Eugen von Böhm-Bawerk

Zum Abschluß des Marxschen Systems

IV. Der Irrtum im Marxschen System; sein Ursprung und seine Verzweigungen

1.

<90> Der Nachweis, daß ein Schriftsteller sich selbst widersprochen hat, kann eine notwendige Etappe, darf aber nie das Endziel einer sachlichen und fruchtbaren Kritik sein. Es ist nur ein vergleichsweise ärmlicher Grad der kritischen Erkenntnis, zu wissen, daß in einem Systeme ein Fehler steckt, der ja denkbarer Weise auch bloß ein zufälllger und persönlicher Fehler des Autors sein könnte. Eine wirkliche Überwindung eines festgefügten Systems ist nicht anders möglich, als wenn es gelingt, haarscharf den Punkt nachzuweisen, an welchem der Irrtum in das System eindrang, und die Bahnen, auf denen er sich darin verbreitete und verzweigte. Man muß den Ausgangspunkt, die Entwickelung und die Katastrophe des Irrtums, die im Selbstwiderspruch gipfelt, so gut und, fast möchte ich sagen: auch als Gegner so mitfühlend verstehen, als man umgekehrt die Zusammenhänge eines Systems, dem man sich hingibt, zu verstehen bemüht ist.

Ganz eigenartig zugespitzte Verhältnisse haben es mit sich gebracht, daß in dem Falle von Marx die Frage des Selbstwiderspruchs eine viel größere Bedeutung erlangt hat, als ihr gewöhnlich zukommt, und dem entsprechend habe auch ich jener Frage einen breiten Raum gewidmet. Gerade einem so bedeutenden und einflußreichen Denker gegenüber dürfen wir uns aber um so weniger dem zweiten, wie ich glaube, auch in diesem Falle sachlich noch fruchtbareren und lehrreicheren Teile der kritischen Aufgabe entziehen.

Beginnen wir mit einer Frage, die uns sofort vor die Hauptsache führt: auf welchem Wege ist Marx zum theoretischen Fundamental- <91> satze seiner Lehre gelangt, zum Satze, daß aller Wert einzig und allein auf verkörperten Arbeitsmengen beruhe?

Daß dieser Satz nicht etwa ein selbstverständliches und daher eines Beweises gar nicht bedürftiges Axiom ist, steht außer Zweifel. Wert und Mühe sind, wie ich schon an einem anderen Orte einmal ausgeführt habe, keineswegs zwei so zusammengehörige Begriffe, daß man unmittelbar von der Einsicht ergriffen werden müsse, daß die Mühe der Grund des Wertes ist. „Daß ich mich um ein Ding geplagt habe, ist eine Tatsache, daß das Ding die Plage auch wert ist, eine zweite, davon verschiedene, und daß beide Tatsachen nicht immer Hand in Hand gehen, ist von der Erfahrung viel zu sicher bekräftigt, als daß darüber irgend ein Zweifel möglich sein könnte. Jede der unzähligen erfolglosen Mühen, die täglich aus technischem Ungeschick oder aus verfehlter Spekulation oder einfach aus Unglück an ein unwertes Resultat verschwendet werden, gibt ein Zeugnis dafür ab. Nicht minder aber auch jeder der zahlreichen Fälle, in denen sich wenig Mühe mit hohem Werte lohnt.“ (22)

Wenn also dennoch für irgend einen Bezirk ein notwendiges und gesetzmäßiges Zusammenstimmen beider Größen behauptet wird, so muß man sich und seinen Lesern von irgend welchen Gründen Rechenschaft geben, welche eine solche Behauptung zu stützen vermögen.

Marx bringt nun auch in seinem System eine Begründung vor. Ich glaube aber, davon überzeugen zu können, daß der eingeschlagene Begründungsweg von Haus aus ein unnatürlicher, der Beschaffenheit des Problems nicht entsprechender war; daß weiter die im System vorgetragene Begründung offenbar nicht diejenige war, mittelst welcher Marx selbst zu seiner Überzeugung gelangte, – sondern daß sie nachträglich als künstlich appretierte Stütze für eine aus anderen Eindrücken geschöpfte vorgefaßte Meinung ersonnen wurde; daß endlich – und das ist das Entscheidenste – die Beweisführung von einer gehäuften Zahl der offenbarsten logischen und methodischen Fehler durchsetzt ist, welche sie jeder Beweiskraft berauben.

Sehen wir genauer zu.

Die Fundamentalthese, welche Marx seinen Lesern zu glauben vorstellt, ist, daß der Tauschwert der Waren – denn nur auf diesen, nicht auf den Gebrauchswert ist seine Analyse gerichtet – Grund und Maß in den in den Waren verkörperten Arbeitsmengen findet.

Nun sind sowohl die Tauschwerte, beziehungsweise die Preise der Waren als auch die Arbeitsquantitäten, die zu ihrer Reproduktion nötig sind, äußerlich hervortretende Größen, welche einer erfahrungsmäßigen Feststellung im großen und ganzen ganz gut zugänglich sind. Es wäre daher für Marx augenscheinlich das Nächstliegende gewesen, zur Überzeugung von einem Satze, dessen Richtig- <92> keit oder Unrichtigkeit sich in den Erfahrungstatsachen ausprägen muß, an die Erfahrung zu appellieren, mit anderen Worten: für seine einem rein empirischen Beweise zugängliche These auch einen rein empirischen Beweis anzutreten. Das tut Marx aber nicht. Man kann dabei nicht einmal sagen, daß er an dieser möglichen und gewiß auch passenden Erkenntnis- und Beweisquelle achtlos vorübergegangen ist. Sondern, wie die Ausführungen seines dritten Bandes dartun, weiß er ganz gut, wie die empirischen Tatsachen beschaffen und daß sie seiner These entgegen sind. Er weiß, daß die Preise der Waren nicht im Verhältnis zu der verkörperten Arbeitsmenge, sondern zu den gesamten, auch noch andere Elemente umschließenden Produktionskosten sich festsetzen. Er ist daher der natürlichsten Probe seiner These gewiß nicht zufällig, sondern in dem klaren Bewußtsein ausgewichen, daß auf diesem Wege sich ein seiner These günstiges Ergebnis nicht erzielen lasse.

Nun gibt es aber noch einen zweiten, für derartige Thesen ebenfalls vollkommen naturgemäßen Beweis- und Überzeugungsgang, nämlich den psychologischen. Man kann nämlich – mit einer in unserer Wissenschaft sehr gebräuchlichen Mischung von Induktion und Deduktion – die Motive erforschen, welche die Leute einerseits bei dem Vollzuge von Tauschgeschäften und der Feststellung der Tauschpreise, andererseits bei ihrer Mitwirkung an der Produktion leiten, und man kann aus der Beschaffenheit dieser Motive Schlüsse auf eine typische Handlungsweise der Leute ziehen, wobei unter anderem denkbarer Weise auch ein Zusammenhang der regelmäßig geforderten und bewilligten Preise mit der zur Hervorbringung der Waren benötigten Arbeitsmenge sich ergeben könnte. Diese Methode ist gerade bei ähnlichen Fragen oft und mit dem besten Erfolge angewendet worden – die übliche Begründung z. B. des Gesetzes von Angebot und Nachfrage, des Produktionskostengesetzes, die Erklärung der Grundrente etc. beruhen darauf – und auch Marx selbst hat sich ihrer, wenigstens im Rohen, gar nicht selten bedient. Nur gerade bei seiner Fundamentalthese geht er ihr wieder aus dem Wege. Obwohl offenbar der behauptete äußerliche Zusammenhang zwischen Tauschwerten und Arbeitsmengen sein volles Verständnis erst durch die Enthüllung der psychologischen Zwischenglieder, die beide verketten, finden könnte, verzichtet er auf die Darlegung dieser inneren Zusammenhänge; er erklärt sogar gelegentlich einmal „die tiefere Analyse“ der „beiden gesellschaftlichen Triebkräfte“ von „Nachfrage und Zufuhr“, die eben auf jene innere Verknüpfung führen würde, für „hier nicht angebracht“ (III. 169) [MEW 25, S. 199], wobei sich das „hier“ zwar zunächst nur auf einen Exkurs über den Einfluß von Nachfrage und Zufuhr auf die Preisgestaltung bezieht, faktisch und praktisch sich aber, soweit eine wirklich „tiefe“ und gründliche Analyse in Frage kommt, auf das ganze Marxsche System und insbesondere auch auf die Fundamentierung seines wichtigsten Grundgedankens erstreckt.

Nun ist aber auch hier wieder etwas Eigentümliches zu bemerken. Marx geht nämlich auch an dieser zweiten möglichen und natürli- <93> chen Erforschungsmethode nicht etwa mit unbefangener Achtlosigkeit vorüber. Er weicht ihr vielmehr abermals geflissentlich und im vollen Bewußtsein dessen aus, was für ein Ergebnis sie bringen und daß dieses seiner These nicht günstig sein würde. Im dritten Bande ruft er nämlich jene in der Produktion und im Tausch wirksamen Antriebe, auf deren „tiefere Analyse“ er hier und sonst verzichtet, unter ihrem groben Sammelnamen „Konkurrenz“ tatsächlich auf und weiß und legt dar, daß diese Antriebe in Wirklichkeit nicht zu einer Anpassung der Preise an die in den Waren verkörperten Arbeitsmengen führen, sondern dieselben im Gegenteile von diesem Maßstabe ab- und einem Niveau zudrängen, welches der Mittätigkeit mindestens eines zweiten, koordinierten Faktors entspricht. Die „Konkurrenz“ ist es ja, die nach Marx die Bildung der berühmten Durchschnittsprofitrate und die „Verwandlung“ der reinen Arbeits-Werte in von ihnen abweichende und eine Portion Durchschnittsprofit umschließende „Produktionspreise“ bewirkt.

Statt nun seine These aus der Erfahrung oder aus ihren wirkenden Motiven empirisch oder psychologisch zu begründen, zieht Marx es vor, einen dritten, für einen derartigen Stoff gewiß etwas seltsamen Beweisgang einzuschlagen: den Weg eines rein logischen Beweises, einer dialektischen Deduktion aus dem Wesen des Tausches heraus.

Marx hat schon beim alten Aristoteles den Gedanken gefunden, daß „der Austausch nicht sein kann ohne die Gleichheit, die Gleichheit aber nicht ohne die Kommensurabilität“ (I. 35) [MEW 23, S. 73 f.]. An diesen Gedanken knüpft er an. Er stellt sich den Austausch zweier Waren unter dem Bilde einer Gleichung vor, folgert, daß in den beiden ausgetauschten und dadurch gleichgestellten Dingen „ein Gemeinsames von derselben Größe“ existieren müsse, und geht darauf aus, dieses Gemeinsame, auf welches die gleichgestellten Dinge als Tauschwerte „reduzierbar“ sein müssen, aufzusuchen (I. 11) [MEW 23, S. 51].

Ich möchte einschaltungsweise bemerken, daß mir schon die erste Voraussetzung, wonach im Austausch zweier Dinge sich eine „Gleichheit“ derselben manifestieren soll, sehr unmodern – woran allerdings am Ende nicht viel liegen würde -‚ aber auch sehr unrealistisch oder, um es gut deutsch zu sagen, unrichtig gedacht zu sein scheint. Wo Gleichheit und genaues Gleichgewicht herrscht, pflegt ja keine Veränderung der bisherigen Ruhelage einzutreten. Wenn daher im Falle des Tausches die Sache damit endet, daß die Waren ihren Besitzer wechseln, so ist das viel eher ein Zeichen dafür, daß irgend eine Ungleichheit oder ein Übergewicht im Spiele war, durch dessen Ausschlag die Veränderung erzwungen wurde – gerade so, wie zwischen den Bestandteilen einander nahegebrachter zusammengesetzter Körper neue chemische Verbindungen eingegangen werden, wenn die „chemische Verwandtschaft“ zu Bestandteilen des angenäherten fremden Körpers eben nicht gerade gleich stark, sondern stärker ist, als zu den Bestandteilen der bisherigen Zusammensetzung. In der Tat ist ja auch die moderne Nationalökono- <94> mie einmütig darin, daß die alte scholastisch-theologische Anschauung von der „Äquivalenz“ der auszutauschenden Werte unzutreffend ist. Aber ich will auf diesen Punkt kein weiteres Gewicht legen und wende mich der kritischen Untersuchung derjenigen logischen und methodischen Operationen zu, durch welche Marx als das gesuchte „Gemeinsame“ die Arbeit herausdestilliert.

Diese Operationen sind es nun, von denen ich schon oben andeutete, daß sie mir den wundesten Punkt der Marxschen Theorie zu bilden scheinen. Sie weisen fast ebensoviele wissenschaftliche Kapitalfehler als Gedankenglieder auf – deren gar nicht wenige sind -‚ und sie tragen handgreifliche Spuren davon, daß sie nachträglich ausgeklügelt und zusammengekünstelt sind, um eine vorgefaßte Meinung als scheinbar natürliches Ergebnis eines wirklichen Forschungsganges hervorkommen zu lassen.

Marx schlägt bei der Suche nach dem für den Tauschwert charakteristischen „Gemeinsamen“ folgendes Verfahren ein. Er läßt die verschiedenen Eigenschaften, welche die im Tausche gleichgesetzten Objekte überhaupt besitzen, Revue passieren, scheidet dann nach der Methode der Ausschließung alle diejenigen, welche die Probe nicht bestehen, aus, bis zuletzt nur noch eine einzige Eigenschaft übrig bleibt. Diese – es ist die Eigenschaft, Arbeitsprodukt zu sein – muß dann die gesuchte gemeinsame Eigenschaft sein.

Dieses Verfahren ist etwas seltsam, aber an sich nicht verwerflich. Es ist gewiß etwas seltsam, wenn man, statt die gemutmaßte charakteristische Eigenschaft positiv auf die Probe zu stellen – was allerdings auf eine der beiden früher besprochenen, von Marx geflissentlich vermiedenen Methoden geführt hätte –, sich die Überzeugung, daß gerade sie die gesuchte Eigenschaft sei, lediglich auf dem negativen Wege verschafft, daß alle übrigen Eigenschaften es nicht sind, eine es aber doch sein müsse. Immerhin kann diese Methode zum erwünschten Ziele führen, wenn sie mit der nötigen Vorsicht und Vollständigkeit gehandhabt wird; d. h. wenn man mit peinlicher Sorgfalt darauf achtet, daß ja alles, was hinein gehört, in das logische Sieb auch wirklich hineingetan und dann bei keinem einzigen Glied, welches im Weg der Durchsiebung ausgeschlossen wird, ein Versehen begangen wird.

Wie geht aber Marx vor?

Er tut von vornherein nur diejenigen tauschwerten Dinge in das Sieb, welche die Eigenschaft besitzen, die er als die „gemeinsame“ schließlich heraussieben will, und läßt alle andersartigen draußen. Er macht es, wie jemand, der dringend wünscht, daß aus der Urne eine weiße Kugel hervorgehen soll, und dieses Ergebnis vorsichtiger Weise dadurch unterstützt, daß er in die Urne keine anderen als weiße Kugeln hineinlegt. Er beschränkt nämlich den Umfang seiner Untersuchung nach der Substanz des Tauschwertes von vornherein auf die „Waren“, wobei er diesen Begriff, ohne ihn just sorgfältig zu definieren, jedenfalls enger als den der „Güter“ <95> faßt und auf Arbeitsprodukte im Gegensatz zu Naturgaben einschränkt. Nun liegt es doch auf der Hand: wenn wirklich der Austausch eine Gleichsetzung bedeutet, die das Vorhandensein eines „Gemeinsamen von gleicher Größe“ voraussetzt, so muß dieses Gemeinsame doch bei allen Gütergattungen zu suchen und zu finden sein, die in Austausch treten; nicht bloß bei Arbeitsprodukten, sondern auch bei Naturgaben, wie Grund und Boden. Holz auf dem Stamm, bei Wasserkräften, Kohlenlagern, Steinbrüchen, Petroleumlagern, Mineralwässern, Goldminen u. dgl. (23). Die tauschwerten Güter, die nicht Arbeitsprodukte sind, bei der Suche nach dem dem Tauschwerte zu Grunde liegenden Gemeinsamen auszuschließen, ist unter diesen Umständen eine methodische Todsünde. Es ist nicht anders, als wenn ein Physiker den Grund einer allen Körpern gemeinsamen Eigenschaft, z. B. der Schwere, aus einer Siebung der Eigenschaften einer einzelnen Gruppe von Körpern, z. B. der durchsichtigen Körper, erforschen wollte, indem er alle den durchsichtigen Körpern gemeinsamen Eigenschaften Revue passieren läßt, von allen übrigen Eigenschaften derselben demonstriert, daß sie der Grund der Schwere nicht sein können, und auf Grund dessen schließlich proklamiert, daß die Durchsichtigkeit die Ursache der Schwere sein müsse!

Die Ausschließung der Naturgaben (die dem Vater des Gedankens von der Gleichsetzung im Austausch, Aristoteles, gewiß nicht in den Sinn gekommen wäre) läßt sich um so weniger rechtfertigen, als manche Naturgaben, wie der Grund und Boden, zu den allerwichtigsten Objekten des Vermögens und Verkehres gehören, und als sich auch durchaus nicht etwa behaupten läßt, daß bei Naturgaben die Tauschwerte sich immer nur ganz zufällig und willkürlich feststellen. Einerseits kommen Zufallspreise auch bei Arbeitsprodukten vor, und andererseits weisen die Preise von Naturgaben oft die deutlichsten Beziehungen zu festen Anhaltspunkten oder Bestimmgründen auf. Daß z. B. der Kaufpreis von Grundstücken ein nach dem landesüblichen Zinsfuß sich richtendes Multiplum ihrer Rente bildet, ist ebenso bekannt, als es sicher ist, daß Holz am Stamm oder Kohle in der Grube bei verschiedener Güte oder in verschiedenen Lagen mit ungleichen Bringungsverhältnissen nicht aus bloßem Zufall einen verschiedenen Preis erzielt u. dgl.

Marx hütet sich auch, eine ausdrückliche Rechenschaft darüber abzulegen, daß und warum er einen Teil der tauschwerten Güter von der Untersuchung von vornherein ausgeschlossen hat. Er versteht <96> es auch hier, wie so oft, über die heiklen Stellen seines Raisonnements mit aalglatter dialektischer Geschicklichkeit hinüberzugleiten. Er vermeidet zunächst, seinen Leser darauf aufmerksam zu machen, daß sein Begriff der „Ware“ enger ist, als der des tauschwerten Gutes überhaupt. Er bereitet für die spätere Einschränkung der Untersuchung auf die Waren ungemein geschickt einen natürlichen Anknüpfungspunkt durch die an die Spitze seines Buches gestellte, scheinbar ganz harmlose, allgemeine Phrase vor, daß „der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, als eine ungeheuere Warensammlung erscheine“. Dieser Satz ist vollkommen falsch, wenn man den Ausdruck Ware in dem ihm von Marx später unterlegten Sinne von Arbeitsprodukten versteht. Denn die Naturgaben, einschließlich des Grundes und Bodens, machen einen sehr erheblichen und nicht im mindesten gleichgültigen Bestandteil des Nationalreichtums aus. Aber der unbefangene Leser geht leicht über diese Ungenauigkeit hinweg, weil er ja nicht weiß, daß Marx später dem Ausdruck Ware einen viel engeren Sinn beilegen wird.

Auch im folgenden wird dies noch nicht klargestellt. Im Gegenteil, in den ersten Absätzen des ersten Kapitels ist abwechselnd vom „Ding“, vom „Gebrauchswert“, vom „Gut“ und der „Ware“ die Rede, ohne daß zwischen letzterer und den ersteren eine scharfe Unterscheidung gezogen würde. „Die Nützlichkeit eines Dings“ – heißt es auf S. 10 [S. 50] – „macht es zum Gebrauchswert“. „Der Warenkörper ... ist ein Gebrauchswert oder Gut.“ Auf S. 11 [S. 50] lesen wir: „Der Tauschwert erscheint ... als das quantitative Verhältnis ...‚ worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen“. Wohlgemerkt, hier wird als Feld des Tauschwertphänomens geradezu noch der Gebrauchswert = Gut bezeichnet. Und mit der Phrase: „Betrachten wir die Sache näher“, die sicherlich kein Überspringen auf ein anderes, engeres Gebiet der Untersuchung anzukündigen geeignet ist, fährt Marx fort: „Eine einzelne Ware, ein Quarter Weizen z. B., tauscht sich in den verschiedensten Proportionen mit anderen Artikeln aus“. Und „Nehmen wir ferner zwei Waren“ u. s. w. In demselben Absatze kehrt sogar noch einmal der Ausdruck „Dinge“ wieder, und zwar gerade in der für das Problem wichtigen Wendung, daß „ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiedenen Dingen existiert“ (die eben einander im Austausche gleich gesetzt werden).

Auf der folgenden Seite 12 [S. 51 f.] führt aber Marx die Suche nach dem „Gemeinsamen“ nur für den „Tauschwert der Waren“ durch, ohne mit einem Sterbenswörtlein darauf aufmerksam zu machen, daß er das Untersuchungsfeld damit auf einen Teil der tauschwerten Dinge eingeengt haben will (24). Und sofort auf der <96> nächsten Seite, S. 13 [S. 53], wird die Einschränkung wieder verlassen und das soeben für den engeren Bereich der Waren gewonnene Ergebnis auf den weiteren Kreis der Gebrauchswerte der Güter angewendet. „Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist!“

Hätte Marx an der entscheidenden Stelle die Untersuchung nicht auf die Arbeitsprodukte eingeengt, sondern auch bei den tauschwerten Naturgaben nach dem Gemeinsamen gesucht, so wäre es handgreiflich gewesen, daß die Arbeit das Gemeinsame nicht sein kann. Hätte er jene Einengung ausdrücklich und offenkundig vollzogen, so hätte er selbst und hätten seine Leser unfehlbar über den derben methodischen Fehler stolpern, sie hätten über das naive Kunststtick lächeln müssen, durch welches die Eigenschaft, Arbeitsprodukt zu sein, glücklich als gemeinsame Eigenschaft eines Kreises herausdestilliert wird, nachdem man zuvor alle von Natur aus gleichfalls hineingehörigen tauschwerten Dinge, die nicht Arbeitsprodukte sind, eigens aus demselben ausgeschieden hat. Das Kunststück war nur so zu machen, wie Marx es gemacht hat, unvermerkt, mit einer rasch und leicht über den heiklen Punkt gleitenden Dialektik. Indem ich meine aufrichtige Bewunderung über die Geschicklichkeit ausspreche, mit der Marx ein derart fehlerhaftes Verfahren annehmbar zu präsentieren wußte, kann ich natürlich doch nur feststellen, daß das Verfahren ein vollkommen fehlerhaftes war.

Aber sehen wir weiter zu. Mit dem soeben geschilderten Kunststücke hatte Marx doch erst erreicht, daß die Arbeit überhaupt in die Konkurrenz eintreten konnte. Durch die künstliche Einengung des Kreises war sie überhaupt erst zu einer für diesen engen Kreis „gemeinsamen“ Eigenschaft geworden. Aber neben ihr konnten ja auch noch andere Eigenschaften als gemeinsam in Frage kommen. Wie werden nun diese anderen Konkurrenten ausgestochen?

Das geschieht durch zwei weitere Gedankenglieder, von denen jedes nur einige Worte, aber in ihnen einen der schwersten logischen Fehler enthält.

Im ersten Glied schließt Marx alle „geometrischen, physischen, chemischen oder sonstigen natürlichen Eigenschaften der Waren“ aus. Denn „ihre körperlichen Eigenschaften kommen überhaupt nur in Betracht, soweit selbe sie nutzbar machen, also zu Gebrauchswerten. Andererseits ist aber das Austauschverhältnis der Waren augenscheinlich charakterisiert durch die Abstraktion von ihren Gebrauchswerten“. Denn „innerhalb desselben (des Austauschverhältnisses) gilt ein Gebrauchswert gerade so viel wie jeder andere, <98> wenn er nur in gehöriger Proportion vorhanden ist“ (I. 12) [MEW 23, S. 52].

Es sei mir gestattet, mich zur Illustration dieses Argumentes derselben Worte zu bedienen, die ich vor 12 Jahren in meiner „Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien“ niederschrieb (S. 435 f.).

„Was hätte Marx zu folgender Argumentation gesagt? An einer Opernbühne haben drei ausgezeichnete Sänger, ein Tenor, ein Baß und ein Bariton, jeder einen Gehalt von 20.000 f1. Man fragt: was ist der gemeinsame Umstand, um dessenwillen sie im Gehalte einander gleichgestellt werden? und ich antworte: In der Gehaltfrage gilt eine gute Stimme gerade so viel wie jede andere, eine gute Tenorstimme so viel wie eine gute Baß- oder gute Baritonstimme, wenn sie nur überhaupt in gehöriger Proportion vorhanden ist. Folglich abstrahiert man „augenscheinlich“ in der Gehaltfrage von der guten Stimme, folglich kann die gute Stimme die gemeinsame Ursache des hohen Gehaltes nicht sein. – Daß diese Argumentation falsch ist, ist klar. Ebenso klar ist aber auch, daß die Marxsche Schlußfolgerung, nach der sie genau kopiert ist, um kein Haar richtiger ist. Beide leiden an demselben Fehler. Sie verwechseln Abstraktion von einem Umstande überhaupt mit Abstraktion von den speziellen Modalitäten, unter denen dieser Umstand auftritt. Was in unserem Beispiele für die Gehaltfrage gleichgültig ist, ist offenbar nur die spezielle Modalität, unter der die gute Stimme erscheint, ob als Tenor, als Baß, als Baritonstimme, aber beileibe nicht die gute Stimme überhaupt. Und ebenso wird für das Austauschverhältnis der Waren zwar von der speziellen Modalität abstrahiert, unter der der Gebrauchswert der Waren erscheinen mag, ob die Ware zur Nahrung, Wohnung, Kleidung etc. dient, aber beileibe nicht vom Gebrauchswerte überhaupt. Daß man nicht vom letzteren schlechtweg abstrahiert, hätte Marx schon daraus entnehmen können, daß ja kein Tauschwert existieren kann, wo nicht ein Gebrauchswert vorhanden ist, eine Tatsache, die Marx selbst wiederholt einzugestehen gezwungen ist.“ (25)

<99> Noch schlimmer ist es aber mit dem nächsten Gliede des Beweisganges bestellt. „Sieht man vom Gebrauchswert der Warenkörper ab“ – fährt Marx wörtlich fort – „so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten“. Wirklich? frage ich heute, so wie ich vor 12 Jahren gefragt habe: nur noch eine Eigenschaft? Bleibt den tauschwerten Gütern nicht z. B. auch die Eigenschaft gemeinsam, daß sie im Verhältnis zum Bedarfe selten sind? Oder daß sie Gegenstand des Begehrs und Angebotes sind? Oder daß sie appropriiert sind? Oder daß sie „Naturprodukte“ sind? Denn daß sie ebensosehr Natur- als Arbeitsprodukte sind, sagt niemand deutlicher als Marx selbst, wenn er einmal ausspricht: „Die Warenkörper sind Verbindungen von zwei Elementen, Naturstoff und Arbeit“. Oder ist nicht auch die Eigenschaft den Tauschwerten gemeinsam, daß sie ihren Erzeugern Kosten verursachen – eine Eigenschaft, an die sich Marx im dritten Bande so genau erinnert?

Warum soll nun, frage ich auch heute wieder, das Prinzip des Wertes nicht ebensogut in irgend einer dieser gemeinsamen Eigenschaften liegen, statt in der Eigenschaft, Arbeitsprodukt zu sein? Denn zu Gunsten der letzteren hat Marx nicht einmal die Spur eines positiven Grundes vorgebracht; sein einziger Grund ist der negative, daß der glücklich hinweg abstrahierte Gebrauchswert das Prinzip des Tauschwertes nicht ist. Kommt aber dieser negative Grund nicht in ganz gleichem Maße allen anderen von Marx übersehenen gemeinsamen Eigenschaften zu?

Ja noch mehr! Auf derselben S. 12 [S. 52], auf welcher Marx den Einfluß des Gebrauchswertes auf den Tauschwert mit der Motivierung hinweg abstrahiert hat, daß ein Gebrauchswert so viel gilt, wie jeder andere, wenn er nur in gehöriger Proportion vorhanden ist, erzählt er uns von den Arbeitsprodukten folgendes:

„Jedoch ist uns auch das Arbeitsprodukt bereits in der Hand verwandelt. Abstrahieren wir von seinem Gebrauchswert, so abstrahieren wir auch von den körperlichen Bestandteilen und Formen, die es zum Gebrauchswert machen. Es ist nicht länger Tisch oder Haus oder Garn oder sonst ein nützlich Ding. Alle seine sinnlichen Beschaffenheiten sind ausgelöscht. Es ist auch nicht länger das Produkt der Tischlerarbeit oder der Bauarbeit <100> oder der Spinnarbeit oder sonst einer bestimmten produktiven Arbeit. Mit dem nützlichen Charakter der Arbeitsprodukte verschwindet der nützliche Charakter der in ihnen dargestellten Arbeiten, es verschwinden also auch die verschiedenen konkreten Formen dieser Arbeiten; sie unterscheiden sich nicht länger, sondern sind allzusamt reduziert auf gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.“

Kann man deutlicher und ausdrücklicher sagen, daß für das Austauschverhältnis nicht bloß ein Gebrauchswert, sondern auch eine Art von Arbeit und Arbeitsprodukten „gerade so viel wie jede andere gilt, wenn sie nur in gehöriger Proportion vorhanden ist“? Daß mit anderen Worten genau derselbe Tatbestand, auf Grund dessen Marx soeben sein Ausschließungsverdikt gegen den Gebrauchswert ausgesprochen hat, auch rücksichtlich der Arbeit besteht? Arbeit und Gebrauchswert haben eine qualitative und eine quantitative Seite. So gut der Gebrauchswert als Tisch, Haus oder Garn qualitativ verschieden ist, so gut ist es die Arbeit als Tischlerarbeit, Bauarbeit oder Spinnarbeit. Und so gut man Arbeit verschiedener Art nach ihrer Menge vergleichen kann, gerade so kann man Gebrauchswerte verschiedener Art nach der Größe des Gebrauchswertes vergleichen. Es ist absolut unerfindlich, warum der identische Tatbestand für den einen Konkurrenten zur Ausschließung, für den anderen zur Krönung mit dem Preise führen soll! Wenn Marx zufällig die Reihenfolge der Untersuchung verkehrt hätte, so hätte er mit genau demselben Schlußapparat, mit welchem er den Gebrauchswert ausgeschlossen hat, die Arbeit ausschließen und dann wiederum mit demselben Schlußapparat, mit welchem er die Arbeit gekrönt hat, den Gebrauchswert als die allein übrig gebliebene und also gesuchte gemeinsame Eigenschaft proklamieren und den Wert als eine „Gebrauchswert-Gallerte“ erklären können. Ich glaube, es läßt sich nicht im Scherze, sondern im vollen Ernst behaupten, daß in den beiden Absätzen der S. 12 [S. 51 f] in deren erstem der Einfluß des Gebrauchswertes hinwegabstrahiert und im zweiten die Arbeit als das gesuchte Gemeinsame demonstriert wird, ohne irgend eine Veränderung in der äußeren logischen Richtigkeit sich die Subjekte gegenseitig vertauschen ließen; daß in das ungeänderte Satzgefüge des ersten Absatzes statt des Gebrauchswertes überall die Arbeit und die Arbeitsprodukte, in das Gefüge des zweiten statt der Arbeit überall der Gebrauchswert eingesetzt werden könnte!

So ist die Logik und die Methodik beschaffen mit welcher Marx seinen Fundamentalsatz- von der Arbeit als alleinige Grundlage des Wertes in sein System einführt. Ich halte es für vollkommen ausgeschlossen, daß dieser dialektische Hokuspokus für Marx selbst Grund und Quelle der Überzeugung war. Ein Denker vom Range Marx’ – und ich schätze ihn für eine Denkkraft allerersten Ranges – hätte, wenn es sich für ihn darum gehandelt hätte, seine <101> eigene Überzeugung erst zu bilden und den tatsächlichen Zusammenhang der Dinge wirklich erst mit freiem, unparteiischem Blick zu suchen, ganz unmöglich von Haus aus auf einem derart gekrümmten und naturwidrigen Wege suchen, er hätte ganz unmöglich aus bloßem unglücklichen Zufall in alle die geschilderten logischen und methodischen Fehler der Reihe nach hineintappen und als naturwüchsiges, nicht vorausgewußtes und vorausgewolltes Ergebnis eines solchen Forschungsweges die These von der Arbeit als alleiniger Wertquelle heimbringen können.

Ich glaube, der wirkliche Sachverhalt war anders. Ich zweifle gar nicht, daß Marx von seiner These wirklich und ehrlich überzeugt war. Aber die Gründe seiner Überzeugung sind nicht die, die er ins System geschrieben hat. Es waren wohl überhaupt mehr Eindrücke als Gründe.

Vor allem die Eindrücke der Autorität. Smith und Ricardo, die großen Autoritäten, hatten ja, wie man damals wenigstens glaubte, denselben Satz gelehrt. Begründet hatten sie ihn freilich ebensowenig als Marx, sondern nur aus gewissen, allgemeinen, verschwommenen Eindrücken heraus postuliert. Im Gegenteil, wo sie genau zusahen, und für Gebiete, wo ein genaueres Zusehen sich nicht vermeiden ließ, haben sie ihm ausdrücklich widersprochen. Für die entwickelte empirische Volkswirtschaft hat Smith, geradeso wie Marx in seinem dritten Bande, das Gravitieren der Werte und Preise nach einem Kostenniveau gelehrt, welches außer der Arbeit auch noch einen mittleren Kapitalgewinn umschließt, und Ricardo hat in der berühmten Sektion IV. des Kapitels „On value“ gleichfalls mit aller Deutlichkeit und Ausdrücklichkeit dargelegt, daß neben der unmittelbaren und mittelbaren Arbeit auch die Größe und Dauer der Kapitalinvestition einen bestimmenden Einfluß auf den Wert der Güter nimmt. Um ohne sichtbaren Widerspruch dem philosophischen Lieblingsgedanken von der Arbeit als der „wahren“ Quelle des Wertes nachhängen zu können, mußten sie mit ihm in das Fabelland und in die Fabelzeit flüchten, wo es noch keinen Kapitalisten und Grundeigentümer gab. Hier ließ er sich unwiderlegt, weil unkontrolliert behaupten. Nicht kontrolliert durch die Erfahrung, die es dafür nicht gibt, und nicht kontrolliert durch die wissenschaftlich-psychologische Analyse, weil sie einer solchen Analyse – gerade so wie Marx – aus dem Wege gingen: sie begründeten nicht, sie postulierten als „natürlichen“ Zustand ein Arbeitswertidyll. (26) <102> In solche Stimmungen und Anschauungen, die durch die Autorität von Smith und Ricardo ein ungeheueres, freilich nicht unbestrittenes Ansehen erlangt hatten, trat Marx als Erbe ein. Und als glühender Sozialist glaubte er gerne daran. Kein Wunder, daß er gegen einen Gedanken, der seine wirtschaftliche Weltanschauung so trefflich zu stützen geeignet war, sich nicht skeptischer verhielt, als ein Ricardo, dem er doch höchlich wider den Strich gehen mußte. Kein Wunder auch, daß er durch die widersprechenden Äußerungen der Klassiker sich nicht zu kritischen Zweifeln gegen die These vom Arbeitswert anregen ließ, sondern sie nur als Versuche der Klassiker deutete, sich den mißliebigen Konsequenzen einer unbequemen Wahrheit auf einem Umwege zu entziehen. Kurz, kein Wunder, daß er auf Grund desselben Materiales, welches die Klassiker zu ihren einseitigen, halb verschwommenen, halb widersprochenen und gar nicht begründeten Außerungen verlockt hatte, für seine Person an dieselben Sätze glaubte, aber stark, unbedingt und mit glühender Überzeugung. Für sich brauchte er keine weiteren Gründe. Nur für sein System brauchte er eine formale Begründung.

Daß er sich in dieser nicht einfach an die Klassiker anlehnen konnte, begreift sich, denn diese hatten ja nichts begründet. Auch daß er weder an die Erfahrung appellieren, noch eine wirtschaftspsychologische Begründung versuchen konnte, wissen wir, denn diese Wege hätten ihn offensichtig auf das gerade Gegenteil seines Beweisthemas geführt. So wandte er sich denn an die seiner Geistesrichtung ohnedies zusagende logisch-dialektische Spekulation. Und hier hieß es: hilf, was helfen kann! Er wußte, was er herausbringen wollte und herausbringen mußte, und so künstelte und schraubte er an den geduldigen Begriffen und Prämissen mit bewunderungswürdigem Raffinement so lange herum, bis das vorausgewußte Ergebnis in äußerlich reputierlicher Schlußform wirklich herauskam. Vielleicht, daß er dabei von seinen Überzeugungen so geblendet war, daß er die logischen und methodischen Ungeheuerlichkeiten, die dabei notwendig unterlaufen mußten, gar nicht wahrnahm; vielleicht, daß er sie wahrnahm, aber vor sich als bloß formale Nachhilfen rechtfertigte, um einer nach seiner tiefsten Überzeugung materiell begründeten Wahrheit auch zu der ihr gebührenden systematischen Einkleidung zu verhelfen: über das kann ich nicht und kann heute wahrscheinlich überhaupt niemand mehr urteilen. Was ich aber behaupten möchte, ist, daß wohl niemals sonst ein so denkgewaltiger Kopf, wie Marx es war, eine so schwer, so kontinuierlich und so handgreiflich falsche Logik zum besten gegeben hat, als Marx es in der systematischen Begründung seiner Fundamentalthese tut.
 

2.

<103> Diese falsche These webt er nun in sein System hinein. Mit einer bewunderungswürdigen taktischen Geschicklichkeit, die sich gleich bei seinen nächsten Schritten wieder glänzend erweist. Obwohl er nämlich seine These unter sorgfältiger Vermeidung des Erfahrungsbeweises lediglich „aus der Tiefe des Gemüts“ heraus abgeleitet hat, läßt sich der Gedanke doch nicht ganz abweisen, das Ergebnis dieser apriorlstischen Spekulation an der Erfahrung auf die Probe zu stellen. Würde Marx selbst es nicht tun, so würden es voraussichtlich seine Leser auf eigene Faust tun. Wie handelt nun Marx?

Er teilt. In einem Punkte ist die Inkongruenz seiner These mit der Erfahrung flagmant. Diesen Punkt greift er, den Stier bei den Hörnern packend, selbst auf. Er hat nämlich in Konsequenz seines Grundprinzips gelehrt, daß der Wert der verschiedenen Waren sich verhält, wie die zu ihrer Erzeugung notwendige Arbeitszeit (I. 14) [MEW 23, S. 52/53]. Nun ist es selbst für den flüchtigen Beobachter offenkundig, daß dieser Satz gewissen Tatsachen gegenüber nicht Stich hält, daß z. B. das Tagesprodukt eines Bildhauers, eines Kunstschreiners, eines Geigenmachers, eines Maschinenbauers u. s. w. gewiß nicht einen gleichgroßen, sondern einen viel höheren Wert hat, als das Tagesprodukt eines gemeinen Handwerkers oder Fabrikarbeiters, obwohl in beiden gleichviel Arbeitszeit „verkörpert“ ist. Marx bringt nun diese Tatsachen mit einer meisterhaften dialektischen Wendung selbst zur Sprache. Er nimmt von ihnen in einem Tone Akt, als ob sie nicht einen Widerstreit gegen sein Grundprinzip, sondern nur eine leichte Variante desselben enthielten, die sich noch innerhalb der Regel hält und nur eine gewisse Erläuterung oder genauere Bestimmung der letzteren erfordert. Er erklärt nämlich, als Arbeit im Sinne seines Theorems die „Verausgabung einfacher Arbeitskraft“ verstehen zu wollen, „die im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch, ohne besondere Entwickelung, in seinem leiblichen Organismus besitzt“; mit anderen Worten, „einfache Durchschnittsarbeit“ (I. 19) [MEW 23, S. 59], ähnlich schon (I. 13) [MEW 23, S. 53]. „Kompliziertere Arbeit“ – fährt er dann fort – „gilt nur als potenzierte oder vielmehr multiplizierte einfache Arbeit, so daß ein kleineres Quantum komplizierter Arbeit gleich ist einem größeren Quantum einfacher Arbeit. Daß diese Reduktion beständig vorgeht, zeigt die Erfahrung. Eine Ware mag das Produkt der kompliziertesten Arbeit sein, ihr Wert setzt sie dem Produkte einfacher Arbeit gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum einfacher Arbeit dar. Die verschiedenen Proportionen, worin verschiedene Arbeitsarten auf einfache Arbeit als ihre Maßeinheit reduziert sind, werden durch einen gesellschaftlichen Prozeß hinter dem Rücken der Produzenten festgesetzt und scheinen ihnen daher durch das Herkommen gegeben“.

Für einen rasch dahineilenden Leser mag diese Auskunft wirklich <104> ganz plausibel klingen. Sieht man freilich nur ein bißchen kaltblütig und nüchtern zu, so verkehrt sich der Eindruck ins Gegenteil.

Die Tatsache, mit der wir zu tun haben, ist, daß das Produkt eines Tages oder einer Stunde qualifizierter Arbeit einen größeren Wert hat, als das Produkt eines Tages oder einer Stunde einfacher Arbeit, daß z. B. das Tagesprodukt eines Bildhauers fünf Tagesprodukten eines Steinklopfers im Werte gleichsteht. Nun hat Marx gelehrt, daß die im Austausch einander gleichgesetzten Dinge „in Gemeinsames von derselben Größe“ enthalten müssen, und dieses Gemeinsame soll eine Arbeit und Arbeitszeit sein. Arbeit überhaupt? Das ließen die ersten, allgemeinen Auseinandersetzungen von Marx bis zur S. 13 [S. 53] vermuten, aber das träfe evident nicht zu: denn fünf Tage Arbeit sind gewiß nicht „dieselbe Größe“ wie ein Tag Arbeit. Darum sagt Marx jetzt nicht mehr Arbeit schlechtweg, sondern „einfache Arbeit“: das Gemeinsame soll also der Gehalt von gleichviel Arbeit bestimmter Art, nämlich einfacher Arbeit sein.

Das trifft aber, mit kaltem Blute besehen, noch weniger zu, denn im Bildhauerprodukt ist überhaupt gar keine „einfache Arbeit“ verkörpert, geschweige denn eine einfache Arbeit von gleicher Menge, wie in fünf Tagesprodukten eines Steinklopfers. Die nüchterne Wahrheit ist, daß die beiden Produkte verschiedene Arten von Arbeit in verschiedener Menge verkörpern, und das ist doch, wie jeder Unbefangene zugeben wird, das ausgesprochene Gegenteil von dem Tatbestande, den Marx fordert und behaupten muß: daß sie nämlich Arbeit derselben Art in gleicher Menge verkörpern!

Freilich sagt Marx: die komplizierte Arbeit „gilt“ als multiplizierte einfache Arbeit, aber „gelten“ ist nicht „sein“, und die Theorie geht auf das Wesen der -Dinge. Natürlich können die Menschen in irgend einer Rücksicht einen Tag Bildhauerarbeit fünf Tagen Steinklopferarbeit gleichhalten, so wie sie z. B. auch ein Reh fünf Hasen gleichhalten können. Aber sowenig ein solches Gleichhalten den Statistiker berechtigen würde, von einem Reviere, in welchem 100 Rehe und 500 Hasen sich befinden, mit wissenschaftlichem Ernst zu behaupten, es seien 1000 Hasen darin, ebensowenig ist der Preisstatistiker oder Werttheoretiker berechtigt, ernsthaft zu behaupten, daß im Tagesprodukt des Bildhauers fünf Tage einfacher Arbeit verkörpert seien und dies der reelle Grund sei, warum es im Austausch fünf Tagesprodukten des Steinklopfers gleichgestellt werde. Was man alles beweisen kann, wenn man sich gestattet, dort, wo das „Sein“ einen im Stiche läßt, mit dem „Gelten“ und „Geltenlassen“ sich zu helfen, werde ich einen Augenblick später noch an einem unmittelbar auf das Wertproblem zugepaßten Beispiele zu illustrieren suchen. Vorher muß ich aber noch eine andere Betrachtung einschalten.

Marx macht nämlich in der zitierten Stelle einen Versuch, sein <105> Manöver mit der „Reduktion“ der komplizierten auf einfache Arbeit zu rechtfertigen, und zwar durch die Erfahrung. „Daß diese Reduktion beständig vorgeht, zeigt die Erfahrung. Eine Ware mag das Produkt der kompliziertesten Arbeit sein, ihr Wert setzt sie dem Produkte einfacher Arbeit gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum einfacher Arbeit dar“.

Gut. Lassen wir das einstweilen gelten, und sehen wir uns nur etwas genauer an, in welcher Weise und durch welche Faktoren der Reduktionsmaßstab für diese von Marx berufene erfahrungsmäßige Reduktion bestimmt werden soll. Da stoßen wir auf die sehr natürliche, aber für die Marxsche Theorie sehr kompromittierende Wahrnehmung, daß der Reduktionsmaßstab durch nichts anderes bestimmt wird, als durch die faktischen Austauschverhältnisse selbst. Es ist nicht a priori aus irgend einer den qualifizierten Arbeiten inhärenten Eigenschaft bestimmt oder bestimmbar, in welchem Verhältnis sie bei der Wertbildung ihrer Produkte in einfache Arbeit umgerechnet werden sollen, sondern es entscheidet nichts als der tatsächliche Erfolg, die tatsächlichen Austauschverhältnisse. Marx sagt es selbst: „ihr Wert setzt sie dem Produkt einfacher Arbeit gleich“, und er verweist auf „einen gesellschaftlichen Prozeß“, durch welchen „hinter dem Rücken der Produzenten die verschiedenen Proportionen festgesetzt werden, worin verschiedene Arbeitsarten auf einfache Arbeit als ihie Maßeinheit reduziert werden“, und daß diese Proportionen daher „durch das Herkommen gegeben erscheinen“.

Was bedeutet unter diesen Umständen die Berufung auf den „Wert“ und auf den „gesellschaftlichen Prozeß“ als bestimmende Faktoren des Reduktionsmaßstabes? – Sie bedeutet, von allem anderen abgesehen, den nackten, reinen Zirkel in der Erklärung. Gegenstand der Erklärung sollen ja die Austauschverhältnisse der Waren sein, z. B. auch, warum eine Statuette, die einen Tag Bildhauerarbeit gekostet hat, sich gegen eine Fuhre Scholter vertauscht, die fünf Tage Steinklopferarbeit gekostet hat, und nicht vielleicht gegen eine größere oder kleinere Scholtermenge, die zehn oder nur drei Tage Arbeit kostet. Was sagt uns Marx zur Erklärung? Das Austauschverhältnis ist dieses und kein anderes, weil der Tag Bildhauerarbeit gerade auf fünf Tage einfacher Arbeit zu reduzieren ist. Und warum ist er gerade auf fünf Tage zu reduzieren? Weil die Erfahrung zeigt, daß er durch einen gesellschaftlichen Prozeß so reduziert wird. Und welches ist dieser gesellschaftliche Prozeß? Derselbe, der erklärt werden soll: derselbe, durch den eben das Produkt von einem Tage Bildhauerarbeit im Werte dem Produkt von fünf Tagen gemeiner Arbeit gleichgesetzt wird. Würde es faktisch regelmäßig gegen das Produkt von nur drei einfachen Arbeitstagen ausgetauscht, so würde Marx uns ebenso anweisen, den Reduktionsmaßstab von 1 : 3 als den erfahrungsmäßigen anzuerkennen, und auf ihn die Erklärung stützen, daß und warum eine Statuette gerade gegen das Produkt von drei Arbeitstagen eines Steinklopfers, nicht mehr und nicht weniger, vertauscht werden muß.! Kurz, es ist klar, daß wir auf <106> diesem Wege über die eigentliche Ursache, warum Produkte verschiedener Arbeitsarten in diesem oder jenem Verhältnis gegen einander vertauscht werden, gar nichts erfahren; sie werden so vertauscht, sagt uns Marx, wenn auch mit ein bißchen anderen Worten, weil sie erfahrungsgemäß so vertauscht werden!

Ich merke noch im Vorbeigehen an, daß Epigonen von Marx, vielleicht in Erkenntnis des eben geschilderten Zirkels, den Versuch gemacht haben, die Reduktion der komplizierten auf einfache Arbeit auf eine andere, reelle Basis zu stellen. „Es ist keine Fiktion, sondern eine Tatsache“ – sagt Grabski (27) – „daß eine Stunde komplizierter Arbeit mehrere einfacher Arbeit in sich enthält“. Denn man muß, „um konsequent zu bleiben, auch derjenigen Arbeit, die auf die Aneignung der Kunstfertigkeit verwendet wurde, Rechnung tragen“. Ich glaube, es bedarf nicht vieler Worte, um die gänzliche Unzulänglichkeit auch dieser Auskunft einleuchtend zu machen. Dagegen, daß man der Ausübungsarbeit nach die auf sie verhältnismäßig entfallende Quote der Erlernungsarbeit zuschlägt, will ich gar nichts einwenden. Aber offenbar könnte man die Verschiedenheiten in der Geltung der komplizierten gegenüber der einfachen Arbeit nur dann aus diesem Zuschlag erklären, wenn die Größe desselben der Größe jener Verschiedenheit entsprechen würde. Es würden z. B. in unserem angenommenen Falle nur dann in einer Stunde ausübender Bildhauerarbeit fünf Stunden einfacher Arbeit tatsächlich stecken, wenn auf je eine Stunde Ausübung vier Stunden Erlernung fielen, oder, auf größere Einheiten umgerechnet, wenn von 50 Lebensjahren, die ein Bildhauer lernend und ausübend seinem Berufe widmet, er 40 Jahre lernen müßte, um 10 Jahre ausüben zu können. Daß ein solches oder auch nur annähernd ähnliches Verhältnis in Wirklichkeit platzgreift, wird aber wohl niemand behaupten wollen. Ich wende mich daher von der offenbar unzulänglichen Verlegenheitshypothese des Epigonen wieder zur Lehre des Meisters selbst zurück, um die Art und Tragweite ihrer Irrungen noch an einem Beispiele zu illustrieren, in welchem die fehlerhafte Schlußweise von Marx, wie ich glaube, auf das deutlichste zu Tage tritt.

Mit genau derselben Art der Argumentation ließe sich nämlich auch der Satz behaupten und vertreten, daß das Prinzip und der Maßstab des Tauschwertes im Stoffgehalt der Waren liege, daß die Waren sich im Verhältnis der in ihnen verkörperten Stoffmenge vertauschen. Zehn Kilo Stoff in der einen Warenform vertauschen sich jederzeit gegen zehn Kilo Stoff in anderer Warenform. Wenn man gegen diese Behauptung natürlich einwendet, daß das doch offenbar falsch sei, da sich ja z. B. 10 Kilo Gold nicht gegen 10, sondern gegen 40.000 Kilo Eisen oder gegen noch mehr Kilo Kohle vertauschen, so replizieren wir nach dem Vorbilde von Marx: für die Wertbildung kommt es auf den Gehalt an gemeinem Durchschnittsstoff an. Dieser fungiert als Maßeinheit. Qualifizierte, feine, kostbare Stoffe „gelten nur als potenzierter <107> oder vielmehr multiplizierter einfacher Stoff, so daß ein kleineres Quantum qualifizierten Stoffes gleich einem größeren Quantum einfachen Stoffes ist. Daß diese Reduktion beständig vorgeht, zeigt die Erfahrung. Eine Ware mag aus dem exquisitesten Stoff bestehen – ihr Wert setzt sie den aus gemeinem Stoffe gebildeten Waren gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum gemeinen Stoffes vor“. Ein „gesellschaftlicher Prozeß“, dessen tatsächliches Bestehen gewiß nicht angezweifelt werden kann, reduziert immerfort z. B. das Pfund rohes Gold auf 40.000, das Pfund rohes Silber auf 1.500 Pfund rohes Eisen. Die Bearbeitung des Goldes, z. B. durch einen gewöhnlichen Goldschmied oder durch die Hand eines großen Künstlers, ergibt weitere Nuancen in der Qualifikation des Stoffes, welchen die Praxis erfahrungsgemäß durch besondere Reduktionsmaßstäbe gerecht wird. Wenn daher ein Pfund Goldbarren sich gegen Eisenbarren von 40.000 Pfund oder wenn ein von Benvenuto Cellini geformter Goldpokal in gleichem Gewicht sich gegen 4.000.000 Pfund Eisen vertauscht, so ist das nicht eine Verletzung, sondern eine Bestätigung des Satzes, daß Waren sich im Verhältnis des von ihnen dargestellten „ Durchschnittsstoffes“ vertauschen!

Ich glaube, der unbefangene Leser wird in diesen Argumentationen unschwer die beiden Ingredienzien des Marxschen Rezeptes wiedererkennen: die Substituierung des „Gelten“ für das „Sein“ und den Erklärungszirkel, der in der Herholung des Reduktionsmaßstabes aus den der Erklärung eben bedürftigen faktischen Austauschverhältnissen in der Gesellschaft liegt!

So hat sich Marx mit dem grellsten Widerspruch der Tatsachen gegen seine Theorie abgefunden – dialektisch unstreitig mit großem Geschick, in der Sache selbst natürlich, wie es nicht anders sein konnte, in ganz unzulänglicher Weise.

Daneben gibt es aber noch andere, dem Grade nach weniger auffällige Inkongruenzen mit der tatsächlichen Erfahrung, jene nämlich, welche sich aus dem Anteil der Kapitalinvestition an der Bestimmung der faktischen Güterpreise ableiten, dieselben, welche, wie oben bemerkt, Ricardo in der IV. Sektion des Kapitals On value erörtert. Gegenüber diesen Inkongruenzen schlägt Marx eine andere Richtung ein. Er verschließt ihnen gegenüber einstweilen völlig die Augen. Er ignoriert sie zwei Bände lang. Er tut so, als ob sie nicht vorhanden wären, indem er sie während des ganzen ersten und zweiten Bandes voraussetzungs Weise hinweg abstrahiert. Er geht nämlich während der ganzen weiteren Darstellung seiner Wertlehre, desgleichen bei der Entwickelung seiner Mehrwerttheorie immer von der teils stillschweigend festgehaltenen, teils ausdrücklich ausgesprochenen „Voraussetzung“ aus, daß die Waren sich wirklich zu ihren Werten, d. i. genau im Verhältnis der in ihnen verkörperten Arbeit, vertauschen. (28) <108> Er verbindet auch diese voraussetzungsweise Abstraktion wieder mit einem ungemein geschickten dialektischen Zug. Es gibt nämlich gewisse tatsächliche Abweichungen von der theoretischen Regel, von denen ein Theoretiker wirklich abstrahieren darf: das sind die zufälligen und vorübergehenden Schwankungen der Marktpreise um ihren regelmäßigen Dauerstand herum. Marx verfehlt nun nicht, bei solchen Gelegenheiten, bei welchen er erklärt, von Abweichungen der Preise von den Werten abstrahieren zu wollen, die Aufmerksamkeit der Leser auf solche „zufällige Umstände“ hinzulenken, von denen man „absehen“ müßte, wie auf „die beständigen Oszillationen der Marktpreise“, deren „Steigen und Sinken sich kompensiere“, und die „sich selbst zum Durchschnittspreis als ihrer inneren Regel reduzieren“. (29) Er erringt sich durch einen solchen Hinweis die Billigung der Leser für seine Abstraktion, daß er aber dabei nicht bloß von zufälligen Schwankungen, sondern auch von ganz festen, dauernden, typischen „Abweichungen“ abstrahiert, deren Existenz geradezu einen integrierenden Bestandteil der zu erklärenden Regel selbst bildet, bleibt für den nicht ganz genau zusehenden Leser im Verborgenen, und er gleitet ahnungslos über die methodische Todsünde des Autors hinüber.

Denn eine methodische Todsünde ist es, wenn man in einer wissenschaftlichen Untersuchung dasjenige ignoriert, was man erklären soll. Nun bezweckt Marx’ Mehrwerttheorie doch nichts anderes als eine in seinem Sinne gehaltene Erklärung des Kapltalgewinnes. Der Kapitalgewinn steckt aber gerade in jenen ständigen Abweichungen der Warenpreise vom Belauf ihrer bloßen Arbeitskosten. Wenn man daher diese „Abweichungen“ ignoriert, so ignoriert man geradezu den Hauptteil dessen, was erklärt werden soll. Ich habe vor 12 Jahren dasselbe methodische Versehen sowohl gegen Rodbertus, der sich desselben in gleicher Weise schuldig gemacht hatte, als auch gegen Marx selbst gerügt. (30) Es sei mir gestattet, die Schlußworte meiner damaligen Kritik zu wiederholen:

„Sie (die Anhänger der Ausbeutungstheorie) behaupten das Gesetz, daß der Wert aller Waren auf der in ihnen verkörperten Arbeitszeit beruht, um im nächsten Augenblicke alle Wertbildungen, die mit diesem „Gesetze“ nicht harmonieren, z. B. die Wertdifferenzen, die als Mehrwert dem Kapitalisten zufallen, als „gesetzwidrig“, „unnatürlich“, „ungerecht“ anzugreifen und zur Ausrottung zu empfehlen. Erst ignorieren sie also die Ausnahme, um ihr Wertgesetz als allgemeines proklamieren zu können. Und nachdem sie so die Allgemeingültigkeit desselben erschlichen haben, werden sie wieder auf die Ausnahmen aufmerksam, um sie als Verstöße gegen das Gesetz zu brandmarken. Diese Art der Schlußfolgerung ist wirklich nicht bes- [109] ser, als wenn man wahrnimmt, daß es viele törichte Menschen gibt, ignoriert, daß es auch weise Menschen gibt, hierdurch zu dem „allgemein gültigen Gesetze“ kommt, daß „alle Menschen töricht sind“, und dann die Ausrottung der „gesetzwidrig“ existierenden Weisen fordert!“ (31)

Für seine Darstellung gewann freilich Marx durch sein Abstraktionsmanöver einen großen taktischen Vorteil. Er hat die störende Wirklichkeit „voraussetzungsweise“ aus seinem System ausgeschlossen und gerät daher, solange er diesen Ausschluß aufrechthalten kann, in keinen Konflikt mit ihr. Das gilt für den restlichen, bei weitem größten Teil des ersten, den ganzen zweiten und auch für das erste Viertel des dritten Bandes. In diesem Mittellauf des Marxschen Systemes fließt der Strom seiner logischen Entwickelungen und Verknüpfungen mit einer wirklich imponierenden Geschlossenheit und inneren Konsequenz dahin. Marx darf hier gute Logik machen, weil er im Wege der „Voraussetzung“ vorweg die Tatsachen mit seinen Ideen in Einklang gebracht hat und daher diesen treu bleiben kann, ohne an jene anzustoßen, und wo Marx gute Logik machen darf, da kann er es auch, und zwar in meisterhafter Weise. Diese mittleren Partien des Systemes werden, so falsch der Ausgangspunkt desselben sein mag, durch ihre außerordentliche innere Folgerichtigkeit den Ruhm ihres Verfassers als einer Denkkraft ersten Ranges für immer feststellen. Und – was als Nebenwirkung dem praktischen Einflusse des Marxschen Systems sicherlich nicht wenig zu statten gekommen ist – während dieses langen, an innerer Folgerichtigkeit im wesentlichen wirklich untadeligen Mittellaufes gewinnen die Leser, die einmal den tumultuarischen Anfang glücklich überwunden haben, Zeit, sich in die Marxsche Gedankenwelt einzuleben und zu den Ideengängen Zutrauen zu erlangen, die jetzt wirklich so hübsch einer aus dem anderen fließen und so wohlgeordnet sich zu einem Ganzen fügen. So sind es im Zutrauen gefestigte Leser, an die Marx mit jenen harten Zumutungen herantritt, die er im dritten Bande schließlich zu stellen genötigt ist.

Denn solange Marx es auch hinausschiebt – einmal muß er die Augen für die Tatsachen des wirklichen Lebens öffnen. Er muß endlich vor seinen Lesern zugestehen, daß die Waren sich im tatsächlichen Leben, und zwar regelmäßig und notwendig, nicht im Verhältnis der in ihnen verkörperten Arbeitszeit, sondern teils unter, teils über diesem Verhältnisse vertauschen, je nachdem das investierte Kapital einen kleineren oder größeren Betrag an Durchschnittsprofit erfordert, kurz, daß neben der Arbeitszeit auch die Kapitalinvestition einen koordinierten Bestimmgrund des Austauschverhältnisses der Waren bildet. Daraus erwachsen für Marx zwei harte Aufgaben. Er muß erstens sich vor seinen Lesern darüber zu rechtfertigen versuchen, daß er anfangs und so lange ge- <110> lehrt hatte, daß die Arbeit den einzigen Bestimmgrund der Austauschverhältnisse bilde; und er muß zweitens – was vielleicht die noch härtere Aufgabe war – für die seiner Theorie feindseligen Tatsachen seinen Lesern auch noch eine theoretische Erklärung liefern, die offenbar in seiner Arbeitswerttheorie nicht ohne Rest aufgehen konnte, andererseits ihr aber doch auch nicht widersprechen sollte.

Daß es bei diesen Demonstrationen mit guter, gerader Logik nicht mehr ging, begreift sich. Wir erleben jetzt das Gegenstück zu dem verworrenen Anfang des Systems. Dort hatte Marx, um ein Theorem abzuleiten, das sich auf geradem Wege aus den Tatsachen nicht ableiten ließ, teils diesen, teils und hauptsächlich der Logik Gewalt antun und einige der unglaublichsten Denkversehen in den Kauf nehmen müssen. Jetzt wiederholt sich die Situation. Jetzt treffen mit den Theoremen, die zwei Bände lang allein und daher ungestört das Feld behauptet hatten, wieder die Tatsachen zusammen, die sich mit denselben natürlich ebenso wenig vertragen, wie zu Anfang. Dennoch soll die Harmonie des Systems aufrechterhalten werden. Das kann nicht anders geschehen, als wiederum auf Kosten der Logik. Wir erleben daher im Marxschen System das auf den ersten Blick befremdliche, aber unter den geschilderten Verhältnissen eigentlich ganz natürliche Schauspiel, daß der dem Umfange nach weit überwiegende Teil des Systems ein der Denkkraft seines Autors würdiges Meisterstück strenger, geschlossener Logik darstellt, in welches aber an zwei, leider gerade den entscheidenden, Stellen Partien von unglaublich schwacher und nachlässiger Gedankenführung eingestreut sind: das erste Mal ganz zu Anfang, wo die Theorie zuerst von den Tatsachen sich trennte, und das zweite Mal nach dem ersten Viertel des dritten Bandes, wo die Tatsachen wieder in den Gesichtskreis der Leser gerückt werden; es ist hauptsächlich das zehnte Kapitel des dritten Buches (S. 151–179) [S. 182–209], das hier in Betracht kommt.

Einen Teil jenes Inhalts haben wir schon kennen und beurteilen gelernt; es ist dies die Selbstverteidigung Marx’ gegen den Vorwurf des Widerspruchs zwischen dem Gesetze der Produktionspreise und dem „Wertgesetze“. (32). Es erübrigt nun noch, einen Blick auf die zweite Aufgabe des bezeichneten Kapitels zu werfen, auf die theoretische Erklärung, mit welcher Marx die den faktischen Verhältnissen Rechnung tragende (33)Theorie der Produktionspreise in sein System einführt. Diese Betrachtung führt uns noch auf einen der instruktivsten und für das Marxsche System charakteristischsten Punkte: auf die Stellung der „Konkurrenz“ in seinem System.
 

3.

<111> Die „Konkurrenz“ ist, wie ich schon oben einmal andeutete, eine Art Sammelname für all die psychischen Antriebe und Motive, von denen sich die Marktparteien bei ihrem Benehmen leiten lassen, und die auf diese Weise auf die Bildung der Preise Einfluß gewinnen. Der Kauflustige hat seine Motive, die er beim Kauf verfolgt, und aus denen für ihn eine gewisse Richtschnur für die Höhe des Preises entspringt, den er anfangs oder äußersten Falles zu bieten bereit ist. Und ebenso hat der Verkäufer und der Produzent gewisse Motive, die ihn bestimmen, seine Ware zu gewissen Preisen loszuschlagen, zu anderen nicht, seine Erzeugung bei bestimmter Höhe des Preises fortzusetzen oder selbst auszudehnen, bei anderer Höhe aber einzustellen. In der Konkurrenz der Käufer und Verkäufer treffen nun alle diese Antriebe und Bestimmgründe auf einander, und wer sich zur Erklärung einer Preisbildung auf die Konkurrenz beruft, beruft sich im Grunde unter einem Sammelnamen auf das Spiel und die Wirkung aller der psychischen Motive und Antriebe, die bei beiden Marktparteien leitend waren.

Marx ist nun im allgemeinen bemüht, der Konkurrenz und den Kräften, die in ihr wirken, eine möglichst untergeordnete Stellung in seinem System anzuweisen. Er sieht über sie hinweg, oder er sucht wenigstens die Art und das Maß ihres Einflusses herabzusetzen, wo und wie er kann. Das zeigt sich bei verschiedenen Gelegenheiten in drastischer Weise.

Zunächst schon bei der Ableitung seines Arbeitswertgesetzes. Jeder Unbefangene weiß und sieht, daß derjenige Einfluß, den die aufgewendete Arbeitsmenge überhaupt auf die dauernde Gestalt der Güterpreise nimmt – dieser Einfluß ist freilich nicht von so ausschliessender Natur, wie das Marxsche Wertgesetz es aussagt -‚ nur durch das Spiel von Angebot und Nachfrage, beziehungsweise durch die Konkurrenz vermittelt wird. Bei vereinzelten Täuschen oder bei einem Monopol können Preise zum Vorschein kommen, welche (auch abgesehen von den Ansprüchen des investierten Kapitales) außer allem Verhältnis zur verkörperten Arbeitszeit stehen. Marx weiß das natürlich auch. Aber er bringt zunächst, bei der Ableitung seines Wertgesetzes, nicht die Sprache darauf. Würde er es tun, so würde sich ja die weitere Frage und Untersuchung gar nicht von der Hand weisen lassen, auf welche Weise und durch welche Zwischenglieder hindurch unter allen Motiven und Faktoren, die unter der Flagge der Konkurrenz wirksam werden, gerade der Arbeitszeit der einzig ausschlaggebende Einfluß auf die Preishöhe zukommen soll. Und die hierbei unvermeidliche vollständige Analyse jener Motive würde unfehlbar den Gebrauchswert der Waren viel stärker, als es Marx passen konnte, in den Vordergrund gestellt, manches in anderer Beleuchtung und manches endlich überhaupt gezeigt haben, dem Marx in seinem System eine Geltung nicht einräumen wollte. <112> Darum schlüpft er bei derjenigen Gelegenheit, bei welcher eine systematisch vollständige Begründung seines Wertgesetzes ihm die Darlegung der Vermittlerrolle der Konkurrenz zur Pflicht gemacht hätte, über diesen Punkt zunächst ganz schweigend hinweg. Später gedenkt er seiner wohl, aber nach Ort und Art der Erwähnung nicht wie eines wichtigen Gliedes im theoretischen Systeme, sondern in flüchtigen, gelegentlichen Bemerkungen, die die Tatsache, mit ein paar Worten anführen, wie etwas, das sich mehr oder weniger von selbst versteht, und ohne sich mit einer tieferen Begründung abzuplagen.

Am bündigsten glaube ich, registriert Marx jene Tatsachen auf S. 156 [S. 187] des dritten Bandes, wo er dafür, daß die Waren sich zu Preisen austauschen, die annähernd ihren „Werten“, also der verkörperten Arbeitszeit, entsprechen, folgende drei Bedingungen aufstellt: 1) daß der Austausch der Waren nicht bloß ein „zufälliger oder gelegentlicher“ ist; 2) daß die Waren „beiderseits in den annähernd dem wechselseitigen Bedürfnis entsprechenden Verhältnismengen produziert werden, was die wechselseitige Erfahrung des Absatzes mit sich bringt, und was so als Resultat aus dem fortgesetzten Austausch selbst herauswächst“, und 3) daß „kein natürliches oder künstliches Monopol eine der kontrahierenden Seiten befähige, über dem Wert zu verkaufen, oder sie zwänge, unter ihm loszuschlagen“. Also eine lebhafte beiderseitige Konkurrenz, die auch schon lange genug angedauert hat, um die Produktion nach dem erfahrungsmäßigen Absatz, beziehungsweise Bedürfnis der Käufer zu adjustieren, fordert Marx hier als Bedingung dafür, daß sein Wertgesetz überhaupt in Wirksamkeit treten könne. Wir müssen diese Stelle gut im Gedächtnis behalten.

Eine genauere Begründung wird ihr nicht beigegeben. Im Gegenteile, kurz darauf, und zwar gerade mitten in denjenigen Ausführungen, in denen Marx noch verhältnismäßig am einläßlichsten von der Konkurrenz, ihren beiden „Seiten“, der Nachfrage und Zufuhr, und ihrem Verhältnis zur Preisbildung spricht, lehnt er eine „tiefere Analyse dieser beiden gesellschaftlichen Triebkräfte“ als „hier nicht angebracht“ ausdrücklich ab! (34)

Aber noch mehr! Um die Bedeutung von Angebot und Nachfrage für das theoretische System noch weiter herabzusetzen und wohl auch um seine theoretische Vernachlässigung dieser Faktoren zu rechtfertigen, hat Marx eine eigene, merkwürdige Theorie ausersonnen, die er, nachdem er sie in gelegentlichen Andeutungen schon früher gestreift hat, auf S. 169 und 170 [S. 199 u. 200] des dritten Bandes entwickelt. Er geht davon aus, daß, wenn einer der beiden Faktoren über den anderen, z. B. die Nachfrage über die Zufuhr überwiegt, oder umgekehrt, sich unregelmäßige Marktpreise bilden, <113> die von dem das „Schwankungszentrum“ für diese Marktpreise bildenden „Marktwert“ abweichen; daß dagegen, wenn die Waren zu diesem ihrem normalen Marktwert sich verkaufen sollen, Nachfrage und Zufuhr sich gerade decken müssen. Und daran knüpft er folgende merkwürdige Argumentation:

„Wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken, hören sie auf zu wirken. Wenn zwei Kräfte in entgegengesetzter Richtung gleichmäßig wirken, heben sie einander auf, wirken sie gar nicht nach außen, und Erscheinungen, die unter dieser Bedingung vorgehen, müssen anders als durch das Eingreifen dieser beiden Kräfte erklärt werden. Wenn Nachfrage und Zufuhr sich gegenseitig aufheben, hören sie auf, irgend etwas zu erklären, wirken sie nicht auf den Marktwert und lassen uns erst recht im Dunkeln darüber, weshalb der Marktwert sich gerade in dieser Summe Geld ausdrückt und in keiner anderen“. Aus dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr lassen sich daher wohl die „Abweichungen vom Marktwert“, die durch das Überwiegen einer Kraft über die andere hervorgerufen werden, nicht aber die Höhe des Marktwertes selbst erklären.

Daß diese seltsame Theorie Marx gut in das System paßt, liegt auf der Hand. Wenn für die Höhe der Dauerpreise aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage schlechterdings nichts zu erklären ist, dann war es ja auch ganz in der Ordnung, daß Marx sich in seiner Grundlegung um diese belanglosen Faktoren nicht weiter gekümmert und ohne Umschwelfe denjenigen Faktor in das System eingeführt hat, der nach seiner Meinung allein einen reellen Einfluß auf die Werthöhe ausübt, nämlich die Arbeit.

Es liegt aber, wie ich glaube, nicht weniger auf der Hand, daß jene seltsame Theorie vollkommen falsch ist. Ihre Argumentation ruht, wie so oft bei Marx, auf einem Spiel mit Worten.

Es ist ganz richtig, daß bei dem Verkauf einer Ware zu ihrem normalen Marktwert in einem gewissen Sinne Angebot und Nachfrage sich decken müssen: d. h., daß zu diesem Preise ebensoviel von der Ware wirksam begehrt als angeboten wird. Dies gilt aber nicht bloß bei dem Verkauf zum normalen Marktwerte, sondern bei jedem, auch bei einem abweichenden, unregelmäßigen Marktpreise. Ferner ist es jedermann, und auch Marx ganz gut bekannt, daß Angebot und Nachfrage elastische Größen sind. Außer der faktisch zum Austausch gelangenden Nachfrage und Zufuhr gibt es immer auch noch eine „ausgeschlossene“ Nachfrage und Zufuhr; eine Menge von Leuten, die die Ware für ihr Bedürfnis gleichfalls begehren, aber den von ihren kräftigeren Konkurrenten gebotenen Preis nicht bieten wollen oder können, und eine Menge von Leuten, welche die begehrte Ware gleichfalls zu liefern bereit wären, aber nur zu höheren als den auf dem gegenwärtigen Markte in Frage kommenden Preisen. Das Wort nun, daß Angebot und Nachfrage „sich decken“, gilt durchaus nicht von der ganzen Nachfrage und Zufuhr, sondern nur von dem erfolgreichen Teile. Es ist aber endlich <114> auch eine bekannte Sache, daß die Mechanik des Marktes gerade in der Auslese des erfolgreichen Teiles aus der Gesamtnachfrage und dem Gesamtangebot ihre Aufgabe findet, und daß das wichtigste Mittel dieser Auslese die Preisbildung ist. Es können nicht mehr Waren gekauft als verkauft werden. Es können daher von beiden Seiten nur gleichviele Reflektanten (bezw. Reflektanten für gleichviel Waren) zum Zuge gelangen. Die Auslese dieser Gleichzahl erfolgt nun dadurch, daß der Preis automatisch auf eine Höhe gerückt wird, durch welche die Überzähligen auf beiden Seiten ausgeschlossen werden, so daß der Preis zugleich für die überzähligen Kauflustigen zu hoch und für die überzähligen Verkauflustigen zu niedrig ist. An der Bestimmung dieser Preishöhe haben nun nicht allein die zum Zuge gelangenden, sondern auch die Verhältnisse der ausgeschlossenen Bewerber einen Anteil (35), und es ist schon deshalb falsch, aus der Gleichheit des zum Zuge gelangenden Teiles von Angebot und Nachfrage auf eine gänzliche Aufhebung der von Angebot und Nachfrage überhaupt ausgehenden Wirkung zu schließen.

Es ist dies aber auch noch aus einem anderen Grunde falsch. Nehmen wir selbst an, mit der Preisbildung habe nur der quantitativ im Gleichgewichte stehende erfolgreiche Teil von Angebot und Nachfrage zu tun, so ist es eine ganz irrige und unwissenschaftliche Annahme, daß Kräfte, die sich gerade das Gleichgewicht halten, deshalb „aufhören zu wirken“. Im Gegenteil, ihre Wirkung ist eben der erzielte Gleichgewichtszustand, und wenn es sich darum handelt, diesen Gleichgewichtszustand mit allen seinen Besonderheiten, zu welchen in hervorragender Weise die Höhe des Niveaus gehört, in welchem das Gleichgewicht gefunden wurde, zu erklären, so kann dies nicht, wie Marx meint, nur „anders als durch das Eingreifen der beiden Kräfte“, sondern es kann im Gegenteile nur durch das Eingreifen der sich das Gleichgewicht haltenden Kräfte geschehen. Solche abstrakte Sätze können übrigens am schlagendsten an einem praktischen Beispiele einleuchtend gemacht werden.

Wir lassen einen Luftballon steigen. Jedermann weiß, daß der Luftballon dann und deshalb steigt, wenn und weil er mit einem Gas gefüllt ist, welches dünner ist, als die atmosphärische Luft. Aber er steigt nicht ins Grenzenlose, sondern nur bis zu einer <115> gewissen Höhe, in welcher er sodann, so lange nicht andere Einwirkungen, wie Ausströmen des Gases etc., die Sachlage verändern, schwebend verharrt. Wie reguliert sich nun, und durch welche Faktoren bestimmt sich diese Steighöhe? Auch das ist ganz klar und durchsichtig. Die Dichte der atmosphärischen Luft nimmt nach oben zu ab. Der Ballon steigt nur so lange, als die Dichte der ihn gerade umgebenden Luftschichte noch größer ist als seine eigene Dichte, und er hört zu steigen auf, wenn die eigene Dichte und die Dichte der umgebenden Luftschichte sich gerade das Gleichgewicht halten. Der Luftballon wird also desto höher steigen, je geringer die Dichte seines Füllungsgases ist, und in einer je höheren Luftschichte der gleiche Dichtigkeitsgrad bei der atmosphärischen Luft anzutreffen ist. Es liegt unter diesen Umständen auf der Hand, daß die Erklärung der Steighöhe gar nicht anders gewonnen werden kann, als durch die Berufung auf die wechselseitigen Dichtigkeitsverhältnisse des Ballons einerseits und der atmosphärischen Luft andererseits.

Wie würde die Sache aber nach dem Marxschen Ideenkreise aussehen? Bei erreichter Steighöhe halten sich die beiden Kräfte, Dichtigkeit des Ballons und Dichtigkeit der umgebenden Luft, gerade das Gleichgewicht. Sie „hören deshalb auf zu wirken“, „sie hören auf, irgend etwas zu erklären“, sie „wirken nicht auf die Steighöhe“, und wenn wir daher die letztere erklären wollen, müssen wir sie „anders erklären als durch das Eingreifen dieser beiden Kräfte“! Ja, wodurch denn?!

Oder, wenn eine Dezimalwaage beim Abwägen eines Körpers auf 50 Kilo weist, wie kann dieser Stand der Waage erklärt werden? Durch das Verhältnis der Schwere des zu wägenden Körpers einerseits und des zum Abwägen dienenden Gewichtes andererseits nicht, denn diese beiden Kräfte halten sich bei dem betreffenden Stande der Waage gerade das Gleichgewicht, hören daher auf zu wirken, und es kann aus ihrem Verhältnis gar nichts, auch nicht der Stand der Waage erklärt werden!

Ich glaube, die Irrung ist deutlich genug, wie nicht minder auch, daß dieselbe Art der Irrung den Darlegungen zu Grunde liegt, in denen Marx den Einfluß von Angebot und Nachfrage auf die Höhe der Dauerpreise hinweg räsonniert. Daß übrigens ja kein Mißverständnis entstehe: es ist entfernt nicht meine Meinung, daß die Berufung auf die Formel von Angebot und Nachfrage bereits eine vollständige und befriedigende Erklärung der Dauerpreise enthalte. Im Gegenteile, meine anderwärts oft und eingehend ausgesprochene Meinung geht dahin, daß man die Elemente, die mit jenem Schlagworte nur grob zusammenfassend bezeichnet werden, genau analysieren, Art und Maß ihres wechselseitigen Einflusses genau feststellen und auf diese Weise auch zur Erkenntnis jener Elemente vorschreiten muß, welchen ein spezieller Einfluß gerade auf den dauernden Stand der Preise zukommt. Aber für diese tiefergehende Erklärung ist der von Marx wegräsonnierte Einfluß des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage auf die Preisbildung ein indispen- <116> sables Zwischenglied: sie läuft nicht abseits davon, sondern führt durch dieses mitten hindurch.

Nehmen wir unseren Faden wieder auf. Wir haben an verschiedenen Zeichen gesehen, wie sehr Marx bestrebt ist, in seinem System den Einfluß von Angebot und Nachfrage in den Hintergrund treten zu lassen. Nun tritt an ihn bei jener merkwürdigen Wendung, die sein System nach dem ersten Viertel des dritten Bandes macht, die Aufgabe heran, zu erklären, warum die Dauerpreise der Waren nicht nach der verkörperten Arbeitsmenge, sondern nach den davon abweichenden „Produktionspreisen“ gravitieren.

Als die Kraft, die dieses zu stande bringt, erklärt er – die Konkurrenz. Die Konkurrenz gleicht die ursprünglich für die verschiedenen Produktionszweige, je nach der verschiedenen organischen Zusammensetzung der Kapitale, verschiedenen Profitraten zu einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate aus (36), und im Zusammenhang damit müssen die Preise auf die Dauer nach den einen gleichen Durchschnittsprofit abwerfenden Produktionspreisen gravitieren.

Stellen wir rasch einige Punkte fest, die für die Würdigung dieser Erklärung von Wichtigkeit sind.

Es ist erstens klar, daß die Berufung auf die Konkurrenz inhaltlich nichts anderes als die Berufung auf die Wirksamkeit von Angebot und Nachfrage bedeutet. In derjenigen, von uns schon oben einmal vorgeführten Stelle, in der Marx am bündigsten den Prozeß der Ausgleichung der Profitrate durch die Konkurrenz der Kapitale schildert (III. 175 f.) [MEW 23, S. 205 f.]‚ läßt er denn auch diesen Prozeß ganz ausdrücklich durch ein „solches Verhältnis der Zufuhr zur Nachfrage bewirken, daß der Durchschnittsprofit in den verschiedenen Produktionssphären derselbe wird, und daher die Werte sich in Produktionspreise verwandeln“.

Zweitens steht fest, daß es sich bei diesem Prozesse nicht um bloße Schwankungen um das der Werttheorie der beiden ersten Bände entsprechende Gravitationszentrum, nämlich um die verkörperte Arbeitszeit herum, sondern um die definitive Abdrängung der Preise auf ein anderes, dauerndes Gravitationszentrum, nämlich den Produktionspreis, handelt.

Und nunmehr drängt sich Frage an Frage.

Wenn nach Marx das Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr überhaupt keine Wirkung auf die Höhe des Dauerpreises ausüben kann, wie kann die „Konkurrenz“, die mit eben diesem Verhältnis identisch ist, die Kraft sein, welche die Höhe der Dauerpreise verschiebt vom Niveau der „Werte“ auf das davon so weit abweichende Niveau der Produktionspreise?

Ringt sich in dieser notgedrungenen und theoriewidrigen Anrufung <117> der Konkurrenz als des Deus ex machina, der die Dauerpreise vom theoriegemäßen Gravitationszentrum der verkörperten Arbeitsmenge auf ein anderes Gravitationszentrum hinüberdrängt, nicht vielmehr unwillkürlich das Eingeständnis durch, daß die „gesellschaftlichen Triebkräfte“, welche das tatsächliche Leben regieren, irgendwelche elementare Bestimmungsgründe der Austauschverhältnisse in sich schließen und zur Geltung bringen, welche sich ni c ht auf Arbeitszeit reduzieren lassen, und daß somit die Analyse der ursprünglichen Theorie, welche nichts als Arbeitszeit als das den Austauschverhältnissen zu Grunde liegende herausdestillierte, eine unvollständige, den Tatsachen nicht entsprechende war?

Und ferner: Marx hat uns selbst gesagt, und wir haben uns diese Stelle wohl eingeprägt (37), daß die Waren sich nur dann annähernd zu ihren Werten vertauschen, wenn eine lebhafte Konkurrenz besteht; er hat also die Konkurrenz damals als einen Faktor angerufen, der die Tendenz hat, die Preise der Waren ihren „Werten“ zuzudrängen. Und jetzt lernen wir die Konkurrenz als eine Kraft kennen, welche die Preise der Waren im Gegenteil von ihren „Werten“ ab- und den Produktionspreisen zudrängt! Gibt es für diese Aussprüche, die sich noch dazu in einem und demselben Kapitel, dem vermutlich zu einer fatalen Berühmtheit bestimmten zehnten Kapitel des dritten Bandes, finden, eine Versöhnung? Und wenn Marx vielleicht gemeint haben sollte, die Versöhnung darin zu finden, daß der eine Satz für Urzustände, der andere für die entwickelte moderne Gesellschaft gilt – müssen wir ihm da nicht entgegenhalten, – daß er im ersten Kapitel seines Werkes seine Arbeitswerttheorie nicht aus den Verhältnissen einer Robinsonade, sondern aus jenen von Gesellschaften eingeleitet hat, „in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht“, und deren „Reichtum als eine ungeheure Warensammlung erscheint“? Und beansprucht er nicht auch in seinem ganzen Werk, daß wir die Verhältnisse unserer modernen Gesellschaften im Lichte seiner Arbeitstheorie erblicken und beurteilen sollen? Wenn wir aber fragen, wo nach seinen eigenen Aussprüchen das Geltungsgebiet seines Wertgesetzes in der modernen Gesellschaft zu suchen ist, so suchen wir ganz vergeblich. Denn entweder besteht keine Konkurrenz: dann vertauschen sich die Waren überhaupt nicht nach ihren Werten, laut Marx II. 156 fg. [S. 186 f.], oder aber, es wirkt die Konkurrenz: dann vertauschen sie sich erst recht nicht nach ihren Werten, sondern nach ihren Produktionspreisen, laut Marx III. 176 [S. 206]!

So häuft sich im ominösen zehnten Kapitel Widerspruch auf Widerspruch. Ich will die ohnedies schon so weit ausgesponnene Untersuchung nicht noch dadurch verlängern, daß ich auch noch alle die kleineren Widersprüche und Ungenauigkeiten aufzähle, von denen dieses Kapitel wimmelt. Ich glaube, jeder, der dieses Kapitel mit Unbefangenheit liest, wird die Empfindung haben, daß es sozusagen <118> aus der Art geschlagen ist. Statt der strengen, prägnanten, vorsichtigen Ausdrucksweise, statt der eisenfesten Logik, an die wir aus den Glanzpartien des Marxschen Werkes gewöhnt sind, finden wir hier Unsicherheit und abspringendes Wesen nicht bloß in der Argumentation, sondern selbst im Gebrauche der technischen Ausdrücke. Wie auffallend ist z. B. die beständig wechselnde Auffassung von Nachfrage und Zufuhr, die bald ganz richtig als elastische Größen mit Intensitätsunterschieden, bald aber, nach schlechtestem Vorbild einer längst überholten „Vulgärökonomie“, als einfache Quantitäten in Betracht gezogen werden; oder wie unbefriedigend und wenig konsequent ist die Darlegung, durch welche Faktoren der Marktwert regiert wird, wenn die verschiedenen Partien der auf den Markt kommenden Warenmenge unter ungleichen Produktionsbedingungen erzeugt werden u. dgl.!

Die Ursache dieser Erscheinung kann nicht darin allein gefunden werden, daß dieses Kapitel vom alternden Marx geschrieben wurde, denn es findet sich auch noch in späteren Teilen manche prachtvoll geschriebene Ausführung. Auch muß jenes ominöse Kapitel, auf dessen Inhalt ja schon im ersten Bande dunkle Hindeutungen eingestreut waren (38), schon frühzeitig erdacht gewesen sein. Sondern Marx schreibt hier verworren und schwankend, weil er nicht klar und scharf schreiben durfte, ohne in offenen Widerspruch und Widerruf zu geraten. Hätte er hier, wo er von den wirklichen, im tatsächlichen Leben zu beobachtenden Austauschverhältnissen den Ausgang nahm, mit demselben Ernst und derselben Gründlichkeit in sie hineingeleuchtet, mit welcher er zwei Bände lang seine Hypothese vom Arbeitswert bis in ihre äußersten logischen Konsequenzen verfolgte; hätte er hier dem Schlagworte von der „Konkurrenz“ einen wissenschaftlichen Inhalt gegeben durch eine sorgfältige wirtschaftspsychologische Analyse der „gesellschaftlichen Triebkräfte“, die unter jenem Sammelnamen zur Wirksamkeit gelangen, hätte er hier nicht geruht und gerastet, solange irgend ein Zwischenglied nicht aufgeklärt, irgend eine Konsequenz nicht bis zu Ende verfolgt war, oder irgend eine Beziehung dunkel oder widerspruchsvoll erschien – und es fordert fast jedes Wort seines jetzigen zehnten Kapitels zu einer solchen tieferen Erforschung oder Aufklärung heraus – dann wäre er eben Schritt für Schritt zur Aufstellung eines inhaltlich ganz anderen Systems hingedrängt worden, und es wäre der offene Widerspruch und Widerruf der Kardinalsätze seines ursprünglichen Systems nicht zu vermeiden gewesen. Zu vermeiden war er nur durch Verschleierung, durch Verschwommenheit und Dunkel – das muß Marx, wenn nicht gewußt, so doch instinktiv gefühlt haben, als er die „tiefere Analyse der gesellschaftlichen Triebkräfte“ ausdrücklich ablehnte.

Und damit, glaube ich, ist auch das Alpha und Omega aller <119> Marxschen Irrungen, Widersprüche und Unklarheiten bezeichnet. Sein System hält keine solide, geschlossene Fühlung mit den Tatsachen. Weder durch gesunde Empirie noch durch eine solide wirtschaftspsychologische Analyse hat Marx aus den Tatsachen die Fundamente seines Systems gewonnen, sondern er gründet es auf keinen festeren Boden als den einer steifleinenen Dialektik. Das ist die große Sünde, die Marx seinem System in die Wiege legt. Aus ihr entspringt alles Weitere mit Notwendigkeit. Das System ist nach einer gewissen Richtung geordnet, die Tatsachen laufen in einer anderen und dem System bald da, bald dort in die Quere. Da zeugt die Ursünde jedesmal neue Sünde. Der Anstoß soll nicht offenbar werden: da hüllt man entweder die Sache in Dunkel oder Verschwommenheit, oder man biegt und dreht mit ähnlichen dialektischen Künsten wie zu Anfang, oder freilich, wo das alles nicht hilft, man widerspricht sich. Das ist das Zeichen, unter welchem das zehnte Kapitel des dritten Bandes von Marx steht: es bringt die lange hinausgeschobene schlimme Ernte, die aus der schlimmen Aussaat hervorwachsen mußte!

* * *

Anmerkungen des Verfassers

(22) Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien, S. 429 fg.

(23) Treffend wendet Karl Knies gegen Marx ein: „Es ist innerhalb der Darlegung von Marx absolut kein Grund ersichtlich, weshalb nicht so gut wie die Gleichung: 1 Quarter Weizen = a Zentner im Forst produzierten Holzes auch die zweite auftreten soll: 1 Quarter Weizen = a Zentner wildgewachsenen Holzes = b Morgen jungfräulichen Bodens = c Morgen Weidefläche auf natürlichen Wiesen“. (Das Geld, 1. Aufl. S. 121, 2. Aufl. S. 157).

(24) In einem Zitat aus Barbou wird sogar in diesem selben Absatz der Unterschied von Waren und Dingen noch einmal verwischt: „Die eine Warensorte ist so gut wie die andere, wenn ihr Tauschwert gleich groß ist. Da existiert keine Verschiedenheit oder Unterscheidbarkeit zwischen Dingen von gleich großem Tauschwert!“

(25) z. B. S. 15 [S. 55] am Ende: „Endlich kann kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutzlos, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit (sic!) und bildet daher keinen Wert“. – Auf den im Texte gerügten logischen Fehler hat schon Knies aufmerksam gemacht. Siehe Das Geld, Berlin 1873, S. 123 u. f. (2. Aufl. S. 160 fg.). In seltsamer Weise hat Adler (Grundlagen der Karl Marxschen Kritik, Tübingen 1887, S. 211 f.) mein Argument mißverstanden, wenn er mir entgegenhält, daß die guten Stimmen keine Waren im Marxschen Sinne seien. Es handelte sich mir ja keineswegs darum, ob sich die „guten Stimmen“ als wirtschaftliche Güter unter das Marxsche Wertgesetz subsummieren lassen oder nicht, sondern vielmehr lediglich darum, das Muster eines logischen Schlusses aufzustellen, der denselben Fehler aufweist, wie der Marxsche. Ich hätte dazu ebensogut ein Beispiel wählen können, das gar keine Beziehung zum wirtschaftlichen Gebiet besitzt. Ich hätte z. B. ebensogut demonstrieren können, daß nach Marxscher Logik das Gemeinsame der bunten Körper in Gott weiß was, aber nicht in der Mischung mehrerer Farben gelegen sein könne. Denn eine Farbenmischung, z. B. weiß, blau, gelb, schwarz, violett, gilt für die Buntheit gerade so viel wie jede andere Farbenmischung, z. B. grün, rot, orange, himmelblau etc., wenn sie nur „in gehöriger Proportion“ vorhanden ist: folglich abstrahiere man augenscheinlich von der Farbe und Farbenmischung!

(26) Die Stellung, die Smith und Ricardo zur Lehre vom Arbeitswert einnehmen, habe ich ausführlich in meiner Geschichte und Kritik, S. 428 ff. besprochen und daselbst insbesondere auch nachgewiesen, daß sich bei den genannten Klassikern keine Spur einer Begründung jener These findet. Vgl. auch Knies, Der Kredit, II. Hälfte, S. 60 ff.

(27) Deutsche Worte, XV. Jahrg. Heft 3, März, 1895, S. 155.

(28) z. B. I. 141 f., 150, 151, 158 [MEW, Bd. 23, S. 172 f., 180, 181, 187] und oft; auch noch im Anfange des dritten Bandes, so III. 25, 128, 132 [MEW, Bd. 25, S. 60 f., 159, 162].

(29) z. B. I. 150 A. 37 [MEW, Bd. 23, S. 180).

(30) Gegen Rodbertus siehe die ausführlichen Darlegungen in meiner Geschichte und Kritik, S. 405 ff., besonders auch in der Note auf S. 407.

(31) A. a. O., S. 443 fg.

(32) Siehe oben.

(33) Selbstverständlich sehe ich von verhältnismäßig kleinen Meinungsverschiedenheiten hier ganz ab; insbesondere habe ich während dieses ganzen Aufsatzes darauf verzichtet, die feineren Nuancen zur Geltung oder auch nur zur Sprache zu bringen, die in Bezug auf die Auffassung des „Kostengesetzes“ bestehen.

(34) III. 169 [MEW, Bd.25, S. 199]; siehe auch oben.

(35) Eine genauere Analyse ergibt, daß der Preis zwischen die Geldschätzungsziffern der sogenannten „Grenzpaare“ fallen muß, d. i. zwischen die Beträge, welche der letzte noch zum Zuge gelangende Käufer und der erste vom Kaufe schon ausgeschlossene Kauflustige äußersten Falls für die Ware zu bieten und mit welchem der letzte noch zum Zuge kommende Verkäufer und der erste vom Verkaufe schon ausgeschlossene Verkauflustige äußersten Falls für die Ware vorlieb zu nehmen bereit sind. Das Genauere siehe in meiner Positiven Theorie des Kapitals, Innsbruck 1889, S. 218 ff.

(36) Siehe oben.

(37) Siehe oben.

(38) z. B. I. S. 151 Note 37 a. f., S. 210, Note 31 [MEW, Bd. 23, S. 181 u. S. 234].


Zuletzt aktualisiert am 21. März 2020