ernst mit diesen Forderungen, wir wollen Taten und keine leeren Worte und darum vereinigen wir Hunderttausende von Arbeitern zum Kampf für diese Forderungen!
Dadurch, daß die Kommunisten in Ländern mit sozialdemokratischer Regierung, die entsprechenden Einzelforderungen aus den Plattformen der sozialdemokratischen Parteien selbst und die Wahlversprechungen der sozialdemokratischen Minister als Ausgangspunkt für gemeinsame Aktionen mit den sozialdemokratischen Parteien und Organisationen ausnützen, werden sie es nachher leichter haben, eine Kampagne für die Herstellung der Einheitsfront zu entfalten, und zwar bereits auf Grund einer Reihe anderer Forderungen der Massen im Kampfe gegen die Kapitalsoffensive, gegen Faschismus und Kriegsgefahr.
Ferner muß man im Auge haben: wenn die gemeinsamen Aktionen mit den sozialdemokratischen Parteien und Organisationen im allgemeinen von den Kommunisten eine ernste, begründete Kritik des Sozialdemokratismus als Ideologie und Praxis der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie, sowie eine unermüdliche, kameradschaftliche Aufklärung der sozialdemokratischen Arbeiter über das Programm und die Losungen des Kommunismus erfordern, so ist diese Aufgabe im Kampf um die Einheitsfront von besonderer Wichtigkeit in den Ländern mit sozialdemokratischer Regierung.
Genossen! Zu einer der wichtigsten Etappen bei der Festigung der Einheitsfront muß die Verwirklichung der Einheit der Gewerkschaften sowohl im nationalen als auch im internationalen Maßstab werden.
Wie bekannt, wurde die Spaltungstaktik der reformistischen Führer mit größter Schärfe in den Gewerkschaften durchgeführt. Das ist auch begreiflich: hier fand ihre Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie ihre praktische Vollendung unmittelbar im Betrieb, auf Kosten der Lebensinteressen der Arbeitermasse. Dies rief natürlich eine scharfe Kritik und den Widerstand der revolutionären Arbeiter unter Führung der Kommunisten gegen diese Praxis hervor. Darum spielte sich der heftigste Kampf zwischen Kommunismus und Reformismus auf gewerkschaftlichem Gebiete ab.
Je schwieriger und komplizierter die Lage des Kapitalismus wurde, um so reaktionärer war die Politik der Führer der Amsterdamer Gewerkschaften und um so aggressiver waren ihre Maßnahmen gegen alle oppositionellen Elemente innerhalb der Gewerkschaften. Sogar die Aufrichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland und die verschärfte Kapitalsoffensive in allen kapitalistischen Ländern ließ diese Aggressivität nicht erlahmen. Ist es nicht bezeichnend, daß allein im Jahre 1933 in England, Holland, Belgien, Schweden die schmählichsten Rundschreiben versandt wurden, die den Ausschluß der Kommunisten und revolutionären Arbeiter aus den Gewerkschaften bezweckten?
In England erschien 1933 ein Rundschreiben, das den lokalen Gewerkschaftsgruppen den Eintritt in Antikriegs- und andere revolutionäre Organisationen verbot. Das war der Auftakt zu dem berühmten „Schwarzen Zirkular“ des Generalrats der Gewerkschaften, mit dem jedes Gewerkschaftskartell, das Delegierte in seinen Bestand aufnimmt, die „in dieser oder jener Weise mit kommunistischen Organisationen zu tun haben“, für ungesetzlich erklärt wird. Was soll erst von der Leitung der deutschen Gewerkschaften gesagt werden, die unerhörte Repressalien gegen die revolutionären Elemente in den Gewerkschaften anwandte!
Unsere Taktik darf aber nicht von der Haltung einzelner Führer der Amsterdamer Gewerkschaften ausgehen, wie groß auch die Schwierigkeiten sein mögen, die diese Haltung für den Klassenkampf schafft, sondern muß vor allem von der Tatsache ausgehen, wo sich die Arbeitermassen befinden. Und hier müssen wir offen erklären: die Arbeit in den Gewerkschaften ist die brennendste Frage aller kommunistischen Parteien. Wir müssen einen wirklichen Umschwung in der Gewerkschaftsarbeit herbeiführen und die Frage des Kampfes um die Gewerkschaftseinheit in den Mittelpunkt stellen.
Genosse Stalin sagte uns bereits vor zehn Jahren:
Worin liegt die Kraft der Sozialdemokratie im Westen? Darin, daß sie sich auf die Gewerkschaften stützt. Worin besteht die Schwäche unserer kommunistischen Parteien im Westen?
Darin, daß sie sich noch nicht mit den Gewerkschaften eng verbunden haben und manche Elemente dieser kommunistischen Parteien sich mit den Gewerkschaften nicht eng verbinden wollen.
Darum besteht die Hauptaufgabe der kommunistischen Parteien des Westens im gegenwärtigen Moment darin, die Kampagne für die Einheit der Gewerkschaftsbewegung weiterzuentwickeln und zu Ende zu führen, daß alle Kommunisten ausnahmslos in die Gewerkschaften eintreten, dort eine systematische, geduldige Arbeit im Interesse des Zusammenschlusses der Arbeiterklasse gegen das Kapital leisten und dadurch erreichen, daß die kommunistischen Parteien sich auf die Gewerkschaften stützen können. [1]
Ist dieser Hinweis des Genossen Stalin erfüllt worden? Nein, Genossen, er ist nicht erfüllt worden.
Viele unserer Genossen ignorierten den Drang der Arbeiter nach den Gewerkschaften und gingen angesichts der Schwierigkeiten der Arbeit in den Amsterdamer Gewerkschaften an dieser komplizierten Aufgabe vorüber. Sie sprachen unaufhörlich von der Organisationskrise der Amsterdamer Gewerkschaften, von der Flucht der Arbeiter aus den Gewerkschaften und übersahen es, wie die Gewerkschaften nach einem gewissen Rückgang am Anfang der Weltwirtschaftskrise wieder zu wachsen begannen. Die Besonderheit der Gewerkschaftsbewegung bestand gerade darin, daß die Offensive der Bourgeoisie auf die Gewerkschaftsrechte, die Versuche in einer Reihe von Ländern, die Gewerkschaften gleichzuschalten (Polen, Ungarn usw.), der Abbau der Sozialversicherung, der Lohnraub, trotzdem ein Widerstand von seiten der reformistischen Gewerkschaftsführer fehlte, die Arbeiter zwangen, sich noch fester um die Gewerkschaften zusammenzuschließen, denn die Arbeiter wollten und wollen in der Gewerkschaft den kampfbereiten Verteidiger ihrer brennenden Klasseninteressen sehen. Dadurch erklärt sich die Tatsache, daß die Mehrzahl der Amsterdamer Gewerkschaften – in Frankreich, in der Tschechoslowakei, in Belgien, Schweden, Holland, in der Schweiz usw. – in den letzten Jahren ihre Mitgliederzahl erhöht hat. Der Amerikanische Gewerkschaftsbund hat in den letzten zwei Jahren seine Mitgliederzahl ebenfalls bedeutend erhöht.
Wenn die deutschen Genossen die Aufgabe der Gewerkschaftsarbeit, von der ihnen Genosse Thälmann wiederholt sprach, besser begriffen hätten, so hätten wir sicher in den Gewerkschaften eine bessere Lage gehabt als es im Augenblick des Machtantritts der faschistischen Diktatur der Fall war. Ende 1932 standen nur etwa 10 Prozent der Parteimitglieder in den Freien Gewerkschaften, – trotzdem die Kommunisten nach dem VI. Kongreß der Komintern an der Spitze einer ganzen Reihe von Streiks standen. In der Presse schrieben unsere Genossen von der Notwendigkeit, 90 Prozent unserer Kräfte der Arbeit in de Gewerkschaften zu widmen, aber in der Praxis wurde alles auf die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition konzentriert, die faktisch danach strebte, die Gewerkschaften zu ersetzen. Und nach der Machtübernahme Hitlers? Im Laufe von zwei Jahren widersetzten sich viele unserer Genossen hartnäckig und systematisch der richtigen Losung des Kampfes um den Wiederaufbau der Freien Gewerkschaften.
Ich könnte ähnliche Beispiele fast aus allen anderen kapitalistischen Ländern anführen.
Aber wir haben auch schon einen ersten ernsthaften Aktivposten im Kampfe um die Einheit der Gewerkschaftsbewegung in den europäischen Ländern. Ich habe das kleine Österreich im Auge, wo auf Initiative der Kommunistischen Partei die Basis für eine illegale Gewerkschaftsbewegung geschaffen wurde. Nach den Februarkämpfen gaben die Sozialdemokraten mit Otto Bauer an der Spitze die Losung aus: „Die Freien Gewerkschaften können erst nach dem Sturz des Faschismus wiederaufgebaut werden.“ Die Kommunisten nahmen die Arbeit zum Wiederaufbau der Gewerkschaften in Angriff. Jede Phase dieser Arbeit war ein Stück lebendiger Einheitsfront des österreichischen Proletariats. Der erfolgreiche Wiederaufbau der Freien Gewerkschaften in der Illegalität war eine ernste Niederlage des Faschismus. Die Sozialdemokraten standen am Scheidewege. Ein Teil von ihnen versuchte, Verhandlungen mit der Regierung zu führen. Ein anderer Teil schuf angesichts unserer Erfolge eigene illegale Parallelgewerkschaften. Aber es konnte nur einen Weg geben: entweder Kapitulation vor dem Faschismus oder im gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus – zur Gewerkschaftseinheit. Unter dem Druck der Massen entschloß sich die schwankende Leitung der von den ehemaligen Gewerkschaftsführern geschaffenen Parallelgewerkschaften zur Vereinigung. Die Grundlage dieser Vereinigung ist der unversöhnliche Kampf gegen Kapitalsoffensive und Faschismus und die Gewährleistung der Demokratie in den Gewerkschaften. Wir begrüßen diese Tatsache der Vereinigung der Gewerkschaften, die die erste Tatsache dieser Art seit der formalen Spaltung der Gewerkschaftsbewegung nach dem Kriege darstellt und daher internationale Bedeutung besitzt.
Die Einheitsfront in Frankreich bildete zweifellos einen gewaltigen Anstoß zur Verwirklichung der Gewerkschaftseinheit. Die Führer der Allgemeinen Konföderation der Arbeit hemmten und hemmen in jeder Weise die Verwirklichung der Einheit, indem sie der Hauptfrage, der Frage der Klassenpolitik der Gewerkschaften Fragen entgegenstellen, die von untergeordneter, zweitrangiger oder formeller Bedeutung sind. Ein unzweifelhafter Erfolg des Kampfes um die Gewerkschaftseinheit war die Schaffung von Einheitsverbänden im lokalen Maßstab, die z.B. bei den Eisenbahnern fast drei Viertel der Mitgliedermasse beider Gewerkschaften erfaßten.
Wir sind entschieden für die Wiederherstellung der Gewerkschaftseinheit in jedem Lande und im internationalen Maßstabe, wir sind für eine einheitliche Gewerkschaft in jedem Produktionszweig, wir sind für einen einheitlichen Gewerkschaftsbund in jedem Lande, wir sind für einheitliche internationale Gewerkschaftsvereinigungen nach Industrien, wir sind für eine einheitliche Gewerkschaftsinternationale auf der Grundlage des Klassenkampfes. Wir sind für einheitliche Klassengewerkschaften als eines der wichtigsten Bollwerke der Arbeiterklasse gegen Kapitalsoffensive und Faschismus. Dabei stellen wir als Bedingung für die Vereinigung der Gewerkschaften lediglich: Kampf gegen das Kapital, Kampf gegen den Faschismus und innergewerkschaftliche Demokratie.
Die Zeit wartet nicht. Für uns ist die Frage der Einheit der Gewerkschaftsbewegung sowohl im nationalen als auch im internationalen Maßstab eine Frage der großen Sache des Zusammenschlusses unserer Klasse zu machtvollen einheitlichen Gewerkschaftsorganisationen gegen den Klassenfeind.
Wir begrüßen den von der Roten Gewerkschaftsinternationale an die Amsterdamer Internationale am Vorabend des 1. Mai d.J. gerichteten Vorschlag, die Frage der Bedingungen, Methoden und Formen der Vereinigung der internationalen Gewerkschaftsbewegung gemeinsam zu erörtern. Die Führer der Amsterdamer Internationale lehnten diesen Vorschlag mit dem abgedroschenen Argument ab, die Einheit der Gewerkschaftsbewegung sei nur möglich in den Reihen der Amsterdamer Internationale, die übrigens fast ausschließlich Gewerkschaftsorganisationen eines Teiles der europäischen Länder umfaßt.
Aber die Kommunisten, die in den Gewerkschaften arbeiten, müssen unermüdlich den Kampf um die Einheit der Gewerkschaftsbewegung fortsetzen. Die Aufgabe der Roten Gewerkschaften und der RGI ist es, alles zu tun, was von ihnen abhängt, damit die Stunde des gemeinsamen Kampfes aller Gewerkschaften gegen Kapitalsoffensive und Faschismus so rasch wie möglich komme, damit die Einheit der Gewerkschaftsbewegung geschaffen werde trotz des hartnäckigen Widerstandes der reaktionären Führer der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale. Die Roten Gewerkschaften und die RGI müssen dabei unsere allseitige Unterstützung erhalten.
Wir empfehlen, in den Ländern, wo kleine Rote Gewerkschaften bestehen, auf ihren Anschluß an die großen reformistischen Verbände hinzuarbeiten und dabei die freie Verfechtung der eigenen Meinung und die Wiederaufnahme der Ausgeschlossenen zu verlangen; in den Ländern, wo große Rote und reformistische Parallelgewerkschaften bestehen, empfehlen wir die Einberufung von Vereinigungskongressen auf der Grundlage einer Plattform des Kampfes gegen die Kapitalsoffensive und der Gewährleistung der Gewerkschaftsdemokratie.
Es muß mit allem Nachdruck betont werden, daß ein kommunistischer Arbeiter, ein revolutionärer Arbeiter, der keiner Massengewerkschaft seines Berufes angehört, der nicht für die Verwandlung der reformistischen Gewerkschaft in eine wirkliche Klassengewerkschaft kämpft, der nicht für die Einheit der Gewerkschaftsbewegung auf der Grundlage des Klassenkampfes kämpft, daß ein solcher kommunistischer Arbeiter, ein solcher revolutionärer Arbeiter seine erste proletarische Pflicht nicht erfüllt.
Genossen! Ich habe bereits darauf hingewiesen, von welcher Bedeutung die Einbeziehung der Jugend in die faschistischen Organisationen für den Sieg des Faschismus war. Wenn wir von der Jugend sprechen, müssen wir offen erklären: wir haben unsere Aufgabe der Einbeziehung der Massen der werktätigen Jugend in den Kampf gegen die Offensive des Kapitals, gegen Faschismus und Kriegsgefahr vernachlässigt; wir haben diese Aufgabe in einer Reihe von Ländern vernachlässigt. Wir haben die ungeheure Bedeutung der Jugend für den Kampf gegen den Faschismus unterschätzt. Wir haben nicht immer den besonderen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Interessen der Jugend Rechnung getragen. Wir wendeten auch der revolutionären Erziehung der Jugend nicht die nötige Aufmerksamkeit zu.
Dies alles hat der Faschismus sehr geschickt ausgenützt und in einigen Ländern, namentlich in Deutschland, große Teile der Jugend auf den gegen das Proletariat gerichteten Weg hinübergezogen. Man muß sich vergegenwärtigen, daß der Faschismus die Jugend nicht nur mit der militaristischen Romantik einfängt. Manche füttert, kleidet er in seinen militärischen Abteilungen, den anderen gibt er Arbeit, er gründet sogar sogenannte Kulturanstalten für die Jugend und ist auf diese Weise bestrebt, der Jugend den Glauben einzuflößen, daß er wirklich gewillt und imstande sei, der Masse der werktätigen Jugend Brot und Kleidung zu geben, sie lernen zu lassen und ihr Arbeit zu verschaffen.
Unsere kommunistischen Jugendverbände sind in einer Reihe kapitalistischer Länder immer noch vorwiegend sektiererische, von den Massen losgelöste Organisationen. Ihre Hauptschwäche besteht darin, daß sie immer noch bestrebt sind, die kommunistischen Parteien und ihre Formen und Methoden der Arbeit zu kopieren, und vergessen, daß der kommunistische Jugendverband nicht die kommunistische Partei der Jugend ist. Sie berücksichtigen nicht genügend den Umstand, daß der KJV eine Organisation ist, die ihre besonderen Aufgaben hat. Ihre Methoden und Formen der Arbeit, der Erziehung, des Kampfes müssen dem konkreten Niveau und den Anforderungen der Jugend angepaßt sein.
Unsere KJV-Genossen haben im Kampfe gegen die faschistischen Gewalttaten und die bürgerliche Reaktion unvergeßliche Beispiele von Heroismus gegeben. Es mangelt ihnen aber noch an der Fähigkeit, konkret und beharrlich die Massen der Jugend dem feindlichen Einfluß zu entreißen. Das zeigt der bis heute noch nicht überwundene Widerstand gegen die Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen und das nicht immer richtige Herangehen an die sozialistische und andere nichtkommunistische Jugend.
Für all das sind natürlich in hohem Maße auch die kommunistischen Parteien verantwortlich, die den kommunistischen Jugendverband in seiner Arbeit leiten und unterstützen müssen. Das Problem der Jugend ist ja nicht nur ein Problem des kommunistischen Jugendverbandes. Es ist ein Problem der ganzen kommunistischen Bewegung. Auf dem Gebiet des Kampfes um die Jugend müssen die kommunistischen Parteien und die KJV-Organisationen einen wirklichen, entschiedenen Ruck vorwärts herbeiführen. Die Hauptaufgabe der kommunistischen Jugendbewegung in den kapitalistischen Ländern ist es, mutig den Weg der Verwirklichung der Einheitsfront, den Weg der Organisierung und Vereinigung der werktätigen jungen Generation zu gehen. Von welch riesigem Einfluß auf die revolutionäre Jugendbewegung selbst die ersten Schritte in dieser Richtung sind, zeigen die Beispiele Frankreichs und der Vereinigten Staaten in letzter Zeit. Es genügte, in diesen Ländern die Bildung der Einheitsfront in Angriff zu nehmen, um sofort zu bedeutenden Erfolgen zu gelangen. Beachtenswert ist hierbei auf dem Gebiet der internationalen Einheitsfront die erfolgreiche Initiative des Pariser Antifaschistischen und Antikriegskomitees zur Herbeiführung einer internationalen Zusammenarbeit aller nichtfaschistischen Jugendorganisationen.
Diese erfolgreichen Schritte in der Einheitsfrontbewegung der Jugend in letzter Zeit zeigen auch, daß die Formen der Einheitsfront der Jugend nicht schablonenhaft angewendet werden dürfen, nicht unbedingt die gleichen sein müssen, die wir in der Praxis der kommunistischen Parteien haben. Die kommunistischen Jugendverbände müssen in jeder Weise die Vereinigung der Kräfte aller nichtfaschistischen Massenorganisationen der Jugend anstreben bis zur Bildung verschiedener gemeinsamer Organisationen für den Kampf gegen den Faschismus, gegen die unerhörte Rechtlosigkeit und Militarisierung der Jugend, für die wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der jungen Generation, für die Gewinnung dieser Jugend für die antifaschistische Front, wo immer sie sich auch befinden mag: in Betrieben, in Arbeitsdienstlagern, auf Arbeitsnachweisen, in Kasernen und in der Flotte, in Schulen oder in verschiedenen Sport-, Kultur- und sonstigen Organisationen.
Unsere KJV-Genossen müssen beim Ausbau und bei der Festigung des kommunistischen Jugendverbandes gleichzeitig die Bildung antifaschistischer Assoziationen der kommunistischen und sozialistischen Jugendverbände auf der Plattform des Klassenkampfes anstreben.
Genossen! Eine nicht geringere Unterschätzung als in bezug auf die Jugend ist auch bezüglich der Arbeit unter den werktätigen Frauen, den Arbeiterinnen, arbeitslosen Frauen, Bäuerinnen und Hausfrauen hervorgetreten. Während aber der Faschismus der Jugend mehr als allen anderen nimmt, versklavt er die Frau besonders rücksichtslos und zynisch, indem er mit den am tiefsten verwurzelten Gefühlen der Mutter, der Hausfrau, der allein stehenden Arbeiterin, die nicht sicher sind, was ihnen der morgige Tag bringt, spekuliert. Der Faschismus, der in der Rolle des Wohltäters auftritt, wirft der hungernden Familie ein elendes Almosen hin und versucht damit, die bitteren Gefühle zu ersticken, die besonders bei den werktätigen Frauen durch die unerhörte Knechtung hervorgerufen werden, die ihnen der Faschismus bringt. Er vertreibt die Arbeiterinnen aus dem Betrieb. Er verschickt notleidende Mädchen zwangsweise aufs Land und verurteilt sie dazu, unbezahlte Dienstboten der Großbauern und Großgrundbesitzer zu werden. Während er der Frau ein glückliches Heim verspricht, treibt er die Frau wie kein anderes kapitalistisches Regime auf den Weg der Prostitution.
Die Kommunisten, und vor allem unsere Kommunistinnen, müssen stets eingedenk sein, daß es keinen erfolgreichen Kampf gegen Faschismus und gegen Krieg geben kann, wenn die breiten Massen der Frauen nicht in diesen Kampf hineingezogen werden. Das läßt sich aber durch bloße Agitation nicht erreichen. Wir müssen unter Berücksichtigung jeder konkreten Situation die Möglichkeit finden, die Massen der werktätigen Frauen für ihre lebenswichtigen Interessen und Forderungen zu mobilisieren, im Kampfe für die Forderungen: gegen die Teuerung, für Lohnerhöhung nach dem Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, gegen die Massenentlassungen, gegen jede Form der Nichtgleichberechtigung und der faschistischen Knechtung der Frau.
In unserem Streben, die werktätigen Frauen in die revolutionäre Bewegung hineinzuziehen, dürfen wir zu diesem Zwecke auch vor der Bildung besonderer Frauenorganisationen nicht zurückschrecken, wo das notwendig ist.
Das Vorurteil, daß es notwendig sei, die unter der Führung der kommunistischen Partei stehenden Frauenorganisationen in den kapitalistischen Ländern im Interesse des Kampfes gegen den „Frauenseparatismus“ in der Arbeiterbewegung aufzulösen, dieses Vorurteil brachte oft großen Schaden.
Man muß die einfachsten und elastischsten Formen für die Herstellung des Kontakts und der Kampfgemeinschaft der revolutionären, sozialdemokratischen und fortschrittlichen antifaschistischen und Antikriegsorganisationen der Frauen ausfindig machen. Wir müssen um jeden Preis erreichen, daß die Arbeiterinnen und werktätigen Frauen Schulter an Schulter mit ihren Klassenbrüdern in den Reihen der Einheitsfront der Arbeiterklasse und der antifaschistischen Volksfront kämpfen.
Ganz außerordentliche Bedeutung gewinnt im Zusammenhang mit der geänderten internationalen und inneren Lage in allen kolonialen und halbkolonialen Ländern die Frage der antiimperialistischen Einheitsfront.
Bei der Schaffung einer breiten antiimperialistischen Kampfeinheitsfront in den Kolonien und Halbkolonien muß man vor allem die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse berücksichtigen, unter denen der antiimperialistische Kampf der Massen verläuft, den verschiedenen Reifegrad der nationalen Befreiungsbewegung, die Rolle des Proletariats in dieser Bewegung und den Einfluß der kommunistischen Partei auf die breiten Massen.
Die Frage steht anders in Brasilien als in Indien und China usw.
In Brasilien muß die Kommunistische Partei, die durch die Schaffung der Nationalen Befreiungs-Allianz die richtige Grundlage für die Entwicklung der antiimperialistischen Einheitsfront geschaffen hat, alle ihre Kräfte einsetzen, um diese Front, in erster Reihe durch Einbeziehung der Millionenmassen der Bauernschaft weiter auszubreiten und auf die Schaffung von Abteilungen der revolutionären Volksarmee, die der Revolution restlos ergeben sind sowie auf die Verwirklichung der Macht der Nationalen Befreiungs-Allianz hinzuwirken.
In Indien müssen die Kommunisten alle antiimperialistischen Massenaktionen unterstützen, verbreitern und sich an ihnen beteiligen, auch jene Aktionen nicht ausgenommen, an deren Spitze Nationalreformisten stehen. Sie müssen unter Wahrung ihrer politischen und organisatorischen Selbständigkeit aktive Arbeit innerhalb der dem Nationalkongreß Indiens angehörenden Organisationen einleiten und die Herauskristallisierung eines national-revolutionären Flügels in diesen Organisationen fördern, um die nationale Befreiungsbewegung der Völker Indiens gegen den britischen Imperialismus weiter zu entfalten.
In China, wo die Volksbewegung bereits zur Schaffung von Sowjetrayons auf einem bedeutenden Territorium des Landes und zur Organisierung einer machtvollen Roten Armee führte, hat die räuberische Offensive des japanischen Imperialismus und der Verrat der Nanking-Regierung die nationale Existenz des großen chinesischen Volkes in Frage gestellt. Nur die chinesischen Sowjets können als vereinigendes Zentrum im Kampfe gegen die Versklavung und Aufteilung Chinas durch die Imperialisten auftreten, als vereinigendes Zentrum, das alle antiimperialistischen Kräfte zum nationalen Befreiungskampf des chinesischen Volkes sammeln wird.
Wir billigen daher die Initiative unserer mutigen chinesischen kommunistischen Bruderpartei bei der Schaffung der breitesten antiimperialistischen Einheitsfront gegen den japanischen Imperialismus und seine chinesischen Agenten, der Einheitsfront mit allen, auf dem Territorium Chinas vorhandenen organisierten Kräften, die bereit sind, einen wirklichen Kampf um die Rettung ihres Landes und ihres Volkes zu führen. Ich bin überzeugt, daß ich die Gefühle und Gedanken unseres ganzen Kongresses ausdrücke, wenn ich erkläre: wir entbieten unseren flammenden brüderlichen Gruß im Namen des revolutionären Proletariats der ganzen Welt allen Sowjets Chinas, dem chinesischen revolutionären Volk. (Stürmischer Beifall, alle erheben sich.) Wir entbieten unseren flammenden brüderlichen Gruß der in tausend Kämpfen erprobten heldenhaften Roten Armee Chinas. (Stürmischer Beifall.) Und wir versichern dem chinesischen Volke, daß wir fest entschlossen sind, seinen Kampf um seine volle Befreiung von allen imperialistischen Räubern und ihren chinesischen Agenten zu unterstützen. (Stürmischer Beifall, alle erheben sich. Minutenlange Ovation. Begrüßungsrufe von seiten aller Delegierten.)
Genossen! Wir haben einen entschlossenen, kühnen Kurs auf die Einheitsfront der Arbeiterklasse eingeschlagen und sind bereit, ihn mit aller Konsequenz zu verfolgen.
Wenn man uns fragen wird, ob wir Kommunisten nur im Kampf für die Teilforderungen auf dem Boden der Einheitsfront stehen oder ob wir bereit sind, die Verantwortung selbst dann zu teilen, wenn es sich um die Bildung einer Regierung auf dem Boden der Einheitsfront handeln wird, so werden wir im vollen Bewußtsein der Verantwortung sagen: jawohl, wir ziehen in Betracht, daß eine solche Lage eintreten kann, wo die Bildung einer Regierung der proletarischen Einheitsfront oder der antifaschistischen Volksfront nicht nur möglich, sondern auch im Interesse des Proletariats notwendig sein wird. Und wir werden in diesem Falle ohne alle Schwankungen für die Schaffung einer solchen Regierung eintreten.
Ich spreche hier nicht von einer Regierung, die nach dem Siege der proletarischen Revolution gebildet werden kann. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß in irgendeinem Lande gleich nach dem revolutionären Sturz der Bourgeoisie eine Sowjetregierung auf der Basis eines Regierungsblocks der Kommunistischen Partei mit einer bestimmten Partei (oder ihrem linken Flügel), die an der Revolution teilnimmt, gebildet werden kann. Die siegreiche Partei der russischen Bolschewiki hat bekanntlich nach der Oktoberrevolution in die Sowjetregierung auch Vertreter der linken Sozialrevolutionäre aufgenommen. Das war eine Besonderheit der ersten Sowjetregierung nach dem Sieg der Oktoberrevolution.
Es handelt sich nicht um einen solchen Fall, sondern um die mögliche Bildung einer Regierung der Einheitsfront am Vorabend und vor dem Sieg der Sowjetrevolution.
Was ist das für eine Regierung? Und in welcher Situation kann von ihr die Rede sein?
Das ist vor allem eine Regierung des Kampfes gegen Faschismus und Reaktion. Das muß eine Regierung sein, die als Ergebnis der Einheitsfrontbewegung entstanden ist und die in keiner Weise die Tätigkeit der Kommunistischen Partei und der Massenorganisationen der Arbeiterklasse einschränkt, sondern im Gegenteil, entschiedene Maßnahmen gegen die konterrevolutionären Finanzmagnaten und ihre faschistischen Agenten trifft.
Im geeigneten Moment, gestützt auf die ansteigende Einheitsfrontbewegung, wird die Kommunistische Partei des gegebenen Landes für die Schaffung einer solchen Regierung auf der Basis einer bestimmten antifaschistischen Plattform eintreten.
Unter welchen objektiven Bedingungen wird die Bildung einer solchen Regierung möglich sein? Auf diese Frage kann man in ganz allgemeiner Form antworten: unter den Bedingungen einer politischen Krise, wo die herrschenden Klassen bereits nicht mehr imstande sind, mit dem mächtigen Aufschwung der antifaschistischen Massenbewegung fertig zu werden. Doch ist das nur die allgemeine Perspektive, ohne die in der Praxis die Bildung der Regierung der Einheitsfront kaum möglich sein wird. Nur das Vorhandensein bestimmter besonderer Voraussetzungen kann die Frage der Bildung einer solchen Regierung als politisch notwendige Aufgabe auf die Tagesordnung setzen. Mir scheint, daß hierbei folgende Voraussetzungen die größte Aufmerksamkeit verdienen:
erstens, wenn der Staatsapparat der Bourgeoisie bereits genügend desorganisiert und paralysiert ist, so daß die Bourgeoisie nicht imstande ist, die Bildung einer Regierung des Kampfes gegen Reaktion und Faschismus zu verhindern;
zweitens, wenn die breitesten Massen der Werktätigen, besonders die Massengewerkschaften stürmisch gegen Faschismus und Reaktion auftreten, aber noch nicht bereit sind, sich zum Aufstand zu erheben, um unter der Führung der Kommunistischen Partei für die Eroberung der Sowjetmacht zu kämpfen;
drittens, wenn die Differenzierung und die Radikalisierung in den Reihen der Sozialdemokratie und der anderen Parteien, die an der Einheitsfront teilnehmen, bereits dazu geführt haben, daß ein bedeutender Teil von ihnen rücksichtslose Maßnahmen gegen die Faschisten und anderen Reaktionäre fordert, zusammen mit den Kommunisten gegen den Faschismus kämpft und offen gegen den reaktionären, dem Kommunismus feindlichen Teil seiner eigenen Partei auftritt.
Wann und in welchen Ländern eine solche Lage tatsächlich eintreten wird, in der diese Voraussetzungen in genügendem Maße gegeben sein werden, kann man im voraus nicht sagen, da aber eine solche Perspektive in keinem kapitalistischen Land ausgeschlossen ist, müssen wir sie in Betracht ziehen und nicht nur uns selbst auf sie orientieren und vorbereiten, sondern auch die Arbeiterklasse in entsprechender Weise orientieren.
Die Tatsache, daß wir heute diese Frage überhaupt zur Beratung stellen, hängt selbstverständlich mit unserer Einschätzung der Lage und der nächsten Perspektive der Entwicklung zusammen sowie mit dem faktischen Anwachsen der Einheitsfrontbewegung in einer Reihe von Ländern in letzter Zeit. Über zehn Jahre war die Lage in den kapitalistischen Ländern derart, daß sich die Kommunistische Internationale mit Fragen dieser Art nicht zu befassen brauchte.
Ihr erinnert euch, Genossen, daß auf unserem IV. Kongreß 1922 und noch auf dem V. Kongreß 1924 die Frage der Losung der Arbeiter- oder Arbeiter- und Bauernregierung erörtert wurde. Hierbei handelte es sich ursprünglich dem Wesen der Sache nach fast um eine Frage, die derjenigen, die wir heute stellen, analog ist. Die Debatten, die damals in der Kommunistischen Internationale um diese Frage geführt wurden, und besonders die politischen Fehler, die dabei begangen wurden, haben auch heute noch Bedeutung, um unsere Wachsamkeit in bezug auf die Gefahr der Abweichungen nach rechts und „links“ von der bolschewistischen Linie in dieser Frage zu schärfen. Daher will ich in kurzen Zügen auf einige dieser Fehler hinweisen, um aus ihnen die für die heutige Politik unserer Parteien notwendigen Lehren zu ziehen.
Die erste Reihe von Fehlern war gerade dadurch bedingt, daß die Frage der Arbeiterregierung nicht klar und fest mit dem Vorhandensein einer politischen Krise verknüpft wurde. Dadurch konnten die Rechtsopportunisten die Sache in dem Sinne auslegen, daß die Bildung einer von der kommunistischen Partei unterstützten Arbeiterregierung in jeder beliebigen, sozusagen „normalen“ Situation anzustreben sei. Die Ultralinken dagegen anerkannten lediglich eine solche Arbeiterregierung, die nur durch den bewaffneten Aufstand, nach dem Sturz der Bourgeoisie geschaffen werden kann. Das eine wie das andere war falsch und deswegen betonen wir jetzt – zur Vermeidung der Wiederholung ähnlicher Fehler – so nachdrücklich die genaue Berücksichtigung der besonderen konkreten Bedingungen der politischen Krise und des Aufschwungs der Massenbewegung, unter denen sich die Schaffung einer Regierung der Einheitsfront möglich und politisch notwendig erweisen kann.
Die zweite Reihe von Fehlern war dadurch bedingt, daß die Frage der Arbeiterregierung nicht mit der Entwicklung der kämpferischen Massenbewegung der Einheitsfront verknüpft wurde. Deshalb hatten die Rechtsopportunisten die Möglichkeit, die Frage zu entstellen und sie zur prinzipienlosen Taktik der Blockbildung mit den sozialdemokratischen Parteien auf der Basis rein parlamentarischer Kombinationen hinauslaufen zu lassen. Die Ultralinken dagegen schrien: „Keinerlei Koalitionen mit der konterrevolutionären Sozialdemokratie!“ und betrachteten im Grunde alle Sozialdemokraten als Konterrevolutionäre.
Das eine wie das andere war falsch, und wir unterstreichen jetzt einerseits, daß wir keineswegs eine „Arbeiterregierung“ wollen, die einfach eine erweiterte sozialdemokratische Regierung wäre. Wir ziehen es sogar vor, auf die Bezeichnung „Arbeiterregierung“ zu verzichten und sprechen von einer Regierung der Einheitsfront, die ihrem politischen Charakter nach etwas ganz anderes, prinzipiell anderes ist, als alle sozialdemokratischen Regierungen, die sich „Arbeiterregierungen“ zu nennen pflegen. Während die sozialdemokratische Regierung ein Werkzeug der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie im Interesse der Erhaltung des kapitalistischen Systems darstellt, ist die Regierung der Einheitsfront ein Organ der Zusammenarbeit der revolutionären Avantgarde des Proletariats mit anderen antifaschistischen Parteien im Interesse des gesamten werktätigen Volkes, eine Regierung des Kampfes gegen Faschismus und Reaktion. Es ist klar, daß dies zwei grundverschiedene Dinge sind.
Andererseits betonen wir, daß es notwendig ist, den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Lagern der Sozialdemokratie zu sehen. Wie ich bereits gesagt habe, existiert ein reaktionäres Lager der Sozialdemokratie, es existiert und wächst aber zugleich das Lager der linken Sozialdemokraten (ohne Gänsefüßchen), der sich revolutionierenden Arbeiter. Der entscheidende Unterschied zwischen ihnen in der Praxis besteht in ihrer Haltung gegenüber der Einheitsfront der Arbeiterklasse. Die reaktionären Sozialdemokraten sind gegen die Einheitsfront; sie verleumden die Einheitsfrontbewegung, sabotieren und zersetzen sie, denn die Einheitsfront durchkreuzt ihre Politik des Kompromisses mit der reaktionären Bourgeoisie. Die linken Sozialdemokraten sind für die Einheitsfront; sie verteidigen, entwickeln und stärken die Einheitsfrontbewegung. Da diese Einheitsfrontbewegung eine Kampfbewegung gegen Faschismus und Reaktion ist, wird sie ständig die Triebkraft sein, die die Regierung der Einheitsfront zum Kampfe gegen die reaktionäre Bourgeoisie treibt. Je stärker sich diese Massenbewegung entfalten wird, um so größer wird die Kraft sein, die sie der Regierung zum Kampf gegen die Reaktionäre verleihen kann. Und je besser diese Massenbewegung von unten organisiert sein wird, je umfassender das Netz der überparteilichen Klassenorgane der Einheitsfront in den Betrieben, unter den Erwerbslosen, in den Arbeitervierteln, unter den kleinen Leuten in Stadt und Land sein wird, desto größer werden die Garantien gegen die eventuelle Entartung der Politik der Einheitsfrontregierung sein.
Die dritte Reihe von falschen Ansichten, die in den früheren Debatten zum Ausdruck gekommen waren, betraf gerade die praktische Politik der „Arbeiterregierung“. Die Rechtsopportunisten waren der Ansicht, daß die „Arbeiterregierung“ sich an den „Rahmen der bürgerlichen Demokratie“ halten müsse und folglich keinerlei Schritte unternehmen dürfe, die über diesen Rahmen hinausgehen. Die Ultralinken verzichteten dagegen faktisch auf jedweden Versuch, eine Einheitsfrontregierung zu schaffen.
Im Jahre 1923 konnte man in Sachsen und Thüringen ein anschauliches Bild der rechtsopportunistischen Praxis einer „Arbeiterregierung“ sehen. Der Eintritt der Kommunisten in die sächsische Regierung zusammen mit den linken Sozialdemokraten (Zeigner-Gruppe) war an und für sich kein Fehler, im Gegenteil, dieser Schritt wurde durch die revolutionäre Situation in Deutschland vollauf gerechtfertigt. Aber als die Kommunisten sich an der Regierung beteiligten, hätten sie ihre Positionen vor allem zur Bewaffnung des Proletariats ausnützen müssen. Sie haben das nicht getan. Sie haben nicht einmal eine einzige Wohnung der Reichen beschlagnahmt, obwohl die Wohnungsnot der Arbeiter so groß war, daß viele von ihnen mit Frau und Kind kein Obdach hatten. Sie unternahmen auch nichts, um die revolutionäre Massenbewegung der Arbeiter zu organisieren. Überhaupt verhielten sie sich wie gewöhnliche parlamentarische Minister „im Rahmen der bürgerlichen Demokratie“. Wie bekannt, war das das Resultat der opportunistischen Politik Brandlers und seiner Gesinnungsgenossen. Das Endergebnis war ein solcher Bankrott, daß wir auch heute noch gezwungen sind, die sächsische Regierung als klassisches Beispiel dafür anzuführen, wie sich Revolutionäre in der Regierung nicht verhalten dürfen.
Genossen! Wir verlangen von jeder Einheitsfrontregierung eine ganz andere Politik. Wir verlangen von ihr, daß sie bestimmte, der Situation entsprechende revolutionäre Grundforderungen verwirklicht, so z.B. Produktionskontrolle, Kontrolle über die Banken, Auflösung der Polizei, ihre Ersetzung durch eine bewaffnete Arbeitermiliz usw.
Vor fünfzehn Jahren hat uns Lenin aufgefordert, unsere ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, „Formen des Übergangs oder des Herankommens an die proletarische Revolution ausfindig zu machen“. Möglicherweise wird die Einheitsfrontregierung in einer Reihe von Ländern sich als eine der wichtigsten Übergangsformen erweisen. Die „linken“ Doktrinäre haben sich stets über diesen Hinweis Lenins hinweggesetzt, als beschränkte Propagandisten haben sie immer nur vom „Ziel“ gesprochen, ohne sich je um die „Übergangsformen“ zu kümmern. Die Rechtsopportunisten aber versuchten, ein besonderes „demokratisches Zwischenstadium“ zwischen der Diktatur der Bourgeoisie und der Diktatur des Proletariats herzustellen, um in der Arbeiterschaft die Illusion eines friedlichen parlamentarischen Spazierganges aus der einen Diktatur in die andere zu erwecken. Dieses fiktive „Zwischenstadium“ nannten sie auch „Übergangsform“ und beriefen sich sogar auf Lenin! Aber es war nicht schwer, diesen Schwindel aufzudecken: sprach doch Lenin von einer Form des Übergangs und des Herankommens an die „proletarische Revolution“, d.h. an den Sturz der Diktatur der Bourgeoisie, und nicht von irgendeiner Übergangsform zwischen der Diktatur der Bourgeoisie und der proletarischen Diktatur.
Warum maß Lenin der Form des Übergangs zur proletarischen Revolution eine so außerordentlich große Bedeutung bei? Weil er dabei „das Grundgesetz aller großen Revolutionen“ im Auge hatte, das Gesetz, daß Propaganda und Agitation allein nicht imstande sind, den Massen die eigene politische Erfahrung zu ersetzen, wenn es sich darum handelt, wirklich breite Massen der Werktätigen auf die Seite der revolutionären Vorhut zu bringen, ohne das ein siegreicher Kampf um die Macht nicht möglich ist. Der gewöhnliche Fehler linker Art ist die Vorstellung, daß – sobald eine politische (oder revolutionäre) Krise entstanden ist – es genüge, wenn die kommunistische Führung die Losung des revolutionären Aufstandes aufstellt, damit die breiten Massen dieser Losung Folge leisten. Nein, sogar bei einer solchen Krise sind die Massen bei weitem nicht immer dazu bereit. Wir haben das am Beispiel Spaniens gesehen. Um den Millionenmassen zu helfen, möglichst schnell an Hand der eigenen Erfahrung zu lernen, was sie zu tun haben, wo der entscheidende Ausweg zu finden ist und welche Partei ihr Vertrauen verdient, – dazu sind sowohl Übergangslosungen als auch besondere „Formen des Übergangs oder des Herankommens an die proletarische Revolution“ notwendig. Sonst können die breitesten Volksmassen, die in kleinbürgerlichen demokratischen Illusionen und Traditionen befangen sind, sogar bei einer revolutionären Situation schwanken, zögern und irren, ohne den Weg zur Revolution zu finden, und dann unter die Schläge der faschistischen Henker geraten.
Daher fassen wir die Möglichkeit ins Auge, unter den Bedingungen der politischen Krise eine Regierung der antifaschistischen Einheitsfront zu bilden. Sofern eine solche Regierung wirklich den Kampf gegen die Volksfeinde führen, der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei Aktionsfreiheit einräumen wird, werden wir Kommunisten sie in jeder Weise unterstützen und als Soldaten der Revolution in der vordersten Feuerlinie kämpfen. Wir sagen aber den Massen offen:
Die endgültige Rettung kann diese Regierung nicht bringen. Sie ist nicht imstande, die Klassenherrschaft der Ausbeuter zu stürzen und kann daher auch die Gefahr der faschistischen Konterrevolution nicht endgültig beseitigen. Folglich muß man sich zur sozialistischen Revolution vorbereiten. Die Rettung wird einzig und allein die Sowjetmacht bringen!
Bei Einschätzung der gegenwärtigen Entwicklung der internationalen Situation sehen wir, daß die politische Krise in einer ganzen Reihe von Ländern heranreift. Das bedingt die hohe Aktualität und Wichtigkeit eines festen Beschlusses unseres Kongresses in der Frage der Regierung der Einheitsfront.
Wenn es unsere Parteien verstehen werden, die Möglichkeit der Schaffung einer Regierung der Einheitsfront, den Kampf um ihre Schaffung sowie die Machtausübung einer solchen Regierung für die revolutionäre Vorbereitung der Massen auszunützen, wird das die beste politische Rechtfertigung unseres Kurses auf die Schaffung einer Regierung der Einheitsfront sein.
Eine der schwächsten Seiten des antifaschistischen Kampfes unserer Parteien besteht darin, daß sie ungenügend und nicht rechtzeitig auf die Demagogie des Faschismus reagieren und bis auf den heutigen Tag fortfahren, die Fragen des Kampfes gegen die faschistische Ideologie mit Geringschätzung zu behandeln. Viele Genossen glaubten nicht, daß eine so reaktionäre Abart der bürgerlichen Ideologie, wie die Ideologie des Faschismus, die sich in ihrer Unsinnigkeit häufig bis zum Wahnwitz versteigt, überhaupt fähig ist, Einfluß auf die Massen zu gewinnen. Das war ein großer Fehler. Die weit vorgeschrittene Verwesung des Kapitalismus dringt in das Kernstück seiner Ideologie und Kultur, und die verzweifelte Lage der breiten Volksmassen macht gewisse Schichten für die Ansteckung mit den ideologischen Abfällen dieser Verwesung empfänglich.
Diese Kraft der ideologischen Seuche des Faschismus dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen. Wir müssen im Gegenteil unsererseits einen breiten ideologischen Kampf auf der Grundlage einer klaren, populären Argumentation und eines richtigen, gut durchdachten Herangehens an die Eigenart der nationalen Psychologie der Volksmassen entfalten.
Die Faschisten durchstöbern die ganze Geschichte jedes Volkes, um sich als Nachfolger und Fortsetzer alles Erhabenen und Heldenhaften in seiner Vergangenheit hinzustellen und benützen alles, was die nationalen Gefühle des Volkes erniedrigte und beleidigte, als Waffe gegen die Feinde des Faschismus. In Deutschland werden hunderte Bücher herausgegeben, die nur ein Ziel verfolgen – die Geschichte des deutschen Volkes auf faschistische Art zu verfälschen.
Die neugebackenen nationalsozialistischen Geschichtsschreiber sind bemüht, die Geschichte Deutschlands so darzustellen, als ob kraft irgendeiner „historischen Gesetzmäßigkeit“ sich durch 2.000 Jahre wie ein roter Faden eine Entwicklungslinie hindurchzöge, die zum Erscheinen eines nationalen „Retters“ auf dem historischen Schauplatz, eines „Messias“ des deutschen Volkes, des bekannten „Gefreiten“ österreichischer Abstammung geführt hat! In diesen Büchern werden die größten Männer des deutschen Volkes in der Vergangenheit als Faschisten und die großen Bauernbewegungen als direkte Vorläufer der faschistischen Bewegung hingestellt.
Mussolini bemüht sich krampfhaft, aus der Heldengestalt Garibaldis Kapital zu schlagen. Die französischen Faschisten erheben die Jungfrau von Orleans als ihre Heldin aufs Schild. Die amerikanischen Faschisten appellieren an die Traditionen der amerikanischen Unabhängigkeitskriege, an die Traditionen Washingtons, Lincolns. Die bulgarischen Faschisten nützen die nationale Befreiungsbewegung der siebziger Jahre und die vom Volke geliebten Helden dieser Bewegung Wassil Lewski, Stefan Karadsh u. a. aus.
Kommunisten, die glauben, daß dies alles die Sache der Arbeiterklasse nichts angehe, die nichts tun, um vor den werktätigen Massen die Vergangenheit ihres eigenen Volkes historisch treu, in wirklich marxistischem, leninistisch-marxistischem, im Leninschen-Stalinschen Geiste zu beleuchten, um ihren gegenwärtigen Kampf mit den revolutionären Traditionen ihres Volkes in der Vergangenheit zu verknüpfen, solche Kommunisten überlassen alles, was in der historischen Vergangenheit der Nation wertvoll ist, freiwillig den faschistischen Fälschern zur Verdummung der Volksmassen.
Nein! Genossen! Uns geht jede wichtige Frage nicht nur der Gegenwart und der Zukunft, sondern auch der Vergangenheit unseres eigenen Volkes an. Führen doch wir, Kommunisten, keine enge Politik der zünftlerischen Interessen der Arbeiter. Wir sind keine beschränkten Funktionäre von Trade-Unions oder Führer mittelalterlicher Handwerker- und Gesellengilden. Wir sind Vertreter der Klasseninteressen der wichtigsten, größten Klasse der modernen Gesellschaft, der Arbeiterklasse, die berufen ist, die Menschheit von den Qualen des kapitalistischen Systems zu befreien, der Arbeiterklasse, die schon auf einem Sechstel der Erde das Joch des Kapitalismus niedergeworfen hat und die regierende Klasse ist. Wir verteidigen die Lebensinteressen aller ausgebeuteten werktätigen Schichten, d.h. der überwältigenden Mehrheit des Volkes in jedem kapitalistischen Land.
Wir Kommunisten sind unversöhnliche grundsätzliche Gegner des bürgerlichen Nationalismus in allen seinen Spielarten. Wir sind aber keine Anhänger des nationalen Nihilismus und dürfen niemals als solche auftreten. Die Aufgabe der Erziehung der Arbeiter und aller Werktätigen im Geiste des proletarischen Internationalismus ist eine der grundlegenden Aufgaben jeder kommunistischen Partei. Aber derjenige, der glaubt, daß ihm dies gestatte oder ihn gar veranlasse, alle nationalen Gefühle der breiten werktätigen Massen zu mißachten, der ist vom wirklichen Bolschewismus weit entfernt, hat von der Lehre Lenins und Stalins über die nationale Frage nichts verstanden.
Lenin, der stets entschieden und konsequent gegen den bürgerlichen Nationalismus gekämpft hat, gab uns ein Beispiel der richtigen Behandlung der Frage nach den nationalen Gefühlen in seinem Artikel Über den nationalen Stolz der Großrussen im Jahre 1914. Er schrieb:
Ist denn uns großrussischen klassenbewußten Proletariern das Gefühl des nationalen Stolzes fremd? Gewiß nicht! Wir lieben unsere Sprache und unsere Heimat, wir wirken am meisten dafür, daß ihre werktätigen Massen (d.h. neun Zehntel ihrer Bevölkerung) zu bewußten demokratischen und sozialistischen Leben erhoben werden. Es schmerzt uns am meisten, zu sehen und zu fühlen, welchen Gewalttaten, welcher Unterdrückung, welcher Verhöhnung die Zarenschergen, Gutsbesitzer und Kapitalisten unsere schöne Heimat unterwerfen. Wir sind stolz darauf, daß diese Gewalttaten aus unserer Mitte, aus dem Lager der Großrussen Widerstand hervorgerufen haben, daß aus diesem Lager Radischtschew, die Dekabristen, die kleinbürgerlichen Revolutionäre der 70er Jahre hervorgegangen sind, daß die großrussische Arbeiterklasse im Jahre 1905 eine mächtige revolutionäre Massenpartei geschaffen hat ...
Wir sind vom Gefühl des nationalen Stolzes erfüllt, denn die großrussische Nation hat gleichfalls eine revolutionäre Klasse hervorgebracht, hat gleichfalls bewiesen, daß sie imstande ist, der Menschheit gewaltige Vorbilder des Kampfes für Freiheit und Sozialismus zu geben und nicht nur gewaltige Pogrome, Galgenreihen, Folterkammern, gewaltige Hungersnöte und gewaltige Kriecherei vor den Popen, den Zaren, den Gutsbesitzern und Kapitalisten.
Wir sind vom Gefühl des nationalen Stolzes erfüllt, und gerade deshalb hassen wir ganz besonders unsere sklavische Vergangenheit ... und unsere sklavische Gegenwart, in der dieselben Gutsbesitzer, unterstützt von den Kapitallisten, uns in den Krieg führen, um Polen und die Ukraine zu erdrosseln, um die demokratische Bewegung in Persien und China zu erdrücken, um die unsere großrussische nationale Würde schändende Bande der Romanow, Bobrinski, Purischkewitsch zu stärken. [2]
So schrieb Lenin über den nationalen Stolz.
Ich glaube, Genossen, daß ich im Leipziger Prozeß nicht unrichtig gehandelt habe, als ich beim Versuch der Faschisten, das bulgarische Volk als ein barbarisches Volk zu beschimpfen, die nationale Ehre der werktätigen Massen des bulgarischen Volkes verteidigt habe, die hingebungsvoll gegen die faschistischen Usurpatoren, diese wirklichen Barbaren und Wilden kämpfen (stürmischer und anhaltender Beifall), und als ich erklärte, daß ich keinen Grund habe, mich dessen zu schämen, daß ich Bulgare bin, im Gegenteil, stolz darauf bin, ein Sohn der heroischen bulgarischen Arbeiterklasse zu sein.
Genossen! Der proletarische Internationalismus muß sich in jedem Lande sozusagen „akklimatisieren“, um auf heimatlichem Boden tiefe Wurzeln zu fassen. Die nationalen Formen des proletarischen Klassenkampfes und der Arbeiterbewegung der einzelnen Länder widersprechen nicht dem proletarischen Internationalismus, im Gegenteil, gerade in diesen Formen kann man auch die internationalen Interessen des Proletariats erfolgreich verteidigen.
Natürlich muß man überall und in allen Fällen den Massen aufzeigen und konkret beweisen, daß die faschistische Bourgeoisie unter dem Vorwand der Verteidigung der gesamtnationalen Interessen ihre egoistische Politik der Unterdrückung und Ausbeutung des eigenen Volkes, sowie der Ausplünderung und Versklavung anderer Völker betreibt. Man darf sich aber nicht darauf beschränken. Man muß gleichzeitig durch den Kampf der Arbeiterklasse und durch Aktionen der kommunistischen Parteien zeigen, daß das Proletariat, das sich gegen jede Knechtschaft und gegen jede nationale Unterdrückung auflehnt, der einzige wirkliche Kämpfer für die nationale Freiheit und Unabhängigkeit des Volkes ist.
Die Interessen des Klassenkampfes des Proletariats gegen die vaterländischen Ausbeuter und Unterdrücker widersprechen nicht den Interessen einer freien und glücklichen Zukunft der Nation. Im Gegenteil: die sozialistische Revolution wird die Rettung der Nation bedeuten und ihr den Weg zu höherem Aufstieg eröffnen. Dadurch, daß die Arbeiterklasse gegenwärtig ihre Klassenorganisationen aufbaut und ihre Positionen festigt, daß sie die demokratischen Rechte und Freiheiten gegen den Faschismus verteidigt, daß sie für den Sturz des Kapitalismus kämpft, schon dadurch kämpft sie für diese Zukunft der Nation.
Das revolutionäre Proletariat kämpft für die Rettung der Kultur des Volkes, für ihre Befreiung von den Fesseln des verwesenden Monopolkapitals, von dem barbarischen Faschismus, der sie vergewaltigt. Nur die proletarische Revolution kann den Untergang der Kultur abwenden, die Kultur zur höchsten Blüte bringen als wirkliche Volkskultur, national der Form und sozialistisch dem Inhalt nach, was vor unseren Augen unter der Führung Stalins in der Sowjetunion geschieht.
Der proletarische Internationalismus widerspricht nicht nur nicht diesem Kampfe der Werktätigen der einzelnen Länder für nationale, soziale und kulturelle Freiheit, sondern sichert auch durch die internationale proletarische Solidarität und Kampfeinheit die Unterstützung, die für den Sieg in diesem Kampfe notwendig ist. Nur im engsten Bündnis mit dem siegreichen Proletariat der großen Sowjetunion kann die Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder siegen. Nur im gemeinsamen Kampfe mit dem Proletariat der imperialistischen Länder können die Kolonialvölker und unterdrückten nationalen Minderheiten ihre Befreiung erkämpfen. Nur über das revolutionäre Bündnis der Arbeiterklasse der imperialistischen Länder mit der nationalen Befreiungsbewegung der Kolonien und abhängigen Länder führt der Weg des Sieges der proletarischen Revolution in den imperialistischen Ländern, denn, lehrte uns Marx, „ein Volk, das andere Völker unterdrückt, kann nicht frei sein“.
Die Kommunisten, die einer unterdrückten, abhängigen Nation angehören, können nicht mit Erfolg gegen den Chauvinismus in den Reihen ihrer Nation auftreten, wenn sie nicht gleichzeitig in der Praxis der Massenbewegung zeigen, daß sie in der Tat für die Befreiung ihrer Nation vom fremdländischen Joch kämpfen. Andererseits können wieder Kommunisten der Unterdrückernation nicht das tun, was zur Erziehung der werktätigen Massen ihrer Nation im Geiste des Internationalismus notwendig ist, wenn sie keinen entschiedenen Kampf gegen die Unterdrückungspolitik der „eigenen“ Bourgeoisie, für das volle Selbstbestimmungsrecht der von ihr versklavten Nationen führen. Wenn sie das nicht tun, dann erleichtern sie auch der unterdrückten Nation nicht die Überwindung ihrer nationalistischen Vorurteile.
Nur wenn wir in diesem Geiste auftreten werden, wenn wir in unserer ganzen Massenarbeit überzeugend beweisen werden, daß wir sowohl vom nationalen Nihilismus als auch vom bürgerlichen Nationalismus gleichermaßen frei sind, nur in diesem Falle werden wir einen wirklich erfolgreichen Kampf gegen die chauvinistische Demagogie der Faschisten führen können.
Daher ist die richtige und konkrete Anwendung der Leninschen-Stalinschen Nationalitätenpolitik von so ungeheurer Wichtigkeit. Das ist eine unerläßliche Voraussetzung für den erfolgreichen Kampf gegen den Chauvinismus, dieses Hauptwerkzeug der ideologischen Einwirkung der Faschisten auf die Massen.
1. Stalin, Probleme des Leninismus, 1. Folge, S.179f.
2. Lenin, Sämtl. Werke, Bd.XVIII, S.104f.
Zuletzt aktualisiert am 16.10.2003