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§1
Die Wissenschaft der Logik hat das Denken und den Umfang seiner Bestimmungen zum Gegenstande. Natürliche Logik heißt man den natürlichen Verstand, den der Mensch überhaupt von Natur hat und den unmittelbaren Gebrauch, den er davon macht. Die Wissenschaft der Logik aber ist das Wissen von dem Denken in seiner Wahrheit.
Erläuterung. Die Logik betrachtet das Gebiet des Gedankens überhaupt. Das Denken ist seine eigene Sphäre. Es ist ein Ganzes für sich. Der Inhalt der Logik sind die eigentümlichen Bestimmungen des Denkens selbst, die gar keinen anderen Grund als das Denken haben. Das ihm Heteronomische ist ein durch die Vorstellung überhaupt Gegebenes. Die Logik ist also eine große Wissenschaft. Es muss allerdings zwischen dem reinen Gedanken und der Realität unterschieden werden; aber Realität, insofern darunter die wahrhafte Wirklichkeit verstanden wird, hat auch der Gedanke. Insofern aber damit nur das sinnliche, äußerliche Dasein gemeint ist, hat er sogar eine viel höhere Realität. Das Denken hat also einen Inhalt und zwar sich selbst auf autonomische Weise. — Durch das Studium der Logik lernt man auch richtiger denken, denn indem wir das Denken des Denkens denken, verschafft sich der Geist damit seine Kraft. Man lernt die Natur des Denkens kennen, wodurch man ausspüren kann, wenn das Denken sich will zum Irrtum verführen lassen. Man muss sich Rechenschaft von seinem Tun zu geben wissen. Dadurch erlangt man Festigkeit, sich nicht von Andern irre machen zu lassen.
§2
Das Denken ist überhaupt das Auffassen und Zusammenfassen des Mannigfaltigen in der Einheit. Das Mannigfaltige als solches gehört der Äußerlichkeit überhaupt, dem Gefühl und der sinnlichen Anschauung an.
Erläuterung. Das Denken besteht darin, alles Mannigfaltige in die Einheit zu bringen. Indem der Geist über die Dinge denkt, bringt er sie auf die einfachen Formen, welche die reinen Bestimmungen des Geistes sind. Das Mannigfaltige ist dem Denken zunächst äußerlich. Insofern wir das sinnlich Mannigfaltige auffassen, denken wir noch nicht, sondern erst das Beziehen desselben ist das Denken. Das unmittelbare Auffassen des Mannigfaltigen heißen wir Fühlen oder Empfinden. Wenn ich fühle, weiß ich bloß von etwas; in der Anschauung aber schaue ich etwas als ein mir Äußerliches im Raum und in der Zeit an. Das Gefühl wird zur Anschauung, wenn es räumlich und zeitlich bestimmt wird.
§3
Das Denken ist Abstraktion, insofern die Intelligenz von konkreten Anschauungen ausgeht, eine von den mannigfaltigen Bestimmungen weglässt und eine andere hervorhebt und ihr die einfache Form des Denkens gibt.
Erläuterung. Wenn ich alle Bestimmungen von einem Gegenstand weglasse, so bleibt nichts übrig. Wenn ich dagegen eine Bestimmung weglasse und eine andere heraushebe, so ist dies abstrakt. Das Ich z. B. ist eine abstrakte Bestimmung. Ich weiß nur von Ich, insofern ich mich von allen Bestimmungen absondere. Dies ist aber ein negatives Mittel. Ich negiere die Bestimmungen von mir und lasse mich nur als solchen. Das Abstrahieren ist die negative Seite des Denkens.
§4
Der Inhalt der Vorstellungen ist aus der Erfahrung genommen, aber die Form der Einheit selbst und deren weitere Bestimmungen haben nicht in dem Unmittelbaren derselben als solchem ihre Quellen, sondern in dem Denken.
Erläuterung. Ich heißt überhaupt Denken. Wenn ich sage: ich denke, so ist dies etwas Identisches. Ich ist vollkommen einfach. Ich hin denkend und zwar immer. Wir können aber nicht sagen: ich denke immer. An sich wohl, aber unser Gegenstand ist nicht immer auch Gedanke. Wir können aber in dem Sinne, dass wir Ich sind, sagen, wir denken immer, denn Ich ist immer die einfache Identität mit sich und das ist Denken. Als Ich sind wir der Grund aller unserer Bestimmungen. Insofern der Gegenstand gedacht wird, erhält er die Form des Denkens und wird zu einem gedachten Gegenstand. Er wird gleich gemacht dem Ich d. h. er wird gedacht.
§5
Dies ist nicht so zu verstehen, als ob diese Einheit erst durch das Denken zu dem Mannigfaltigen der Gegenstände hinzutrete und die Verknüpfung erst von Außen darein gebracht werde, sondern die Einheit gehört eben so sehr dem Objekt an und macht mit ihren Bestimmungen auch dessen eigene Natur aus.
§6
Der Gedanken sind dreierlei: 1) Die Kategorien 2) die Reflexionsbestimmungen; 3) die Begriffe. Die Lehre von den beiden erstem macht die objektive Logik in der Metaphysik aus; die Lehre von den Begriffen die eigentliche oder subjektive Logik. Erläuterung. Die Logik enthält das System des reinen Denkens. Das Sein ist 1) das unmittelbare; 2) das innerliche; die Denkbestimmungen gehen wieder in sich zurück. Die Gegenstände der gewöhnlichen Metaphysik sind das Ding, die Welt, der Geist und Gott, wodurch die verschiedenen metaphysischen Wissenschaften, Ontologie, Kosmologie, Pneumatologie und Theologie entstehen.
3) Was der Begriff darstellt, ist ein Seiendes, aber auch ein Wesentliches. Das Sein verhält sich als das unmittelbare zum Wesen als dem mittelbaren. Die Dinge sind überhaupt, allein ihr Sein besteht darin, ihr Wesen zu zeigen. Das Sein macht sich zum Wesen, was man auch so ausdrücken kann: das Sein setzt das Wesen voraus. Aber wenn auch das Wesen in Verhältnis zum Sein als das vermittelte erscheint, so ist doch das Wesen das ursprüngliche. Das Sein geht in ihm in seinen Grund zurück; das Sein hebt sich in dem Wesen auf. Sein Wesen ist auf diese Weise ein gewordenes oder hervorgebrachtes, aber vielmehr, was als Gewordenes erscheint, ist auch das Ursprüngliche. Das Vergängliche hat das Wesen zu seiner Grundlage und wird aus demselben.
Wir machen Begriffe. Diese sind etwas von uns Gesetztes, aber der Begriff enthält auch die Sache an und für sich selbst. In Verhältnis zu ihm ist das Wesen wieder das gesetzte, aber das Gesetzte verhält sich doch als wahr. Der Begriff ist teils der subjektive, teils der objektive. Die Idee ist die Vereinigung von Subjektivem und Objektivem. Wenn wir sagen, es ist ein bloßer Begriff, so vermissen wir darin die Realität. Die bloße Objektivität hingegen ist ein Begriffloses. Die Idee aber gibt an, wie die Realität durch den Begriff bestimmt ist. Alles Wirkliche ist eine Idee.
§7
Die Wissenschaft setzt voraus, dass die Trennung seiner selbst und der Wahrheit bereits aufgehoben ist oder der Geist nicht mehr, wie er in der Lehre vom Bewusstsein betrachtet wird, der Erscheinung angehört. Die Gewissheit seiner selbst umfasst Alles, was dem Bewusstsein Gegenstand ist, es sei äußerliches Ding oder auch aus dem Geist hervorgebrachter Gedanke, insofern es nicht alle Momente des An- und Fürsichseins in sich enthält: an sich zu sein oder einfache Gleichheit mit sich selbst; Dasein oder Bestimmtheit zu haben. Sein für Anderes; und für sich sein, in dem Anderssein einfach in sich zurückgekehrt und bei sich zu sein. Die Wissenschaft sucht nicht die Wahrheit, sondern ist in der Wahrheit und die Wahrheit selbst.
Erster Abschnitt Qualität
§8
Die Qualität ist die unmittelbare Bestimmtheit, deren Veränderung das Übergehen in ein Entgegengesetztes ist.
A. Sein, Nichts, Werden
§9
Das Sein ist die einfache inhaltslose Unmittelbarkeit, die ihren Gegensatz an dem reinen Nichts hat, und deren Vereinung das Werden ist: als Übergehen von Nichts in Sein das Entstehen, umgekehrt das Vergehen.
(Der gesunde Menschenverstand, wie die einseitige Abstraktion sich oft selbst nennt, leugnet die Vereinung von Sein und Nichts. Entweder ist das Sein oder es ist nicht. Es gibt kein Drittes. Was ist, fängt nicht an. Was nicht ist, auch nicht. Er behauptet daher die Unmöglichkeit des Anfangs.)
B. Dasein
§ 10
Das Dasein ist gewordenes, bestimmtes Sein, ein Sein, das zugleich Beziehung auf Anderes, also auf sein Nichtsein hat.
§11
a) Das Dasein ist somit ein in sich geteiltes. Einmal ist es an sich, das anderemal ist es Beziehung auf Anderes. Das Dasein, mit diesen beiden Bestimmungen gedacht, ist Realität.
§12
b) Etwas, das da ist, hat eine Beziehung auf Anderes. Das Andere ist ein Daseiendes als Nichtsein von Etwas. Es hat somit zunächst eine Grenze oder Schranke und ist endlich. Wie etwas an sich sein soll, ist seine Bestimmung.
§13
Wie etwas für Anderes ist, wie es mit Anderem zusammenhängt, also an sich unmittelbar auch durch Anderes gesetzt ist, so ist seine Beschaffenheit.
§14
Wie etwas sowohl an sich als für Anderes in sich ist, so ist seine Bestimmtheit oder Qualität. Die Grenze ist nicht nur ein bloßes Aufhören, sondern gehört dem Etwas an sich an.
§15
c) Durch seine Qualität, durch das, was es ist, ist Etwas der Veränderung unterworfen. Es verändert sich, insofern seine Bestimmtheit im Zusammenhang mit Anderem zur Beschaffenheit wird.
C. Fürsichsein
§16
Indem sich durch die Veränderung die Beschaffenheit überhaupt aufhebt, hebt sich auch die Veränderung selbst auf. Das Sein ist hiermit in sich selbst zurückgegangen und schließt Anderes von sich aus. Es ist für sich.
§17
Es ist Eins, das sich nur auf sich bezieht und sich gegen das
Andere als repellirend verhält.
§18
Diese Ausschließung ist zugleich eine Beziehung auf Anderes und verhält sich also zugleich attrahirend. Keine Repulsion ohne Attraction und umgekehrt.
§19
Oder mit der Repulsion des Eins sind unmittelbar viele Eins gesetzt. Aber die vielen Eins sind nicht von einander unterschieden. Eins ist, was das andere ist. Es ist ebenso ihre Aufhebung, die Attraktion gesetzt.
§ 20
Das Eins ist das fürsichseiende, das sich absolut von anderen unterscheidet. Aber indem dieser Unterschied, die Repulsion durch die Attraction sich aufhebt, ist der Unterschied als aufgehobener gesetzt und damit in eine andere Bestimmung, die Quantität, übergegangen.
(Etwas hat ohne seine Grenze keine Bedeutung. Wenn ich von Etwas die Grenze verändere, so bleibt es nicht mehr, was es ist. Wenn ich von einem Acker die Grenze verändere, so bleibt der Acker, der er ist und wird nur etwas größer. Hier aber habe ich seine Grenze nicht als Acker verändert, sondern als Quantum. Seine Größe als Acker verändern hieße ihn z. B. zum Walde machen.)
Zweiter Abschnitt. Quantität.
§21
Durch die Qualität ist etwas das, was es ist. Durch Veränderung der Qualität verändert sich nicht bloß eine Bestimmung an Etwas oder an dem Endlichen, sondern das Endliche selbst. Die Quantität dagegen ist die Bestimmung, die nicht mehr die Natur der Sache selbst ausmacht, sondern gleichgültiger Unterschied, bei dessen Veränderung die Sache bleibt, was sie ist.
§22
Die Quantität ist das aufgehobene für sich sein oder Eins. Sie ist also eine ununterbrochene Kontinuität in sich selbst. Aber da sie eben so sehr das Eins enthält, so hat sie auch das Moment der Diskretion in sich.
§23
A. Die Größe ist entweder kontinuierlich oder diskret. Aber jede dieser beiden Arten von Größe hat sowohl die Diskretion als die Kontinuität an ihr und der Unterschied ist nur dieser, dass in der diskreten Größe die Diskretion, in der kontinuierlichen aber die Kontinuität das Prinzip ausmacht.
§24
B. Die Größe oder Quantität ist als begrenzte Quantität ein Quantum. Da diese Grenze nichts an und für sich Bestimmtes ist, so kann ein Quantum ins Unbestimmte vermehrt oder vermindert werden.
§25
Die Grenze des Quantums in der Form des Insichseins gibt die intensive Größe, in der Form der Äußerlichkeit die extensive Größe. Es gibt aber nicht ein Intensives, das nicht auch die Form von extensivem Dasein hätte und umgekehrt.
§26
C. Das Quantum hat keine an sich selbst bestimmte Grenze. Es gibt also kein Quantum, über das nicht ein größeres oder kleineres gesetzt werden könnte. Das Quantum, welches das letzte sein, über das kein größeres oder kleineres gesetzt werden soll, heißt gewöhnlich das unendlich Große oder das unendlich Kleine.
§27
Aber damit hört es überhaupt auf, ein Quantum zu sein und ist für sich = o. Es hat nur noch Bedeutung als Bestimmung eines Verhältnisses, worin es für sich keine Größe mehr hat, sondern nur eine Bestimmung in Beziehung auf ein anderes. Dies ist der genauere Begriff des mathematisch-Unendlichen.
§28
Das Unendliche überhaupt ist im unendlichen Progress zunächst das Aufheben der Schranke, sie sei eine qualitative oder quantitative, so dass diese Schranke als Positives gilt und daher gegen die Negation immer wieder entsteht. Das wahrhaft Unendliche aber ist indem die Schranke als Negation gefasst wird, die Negation der Negation. In ihm wird durch das Hinausgehn über das Endliche nicht wieder eine neue Schranke gesetzt, sondern durch das Aufheben der Schranke das Dasein zur Gleichheit mit sich wiederhergestellt.
§29
Indem das Quantum sich im Unendlichen aufhebt, so hat dies die Bedeutung, dass die gleichgültige äußerliche Bestimmung, die das Quantum ausmacht, aufgehoben und zu einer innerlichen, einer qualitativen Bestimmung wird.
Dritter Abschnitt. Maaß.
§30
Das Maß ist ein specifisches Quantum, insofern es nicht äußerlich, sondern durch die Natur der Sache, durch die Qualität, bestimmt ist.
§31
In der Veränderung eines Quantums, im Vermehren oder Vermindern, das innerhalb des Maßes fällt, tritt gleichfalls eine Spezifikation ein, indem das gleichgültige äußerliche Auf- und Abgehen der Größe zugleich durch die Natur der Sache aus sich bestimmt und modifiziert wird.
§ 32
Indem das Maß einer Sache verändert wird, verändert sich die Sache selbst und Etwas verschwindet durch Überschreiten seines Maßes, über dasselbe zunehmend oder abnehmend.
§33
Das Wesen ist das aus seiner Unmittelbarkeit und aus dem gleichgültigen Verhalten zu Anderem in die einfache Einheit mit sich zurückgenommene Sein.
Erster Abschnitt. Die Bestimmungen des Wesens an sich.
§34
Das Wesen scheint in sich selbst und bestimmt sich. Aber seine Bestimmungen sind in Einheit. Sie sind nur Gesetztsein, d.h. sie sind nicht unmittelbar für sich, sondern solche, die in ihrer Einheit bleiben. Sie sind daher Beziehungen. Es sind Reflexionsbestimmungen.
§35
1) Die erste Bestimmung ist die wesentliche Einheit mit sich selbst, die Identität. Als Satz ausgesprochen, dass nämlich dies eine allgemeine Bestimmung ist, ist es der Satz, A = A, Alles ist sich selbst gleich; negativ, als der Sitz des Widerspruches: A kann nicht zugleich A und nicht A sein.
2) Die zweite Bestimmung ist der Unterschied, a) als die Bestimmung der Verschiedenheit, des gegen einander gleichgültigen, aber durch irgend eine Bestimmtheit unterschiedenen Daseins. Der Satz, der sie ausdrückt, heißt: es gibt nicht zwei Dinge, die einander vollkommen gleich sind; b) als die Bestimmung der Entgegensetzung von Positivem und Negativem, worin eine Bestimmtheit gesetzt ist nur vermittelst einer andern Bestimmtheit, von denen jede nur ist, insofern die andere ist, aber zugleich nur ist, insofern sie nicht die andere ist. Der Satz, wodurch dies ausgedrückt wird, heißt: Etwas ist entweder A oder nicht A und es gibt kein Drittes.
§37
3) Das Dritte, worin die gesetzten Bestimmungen überhaupt aufgehoben sind, ist das Wesen, welches insofern Grund ist. Der Satz des Grundes heißt: Alles hat seinen zureichenden Grund.
§38
Insofern das unmittelbare Dasein als ein nur gesetztes betrachtet wird, so wird von ihm in das Wesen oder zum Grund zurückgegangen. Jenes ist hier das Erste, das, von dem ausgegangen wird. Aber in diesem Zurückgehen wird dies, dass es das Erste sei, vielmehr zurückgenommen und der Grund als das Erste und Wesentliche erkannt.
§39
Der Grund enthält dasjenige, was durch ihn begründet wird, nach seinen wesentlichen Bestimmungen. Aber die Beziehung des Grundes und des Begründeten ist nicht ein reiner Übergang ins Entgegengesetzte, obgleich das begründete Dasein eine von seinem Grunde, der gleichfalls ein Dasein ist, verschiedene Gestalt hat, und die Hauptbestimmung ist ihr gemeinschaftlicher Inhalt.
Zweiter Abschnitt. Die Erscheinung.
A. Das Ding
§40
Der Grund setzt sich durch seine innerliche Bestimmung ins Dasein, ein Dasein, welches als aus dem Grunde hervorgegangen, Existenz ist.
§41
Als ein Ganzes von Bestimmungen derselben ist das Existierende
das Ding.
§42
Die Eigenschaften des Dinges sind Bestimmungen seiner Existenz, welche eine gleichgültige Verschiedenheit von einander haben und eben so ist Ding, als einfache Identität mit sich, (unbestimmt und) gleichgültig gegen sie als Bestimmungen.
§43
Die Bestimmungen sind durch die Dingheit identisch mit sich und das Ding ist nichts, als diese Identität seiner Eigenschaften mit ihnen selbst. Dadurch löst sich also das Ding in seine Eigenschaften als in für sich bestehende Materien auf.
§44
Indem aber die Materien in die Einheit eines Dinges vereinigt sind, durchdringen sie sich gegenseitig und lösen sich einander auf. Das Ding ist somit dieser Widerspruch in sich oder es ist gesetzt als ein sich an sich nur auflösendes, als Erscheinen.
B. Die Erscheinung
§45
Das Wesen ist aus dem Grunde in die Existenz getreten. Das Existierende gesetzt als nicht an und für sich seiendes, sondern in einem Andern gegründetes, ist die Erscheinung. Das Wesen muss erscheinen, insofern es als Grund einfache Unmittelbarkeit und dadurch Sein überhaupt ist.
§46
Um der Identität des Grundes und des Existierenden willen ist nichts in der Erscheinung, was nicht im Wesen, und umgekehrt nichts im Wesen, was nicht in der Erscheinung ist.
§47
(Die Identität mit sich in der Erscheinung ist das Unbestimmte, der Bestimmung schlechthin Fähige, das Passive, die Materie. Die Identität der Bestimmungen in der Beziehung auf einander macht das Aktive, die Form aus. — Indem die Materie von der Form bestimmt wird, werden beide als selbstständig und unabhängig von einander vorausgesetzt. Es gibt aber überhaupt keine Materie ohne Form und keine Form ohne Materie. — Die Materie und die Form erzeugen sich wechselseitig.) Die wesentliche Beziehung in den Bestimmungen der Erscheinung ist das Gesetz derselben.
§48
Indem die Bestimmungen auch in der Form selbstständiger Existenz erscheinen, macht die Beziehung derselben als ein zugleich durch Anderes Bestimmtsein das Verhältnis aus.
C. Das Verhältnis
§49
Das Verhältnis ist eine Beziehung von zwei Seiten auf einander, die teils ein gleichgültiges Bestehen haben, teils aber jede nur durch die andere und in dieser Einheit des Bestimmtseins ist.
§50
Die Bestimmungen sind das eine Mal in der Form des Verhältnisses gesetzt, das andere Mal sind sie nur an sich und erscheinen als eine unabhängige, unmittelbare Existenz. Sie sind in dieser Rücksicht ein vorausgesetztes Dasein, das innerlich schon an sich die Totalität der Form enthält, welche nur Existenz haben kann durch jenes vorausgesetzte Dasein, oder sie sind insofern Bedingungen und das Verhältnis ist ein bedingtes Verhältnis.
§51
In den Bedingungen und im bedingten Verhältnis fängt die Erscheinung an, in das Wesen und Ansichsein zurückzugehn, aber es ist damit noch die Verschiedenheit der Erscheinung als solcher und ihrer, insofern sie an sich ist, vorhanden.
§52
1) Das unmittelbare bedingte Verhältnis ist das des Ganzen und der Teile. Die Teile als etwas außer dem Verhältnis für sich Bestehendes sind bloße Materien und insofern nicht Teil. Als Teile haben sie ihre Bestimmung nur im Ganzen und das Ganze macht sie zu Teilen, aber umgekehrt machen die Teile das Ganze aus.
§53
2) Das Ganze, als innere tätige Form, ist die Kraft. Sie hat keine äußere Materie zu ihrer Bedingung, sondern ist in der Materie selbst. Ihre Bedingung ist nur ein äußerer Anstoß, der sie sollizitiert. Dieser ist selbst Äußerung einer Kraft, und er fordert eine Sollizitation, um zu erscheinen. Es ist ein gegenseitiges Bedingen und Bedingtsein vorhanden, das somit im Ganzen unbedingt ist.
§54
Dem Inhalte nach stellt die Kraft in ihrer Äußerung das dar, was sie an sich ist und es ist nichts in ihrer Äußerung, was nicht in ihrem Innern ist.
§55
3) Der Inhalt ist somit in Rücksicht auf den Unterschied vom Innern und Äußern unbedingt. Er verhält sich als innerlicher nur zu sich selbst als äußerlicher. Das Äußere und Innere ist daher dasselbe, nur von verschiedenen Seiten betrachtet. Das Innere ist die Vollständigkeit der Inhaltsbestimmungen als Bedingungen, die selbst Dasein haben. Das Äußerlichwerden ist die Reflexion derselben, oder das Zusammennehmen in die Einheit eines Ganzen, welches hiedurch Existenz erhält.
Dritter Abschnitt Die Wirklichkeit
A. Die Substanz
§56
Die Substanz ist das unbedingte, an und für sich bestehende Wesen, insofern es unmittelbare Existenz hat. (Substantia est — causa sui: id, quod per se concipitur, sive cujus conceptus invol-vit existentiam.[1*])
§57
In seiner Existenz hat es mannigfaltige von ihm unterschiedene Bestimmungen, die Akzidenzen. In ihrer Totalität machen sie die Substanz aus, welche das Bestehen und daher die Macht ihrer Akzidenzen ist.
§58
Die Akzidenzen, insofern sie an sich in der Substanz enthalten sind, sind möglich.
§59
Indem irgend etwas bloß in der Form des Ansichseins oder als sich nicht widersprechend gedacht wird, wird es möglich genannt. Alles heißt nur möglich, insofern es als ein Ansichsein, das ein nur gesetztes, bestimmt ist. Ein einzelner Inhalt hat eine solche von der Wirklichkeit getrennte Möglichkeit.
§60
Wahrhaft möglich ist etwas als Totalität seiner an sich seienden Bestimmungen. Was diese innere vollständige Möglichkeit hat, ist nicht bloß ein Gesetztsein, sondern an und für sich und unmittelbar wirklich. Die Möglichkeit der Substanz ist daher ihre Wirklichkeit. (Gott z. B. ist nicht nur überhaupt, sondern wahrhaft möglich. Seine Möglichkeit ist eine notwendige. Er ist absolut wirklich.)
§61
Der Zusammenhang der Akzidenzen in der Substanz ist ihre Notwendigkeit. Sie ist die Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit. Die Notwendigkeit ist blind, insofern der Zusammenhang bloß ein innerer ist, oder insofern das Wirkliche nicht zugleich vorher als an sich seiende Einheit seiner Bestimmungen vorhanden ist, sondern aus der Beziehung derselben erst resultiert.
B. Die Ursache
§62
Die Substanz manifestirt sich im Entstehen und Verschwinden der Akzidenzen. Sie ist insofern tätig oder Ursache.
§63
Als Ursache macht die Substanz ihren ursprünglichen Inhalt zur Wirkung, zu einem durch Anderes Gesetzten.
§64
Es ist nichts in der Wirkung, was nicht in der Ursache ist und die Ursache ist Ursache nur in der Wirkung.
(Man sagt: das Herabfallen eines Ziegelsteins ist die Ursache des Todes eines Menschen; die Sumpfluft einer Gegend die Ursache von Fiebern. Aber zunächst ist jenes Ursache nur des Druckes, diese von überwiegender Feuchtigkeit. Aber die Wirkung in dem Wirklichen, das noch andere Bestimmungen hat, wird darin zu einem andern Resultat.)
§65
Die Ursache geht in Wirkung über. Indem die Ursache selbst einen bestimmten Inhalt hat und als Wirkung zu setzen ist, erhalten wir den Regress einer Reihe von Ursachen und Wirkungen ins Unendliche. Umgekehrt, insofern das, worauf die Wirkung geschieht, selbst ein Ursprüngliches ist, ist es Ursache und bringt eine Wirkung in Anderem hervor, wodurch ein Progress ins Unendliche entsteht.
C. Die Wechselwirkung
§66
Insofern die Wirkung auf die Ursache zurückgeht, ist sie selbst Ursache. Sie macht die Ursache zu einem Gesetzten. Sie ist Rückwirkung. Die Rückwirkung ist der Wirkung gleich.
§67
Die Rückwirkung geschieht auf die erste Ursache, welche damit als Wirkung gesetzt wird, wodurch nichts Anderes geschieht, als dass sie so gesetzt wird, wie sie an sich ist, nämlich als ein nicht wahrhaft Ursprüngliches, sondern Übergehendes.
§68
Die Wechselwirkung besteht darin, dass das, was Wirkung ist, sich gegenseitig Ursache, und was Ursache, gegenseitig auch Wirkung ist. Oder die Wechselwirkung ist die Vermittlung der Sache mit sich selbst, in welcher das Ursprüngliche sich bestimmt oder zu einem Gesetzten macht, darin sich in sich reflektiert und erst als diese Reflexion in sich wahrhafte Ursprünglichkeit ist.
§69
Die Kategorien, die Bestimmungen des Seins, sind einfach; aber die Bestimmungen, welche nicht die ersten Elemente ausmachen, die des Wesens, sind es nur insofern, als entgegengesetzte Momente darin zur Einfachheit reduziert sind. Indem nun eine solche Kategorie von einem Subjekte prädiziert wird und durch die Analyse jene entgegengesetzten Momente entwickelt werden, so sind beide von dem Subjekt zu prädizieren, und es entstehen dadurch antinomische Sätze, deren jeder gleiche Wahrheit hat.
§70
Kant[2*] hat vornämlich auf die Antinomieen der Vernunft aufmerksam gemacht, jedoch die Antithetik derselben nicht erschöpft, indem er nur einige ihrer Formen aufgestellt hat. I. Die Antinomie über die Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt, der Zeit und dem Räume nach. 1) Die Antinomie in Ansehung der Zeit.
a) Thesis.
Die Welt hat einen Anfang in der Zeit.
§71
Beweis. Man nehme an, die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, so ist bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewigkeit abgelaufen und mithin eine unendliche Reihe auf einander folgender Zustände der Dinge in der Welt verflossen. Die Unendlichkeit einer Reihe besteht aber darin, dass sie durch successive Synthesis niemals vollendet werden kann; also ist eine unendliche Weltreihe unmöglich; mithin ein Anfang derselben in der Zeit notwendig.
b) Antithesis.
Die Welt hat keinen Anfang in der Zeit und ist der Zeit nach unendlich.
§72
Beweis. Man setze, sie hätte einen Anfang, so würde vor dem Anfange eine Zeit, worin sie nicht da wäre, eine leere Zeit, angenommen. In einer leeren Zeit kann aber nichts entstehen, denn es ist darin keine Bedingung des Daseins, und das Daseiende hat Daseiendes zur Bedingung, oder ist nur von Daseiendem begrenzt. Also kann die Welt keinen Anfang haben, sondern jedes Dasein setzt ein anderes voraus und so fort in das Unendliche.
§73
Die Beweise dieser Antinomie reduzieren sich kurz auf folgenden direkten Gegensatz:
1) Die Welt ist der Zeit nach endlich oder hat eine Grenze. In dem Beweise der Thesis ist eine solche Grenze, nämlich das Jetzt oder irgend ein gegebener Zeitpunkt angenommen.
2) Das Dasein hat nicht an dem Nichtdasein, an der leeren Zeit, eine Grenze, sondern nur an einem Dasein. Die sich begrenzenden sind auch positiv auf einander bezogen und eines hat zugleich dieselbe Bestimmung als das andere. Indem also jedes Dasein begrenzt oder jedes ein endliches d. h. ein solches ist, über welches hinausgegangen werden muss, so ist der Progress ins Unendliche gesetzt.
§74
Die wahrhafte Auflösung dieser Antinomie ist, dass weder jene Grenze für sich, noch dies Unendliche für sich etwas Wahres ist, denn die Grenze ist ein solches, über welches hinausgegangen werden muss und dies Unendliche ist nur ein solches, dem die Grenze immer wieder entsteht. Die wahre Unendlichkeit ist die Reflexion in sich und die Vernunft betrachtet nicht die zeitliche Welt, sondern die Welt in ihrem Wesen und Begriff. 2) Die Antinomie in Ansehung des Raums.
a) Thesis.
Die Welt ist dem Raum nach begrenzt.
§75
Beweis. Man nehme an, sie sei unbegrenzt, so ist sie ein unendliches gegebenes Ganzes von zugleich existierenden Dingen. Ein solches Ganzes kann nur durch die Synthesis der darin enthaltenen Teile als vollendet angesehen werden. Zu dieser Vollendung gehörte aber eine unendliche Zeit, welche als abgelaufen angenommen werden müsste, was unmöglich ist. Demnach kann ein unendliches Aggregat existierender Dinge nicht als ein zugleich gegebenes Ganzes angesehen werden. Die Welt ist folglich im Raum nicht unendlich, sondern in Grenzen eingeschlössen.
b) Antithesis.
Die Welt ist dem Räume nach unbegrenzt.
§76
Beweis. Man nehme an, die Welt sei räumlich begrenzt, so befindet sie sich in einem leeren unbegrenzten Räume; sie hätte also ein Verhältnis zu diesem d. h. Verhältnis zu keinem Gegenstande. Ein solches Verhältnis aber, mithin der Welt zum leeren Räume, ist Nichts; also ist die Welt räumlich unendlich.
§77
Die Beweise dieser antinomischen Sätze beruhen eigentlich gleichfalls auf direkten Behauptungen.
1) Der Beweis der Thesis führt die Vollendung der zugleich vorhandenen Totalität oder der räumlichen Welt auf die Succession der Zeit zurück, in der die Synthesis geschehen und vollendet werden müsste, was teils unrichtig, teils überflüssig ist, denn es ist eben in der räumlichen Welt nicht von einer Aufeinanderfolge, sondern von einem Nebeneinander die Rede. Ferner, indem eine abgelaufene unendliche Zeit angenommen wird, wird ein Jetzt angenommen. Ebensosehr ist im Räume ein Hier, d. h. Grenze des Raums überhaupt anzunehmen, woraus denn die Unmöglichkeit seiner Unbegrenztheit gefolgert werden kann.
2) Indem über die Grenze im Raum überhaupt hinauszugehen ist, so ist damit das Negative der Grenze gesetzt und, indem es wesentlich ein Negatives der Grenze ist, ist es durch sie bedingt. Es ist also auf dieselbe Weise, wie bei der vorigen Antinomie, der unendliche Progress gesetzt.
II. Die Antinomie über die Einfachheit oder das Zusammengesetztsein der Substanzen.
a) Thesis.
Eine jede zusammengesetzte Substanz besteht aus einfachen Teilen.
§78
Beweis. Man nehme an, die zusammengesetzten Substanzen beständen nicht aus einfachen Teilen. Wenn nun alle Zusammensetzung in Gedanken aufgehoben würde, so würde kein zusammengesetzter Teil und, da es auch keine einfachen Teile gibt, gar nichts übrig bleiben, folglich keine Substanz gegeben worden sein. Es lässt sich somit unmöglich alle Zusammensetzung in Gedanken aufheben. Aber das Zusammengesetzte bestände wieder nicht aus Substanzen, denn die Zusammensetzung ist nur eine zufällige Relation derselben, ohne welche sie als für sich beharrliche Wesen bestehen müssen. Also muss das substantielle Zusammengesetzte aus einfachen Teilen bestehen. Es folgt hieraus, dass die Dinge in der Welt insgesamt einfache Wesen seien und dass die Zusammensetzung nur ein äußerer Zustand derselben sei.
b) Antithesis.
Kein zusammengesetztes Ding besteht aus einfachen Teilen und es existiert überall nichts Einfaches in demselben.
§79
Beweis. Man nehme an, ein zusammengesetztes Ding bestehe aus einfachen Teilen. Weil alles äußere Verhältnis, mithin auch alle Zusammensetzung, nur im Räume möglich ist, so muss, aus so vielen Teilen das Zusammengesetzte besteht, aus eben so vielen Teilen auch der Raum bestehen, den es einnimmt. Nun besteht der Raum nicht aus einfachen Teilen, sondern aus Räumen. Also muss jeder Teil des Zusammengesetzten einen Raum einnehmen. Die schlechthin ersten Teile aber alles Zusammengesetzten sind einfach. Also nimmt das Einfache einen Raum ein. Da nun alles Reale, was einen Raum einnimmt, ein außerhalb einander befindliches Mannigfaltiges in sich fasst, mithin zusammengesetzt ist, so würde das Einfache ein substantielles Zusammengesetztes sein, welches sich widerspricht.
§80
Der Beweis der Thesis enthält die direkte Behauptung, dass die Zusammensetzung eine äußerliche Relation oder etwas Zufälliges, also das Einfache das Wesentliche ist. — Der Beweis der Antithesis beruht eben so auf der direkten Behauptung, dass die Substanzen wesentlich räumlich, also zusammengesetzt sind. — An sich ist diese Antinomie dieselbe als die vorhergehende, nämlich der Gegensatz einer Grenze und des Hinausgehens über dieselbe, der in dem Dasein enthalten ist. III. Die Antinomie über den Gegensatz der Kausalität nach Naturgesetzen und der Freiheit.
a) Thesis.
Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige in den Erscheinungen der Welt, es ist auch eine Kausalität aus Freiheit.
§81
Beweis. Man nehme an, es gebe keine andere Kausalität, als nach Gesetzen der Natur, so setzt Alles, was geschieht, einen vorigen Zustand voraus, auf den es unausbleiblich nach einer Regel folgt. Nun muss aber der vorige Zustand selbst etwas sein, was geschehen ist, weil, wenn er jederzeit gewesen wäre, seine Folge auch nicht allererst entstanden, sondern immer gewesen sein würde. Also ist die Kausalität, durch welche etwas geschieht, selbst etwas Geschehenes, welches wieder einen vorigen Zustand und dessen Kausalität und so fort ins Unendliche voraussetzt. Es gibt also jederzeit nur einen relativen und keinen ersten Anfang und also überhaupt keine Vollständigkeit der Reihe auf der Seite der von einander abstammenden Ursachen. Das Gesetz der Natur besteht aber gerade darin, dass ohne hinreichend a priori bestimmte Ursache nichts geschehe. Also widerspricht der Satz, dass alle Kausalität nur nach Naturgesetzen möglich sei, sich selbst und diese kann also nicht als die einzige angenommen werden.
b) Antithesis.
Es ist keine Freiheit, sondern Alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur.
§82
Beweis. Man nehme an, es gebe Freiheit, nämlich ein Vermögen, einen Zustand, mithin auch eine Reihe von Folgen desselben, schlechthin anzufangen, so wird nicht allein eine Reihe durch die Spontaneität, sondern die Bestimmung dieser Spontaneität selbst schlechthin angefangen, so dass nichts vorhergeht, wodurch diese geschehende Handlung nach beständigen Gesetzen bestimmt sei. Es setzt aber jeder Anfang zu handeln einen Zustand der noch nicht handelnden Ursache voraus, und ein dynamisch erster Anfang der Handlung einen Zustand, der mit dem vorhergehenden eben derselben Ursache gar keinen Zusammenhang der Kausalität hat, d. h. auf keine Weise daraus folgt. Also ist die Freiheit dem Kausalgesetze entgegen, und eine solche Verbindung der sukzessiven Zustände wirkender Ursachen, nach welcher keine Einheit der Erfahrung möglich ist, die also auch in keiner Erfahrung angetroffen wird, ein leeres Gedankending.
§83
Diese Antinomie, abstrakt betrachtet, beruht auf dem Gegensatze, den das Kausalitätsverhältnis in sich hat. Nämlich die Ursache ist: 1) eine ursprüngliche Sache, ein Erstes, sich selbst Bewegendes; 2) aber ist sie ein Bedingtes durch Etwas, auf welches sie wirkt, und ihre Tätigkeit geht in die Wirkung über. Insofern ist sie nichts wahrhaft Ursprüngliches, sondern selbst wieder als ein Gesetztes anzusehen. Wird an der ersten Seite festgehalten, so wird eine absolute Kausalität, die durch Freiheit, angenommen; nach der zweiten Seite aber die Ursache selbst zu einem Geschehenen, womit der Progress ins Unendliche eintritt.
§84
Die wahrhafte Auflösung dieser Antinomie ist die Wechselwirkung, dass die Ursache, welche in Wirkung übergeht, an dieser wieder eine ursachliche Rückwirkung hat, wodurch die erste Ursache umgekehrt zur Wirkung oder zum Gesetzten wird. In dieser Wechselseitigkeit ist es somit enthalten, dass keines der beiden Momente der Kausalität ein für sich Absolutes, sondern nur dieser in sich geschlossene Kreis der Totalität an und für sich ist.
IV. a) Thesis.
Zur Welt gehört etwas, das ein schlechthin notwendiges Wesen ist.
§85
Beweis. Die Sinnenwelt, als das Ganze aller Erscheinungen, enthält zugleich eine Reihe von Veränderungen. Eine jede Veränderung aber steht unter ihrer Bedingung, unter welcher sie notwendig ist. Nun aber setzt jedes Bedingte in Ansehung seiner Existenz eine vollständige Reihe von Bedingungen bis zum schlechthin Unbedingten voraus, welches allein absolut notwendig ist. Also muss etwas absolut Notwendiges existieren, wenn eine Veränderung als eine Folge existiert. Dieses Notwendige aber gehört selbst zur Sinnenwelt; denn man nehme an, es sei außer derselben, so würde von ihm die Reihe der Weltveränderungen ihren Anfang ableiten, ohne dass doch diese notwendige Ursache selbst zur Sinnenwelt gehörte. Nun ist dies unmöglich; denn da der Anfang einer Zeitreihe nur durch dasjenige, was der Zeit nach vorhergeht, bestimmt werden kann, so muss die oberste Bedingung des Anfangs einer Reihe von Veränderungen in der Zeit existieren, da diese Reihe noch nicht war; also gehört diese oberste Bedingung zur Zeit, mithin zur Erscheinung oder zur Sinnenwelt selbst; also ist in der Welt selbst etwas schlechthin Notwendiges enthalten. b) Antithesis.
Es existiert kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache.
§86
Beweis. Man nehme an, die Welt selbst, oder in ihr, sei ein notwendiges Wesen, so würde in der Reihe ihrer Veränderungen entweder ein Anfang sein, der unbedingt notwendig, mithin ohne Ursache wäre, was dem dynamischen Gesetze des Bestimmtseins aller Erscheinungen widerspricht, oder die Reihe selbst wäre ohne allen Anfang und, obgleich in allen ihren Teilen zufällig und bedingt, im Ganzen dennoch schlechthin notwendig und unbedingt, was sich selbst widerspricht, weil das Dasein einer Menge nicht notwendig sein kann, wenn kein einziger Teil derselben ein an sich notwendiges Dasein hat. Man nehme ferner an, es gebe eine schlechthin notwendige Weltursache außer der Welt, so würde sie das Dasein der Weltveränderungen und ihre Reihe zuerst anfangen; indem sie zu handeln anfinge, würde ihre Kausalität in die Zeit und damit in den Inbegriff der Erscheinungen gehören, also nicht außer der Welt sein. Also ist weder in der Welt noch außer derselben irgend ein schlechthin notwendiges Wesen.
§87
Diese Antinomie enthält im Ganzen denselben Gegensatz, als die vorhergehende. Mit dem Bedingten ist eine Bedingung gesetzt und zwar eine Bedingung als solche, oder eine absolute Bedingung, die nicht in etwas Anderem ihre Notwendigkeit hat. Weil sie aber im Zusammenhange mit dem Bedingten ist, oder weil das Bedingte in ihrem Begriff liegt, gehört sie selbst zur Sphäre des Bedingten oder ist ein Bedingtes. Nach jener Seite ist ein absolut notwendiges Wesen, nach dieser aber nur relative Notwendigkeit und damit Zufälligkeit gesetzt.
§88
Die Lehre vom Begriff oder die subjektive Logik hat nicht mehr die Kategorien und die Reflexionsbestimmungen, sondern den Begriff zu ihrem Gegenstand. Die Kategorie setzt das Sein in einer Bestimmtheit als Grenze; die Reflexion das Wesen in einer Bestimmung, die durch die Voraussetzung einer andern vermittelt ist. Der Begriff dagegen ist das An und für sich seiende, die einfache Totalität, aus welcher alle ihre Bestimmungen fließen.
Die subjektive Logik enthält drei Hauptgegenstände: 1) den Begriff; 2) den Zweck; 3) die Idee; nämlich: 1) den formellen Begriff oder den Begriff als solchen; 2) den Begriff in Beziehung auf seine Realisierung oder seine Objektivität, den Zweck; 3) die Idee als den realen oder objektiven Begriff.
Erster Abschnitt. Der Begriff.
§90
Die formale Logik enthält: 1) den Begriff als solchen; 2) das
Urteil und 3) den Schluss.
§91
1) Der Begriff enthält die Momente der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit. — Die Einzelheit ist die negative Reflexion des Begriffs in sich, wodurch etwas an und für sich ist und der die Bestimmungen als Momente inhäriren. — Die Allgemeinheit ist die positive, nicht ausschließende Einheit des Begriffs mit sich, welche das Entgegengesetzte in sich enthält, so dass sie zugleich gleichgültig dagegen und unbestimmt dadurch bleibt. —Die Besonderheit ist die Beziehung der Einzelheit und Allgemeinheit auf einander. Sie ist das Allgemeine in eine Bestimmung herabgesetzt; oder umgekehrt, das Einzelne in die Allgemeinheit erhoben.
§92
Wie sich diese Bestimmungen als Momente des Begriffs von einander unterscheiden, so unterscheiden sich auch Begriffe von verschiedenem Inhalt darnach, als Begriffe von etwas Allgemeinem, von etwas Besonderem und von Einzelnem.
§93
Das Allgemeine subsumiert oder befasst das Besondere und Einzelne unter sich. Das Einzelne hat dieselben und zugleich noch mehrere Bestimmungen als das Besondere und Allgemeine. Eben so verhält es sich mit dem Besondern gegen das Allgemeine. Was daher vom Allgemeinen gilt, gilt auch vom Besondern und Einzelnen; und was vom Besondern gilt, gilt vom Einzelnen; aber nicht umgekehrt.
§94
Die besondern Bestimmungen, die dasselbe Allgemeine unter sich hat, sind einander coordinirt. So heißen auch diejenigen, die dasselbe Einzelne in sich befasst. In einem Einzelnen können aber nicht solche Bestimmungen coordinirt sein, welche es im Allgemeinen sind.
§95
2) In dem Urteil ist die absolute Einheit aufgehoben, in der die Momente im Begriff befasst sind. Es ist die Beziehung von Bestimmungen des Begriffs, insofern jede zugleich als eigene für sich bestehende und somit als ein besonderer Begriff gilt.
§96
Das Urteil enthält: 1) das Subjekt als die Seite der Einzelheit oder Besonderheit; 2) das Prädikat als die Seite der Allgemeinheit, die zugleich eine bestimmte Allgemeinheit oder auch Besonderheit ist; 3) die einfache inhaltlose Beziehung des Prädikates auf das Subjekt ist die Copula.
§97
Die Arten des Urteils bezeichnen die verschiedenen Stufen, in welchen die äußerliche Beziehung des Subjekts und Prädikates zur inneren Beziehung des Begriffs wird. — Das Subjekt ist einmal in unmittelbarer Identität mit dem Prädikat; beide sind ein und dieselbe Inhaltsbestimmtheit; das anderemal aber sind sie unterschieden. Das Subjekt ist ein mehrfacher Inhalt als das abstrakte Prädikat und ist der Form nach ein Zufälliges.
§98
3) Im Urteile sind zwei Bestimmungen des Begriffs unmittelbar auf einander bezogen. Der Schluss ist das Urteil mit seinem Grunde. Die zwei Bestimmungen sind im Schluss durch eine dritte zusammengeschlossen, die deren Einheit ist. Der Schluss ist daher das vollständige Gesetztsein des Begriffs.
§99
Der bestimmten Form nach sind die zwei Extreme des Schlusses das Einzelne und das Allgemeine; das Besondere dagegen, da in ihm diese beiden Bestimmungen vereinigt sind, ist die Mitte derselben. Wenn eine Bestimmung A einer Bestimmung B zukommt oder nicht zukommt, die Bestimmung B aber einer Bestimmung C, so kommt auch die Bestimmung A dem C zu.
§ 100
Die Beziehung der beiden Extreme (termini extrem1) des Schlusses auf die Mitte ist eine gedoppehe und macht zwei Urteile. aus (propositiones praemissae), deren jedes das Moment der Besonderheit, die Mitte (terminus medius) enthält. Die eine Prämisse enthält ferner das Extrem der Allgemeinheit (terminus major) und zwar als Prädikat (propositio major, Obersatz); die andere das Extrem der Einzelheit (terminus minor) und zwar als Subjekt (propositio minor, Untersatz). Die Beziehung der beiden Extreme ist das dritte Urteil; der Schlusssatz (conclusio) ist vermittelt.
Zweiter Abschnitt. Der Zweck oder teleologische Begriff.
§101
Im Zwecke ist das, was vermittelt oder Folge ist, zugleich Unmittelbares, Erstes und Grund. Das Hervorgebrachte oder durch die Vermittlung Gesetzte hat das Hervorbringen und seine unmittelbare Bestimmung zur Voraussetzung, und umgekehrt geschieht das Hervorbringen um des Resultates willen, welches der Grund, somit selbst die erste Bestimmung der Tätigkeit ist. — Das teleogische Tun ist ein Schluss, worin dasselbe Ganze in subjektiver Form mit seiner objektiven Form, der Begriff mit seiner Realität durch die Vermittlung der zweckmäßigen Tätigkeit zusammengeschlossen wird und der Begriff Grund einer durch ihn bestimmten Realität ist.
§ I02
Die äußerliche Zweckmäßigkeit ist ein Daseiendes, insofern es den Begriff, durch welchen es bestimmt ist, nicht in sich selbst hat, sondern von einem andern Subjekt als eine äußere Form oder Verhältnis damit verbunden ist.
§103
Die innere Zweckmäßigkeit ist, wenn ein Daseiendes seinen Begriff in sich selbst hat und zugleich Zweck und Mittel, sich realisierender und realisierter Zweck an ihm selbst ist.
Dritter Abschnitt. Die Idee.
§104
Die Idee ist die Einheit des Begriffs und der Realität, der Begriff, insofern er sich und seine Realität selbst bestimmt, oder die Wirklichkeit, die so ist, wie sie sein soll und ihren Begriff selbst enthält.
§105
1) Die Idee, insofern der Begriff mit seiner Realität unmittelbar vereinigt ist, und sich nicht zugleich darin unterscheidet und heraushebt, ist das Leben. Dasselbe, sowohl als physisches wie als geistiges Leben dargestellt, von den Bedingungen und Beschränkungen des zufälligen Daseins befreit, ist das Schöne.
§ 106
2) In der Idee der Erkenntnis und des Handelns ist der Realität der Begriff, oder dem Objektiven das Subjektive gegenübergestellt und ihre Vereinigung wird hervorgebracht. In der Erkenntnis liegt die Realität als das Erste und als das Wesen zu Grunde. Das Handeln macht die Wirklichkeit demselben angemessen, dass das Gute zu Stande kommt.
§107
3) Die absolute Idee ist der Inhalt der Wissenschaft, nämlich die Betrachtung des Universums, wie es dem Begriff an und für sich gemäß ist, oder des Vernunftbegriffs, wie er an und für sich ist und wie er in der Welt objektiv oder real ist.
[1*] Substanz ist die Ursache ihrer selbst: dasjenige, was durch sich selbst begriffen wird oder dessen Begriff die Existenz einschließt. — Der Satz bezieht sich auf Spinoza, Ethica I, Def. I und III
[2*] Kritik der reinen Vernunft, A 421 ff., B 448 ff.
Zuletzt aktualisiert am 15.11.2007