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Eduard Bernstein: Zur Theorie und Geschichte des Socialismus: Gesammelte Abhandlungen, Bd. 1, Berlin 1904, S. XII–XIV.
Transkription/HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.
Nachdem drei Auflagen der vorliegenden Sammelschrift vergriffen sind, halte ich mich für berechtigt, ihr für erforderte weitere Auflagen eine etwas veränderte Gestalt zu geben. Die Änderugen beziehen sich sowohl auf die Form wie auf den Inhalt der Schrift, wohingegen ihre Tendenz unverändert bleibt.
Hinsichtlich der Form folge ich zunächst damit einem mehrfach geäusserten Wunsch, dass ich die drei Abschnitte, in die das Ganze zerfällt, getrennt als einzelne Teile erscheinen lasse. Da das Interesse am Inhalt dieser Teile verschieden ist, wird denjenigen, die etwa nur für einen Teil Interesse haben, dessen Anschaffung erleichtert.
Ferner drängte sich mir auch die Notwendigkeit einer etwas anderen Gruppierung der Aufsätze auf. Der Aufsatz über Classenkampf und Compromiss gehört nach meiner Ansicht mehr in die Abteilung der Probleme des Socialismus, als in die ursprünglich „ex cathedra“ betitelte erste Abteilung. Er ist demgemäss jener eingereiht worden. Dasselbe ist mit dem Aufsatz Die Grenzen der Leistungsfähigkeit internationaler Congresse geschehen. Mit dieser Verschiebung drückt dem ersten Teil mehr noch als bisher die Abhandlung über das Lohngesetz den Stempel auf. So halte ich es denn nur für angemessen, sie nunmehr auch an die Spitze des Teils stellen und diesen nach ihr zu benennen. Dies wird sich um so mehr rechtfertigen, als es sich als nötig herausgestellt hat, die Abhandlung um ein Kapitel zu vermehren. Der Satz, mit dem sie abschloss, nämlich dass der Kampf der socialistichen Arbeiterschaft thatsächlich nicht auf Abschaffung der Lohnform überhaupt, sondern zunächst wenigstens auf Neu-Ordnung des Systems der Lohnbestimmung abzielt, hat in den letzten Jahren durch verschiedene Beschlüsse von Gewerkschaftscongressen, deren Teilnehmer fast ausnahmslos der Socialdemokratie angehörten, bemerkenswerte Unterstützung erhalten. Immer stärker ertönt auf diesen Congressen der Ruf nach Erkämpfung von Tarifgemeinschaften. Der Tarifvertrag aber, der stets auf eine Reihe von Jahren abgeschlossen wird, bedeutet zwar keine Abweichung vom Lohnsystem, aber eine prinzipielle Änderung des Systems der Lohnbestimmung. Der Arbeiter erhält bei ihm durch das Mittel seiner Organisation ein Mitbestimmungsrecht nicht nur in Bezug auf die Höhe des Arbeitslohns, sondern auch in Bezug auf die Bestimmung seiner speziellen Form, die Art seiner Berechnung. Dies macht eine systematische, nach wissenschaftlichen Regeln vorgenommene LIntersuchung dieser Lohnformen zu einer immer dringenderen Notwendigkeit. Die alten Schlagworte gegen die Stückarbeit als Akkordarbeit und darum Mordarbeit versagen nun. Und so ist der Abhandlung über das Lohngesetz ein Kapitel über neuere Lohnmethoden angefügt, das zwar den Gegenstand keineswegs erschöpfend behandelt, aber doch einige der Hauptgesichtspuncte hervorhebt, die für seine grundsätzliche Behandlung in Betracht kommen. Es ist unter Benutzung zweier Aufsätze verfasst, die der Verfasser im Laufe der letzten Jahre über den gleichen Gegenstand im Archiv für sociale Gesetzgebung und den Socialistischen Monatsheften veröffentlicht hat.
Schliesslich habe ich den Aufsatz über die Stellung der Socialdemokratie in den Parlamenten, der mir insofern überlebt erscheint, als er nur ausspricht, was heute allgemein in der Socialdemokratie Geltung hat, aus der neuen Ausgabe fortgelassen.
Auf diese Weise glaube ich den Stoff besser verteilt und das Buch zugleich etwas mehr zeitgemäss gestaltet zu haben. Ausserdem ist Sorge getragen worden, es von den Druckfehlern zu reinigen, die die erste Ausgabe verunzierten.
Über Änderungen in den zwei folgenden Abschnitten wird in besonderen Vorworten zu ihnen Rechenschaft gegeben werden.
Berlin, im März 1904
Zuletzt aktualisiert am 27. Juli 2018