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Die Gleichheit, Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen, Nr. 25, 6. Dezember 1899.
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Demnächst kommt im Reichstag wieder die lex Heinze zur Beratung, jenes Monstrum gesetzgeberischer Verständnislosigkeit, das die Sittlichkeit mit dem Büttelstock einbläuen will, die Ursachen der Prostitution mit heiliger Scheu unangetastet lässt, dafür aber mit frischfröhlicher Beschränktheit oder Heuchelei an Symptomen herum kurpfuschert; jenes Monstrum mittelalterlicher Reaktionsgelüste, das unter der Deckungsflagge: „Krieg der Unsittlichkeit“, die Freiheit der Kunst und Wissenschaft meucheln will. Die wertvollste Bestimmung, welche die lex Heinze neben ganz wertlosem Plunder und gefährlichen Nücken und Tücken enthält, ist der so genannte Arbeitgeberparagraph. Er soll Arbeiterinnen, Angestellte, Dienstmädchen ein Weniges gegen die Praxis des Herrenrechts schützen, die zur wirtschaftlichen Ausbeutung der proletarischen Arbeitskraft die geschlechtliche Ausbeutung des Weibes gesellt, die Lohnsklavin zur Lustsklavin herab zwingt. Bekanntlich, aber nicht wunderbar, hat der Vertreter der Reichsregierung feierlich versichert, dass diese lieber die ganze Heinzerei fallen lassen werde, ehe sie dem betreffenden Paragraphen ihre Zustimmung erteile. Und sämtliche bürgerliche Parteien – mit einziger Ausnahme des Zentrums – erklärten sich in holdem Bruderbunde mit der Regierung gegen den Arbeitgeberparagraphen als gegen eine schmähliche Kränkung der blütenweißen Unternehmerunschuld. Attentate von Brotherren und ihren Stellvertretern gegen die Sittlichkeit lohnarbeitender Frauen und Mädchen sollten nur ganz vereinzelte Ausnahmefälle sein. So erklärten wenigstens die Herren mit jener moralischen Entrüstung, welche ihnen stets zu Gebote steht, wenn es gilt, das brutale, schrankenlose Herrschaftsrecht der Kapitalistenklasse gegen die kleinste Beschränkung zu schirmen.
Unserer Ansicht nach kann nur die vollste Unkenntnis oder größte Verlogenheit die Tatsache bestritten, dass ein größerer gesetzlicher Schutz der Arbeiterinnen Angestellten und Dienstmädchen gegen die geilen Gelüste ihrer Herren und Vorgesetzten nötig ist. Wer mit den Verhältnissen der lohnarbeitenden Frauenwelt nur einigermaßen vertraut ist und den Mut hat, den Dingen frei ins Gesicht sehen zu wollen, der weiß auch, wie sehr zahlreich die Fälle sind, in denen Arbeitgeber, Werkführer etc. die ihnen unterstellten Betriebe für einen Harem ansehen, in denen Dienstherren, ihre Söhne und Freunde unsittliche Zumutungen den Dienstmädchen gegenüber für ein selbstverständliches Recht erachten.
Dem Material, das die Gleichheit zu diesem tieftraurigen Kapitel im Laufe der Jahre veröffentlicht hat, fügen wir in Folgendem einige weitere Beiträge hinzu, die wir der Beachtung jener harmlosen Seelen empfehlen, welche köhlergläubig auf die unbefleckte Tugend der „hoch angesehenen Industriellen“ und „ehrsamen Rentbürger“ schwören.
In der Kartonfabrik von Cohn & Friedländer in Berlin beehrte seiner Zeit der eine Geschäftsinhaber, Herr Cohn, die Arbeiterinnen mit niederträchtig gemeinen „Liebenswürdigkeiten“. Aus Furcht vor Schikanen und Entlassung wagten die meisten der beleidigten keine Beschwerde. Die Gewerkschaft der Buchbinder, welche Kunde von Cohns Treiben erhielt, erachtete es für ihre Pflicht, für die sittlich gefährdeten Arbeiterinnen einzutreten. Sie prüfte sorgfältig die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und stärkte den Mut zweier Arbeiterinnen soweit, dass dieselben gegen Cohn Strafantrag stellten. Gegen alles Erwarten bewertete die Polizei die an den Arbeiterinnen begangenen groben Unsittlichkeiten nur als „Beleidigungen“. Des Weiteren kam zu den Klägerinnen kurz vor Weihnachten ein Abgesandter Cohns (angeblich im Auftrage des Polizeikommissars), und bat diese, sie möchten zum Feste der Liebe ihrem ehemaligen Prinzipal eine Weihnachtsfreude bereiten und die Strafanträge zurückziehen. Die Bitte unterstützte er wirksam durch die Überreichung eines 20-Mark-Stücks. Die Arbeiterinnen waren töricht genug, den Strafantrag zurückzuziehen. Allerdings entschlossen sie sich später auf Veranlassung der Gewerkschaft zu einer zweiten Anzeige, jedoch waren unterdes die Tätlichkeiten verjährt. Cohn ging straffrei aus. Was die Gewerkschaft nicht auf gerichtlichem Wege erreicht hatte, das erzielte sie allerdings später durch den Kampf. Sie verhängte die Sperre über den Betrieb. Genosse Auer brachte die Angelegenheit im Reichstag zur Sprache, die Öffentlichkeit interessierte sich für den Fall, die Sperre erwies sich in der Folge so wirksam, dass das Geschäft in Konkurs kam. Der Ausgang des Kampfes stellt sicherlich eine Ausnahme dar, die sich auf hundert Fälle von unsittlichen Tätlichkeiten gegen Arbeiterinnen nicht einmal wiederholen dürfte, recht alltäglich sind dagegen die Vorkommnisse, welche den Kampf verursachten, insbesondere die Vorgänge welche sich nach Erstattung des Strafantrags anspielten.
Ein zweiter Fall, der ebenfalls dank des Eingreifens der Gewerkschaft an die Öffentlichkeit kam. Unsittliche Redensarten und Handlungen den Arbeiterinnen gegenüber gehörten zu den Gepflogenheiten des Herrn Hamann, Besitzer einer Buchbinderei in Berlin, die mit einer so genannten „Falzschule“ für junge Mädchen verbunden war. Furcht und Scham schloss denen den Mund, gegen die der unsaubere Patron sich verging. Schließlich gelang es der Gewerkschaft doch, ein besonders krasses Attentat des Hamann festzustellen. Eines Tages, kurz vor Arbeitsschluss, schickte er eine junge Arbeiterin mit einem Auftrage fort. Als sie zurückkehrte, hatte sämtliches Personal das Geschäft verlassen, Hamann allein war hier anwesend. Dieser stellte dem jungen Mädchen die Zumutung, ihm zu Willen zu sein. Seine schmachvolle Aufforderung wurde entrüstet zurückgewiesen. Nun wendete Hamann Gewalt an, stieß die sich sträubende in einen verschließbaren Raum und vergewaltigte sie hier. Dem armen Opfer seiner Gelüste schenkte der „achtbare“ Mann dann großmütig – 80 Pfennig! So niedrig schätzt ein Kapitalist das Weibtum der Arbeiterin, ihre Tugend und Ehre ein! Das Mädchen warf dem Wüstling das Geld vor die Füße und brachte das ihm widerfahrene Unrecht vor die Gewerkschaft. Nach langem Bemühen gelang es dieser endlich, den Vormund der Arbeiterin, einen Rentier, zur Erstattung einer Anzeige zu bewegen. Es fanden in der Angelegenheit zwei Termine statt. Zum ersten Termin erschien Hamann nicht. Beim zweiten Termin beantragte der Vormund die Zurückziehung der Klage und erklärte sei Mündel für „unglaubwürdig“. Das Gericht gab dem Antrag statt, unter der Bedingung jedoch, dass der Vormund die Kosten des Verfahrens zahle. Diese Bedingung wurde erfüllt; seitens der Gewerkschaft war man überzeugt, dass nicht der Vormund die Kosten getragen habe, sondern Hamann. Der Versuch der Gewerkschaft, die Mutter zur Klage gegen den Vormund zu bewegen, war erfolglos. Zur richtigen Würdigung des Hamannschen Attentats und der Haltung des Vormunds müssen noch zwei Umstände hervorgehoben werden: das vergewaltigte Mädchen zählte noch nicht 16 Jahre und galt allgemein für etwas schwachsinnig. Dass seine Angaben nicht auf Erfindung beruhten, beweist wohl eine Tatsache. Als die Gewerkschaft Kenntnis von dem schmählichen Vorkommnis erhalten hatte, verhängte sie die Sperre über das Geschäft. Daraufhin kam Hamann zum Vorsitzenden der Organisation, dann zur Vorstandssitzung, verlegte sich aufs Bitten und versprach alle Forderungen zu bewilligen, wenn die Sperre aufgehoben würde. Das geschah nicht, die Maßregel blieb jedoch wirkungslos, da nach kurzer Zeit eine genügende Zahl von Arbeiterinnen wieder in den Betrieb zurückkehrte.
Bei der Firma Hoffmann & Co in Berlin war es der Werkführer Heiden, der die Arbeiterinnen mit unsittlichen Reden und Zumutungen verfolgte. Ein Mädchen beschwerte sich deshalb bei der Gewerkschaft, und diese wurde bei den Geschäftsinhabern vorstellig. Die Herren lehnten es ab, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Sie erklärten, dieselbe sei für sie dadurch erledigt, dass der Werkführer, was sein allgemeines Verhalten anbelange, Besserung gelobt habe, was aber den besonderen Fall angehe, seinen Unschuld durch einen Prozess erhärten wolle. Der Herr hat es wohlweislich unterlassen, gegen die Arbeiterin klagbar zu werden. Diese selbst aber sah leider von einer Klage ihrerseits ab.
Wir haben von vielen diese drei Fälle herausgegriffen, obgleich sie schon längere Zeit zurücklegen, weil sie in einem kurzen Zeitraum vorkamen – Herbst- und Wintermonate 1895/96 – in einer Stadt – Berlin – und in einer einzigen Industrie – Buchbinderei und verwandte Gewerbe; schließlich und nicht zum mindesten, weil sie ohne Aktion der Gewerkschaft überhaupt nicht bekannt geworden wären, die wenigsten Arbeiterinnen aber eine Gewerkschaft angehören. Diese Tatsachen zusammen lassen einen recht beweiskräftigen Rückschluss darauf zu, wie häufig die Fälle sind, in denen Arbeitgeber ihre wirtschaftliche Machtstellung missbrauchen, um denen dem klingenden Profit auch Geschlechtsgenuss aus ihren weiblichen Arbeitskräften herauszuschlagen.
Dafür noch zwei Beispiele aus jüngster Zeit. Das eine davon wird in der gewiss umsturzbazillenfreien „Sozialen Praxis“ von Fräulein Herrmann mitgeteilt, der Vorsitzenden des sanften, harmoniebeflissenen „Hilfsvereins für weibliche Angestellte“ in Berlin. Ein noch nicht 18-jähriges Mädchen trat im Juli 1898 bei der Firma H. & M. in Berlin als Lehrmädchen ein. Einer der Chefs, Herr H., ein verheirateter Mann von 40 bis 45 Jahren, nahm mit dem Mädchen grob unsittliche Handlungen vor. Der Vater erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, welche eine Beleidigungsklage erhob. Der Termin, welcher im November 1898 vor dem Schöffengericht in Moabit stattfand, erwies die volle Richtigkeit der erhobenen Beschuldigungen. Trotzdem wurde der angeklagte Herr freigesprochen, „weil, wie der Richter ohne ein Wort des Tadels gegen den Arbeitgeber verkündigte, sich diese Dinge gern hatte gefallen lassen“. Leider hat Fräulein Herrmann den Namen des straflos ausgegangenen Wüstlings rücksichtsvoll verschwiegen.
Wie man in Unternehmerkreisen die Sittlichkeit und Würde der Arbeiterinnen achtet, das erweisen noch deutlicher Verhandlungen, die kürzlich vor dem Amtsgericht in Schwetzingen stattgefunden haben. Durch sie wurde folgender Sachverhalt festgestellt. Herr Werner, der Betriebsleiter der Zigarrenfabrik Gebr. Baer in Schwetzingen, pflegte die ihm unterstellten Arbeiterinnen zu jener „freien Liebe“ anzuhalten die das mit den Lippen verleugnende, aber in Taten verwirklichte Ideal der Bourgeoisie ist. Eine Zigarrensortiererin, Fräulein A, die wiederholt unter den unsittlichen Belästigungen des würdigen Vorgesetzten zu leiden hatte, beschwerte sich darüber bei ihrem Bräutigam, der Herr Werner auf der Straße zur Rede stellt. Dieser leugnete erst ab, gab aber schließlich klein bei und versprach, in Zukunft sich einwandfrei zu verhalten, wenn der Prinzipal nichts von der Sache erfahre. Der Bräutigam der Arbeiterin lehnte eine diesbezügliche Erklärung ab. Der Betriebsleiter beschloss nun, ein Exempel zu statuieren, das andere Arbeiterinnen abschrecken sollte, Tugend und Ehre zu verteidigen. Am Tage nach der Unterredung kam er in den Fabriksaal, fragte barsch nach Fräulein A, stellt das junge Mädchen zur Rede, ohrfeigte es und beschuldigte es des Diebstahls. Das Fräulein A des Weiteren kündigungslos entlassen wurde, versteht sich am Rande. Die Arbeiterin wurde nun gegen Werner beim Amtsgericht Schwetzingen klagbar, und dieses verurteilte ihn wegen Misshandlung zu 10 Mark Strafe und wegen Beschuldigung des Diebstahls zu der gleichen Buße. Damit war die Sache jedoch nicht erledigt. Fräulein A. machte Entschädigungsansprüche wegen entgangenen Arbeitsverdienstes geltend. Die Firma weigerte sich zu zahlen, da Werner behauptete, die Arbeiterin auf Grund des § 125 Absatz 4 der Gewerbeordnung, grobe Beleidigung gegen die Vertreter des Arbeitgebers mit Recht ohne Kündigung entlassen zu haben. Fräulein A. wollt ihr Recht zunächst beim Bürgermeisteramt suchen, wurde aber von diesem auf den öffentlichen Rechtsweg verwiesen. Sie klagte nun beim Amtsgericht, das die Sache zu ihren Gunsten entschied. Die Verhandlung ergab die volle Wahrheit der Beschuldigung, dass Werner sich der Arbeiterin gegenüber hatte unsittliche Handlungen zu Schulden kommen lassen. Die Zeugenaussagen, die unter Eid erfolgten, bewiesen außerdem, dass der Herr sich gegen andre Arbeiterinnen in der gleichen Weise vergangen hatte. Drei Arbeiterinnen berichteten, wie Werner mittels des nämlichen Kniffs sie hatte vergewaltigen wollen. Er schickte sie einzeln in den Keller, angeblich um von dort Kisten zu holen, folgte ihnen dann und wollte sie mit brutaler Gewalt zur Duldung unsittlicher Handlungen zwingen. Schärfer als durch lange Kommentare wird die Auffassung des Betriebsleiters durch seine folgende Äußerung charakterisiert: „Was er mit der Arbeiterin gemacht habe“, so erklärte er, „sei nur ‚dummes Zeug‘ gewesen. In so einer Fabrik kommt manches vor; man tätschelt die die Mädchen zum Spaß am H … und zum Spaß sagt man ihnen auch: …“ § 2 der Arbeitsordnung der Fabrik von Gebr. Baer macht den Arbeiterinnen moralisches Verhalten zur Pflicht. § 5 droht ihnen Entlassung an bei erheblichen Verstößen gegen die guten Sitten. Den angezogenen Auslassungen und Tatsachen nach scheint also in dem Betrieb eine doppelte Moral zu gelten: eine Moral der Sittenstrenge für die Arbeiterinnen; eine Moral der Sittlichkeitsattentate „zum Spaß“ für die Vorgesetzten.
Es wäre uns ein leichtes, in langer Reihenfolge Vorkommnisse nach Vorkommnisse ähnlicher Art zu berichten. Und zwar nicht bloß Fälle, welche das Paschagebaren „moderner“ Unternehmer beleuchten, sondern auch solche in stattlicher Anzahl, wo im Bannkreis des „guten patriarchalischen Verhältnisses zwischen Herrschaften und Dienenden“, wo unter der Zucht der Gesindeordnung die Sittlichkeit junger, abhängiger Mädchen vom Brotherrn systematisch untergraben oder gewaltsam sinnlicher Begier unterworfen wurde. Was derartige Tragödien aus dem Leben des armen dienenden Weibes anbelangt, so spielen sie sich übrigens nicht nur in den „verderbten“ Städten ab, sondern auch und recht zahlreich auf dem Lande, wo – wie uns von den „Edelsten und Besten unserer Nation“ versichert wird – unter der Fuchtel des Großbesitzers die Unschuld sicher wohnen soll.
Gewiss, dass bei Weitem nicht jeder Unternehmer, Dienstherr, Verwalter, Werkführer etc. ein Wüstling ist, dass es zahlreiche „Brotherren“ gibt, die sich an der wirtschaftlichen Ausbeutung ihrer weiblichen Arbeitskräfte genügen lassen und sich ihnen gegenüber tadellos verhalten. Dass aber trotzdem die Fälle geschlechtlicher Ausnutzung wirtschaftlich abhängiger Frauen und Mädchen weit häufiger sind, als die kapitalistische Herrenweisheit sich träumen lassen will, dafür spricht vor allem eine Tatsache. Von hundert Verführten und Vergewaltigten werden kaum zwei die ihnen widerfahrene Schmach offenbaren und ihr Recht suchen. Wo die Scham den Mund nicht schließt, da hält ihn die Furcht vor Entlassung, vor schweren wirtschaftlichen Nachteilen sicher geschossen. Die Neigung zum Klagbarwerden ist um so geringer als gar manches Urteil dafür spricht, dass es den Richtern nahe liegt, die Glaubwürdigkeit eines „achtbaren Familienvaters“ höher einzuschätzen wie die einer „leichtfertigen“ Arbeiterin oder eines „verlogenen“ Dienstmädchens.
Dieser Umstand warnt gewiss davor, übertriebene Hoffnungen auf wunderwirkende Kraft des Arbeitgeberparagraphen zu setzen. Er predigt eindringlich, dass mit ihm allein durchaus nicht genug für die sittliche Kräftigung und Sicherstellung der Arbeiterinnen etc. getan ist, dass gesetzliche Schutzbestimmungen gegen ihre wirtschaftliche Ausbeutung, dass Gewährung des freien Vereins- und Versammlungsrechts, voller Koalitionsfreiheit, Abschaffung der Gesindeordnungen, Zuerkennung der politischen Gleichberechtigung Maßregeln sind, die auch im Interesse der Sittlichkeit der lohnarbeitenden Frauenwelt gefordert werden müssen. Andererseits beweist der angezogene Umstand aber auch klärlich, wie grundlos der andere, gegen den Arbeitgeberparagraphen erhobene Einwand ist: „die Bestimmung werde nur zu Erpressungen und Denunziationen anreizen“. Nebenbei sei noch festgestellt, dass der betreffende Einwand mit der gleichen Berechtigung gegen einen guten Teil aller gesetzlichen Bestimmungen geltend gemacht werden könnte. Wollten die guten Leute, die mit ihm krebsen, konsequent sein, sie müssten insbesondere schleunig zu begeisterten Vorkämpfern für die Beseitigung des Majestätsbeleidigungsparagraphen werden. Wie kein zweiter Gesetzesparagraph wirkt er korrumpierend und trägt die Erpressung und Denunziation in den Schoß der Familie. Hinter all den Einwürfen, welche gegen den Arbeitgeberparagraphen erhoben worden sind, steckt im letzen Grunde nur eins: die Abneigung der bürgerlichen Welt gegen jede Beschränkung des kapitalistischen Herrenrechts, die auf dem Markte gekaufte Ware Arbeitskraft nach Belieben und Nutzen zu gebrauchen und zu missbrauchen.
Zuletzt aktualisiert am 16. August 2024