Georgi Dimitroff

 

Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale

 

II. Die Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen den Faschismus

(Teil 1)

Genossen! Millionen von Arbeitern und Werktätigen in den kapitalistischen Ländern fragen: wie kann man verhindern, daß der Faschismus an die Macht gelangt, und wie kann man den Faschismus stürzen, wenn er gesiegt hat? Die Kommunistische Internationale antwortet: das erste, was gemacht werden muß, womit man beginnen muß, ist die Schaffung der Einheitsfront, die Herstellung der Aktionseinheit der Arbeiter in jedem Betrieb, in jedem Bezirk, in jedem Gebiet, in jedem Lande, in der ganzen Welt. Die Aktionseinheit des Proletariats im nationalen und internationalen Maßstab ist die mächtige Waffe, die die Arbeiterklasse nicht nur zur erfolgreichen Verteidigung, sondern auch zur erfolgreichen Gegenoffensive gegen den Faschismus, gegen den Klassenfeind fähig macht.

 

 

Die Bedeutung der Einheitsfront

Ist es nicht klar, daß gemeinsame Aktionen der Anhänger der Parteien und Organisationen der zwei Internationalen – der Kommunistischen Internationale und der II. Internationale – den Massen die Abwehr des faschistischen Ansturms erleichtern und das politische Gewicht der Arbeiterklasse erhöhen würden?

Gemeinsame Aktionen der Parteien der beiden Internationalen gegen den Faschismus würden jedoch nicht nur einen Einfluß auf ihre gegenwärtigen Anhänger, auf die Kommunisten und die Sozialdemokraten haben, sie würden auch einen mächtigen Einfluß auf die Reihen der christlichen, anarchistischen und unorganisierten Arbeiter ausüben, sogar auf diejenigen, die vorübergehend ein Opfer der faschistischen Demagogie geworden sind.

Ja noch mehr. Die machtvolle Einheitsfront des Proletariats würde einen ungeheuren Einfluß auf alle anderen Schichten des werktätigen Volkes ausüben, auf die Bauernschaft, auf das städtische Kleinbürgertum, auf die Intellektuellen. Die Einheitsfront Würde den schwankenden Schichten den Glauben an die Kräfte der Arbeiterklasse geben.

Aber auch das ist noch nicht alles. Das Proletariat der imperialistischen Länder hat potentielle Verbündete nicht nur in den Werktätigen des eigenen Landes, sondern auch in den unterdrückten Völkern der Kolonien und Halbkolonien. Die Tatsache, daß das Proletariat im nationalen und Internationalen Maßstab gespalten ist, daß einer seiner Teile die Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie und namentlich ihr Unterdrückungsregime in den Kolonien und Halbkolonien unterstützt, stößt die unterdrückten Völker der Kolonien und Halbkolonien von der Arbeiterklasse ab und schwächt die internationale antiimperialistische Front. Jeder Schritt auf dem Wege zur Aktionseinheit, der auf die Unterstützung des Befreiungskampfes der Kolonialvölker durch das Proletariat der imperialistischen Mutterländer gerichtet ist, bedeutet die Verwandlung der Kolonien und Halbkolonien in eine der Hauptreserven des Weltproletariats.

Wenn wir schließlich in Betracht ziehen, daß die internationale Aktionseinheit des Proletariats sich auf die ständig wachsende Macht des proletarischen Staates, des Landes des Sozialismus, der Sowjetunion, stützt, so sehen wir, welche breiten Perspektiven die Herstellung der Aktionseinheit des Proletariats im nationalen und internationalen Maßstab eröffnet.

Die Herstellung der Aktionseinheit aller Teile der Arbeiterklasse, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Partei und Organisation, ist notwendig, noch bevor die Mehrheit der Arbeiterklasse sich zum Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für den Sieg der proletarischen Revolution vereinigt haben wird.

Ist es möglich, diese Aktionseinheit des Proletariats in den einzelnen Ländern und in der ganzen Welt zu verwirklichen? Jawohl, es ist möglich, und es ist sofort möglich. Die Kommunistische Internationale stellt für die Aktionseinheit keinerlei Bedingungen, mit Ausnahme einer einzigen, elementaren, für alle Arbeiter annehmbaren Bedingung, und zwar, daß die Aktionseinheit sich gegen den Faschismus, gegen die Offensive des Kapitals, gegen die Kriegsgefahr, gegen den Klassenfeind richtet. Das ist unsere Bedingung.

 

 

Die Hauptargumente der Gegner der Einheitsfront

Welche Einwände können die Gegner der Einheitsfront machen und welche Einwände machen sie?

Die einen sagen: „Die Losung der Einheitsfront ist für die Kommunisten nur ein Manöver.“ Wäre das aber ein Manöver – antworten wir -, dann muß man fragen, warum ihr dieses „kommunistische Manöver“ nicht durch eure ehrliche Beteiligung an der Einheitsfront entlarvt? Wir erklären offen: wir wollen die Aktionseinheit der Arbeiterklasse, damit das Proletariat in seinem Kampfe gegen die Bourgeoisie erstarke, damit es, wenn es heute seine Tagesinteressen gegen das angreifende Kapital, gegen den Faschismus verteidigt, imstande sein soll, morgen die Voraussetzungen für seine endgültige Befreiung zu schaffen.

„Die Kommunisten greifen uns an“ – sagen die anderen. Aber hört doch, wir haben bereits wiederholt erklärt: wir werden niemanden angreifen, weder Personen noch Organisationen, noch Parteien, die für die Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen den Klassenfeind sind. Gleichzeitig aber haben wir im Interesse des Proletariats und seiner Sache die Pflicht, die Personen, Organisationen und Parteien zu kritisieren, die die Aktionseinheit der Arbeiter stören.

„Wir können keine Einheitsfront mit den Kommunisten bilden, weil sie ein anderes Programm haben“ – sagen die Dritten. Aber ihr behauptet doch, daß ihr ein Programm habt, das sich vom Programm der bürgerlichen Parteien unterscheidet. Und das hat euch nicht gehindert und hindert euch nicht daran, Koalitionen mit diesen Parteien zu bilden.

„Die bürgerlich-demokratischen Parteien sind bessere Verbündete gegen den Faschismus als die Kommunisten“ – sagen die Gegner der Einheitsfront und die Verteidigung der Koalition mit der Bourgeoisie. Was zeigt aber die Erfahrung Deutschlands? Dort haben doch die Sozialdemokraten einen Block mit diesen „besseren“ Verbündeten gebildet. Und was sind die Ergebnisse?

„Wenn wir eine Einheitsfront mit den Kommunisten bilden, werden die Kleinbürger Angst vor der ‚roten Gefahr‘ bekommen und zu den Faschisten überlaufen“ – hören wir oft. Bedroht etwa die Einheitsfront die Bauern, die Kleinhändler, die Handwerker, die werktätige Intelligenz? Nein, die Einheitsfront bedroht die Großbourgeoisie, die Finanzmagnaten, die Junker und andere Ausbeuter, deren Regime allen diesen Schichten den völligen Ruin bringt.

„Die Sozialdemokratie ist für die Demokratie, die Kommunisten aber sind für die Diktatur, deshalb können wir mit den Kommunisten keine Einheitsfront bilden“ – sagt eine Reihe von sozialdemokratischen Führern. Aber schlagen wir euch heute etwa eine Einheitsfront zur Proklamierung der Diktatur des Proletariats vor? Das schlagen wir doch einstweilen nicht vor.

„Mögen die Kommunisten die Demokratie anerkennen und für ihre Verteidigung eintreten, dann sind wir zur Einheitsfront bereit.“ Darauf erwidern wir: wir sind Anhänger der Sowjetdemokratie, der Demokratie der Werktätigen, der konsequentesten Demokratie der Welt. Aber wir verteidigen in den kapitalistischen Ländern jeden Fußbreit der bürgerlich-demokratischen Freiheiten, die der Faschismus und die bürgerliche Reaktion angreifen, und werden es auch in Zukunft tun, weil das die Interessen des Klassenkampfes des Proletariats verlangen.

„Aber die kleinen kommunistischen Parteien werden durch ihre Beteiligung an jener Einheitsfront, die von der Labour Party verwirklicht wird, nichts hinzufügen“ – sagen z.B. die Führer der Labour Party in England. Aber erinnert euch, dasselbe haben die österreichischen sozialdemokratischen Führer in bezug auf die kleine österreichische Kommunistische Partei behauptet. Was haben aber die Ereignisse gezeigt? Nicht die österreichische Sozialdemokratie mit Otto Bauer und Karl Renner an der Spitze behielt recht, sondern die kleine österreichische Kommunistische Partei, die die faschistische Gefahr in Österreich rechtzeitig signalisierte und die Arbeiter zum Kampf rief. Die ganze Erfahrung der Arbeiterbewegung hat doch gezeigt, daß die Kommunisten, sogar wenn sie zahlenmäßig relativ schwach sind, der Motor der Kampfaktivität des Proletariats sind. Außerdem darf man nicht vergessen, daß die kommunistischen Parteien Österreichs oder Englands nicht nur die zehntausende Arbeiter repräsentieren, die Anhänger dieser Parteien sind, sie sind Teile der internationalen kommunistischen Bewegung, sie sind Sektionen der Kommunistischen Internationale, deren führende Partei die Partei eines Proletariats ist, das bereits gesiegt hat und auf einem Sechstel der Erde regiert.

„Aber die Einheitsfront hat den Sieg des Faschismus im Saargebiet nicht verhindern können“ – wenden die Gegner der Einheitsfront ein. Eine merkwürdige Logik haben diese Herrschaften! Erst tun sie alles, um den Sieg des Faschismus sicherzustellen, und dann behaupten sie schadenfroh, daß die Einheitsfront, zu der sie sich im allerletzten Augenblick herbeigelassen haben, nicht zum Sieg der Arbeiter geführt habe.

„Wollten wir eine Einheitsfront mit den Kommunisten bilden, so würden wir aus der Koalition austreten müssen, und in die Regierung würden die reaktionären und faschistischen Parteien eintreten“ – sagen die sozialdemokratischen Führer, die in den Regierungen der verschiedenen Länder sitzen. Nun gut. Hat die deutsche Sozialdemokratie einer Koalitionsregierung angehört? Jawohl! Hat die österreichische Sozialdemokratie der Regierung angehört? Ebenfalls! Waren die spanischen Sozialisten in einer Regierung mit der Bourgeoisie? Jawohl, auch sie! Hat in diesen Ländern die Beteiligung der Sozialdemokratie an den bürgerlichen Koalitionsregierungen den Überfall des Faschismus auf das Proletariat verhindert? Nein, das hat ihn nicht verhindert. Also ist es sonnenklar, daß die Beteiligung sozialdemokratischer Minister an einer bürgerlichen Regierung keinen Schutzwall gegen den Faschismus bildet.

„Die Kommunisten handeln diktatorisch, sie wollen uns alles vorschreiben und diktieren.“ Nein. Wir schreiben nichts vor und diktieren nichts. Wir machen nur unsere Vorschläge, von denen wir überzeugt sind, daß ihre Verwirklichung im Interesse des werktätigen Volkes liegt. Das ist nicht nur ein Recht, sondern auch die Pflicht aller, die im Namen der Arbeiter auftreten. Ihr fürchtet eine „Diktatur“ der Kommunisten? Dann laßt uns gemeinsam alle Vorschläge den Arbeitern vorlegen, eure und unsere, alle gemeinsam durchberaten zusammen mit allen Arbeitern und diejenigen Vorschläge auswählen, die für die Sache der Arbeiterklasse am nützlichsten sind.

Also, alle diese Argumente gegen die Einheitsfront halten keinerlei Kritik stand. Das sind eher Ausreden der reaktionären Führer der Sozialdemokratie, die ihre Einheitsfront mit der Bourgeoisie der Einheitsfront des Proletariats vorziehen.

Nein! Diese Ausreden gelten nicht! Das internationale Proletariat hat die Folgen der Spaltung der Arbeiterbewegung ausgekostet und überzeugt sich immer mehr davon, daß die Einheitsfront, die Aktionseinheit des Proletariats im nationalen und internationalen Maßstab notwendig und durchaus möglich sind. (Beifall.)

 

 

Inhalt und Formen der Einheitsfront

Was ist und was muß der Hauptinhalt der Einheitsfront in der gegebenen Etappe sein? Die Verteidigung der unmittelbaren wirtschaftlichen und politischen Interessen der Arbeiterklasse, die Verteidigung der Arbeiterklasse gegen den Faschismus muß der Ausgangspunkt und der Hauptinhalt der Einheitsfront in allen kapitalistischen Ländern sein.

Wir dürfen uns nicht mit bloßen Aufrufen zum Kampf für die proletarische Diktatur begnügen, sondern müssen solche Losungen und Kampfformen ausfindig machen und vorschlagen, die sich aus den Lebensbedürfnissen der Massen, aus dem Grad ihrer Kampffähigkeit in der jeweiligen Entwicklungsetappe ergeben.

Wir müssen den Massen zeigen, was sie heute tun müssen, um sich vor der kapitalistischen Ausplünderung und der faschistischen Barbarei zu schützen.

Wir müssen uns dafür einsetzen, daß die breiteste Einheitsfront hergestellt wird durch gemeinsame Aktionen der Arbeiterorganisationen der verschiedenen Richtungen zum Schutz der Lebensinteressen der werktätigen Massen. Das bedeutet erstens den gemeinsamen Kampf für die wirkliche Abwälzung der Folgen der Krise auf die Schultern der herrschenden Klassen, auf die Schultern der Kapitalisten, der Grundherren, mit einem Wort, auf die Schultern der Reichen.

Das bedeutet zweitens den gemeinsamen Kampf gegen alle Formen der faschistischen Offensive, für die Verteidigung der Errungenschaften und der Rechte der Werktätigen, gegen die Beseitigung der bürgerlich-demokratischen Freiheiten.

Das bedeutet drittens den gemeinsamen Kampf gegen die herannahende Gefahr eines imperialistischen Krieges, einen Kampf, der die Vorbereitung dieses Krieges erschweren würde.

Wir müssen unermüdlich die Arbeiterklasse auf den raschen Wechsel der Formen und Methoden des Kampfes bei Veränderung der Verhältnisse vorbereiten. In dem Maße, wie die Bewegung wächst und die Einheit der Arbeiterklasse sich verstärkt, müssen wir weitergehen und den Übergang von der Verteidigung zum Angriff gegen das Kapital vorbereiten und auf die Organisierung des politischen Massenstreiks hinsteuern. Dabei muß die unbedingte Voraussetzung eines solchen Streiks sein, daß die ausschlaggebenden Gewerkschaften des gegebenen Landes in diesen Streik hineingezogen werden.

Natürlich können und dürfen die Kommunisten keinen Augenblick auf ihre selbständige Arbeit zur kommunistischen Aufklärung, Organisierung und Mobilisierung der Massen verzichten. Um jedoch den Arbeitern den Weg zur Aktionseinheit zu sichern, muß man gleichzeitig sowohl kurzfristige als auch langfristige Abkommen über gemeinsame Aktionen mit sozialdemokratischen Parteien, reformistischen Gewerkschaften und anderen Organisationen der Werktätigen gegen die Klassenfeinde des Proletariats anstreben. Die Hauptaufmerksamkeit wird man dabei auf die Entfaltung von Massenaktionen in den einzelnen Orten lenken müssen, die von den unteren Organisationen auf Grund von örtlichen Abkommen durchgeführt werden.

Indem wir die Bedingungen aller mit ihnen geschlossenen Abkommen loyal erfüllen, werden wir rücksichtslos jegliche Sabotage der gemeinsamen Aktionen durch Personen und Organisationen, die an der Einheitsfront teilnehmen, entlarven. Alle Versuche, Abkommen zu sprengen, und solche Versuche werden möglicherweise unternommen werden, werden wir dadurch beantworten, daß wir uns an die Massen wenden und den unermüdlichen Kampf für die Wiederherstellung der gestörten Aktionseinheit fortsetzen werden.

Natürlich wird die konkrete Verwirklichung der Einheitsfront in verschiedenen Ländern auf verschiedene Weise vor sich gehen, verschiedene Formen annehmen, je nach dem Zustand und dem Charakter der Arbeiterorganisationen, ihrem politischen Niveau, der konkreten Situation in dem jeweiligen Lande, je nach den Verschiebungen in der internationalen Arbeiterbewegung usw.

Solche Formen können z.B. sein: vereinbarte gemeinsame Aktionen der Arbeiter von Fall zu Fall aus konkreten Anlässen, für einzelne Forderungen oder auch auf Grund einer gemeinsamen Plattform; vereinbarte Aktionen in einzelnen Betrieben oder Industriezweigen; vereinbarte Aktionen im örtlichen, Gebiets-, Landes- oder internationalen Maßstab; vereinbarte Aktionen zur Organisierung der Wirtschaftskämpfe der Arbeiter, zur Durchführung politischer Massenaktionen, zur Organisierung eines gemeinsamen Selbstschutzes gegen faschistische Überfälle; vereinbarte Aktionen zur Unterstützung der Gefangenen und ihrer Familien, zum Kampf gegen die soziale Reaktion; gemeinsame Aktionen zur Verteidigung der Interessen der Jugend und der Frauen; auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens, der Kultur, des Sports usw. usw.

Es wäre jedoch ungenügend, wollte man sich nur mit dem Abschluß eines Pakts über gemeinsame Aktionen und mit der Schaffung von Kontaktkommissionen aus den an der Einheitsfront beteiligten Parteien und Organisationen zufrieden geben, wie wir sie z.B. in Frankreich haben. Das ist nur der erste Schritt. Ein Pakt ist ein Hilfsmittel zur Durchführung gemeinsamer Aktionen, aber er ist an und für sich noch nicht die Einheitsfront. Eine Kontaktkommission zwischen den Leitungen der Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Partei ist notwendig, um die Durchführung gemeinsamer Aktionen zu erleichtern, jedoch genügt sie an sich bei weitem noch nicht zur wirklichen Entfaltung der Einheitsfront, zur Hineinziehung der breitesten Massen in den Kampf gegen den Faschismus.

Die Kommunisten und alle revolutionären Arbeiter müssen sich dafür einsetzen, daß wählbare (in den Ländern der faschistischen Diktatur aus den angesehensten Teilnehmern der Einheitsfrontbewegung zusammengesetzte) überparteiliche Klassenorgane der Einheitsfront in den Betrieben, unter den Erwerbslosen, in den Arbeiterbezirken, unter den kleinen Leuten in den Städten und auf dem Lande gebildet werden. Nur solche Organe können durch die Einheitsfrontbewegung auch die riesige unorganisierte Masse der Werktätigen erfassen, können die Entwicklung der Initiative der Massen im Kampfe gegen die Offensive des Kapitals, gegen Faschismus und Reaktion und auf dieser Grundlage auch die Schaffung eines notwendigen breiten Arbeiterfunktionärkörpers der Einheitsfront, die Erziehung von Hunderten und Tausenden parteilosen Bolschewiki in den kapitalistischen Ländern fördern.

Die gemeinsamen Aktionen der organisierten Arbeiter sind der Beginn, die Grundlage. Doch dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, daß die überwiegende Mehrzahl der Arbeiter die unorganisierten Massen bilden. So beträgt in Frankreich die Zahl der organisierten Arbeiter, der Kommunisten, der Sozialisten, der Mitglieder von Gewerkschaften verschiedener Richtungen – insgesamt ungefähr eine Million, die Gesamtzahl der Arbeiter aber beträgt 11 Millionen. In England gehören den Gewerkschaften und den Parteien aller Richtungen ungefähr 5 Millionen an. Dabei beträgt die Gesamtzahl der Arbeiter 14 Millionen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gibt es ungefähr 5 Millionen organisierte Arbeiter, die Gesamtzahl der Arbeiter beträgt dort aber 38 Millionen. Ungefähr dasselbe Verhältnis besteht auch in einer Reihe anderer Länder. In „normalen“ Zeiten steht diese Masse im wesentlichen außerhalb des politischen Lebens. Gegenwärtig aber gerät diese gewaltige Masse immer mehr in Bewegung, wird in das politische Leben hineingezogen, betritt die politische Arena.

Die Schaffung von überparteilichen Klassenorganen ist die beste Form der Herstellung, Erweiterung und Stärkung der Einheitsfront in den Tiefen der breitesten Massen. Diese Organe werden auch das beste Bollwerk bilden gegen alle Versuche der Gegner der Einheitsfront, die hergestellte Aktionseinheit der Arbeiterklasse zu stören.

 

 

Über die antifaschistische Volksfront

Bei der Mobilisierung der werktätigen Massen zum Kampf gegen den Faschismus ist die Schaffung einer breiten antifaschistischen Volksfront auf der Grundlage der proletarischen Einheitsfront eine besonders wichtige Aufgabe. Der Erfolg des gesamten Kampfes des Proletariats ist eng verbunden mit der Herstellung des Kampfbündnisses des Proletariats mit der werktätigen Bauernschaft und der Hauptmasse des städtischen Kleinbürgertums, das die Mehrheit der Bevölkerung sogar in den industriell entwickelten Ländern bildet.

Der Faschismus, der diese Massen gewinnen will, versucht in seiner Agitation, die arbeitenden Massen in Stadt und Land dem revolutionären Proletariat entgegenzustellen und den Kleinbürger mit dem Gespenst der „roten Gefahr“ zu schrecken. Wir müssen den Spieß umdrehen und den werktätigen Bauern, den Handwerkern sowie der werktätigen Intelligenz zeigen, woher ihnen die wirkliche Gefahr droht: wir müssen ihnen konkret zeigen, wer dem Bauern die Last der Steuern und Abgaben aufbürdet, aus ihm Wucherzinsen herauspreßt; wer selbst den besten Boden und alle Reichtümer besitzt, aber den Bauern und seine Familie von seiner Scholle vertreibt und ihn der Arbeitslosigkeit und dem Elend preisgibt. Wir müssen konkret aufzeigen, geduldig und beharrlich erklären, wer Handwerker und Gewerbetreibende durch Steuern, Gebühren, hohen Pachtzins und für sie unerträgliche Konkurrenz ruiniert; wer die breiten Massen der werktätigen Intelligenz auf die Straße wirft und arbeitslos macht.

Aber das genügt nicht.

Das Grundlegende, das Entscheidendste, für die Herstellung der antifaschistischen Volksfront ist die entschiedene Aktion des revolutionären Proletariats zur Verteidigung der Forderungen dieser Schichten und insbesondere der werktätigen Bauernschaft, der Forderungen, die den Grundinteressen des Proletariats entsprechen, wobei man im Laufe des Kampfes die Forderungen der Arbeiterklasse mit diesen Forderungen verknüpfen muß.

Von großer Bedeutung für die Schaffung der antifaschistischen Volksfront ist das richtige Herangehen an jene Organisationen und Parteien, denen die werktätige Bauernschaft und die Hauptmassen des städtischen Kleinbürgertums in großer Zahl angehören.

In den kapitalistischen Ländern befinden sich die meisten dieser Parteien und Organisationen – sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen – noch unter dem Einfluß der Bourgeoisie und leisten ihr Gefolgschaft. Die soziale Zusammensetzung dieser Parteien und Organisationen ist nicht einheitlich. In ihnen befinden sich reiche Großbauern neben landlosen Bauern, große Geschäftsleute neben kleinen Krämern, aber die Führung in ihnen gehört den ersten, den Agenten des Großkapitals. Das verpflichtet uns, an diese Organisationen in verschiedener Weise heranzutreten, zu berücksichtigen, daß die Mitgliedermasse oft das wahre politische Gesicht ihrer eigenen Leitung nicht kennt. Unter bestimmten Umständen können und müssen wir unsere Anstrengungen darauf richten, diese Parteien und Organisationen oder einzelne Teile von ihnen trotz ihrer bürgerlichen Leitung für die antifaschistische Volksfront zu gewinnen. So steht es z.B. gegenwärtig in Frankreich mit der radikalen Partei, in den Vereinigten Staaten – mit den verschiedenen Farmerorganisationen, in Polen – mit „Stronictwo Ludowe“, in Jugoslawien – mit der kroatischen Bauernpartei, in Bulgarien – mit dem Landwirtebund, in Griechenland – mit den Agraristen usw. Aber unabhängig davon, ob Aussichten auf die Gewinnung solcher Parteien und Organisationen für die Volksfront bestehen, muß unsere Taktik unter allen Uniständen darauf gerichtet sein, die ihnen angehörenden Kleinbauern, Handwerker, Gewerbetreibende usw. in die antifaschistische Volksfront hineinzuziehen.

Ihr seht also, daß wir hier auf der ganzen Linie aufräumen müssen mit der in unserer Praxis nicht selten vorkommenden Ignorierung, Geringschätzung der verschiedenen Organisationen und Parteien der Bauernschaft, der Handwerker und der Massen des städtischen Kleinbürgertums.

 

 

Zentrale Fragen der Einheitsfront in den einzelnen Ländern

In jedem Lande gibt es zentrale Fragen, die in der gegebenen Etappe die breitesten Massen bewegen, für die der Kampf zur Herstellung der Einheitsfront aufgenommen werden muß. Diese zentralen Punkte, diese zentralen Fragen richtig erfassen, heißt die Herstellung der Einheitsfront sichern und beschleunigen.

 

a) Die Vereinigten Staaten von Amerika

Nehmen wir beispielsweise ein so wichtiges Land der kapitalistischen Welt, wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Krise hat hier Millionenmassen in Bewegung gebracht. Das Programm der Sanierung des Kapitalismus hat Schiffbruch erlitten. Ungeheure Massen fangen an, den bürgerlichen Parteien den Rücken zu kehren, und stehen gegenwärtig am Scheideweg.

Der erst in seinen Anfängen steckende amerikanische Faschismus versucht, die Enttäuschung und Unzufriedenheit dieser Massen in eine reaktionäre faschistische Bahn zu lenken. Die Eigenart der Entwicklung des amerikanischen Faschismus besteht darin, daß er im jetzigen Stadium vorwiegend in der Form der Opposition gegen den Faschismus als einer „nichtamerikanischen“, aus dem Auslande importierten Strömung auftritt. Zum Unterschied vom deutschen Faschismus, der mit verfassungsfeindlichen Losungen auftrat, versucht der amerikanische Faschismus, sich als Kämpfer für die Verfassung und die „amerikanische Demokratie“ hinzustellen. Er ist noch keine Kraft, die eine unmittelbare Gefahr bildet. Aber wenn es ihm gelingt, in die breiten, von den alten bürgerlichen Parteien enttäuschten Massen einzudringen, so kann er in der allernächsten Zeit zu einer ernsten Gefahr werden.

Was würde aber der Sieg des Faschismus in den Vereinigten Staaten bedeuten? Für die werktätigen Massen würde er natürlich eine ungeheure Stärkung des Regimes der Ausbeutung und die Zerschlagung der Arbeiterbewegung bedeuten. Und welches wäre die internationale Bedeutung dieses Sieges des Faschismus? Die Vereinigten Staaten sind natürlich weder Ungarn noch Finnland, weder Bulgarien noch Litauen. Der Sieg des Faschismus in den Vereinigten Staaten würde die ganze internationale Lage sehr wesentlich ändern.

Kann sich das amerikanische Proletariat unter diesen Umständen allein mit der Organisierung seiner klassenbewußten Avantgarde zufrieden geben, die bereit ist, den revolutionären Weg zu gehen? Nein.

Es ist ganz offensichtlich, daß die Interessen des amerikanischen Proletariats es erfordern, daß alle seine Kräfte unverzüglich von den kapitalistischen Parteien abrücken. Es muß Wege und geeignete Formen finden, um rechtzeitig zu verhindern, daß der Faschismus die unzufriedenen breiten Massen der Werktätigen an sich zieht. Und hier müssen wir sagen: die Schaffung einer Massenpartei der Werktätigen, einer „Arbeiter- und Farmerpartei“ könnte eine solche geeignete Form unter den amerikanischen Verhältnissen sein. Eine solche Partei wäre eine spezifische Form der Volksfront der Massen in Amerika, eine Front, die man den Parteien der Trusts und der Banken sowie dem anwachsenden Faschismus entgegenstellen muß. Eine solche Partei wäre natürlich weder eine sozialistische noch eine kommunistische Partei. Aber sie muß eine antifaschistische und darf keine antikommunistische Partei sein. Das Programm dieser Partei muß gegen die Banken, die Trusts und Monopole, gegen die Hauptfeinde des Volkes, die mit seinen Nöten spekulieren, gerichtet sein. Eine solche Partei kann ihrer Bestimmung nur dann entsprechen, wenn sie sich für die dringendsten Forderungen der Arbeiterklasse einsetzen, wenn sie für eine wirkliche Sozialgesetzgebung, für die Arbeitslosenversicherung kämpfen wird; wenn sie dafür kämpfen wird, daß die weißen und schwarzen Halbpächter Land bekommen und von der Schuldenlast befreit werden; wenn sie sich für die Annullierung der Verschuldung der Farmer einsetzen wird; wenn sie für die Gleichberechtigung der Neger, für die Verteidigung der Forderungen der Kriegsteilnehmer, für die Verteidigung der Interessen der Vertreter der freien Berufe, der kleinen Geschäftsleute und Handwerker kämpfen wird. Und so weiter.

Es versteht sich von selbst, daß eine solche Partei für die Entsendung ihrer Vertreter in die lokalen Selbstverwaltungen, in die repräsentativen Körperschaften der einzelnen Bundesstaaten sowie in den Kongreß und in den Senat kämpfen wird.

Unsere Genossen in den Vereinigten Staaten haben richtig gehandelt, als sie die Initiative zur Schaffung einer solchen Partei ergriffen. Aber sie werden noch wirksame Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Schaffung einer solchen Partei zur Sache der Massen selbst werde. Die Frage der Schaffung einer „Arbeiter- und Farmerpartei“ und ihr Programm müssen in Massenversammlungen erörtert werden. Es ist notwendig, eine ganz breite Bewegung zur Schaffung dieser Partei zu entfalten und sich an die Spitze dieser Bewegung zu stellen. Man darf auf keinen Fall zulassen, daß die Initiative der Organisierung der Partei in die Hände derjenigen Elemente übergehe, die die Unzufriedenheit der über beide bürgerlichen Parteien – die demokratische und die reformistische – enttäuschten Millionenmassen ausnutzen wollen, um eine „dritte“ Partei in den Vereinigten Staaten zu schaffen, als antikommunistische Partei, gegen die revolutionäre Bewegung.

 

 

b) England

In England ist die faschistische Organisation Mosleys infolge der Massenaktionen der englischen Arbeiter vorübergehend in den Hintergrund getreten. Aber wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, daß die sogenannte „Nationale Regierung“ eine Reihe von reaktionären Maßnahmen gegen die Arbeiterklasse durchführt, durch die auch in England Verhältnisse geschaffen werden, die nötigenfalls der Bourgeoisie den Übergang zum faschistischen Regime erleichtern. Gegen die faschistische Gefahr in England in der gegenwärtigen Etappe kämpfen, heißt vor allem gegen die „Nationale Regierung“, gegen ihre reaktionären Maßnahmen, gegen die Offensive des Kapitals, für die Verteidigung der Arbeitslosenforderungen, gegen den Lohnabbau, für die Aufhebung aller Gesetze kämpfen, mit deren Hilfe die englische Bourgeoisie das Lebensniveau der Massen herabdrückt.

Aber der wachsende Haß der Arbeiterklasse gegen die „Nationale Regierung“ vereinigt immer breitere Massen unter der Losung der Schaffung einer neuen Labour-Regierung in England. Können die Kommunisten diese Stimmung der breiten Massen, die noch an die Labour-Regierung glauben, außer acht lassen! Nein, Genossen! Wir müssen den Weg zu diesen Massen finden. Wir sagen ihnen offen, wie das der XIII. Parteitag der englischen Kommunistischen Partei sagte: wir Kommunisten sind Anhänger der Sowjetmacht, als der einzigen Macht, die die Arbeiter vom Joch des Kapitals befreien kann. Aber ihr wollt eine Labour-Regierung? Gut, wir kämpften und kämpfen Schulter an Schulter mit euch für die Niederlage der „Nationalen Regierung“. Wir sind bereit, euren Kampf für die Schaffung einer neuen Labour-Regierung zu unterstützen, obwohl beide frühere Labour-Regierungen die von der Labour Party der Arbeiterschaft gegebenen Versprechen nicht erfüllt haben. Wir erwarten von dieser Regierung nicht, daß sie sozialistische Maßnahmen durchführen wird. Aber im Namen von Millionen Arbeitern stellen wir ihr die Forderung, die unmittelbarsten wirtschaftlichen und politischen Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen zu verteidigen. Wir wollen zusammen ein gemeinsames Programm solcher Forderungen erörtern und jene Aktionseinheit verwirklichen , die das Proletariat braucht, um der reaktionären Offensive der „Nationalen Regierung“, der Offensive des Kapitals und des Faschismus, der Vorbereitung des neuen Krieges Widerstand entgegenzusetzen. Die englischen Genossen sind bereit, zusammen mit den Organisationen der Labour Party auf dieser Grundlage bei den bevorstehenden Parlamentswahlen gegen die „Nationale Regierung“ und auch gegen Loyd George aufzutreten, der auf seine Manier versucht, die Massen im Interesse der englischen Bourgeoisie, gegen die Sache der Arbeiterklasse, für sich zu gewinnen.

Diese Haltung der englischen Kommunisten ist richtig. Sie wird ihnen die Herstellung der Einheitsfront des Kampfes mit den Millionenmassen der englischen Gewerkschaften und der Labour Party erleichtern.

Indem die Kommunisten stets in den vordersten Reihen des kämpfenden Proletariats bleiben, den Massen den einzig richtigen Weg – den Weg des Kampfes für den revolutionären Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie und für die Errichtung der Sowjetmacht – zeigen, dürfen sie bei der Festlegung ihrer aktuellen politischen Aufgaben nicht jene notwendigen Etappen der Massenbewegung zu überspringen suchen, in deren Verlauf die arbeitenden Massen ihre Illusionen auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen überwinden und auf die Seite des Kommunismus übergehen.

 

 

Frankreich

Frankreich ist das Land, in dem bekanntlich die Arbeiterklasse dem gesamten internationalen Proletariat ein Beispiel gibt, wie man den Kampf gegen den Faschismus führen muß. Die französische Kommunistische Partei gibt allen Sektionen der Kommunistischen Internationale ein Beispiel dafür, wie man die Einheitsfronttaktik durchführen muß, die sozialistischen Arbeiter geben ein Beispiel dafür, was jetzt die sozialdemokratischen Arbeiter der anderen kapitalistischen Länder im Kampf gegen den Faschismus machen müssen. Die Bedeutung der am 14. Juli dieses Jahres stattgefundenen antifaschistischen Demonstration in Paris, an der sich eine halbe Million Menschen beteiligte, sowie der zahlreichen Demonstrationen in anderen Städten Frankreichs ist gewaltig. Das ist schon nicht bloß eine Einheitsfrontbewegung der Arbeiter, das ist der Beginn einer breiten allgemeinen Volksfront gegen den Faschismus in Frankreich.

Diese Bewegung der Einheitsfront hebt den Glauben der Arbeiterklasse an ihre Kräfte, stärkt in ihr das Bewußtsein ihrer führenden Rolle gegenüber der Bauernschaft, dem städtischen Kleinbürgertum, der Intelligenz; sie erweitert den Einfluß der Kommunistischen Partei in den Arbeitermassen und stärkt somit das Proletariat im Kampf gegen den Faschismus. Diese Bewegung mobilisiert rechtzeitig die Wachsamkeit der Massen gegenüber der faschistischen Gefahr. Sie wird ein zündendes Beispiel für die Entfaltung des antifaschistischen Kampfes in den anderen kapitalistischen Ländern sein und wird aufmunternd auf das von der faschistischen Diktatur niedergehaltene deutsche Proletariat wirken.

Das ist zweifellos ein großer Sieg, aber er entscheidet noch nicht den Ausgang des antifaschistischen Kampfes. Die überwiegende Mehrheit des französischen Volkes ist zweifelsohne gegen den Faschismus. Aber die Bourgeoisie versteht es, mit Hilfe der bewaffneten Macht den Willen der Völker zu vergewaltigen. Die faschistische Bewegung entwickelt sich weiter vollkommen frei, unter aktiver Unterstützung durch das Monopolkapital, den Staatsapparat der Bourgeoisie, den Generalstab der französischen Armee und die reaktionären Führer der katholischen Kirche – dieses Bollwerks einer jeden Reaktion. Die stärkste faschistische Organisation „Feuerkreuzler“ verfügt gegenwärtig über 300.000 bewaffnete Leute, deren Kern 60.000 Reserveoffiziere bilden. Sie hat starke Positionen in der Polizei, in der Gendarmerie, in der Armee, in der Luftflotte, im gesamten Staatsapparat. Die letzten Gemeindewahlen zeigen, daß in Frankreich nicht nur die revolutionären Kräfte, sondern auch die Kräfte des Faschismus zunehmen. Wenn es dem Faschismus gelingt, in die breiten Bauernmassen einzudringen und sich die Unterstützung eines Teiles der Armee bei Neutralität des anderen zu sichern, dann werden die französischen werktätigen Massen den Machtantritt der Faschisten nicht verhindern können. Vergeßt nicht, Genossen, die organisatorische Schwäche der französischen Arbeiterbewegung, die den Erfolg der faschistischen Offensive erleichtert. Es besteht keinerlei Grund für die Arbeiterklasse und alle Antifaschisten in Frankreich, sich mit den erreichten Resultaten zufrieden zu geben.

 

 

Vor welchen Aufgaben steht die Arbeiterklasse Frankreichs?

Erstens: die Einheitsfront nicht nur auf politischem, sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiet herzustellen zur Organisierung des Kampfes gegen die Kapitalsoffensive; durch ihren Druck den Widerstand der Spitzen des reformistischen Gewerkschaftsbundes (CGT) gegen die Einheitsfront zu brechen.

Zweitens: die gewerkschaftliche Einheit in Frankreich herzustellen: Einheitsgewerkschaften auf dem Boden des Klassenkampfes.

Drittens: die breiten Bauernmassen, die Massen des Kleinbürgertums in die antifaschistische Bewegung hineinzuziehen, wobei ihren unmittelbarsten Forderungen ein besonderer Platz im Programm der antifaschistischen Volksfront einzuräumen ist.

Viertens: die organisatorische Verankerung und Erweiterung der begonnenen antifaschistischen Bewegung durch Schaffung von überparteilichen wählbaren Organen der antifaschistischen Volksfront im Massenmaßstab, von Organen, deren Einfluß breitere Massen erfaßt als die jetzt in Frankreich bestehenden Parteien und Organisationen der Werktätigen.

Fünftens: durch ihren Druck die Auflösung und Entwaffnung der faschistischen Organisationen, als Organisationen von Verschwörern gegen die Republik und als Agenten Hitlers in Frankreich, durchzusetzen.

Sechstens: die Säuberung des Staatsapparates, der Armee, der Polizei von den Verschwörern durchzusetzen, die einen faschistischen Umsturz vorbereiten.

Siebentens: Entfaltung des Kampfes gegen die Führer der reaktionären Cliquen der katholischen Kirche als eines der wichtigsten Bollwerke des französischen Faschismus.

Achtens: Verbindung der Armee mit der antifaschistischen Bewegung durch Schaffung von Komitees zum Schutz der Republik und der Verfassung in der Armee gegen diejenigen, die die Armee zu einem verfassungswidrigen Staatsstreich ausnutzen wollen (Beifall); nicht zulassen, daß die reaktionären Kräfte in Frankreich das französisch-sowjetische Bündnis sprengen, das die Sache des Friedens gegen die Aggressivität des deutschen Faschismus verteidigt.

Und wenn die antifaschistische Bewegung in Frankreich zur Schaffung einer Regierung führen sollte, die einen wirklichen Kampf – nicht nur mit Worten, sondern mit Taten – gegen den französischen Faschismus führen wird, die das Programm der Forderungen der antifaschistischen Volksfront durchführen wird, so werden die Kommunisten, die unversöhnliche Feinde einer jeden bürgerlichen Regierung und Anhänger der Sowjetmacht bleiben, angesichts der wachsenden faschistischen Gefahr nichtsdestoweniger bereit sein, eine solche Regierung zu unterstützen.

 

 

Die Einheitsfront und die faschistischen Massenorganisationen

Genossen, der Kampf für die Schaffung der Einheitsfront in den Ländern, wo die Faschisten an der Macht sind, ist wohl das wichtigste Problem, vor dem wir stehen. Dort verläuft dieser Kampf natürlich unter bedeutend schwierigeren Verhältnissen als in den Ländern mit legaler Arbeiterbewegung. Es bestehen nun aber in den faschistischen Ländern alle Voraussetzungen für die Entfaltung einer wirklichen antifaschistischen Volksfront im Kampfe gegen die faschistische Diktatur; denn die sozialdemokratischen, die christlichen und die anderen Arbeiter können z.B. in Deutschland die Notwendigkeit des einheitlichen Kampfes zusammen mit den Kommunisten gegen die faschistische Diktatur unmittelbarer erkennen. Die breiten Schichten des Kleinbürgertums und der Bauernschaft, die bereits die bitteren Früchte der faschistischen Herrschaft gekostet haben, empfinden eine immer größere Unzufriedenheit und Enttäuschung, was ihre Einbeziehung in die antifaschistische Volksfront erleichtert.

In den faschistischen Ländern, insbesondere in Deutschland und Italien, wo der Faschismus es verstanden hat, sich eine Massenbasis zu schaffen, und die Arbeiter und anderen Werktätigen gewaltsam in seine Organisationen hineingetrieben hat, besteht die Hauptaufgabe in der geschickten Verknüpfung des Kampfes gegen die faschistische Diktatur von außen mit ihrer Unterwühlung von innen, in den faschistischen Massenorganisationen und Organen. Man muß entsprechend den konkreten Verhältnissen dieser Länder besondere Methoden und Formen prüfen, sich zu eigen machen und anwenden, die die rascheste Zersetzung der Massenbasis des Faschismus begünstigen und den Sturz der faschistischen Diktatur vorbereiten. Das muß man prüfen, sich zu eigen machen und anwenden, und nicht nur schreien: „Nieder mit Hitler!“, „Nieder mit Mussolini!“. Ja, prüfen, sich zu eigen machen und anwenden.

Das ist eine schwierige und komplizierte Aufgabe. Sie ist um so schwieriger, als unsere Erfahrungen der erfolgreichen Bekämpfung der faschistischen Diktatur äußerst begrenzt sind. Unsere italienischen Genossen kämpfen z.B. schon ungefähr 13 Jahre unter den Verhältnissen der faschistischen Diktatur. Aber es ist ihnen noch immer nicht gelungen, einen wirklichen Massenkampf gegen den Faschismus zu entfalten, und darum konnten sie leider in dieser Beziehung den anderen kommunistischen Parteien der faschistischen Länder wenig mit positiven Erfahrungen helfen.

Die deutschen und italienischen Kommunisten und die Kommunisten anderer faschistischer Länder sowie die Mitglieder der kommunistischen Jugendverbände haben Wunder an Heldentum an den Tag gelegt. Sie brachten und bringen täglich ungeheure Opfer. Vor diesem Heldentum und diesen Opfern neigen wir alle unser Haupt. Aber Heldentum allein genügt nicht. Dieses Heldentum muß verknüpft werden mit der tagtäglichen Arbeit unter den Massen, mit einem solchen konkreten Kampf gegen den Faschismus, daß hier die fühlbarsten Resultate erzielt werden. In unserem Kampf gegen die faschistische Diktatur ist es besonders gefährlich, das Erwünschte für Wirklichkeit zu halten. Man muß von den Tatsachen ausgehen, von der wirklichen konkreten Situation.

Wie ist aber die heutige Wirklichkeit, z.B. in Deutschland?

Unter den Massen wächst die Unzufriedenheit und die Enttäuschung über die Politik der faschistischen Diktatur, was sogar die Form von Teilstreiks und anderen Aktionen annimmt. Trotz aller Bemühungen ist es dem Faschismus nicht gelungen, die Hauptmassen der Arbeiterschaft politisch für sich zu erobern; er verliert und wird in immer größerem Maße sogar seine früheren Anhänger verlieren. Aber wir müssen uns doch darüber Rechenschaft ablegen, daß diejenigen Arbeiter, die von der Möglichkeit des Sturzes der faschistischen Diktatur überzeugt und heute schon bereit sind, aktiv dafür zu kämpfen, einstweilen noch in der Minderheit sind. Das sind wir Kommunisten und der revolutionäre Teil der sozialdemokratischen Arbeiter. Die Mehrheit der Werktätigen dagegen hat einstweilen noch nicht die realen und konkreten Möglichkeiten und Wege des Sturzes dieser Diktatur erkannt und wartet zunächst noch ab. Das muß man berücksichtigen, wenn wir unsere Aufgaben im Kampf gegen den Faschismus in Deutschland festlegen und wenn wir besondere Methoden zum Sturz und zur Erschütterung der faschistischen Diktatur in Deutschland suchen, studieren und anwenden werden.

Um der faschistischen Diktatur einen empfindlichen Stoß zu versetzen, müssen wir ihre verwundbarste Stelle kennen. Wo befindet sich die Achillesferse der faschistischen Diktatur? In ihrer sozialen Basis. Und die ist außerordentlich buntscheckig. Sie umfaßt verschiedene Klassen und verschiedene Schichten der Gesellschaft. Der Faschismus proklamierte sich zum einzigen Repräsentanten aller Klassen und Schichten der Bevölkerung: des Fabrikanten und des Arbeiters, des Millionärs und des Arbeitslosen, des Junkers und des Kleinbauern, des Großkapitalisten und des Handwerkers. Er tut so, als ob er die Interessen aller dieser Schichten, die Interessen der Nation verteidigt. Da aber der Faschismus die Diktatur der Großbourgeoisie ist, so muß er unvermeidlich mit seiner sozialen Massenbasis in Konflikt geraten, um so mehr, als gerade unter der faschistischen Diktatur die Klassengegensätze zwischen der Meute der Finanzmagnaten und der erdrückenden Mehrheit des Volkes am krassesten hervortreten.

Wir können die Massen in den entscheidenden Kampf für den Sturz der faschistischen Diktatur nur dann führen, wenn wir die Arbeiter, die gewaltsam in die faschistischen Organisationen hineingejagt wurden oder aus mangelndem Klassenbewußtsein in sie eingetreten sind, in die elementarsten Bewegungen zum Schutze ihrer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Interessen hineinziehen. Eben darum müssen die Kommunisten als die besten Verteidiger der tagtäglichen Interessen der Mitgliedermasse in diesen Organisationen arbeiten, eingedenk dessen, daß in dem Maße, wie die in diesen Organisationen befindlichen Arbeiter anfangen, immer häufiger Rechte für sich zu fordern und ihre Interessen zu verteidigen, sie unweigerlich mit der faschistischen Diktatur in Konflikt geraten werden.

Auf dem Boden der Verteidigung der dringendsten, in der ersten Zeit der elementarsten Interessen der werktätigen Massen in Stadt und Land, ist es verhältnismäßig leichter, eine gemeinsame Sprache nicht nur mit den aufgeklärten Antifaschisten, sondern auch mit denjenigen Werktätigen zu finden, die noch Anhänger des Faschismus sind, aber über seine Politik enttäuscht und unzufrieden sind, die nörgeln und nach einer Gelegenheit suchen, um ihrer Unzufriedenheit Luft zu machen. Wir müssen uns überhaupt Rechenschaft darüber ablegen, daß unsere ganze Taktik in den Ländern der faschistischen Diktatur einen solchen Charakter tragen muß, daß wir die einfachen Anhänger des Faschismus nicht von uns abstoßen, daß wir sie nicht von neuem in die Arme des Faschismus stoßen, sondern daß wir die Kluft zwischen den faschistischen Spitzen und der Masse der enttäuschten, einfachen Anhänger des Faschismus unter den werktätigen Schichten vertiefen.

Man braucht sich nicht daran zu stoßen, Genossen, wenn Leute, die auf Grund dieser Tagesinteressen mobilisiert wurden, sich entweder für indifferent in der Politik oder sogar für Anhänger des Faschismus halten. Wichtig für uns ist, daß wir sie in die Bewegung hineinziehen, die anfänglich vielleicht noch nicht offen unter den Losungen des Kampfes gegen den Faschismus marschiert, jedoch objektiv bereits eine antifaschistische Bewegung ist, weil sie diese Massen der faschistischen Diktatur entgegenstellt.

Die Erfahrung lehrt uns, daß die Ansicht, es sei in den Ländern der faschistischen Diktatur überhaupt unmöglich, legal oder halblegal aufzutreten, eine schädliche und falsche Ansicht ist. Auf einem derartigen Standpunkt zu beharren, bedeutet in Passivität verfallen, auf die wirkliche Massenarbeit überhaupt verzichten. Allerdings ist es eine schwierige, komplizierte Aufgabe, unter den Verhältnissen der faschistischen Diktatur Formen und Methoden für ein legales oder halblegales Auftreten zu finden. Aber wie in vielen anderen Fragen, wird auch hier der Weg gewiesen durch das Leben selbst und durch die Initiative der Massen selbst, die schon eine Reihe von Beispielen geliefert haben, die wir verallgemeinern, in organisierter und zweckmäßiger Weise anwenden müssen. Man muß mit aller Entschiedenheit mit der Unterschätzung der Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen Schluß machen. Sowohl in Italien als auch in Deutschland und in einer Reihe anderer faschistischer Länder haben unsere Genossen ihre Passivität und häufig in der Praxis sogar ihre direkte Ablehnung der Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen damit bemäntelt, daß sie die Arbeit in den Betrieben der Arbeit in den faschistischen Massenorganisationen entgegenstellten. In Wirklichkeit aber hat gerade diese schematische Gegenüberstellung dazu geführt, daß die Arbeit sowohl in den faschistischen Massenorganisationen als auch in den Betrieben außerordentlich schwach oder manchmal sogar überhaupt nicht geleistet wurde.

Indessen ist es für die Kommunisten in den faschistischen Ländern besonders wichtig, überall dort zu sein, wo die Massen sind. Der Faschismus hat den Arbeitern ihre eigenen legalen Organisationen genommen. Er hat ihnen die faschistischen Organisationen aufgezwungen, und dort befinden sich die Massen – gezwungenermaßen oder zum Teil freiwillig. Diese Massenorganisationen des Faschismus können und müssen unser legales oder halblegales Wirkungsfeld sein, wo wir mit den Massen in Verbindung kommen werden. Sie können und müssen für uns ein legaler oder halblegaler Ausgangspunkt für die Verteidigung der tagtäglichen Interessen der Massen werden. Zur Ausnutzung dieser Möglichkeiten müssen die Kommunisten Wahlposten in den faschistischen Massenorganisationen erobern, um mit den Massen Fühlung zu haben, und sie müssen sich ein- für allemal frei machen von dem Vorurteil, daß eine solche Arbeit sich für einen revolutionären Arbeiter nicht gezieme und unwürdig sei.

In Deutschland besteht z.B. das System der sogenannten „Betriebsvertrauensräte“. Wo aber steht es geschrieben, daß wir in diesen Organisationen den Faschisten das Monopol einräumen müssen? Können wir denn nicht versuchen, die kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen und anderen antifaschistischen Arbeiter in den Betrieben zusammenzufassen, damit sie bei der Abstimmung über die Liste der „Betriebsvertrauensräte“ die offenen Agenten des Unternehmers streichen und andere Kandidaten in die Listen eintragen, die das Vertrauen der Arbeiter besitzen? Die Praxis hat bereits gezeigt, daß das möglich ist.

Lehrt uns denn die Praxis nicht auch, daß man gemeinsam mit den sozialdemokratischen und anderen unzufriedenen Arbeitern von den „Betriebsvertrauensräten“ eine wirkliche Verteidigung der Arbeiterinteressen fordern kann?

Nehmt die „Arbeitsfront“ in Deutschland oder die faschistischen Gewerkschaften in Italien. Kann man denn nicht fordern, daß die Funktionäre der „Arbeitsfront“ gewählt und nicht ernannt werden? Kann man denn nicht darauf bestehen, daß die leitenden Instanzen der Ortsgruppen vor den Mitgliederversammlungen der Organisationen Rechenschaft ablegen? Kann man denn nicht mit diesen Forderungen auf Beschluß der Gruppe sich an den Unternehmer, den „Treuhänder der Arbeit“, an die höheren Instanzen der „Arbeitsfront“ wenden? Das ist möglich unter der Bedingung, daß die revolutionären Arbeiter tatsächlich in der „Arbeitsfront“ arbeiten und Posten in ihr erobern.

Solche Arbeitsmethoden sind möglich und notwendig auch in anderen faschistischen Massenorganisationen, in der Hitlerjugend, in den Sportorganisationen, in der Organisation „Kraft durch Freude“, im Dopo Lavoro in Italien, in den Genossenschaften usw.

Genossen, ihr erinnert euch der alten Sage von der Einnahme Trojas. Troja hatte sich vor dem angreifenden Heer durch unbezwingbare Mauern geschützt. Und das angreifende Heer, das nicht wenig Verluste erlitten hatte, konnte den Sieg nicht erringen, bis es ihm nicht gelang, mit Hilfe des trojanischen Pferdes in das Innere, in das Herz des Feindes einzudringen.

Mir scheint, wir revolutionären Arbeiter dürfen nicht Anstoß daran nehmen, die gleiche Taktik gegenüber unserem faschistischen Feinde anzuwenden, der sich vor dem Volke durch eine lebendige Mauer seiner Mordbuben schützt.

Wer die Notwendigkeit der Anwendung einer solchen Taktik gegenüber dem Faschismus nicht begreift, wer ein solches Vorgehen für „erniedrigend“ hält, der mag ein vortrefflicher Genosse sein, aber er ist, mit Verlaub gesagt, ein Schwätzer und kein Revolutionär; der versteht nicht, die Massen zum Sturz der faschistischen Diktatur zu führen.

Die Massenbewegung der Einheitsfront, die außerhalb und innerhalb der faschistischen Organisationen Deutschlands, Italiens und anderer Länder entsteht, in denen der Faschismus eine Massenbasis hat, die von der Verteidigung der elementarsten Bedürfnisse ausgeht, ihre Formen und Kampflosungen mit der Erweiterung und Steigerung dieses Kampfes wechselt, wird der Sturmbock sein, der die Festung der faschistischen Diktatur, die heute vielen unbezwingbar zu sein scheint, zerstören wird.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.10.2003