Winfried Wolf

Krieg/Frieden/ZgK

Stoppt die Hochrüstung!

Neue Kriegsdynamik, alte Forderungen am Antikriegstag
und Kriege aus Kapitallogik

(August 2018)


Dieser Beitrag erschien zuerst in Zeitung gegen den Krieg, Nr. 43, August 2018.
Kopiwert mit Dank aus der Winfried Wolf – Homepage.
Transkription & HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Vor hundert Jahren, am 11. November 1918, unterzeichnete eine deutsche Vertretung im Wald von Compiègne die Kapitulation. Damit endete der Erste Weltkrieg und mit ihm der Versuch der deutschen Regierung – unterstützt von den Konzernen und Banken dieser Länder –, mittels Krieg die Vorherrschaft in Europa zu erzwingen.

Vor neunundsiebzig Jahren, am 1. September 1939, begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die deutsche Regierung, nunmehr im Verbund mit dem faschistischen Italien und mit dem militaristischen Japan und erneut massiv unterstützt von den deutschen Konzernen und Banken, wollte mittels Krieg eine weltweite Vorherrschaft durchsetzen.

Die aktuellen Verhältnisse scheinen komplex. Es gibt eine Art „westliche Holding der Hochrüster und Kriegstreiber“, die NATO, die ihre Gegner in Russland und China sieht. Gleichzeitig kommt es unter dem Dach dieser Holding zu Streit und Differenzierung: Trump fordert „America first!“. In der EU wiederum gibt es Gelüste, mittels eigener Hochrüstung zur eigenständigen Militärmacht aufzusteigen, um im Schatten eines drohenden militärischen Schlagabtauschs zwischen den USA und China selbst Großmachtambitionen umzusetzen.

In allen drei Konstellationen – Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg und aktuelle Konfrontation (wobei man letztere als bedrohlichen Vorlauf auf einen Dritten Weltkrieg interpretieren muss) – gibt es zwei Kontinuitäten. Diejenige hinsichtlich der Ursachen für Rüstung und Kriege. Und diejenige in Bezug auf die Leidtragenden von Rüstung und Kriegen.
 

Die Ursachen

Die großen Kriege im Kapitalismus waren vor allem eine Fortsetzung kapitalistischer Konkurrenz – geplant meist von derjenigen Wirtschaftsmacht, die glaubte, mit „friedlicher“ Konkurrenz ihren Expansionsdrang nicht (mehr) befriedigen zu können. Das traf im 18. Jahrhundert auf England zu (englisch-niederländische Kriege). Das traf im 20. Jahrhundert auf Deutschland zu (zwei Weltkriege). Das trifft heute auf die USA zu. Trump setzt auf Handelskrieg. Teilweise auch gerichtet gegen westliche Staaten (EU; Türkei). Sodann gegen Russland („Sanktionen“). Vor allem gezielt gegen China. Und warum China? Ganz einfach: Weil dieses Land seit knapp einem Jahrzehnt neuer Exportweltmeister ist. Der französische Präsident Macron bilanzierte durchaus zutreffend: „Ökonomischer Nationalismus führt zu Krieg. Das ist genau das, was in den 1930er Jahren passierte!“

Diese entscheidende Ursache für Krieg im Kapitalismus wird ergänzt um die innere Dynamik der Rüstungsindustrie, inzwischen des militärisch-industriellen Komplexes. Mit bis zu zwei Billionen US-Dollar Umsatz und mehr als fünf Millionen Beschäftigten direkt (und weiteren gut fünf Millionen „Beschäftigten“ in den Armeen) ist dieser Industriezweig mächtiger als die Autobranche. Während die Autoindustrie von Krisentendenzen geprägt ist, boomt die Rüstung. Die USA erhöhen ihre Rüstungsausgaben zwischen 2016 und 2018 um mehr als 25 Prozent. Die deutschen Rüstungsausgaben steigerten sich 2017 und 2018 um rund 15 Prozent. Saudi Arabien stieg 2017 – hinter den USA und China – zum Land mit den dritthöchsten Rüstungsausgaben auf. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte fest: „Die Staaten des Nahen Ostens sind in einen regelrechten Rüstungswettlauf eingestiegen.“ Während des NATO-Gipfels in Brüssel schnellten die Aktienkurse der Rüstungskonzerne Lockheed Martin (USA), Boeing (USA), Rheinmetall (Deutschland), Airbus (Deutschland-Frankreich), BAE System (Großbritannien), Thales (Frankreich), Leonardo (Italien) förmlich nach oben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung frohlockte: „Die Aktien der Rüstungsunternehmen liegen derzeit hoch in der Gunst der Anleger. Das ist dem amerikanischen Präsidenten zu verdanken.“ (14.7.2018).
 

Die Leidtragenden

Rüstung ist immer ein Abzug von gesellschaftlichen Ressourcen. Die für Waffen und Armee eingesetzten Gelder fehlen bei Bildung, Kultur, Kindertagesstätten, Universitäten, Krankenhäusern, Umwelt- und Klimapolitik usw. Hochrüstung heißt: noch weniger Geld für Menschen, Städte, Kultur und Klima. Die Rüstungsexporte „produzieren“ die aktuellen Kriege. Es gibt einen direkten, belegten Zusammenhang zwischen den weltweiten Fluchtbewegungen und der Kriege, die mit diesen Exporten „befeuert“ werden. Die weltweiten Rüstungsexporte reduzierten sich in den 1990er Jahren. Damals stagnierte die Zahl der weltweit registrierten Flüchtlinge; 1995 bis 2004 sank sie sogar auf weniger als 20 Millionen. Seit 2005 steigen die weltweiten Rüstungsexporte deutlich. Die Zahl der Flüchtlinge schnellte hoch – auf derzeit mehr als 65 Millionen. Die aktuellen deutschen Rüstungsexporte – z. B. nach Saudi Arabien und in die VAR zur „Befeuerung“ des Kriegs im Jemen – werden in weiteren Hunderttausenden Flüchtlingen resultieren.

Und schließlich gibt es die direkten Kriegsopfer. Der Erste Weltkrieg hatte 17 Millionen Tote und mehr als 100 Millionen Schwerverletzte als Ergebnis. Die Bilanz des Zweiten Weltkriegs waren 70 Millionen Tote, einige hundert Millionen Schwerverletzte, große Landstriche und hunderte Städte in Schutt und Asche und der vom deutschen Regime zu verantwortende Völkermord an der jüdischen Bevölkerung und an Sinti und Roma.

Die Mahnung „Nie wieder!“ ist so aktuell wie selten zuvor. Die Forderungen am Antikriegstag lauten: Abrüsten – stoppt das Hochrüsten! Stopp für alle Rüstungsexporte! Konversion der Rüstungsindustrie! „Hochgerüstet“ werden muss bei den Ausgaben für Kultur, Kinder, Klima und Frieden.


Zuletzt aktualisiert am 28. Juni 2023