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29. Januar 1940
Lieber Genosse Abern!
Genosse Cannon berichtete mir Ihre angebliche Äußerung: „Das bedeutet Spaltung“. Er schrieb am 28. Dezember 1939:
„Ihr Dokument ist bereits in der Partei weit verbreitet. Bis jetzt habe ich nur zwei definitive Stellungnahmen von den Führern der Minderheit gehört. Nachdem Abern sich den Titel und die ersten paar Abschnitte durchgelesen hatte, bemerkte er zu Goldman: „Das bedeutet Spaltung.“
Ich kenne Cannon als einen vertrauenswürdigen Genossen, und ich habe nicht den geringsten Grund, die Glaubwürdigkeit dieser Mitteilung zu bezweifeln.
Sie sagen, dieser Bericht „ist eine Lüge“. Ich weiß durch lange Erfahrung, daß während heftiger Auseinandersetzungen derartige Mißverständnisse sehr häufig sind, ohne bösen Willen auf der einen oder anderen Seite.
Sie fragen mich, ob ich mich irgendwie bemüht habe, die Glaubwürdigkeit dieses Berichtes nachzuprüfen. Keineswegs. Wenn ich das in Privatkorrespondenz als eine mir bekannte Tatsache eingestreut hätte, wäre es nicht loyal. Aber ich veröffentlichte es mit der Anmerkung „es wurde berichtet“, und so gab ich Ihnen jede Möglichkeit, diesen Bericht zu bestätigen oder zu dementieren. Ich halte das für die beste Kontrolle in einer Parteidiskussion.
Sie sagen am Anfang Ihres Briefes: „Ich habe in der Vergangenheit einer Anzahl falscher Behauptungen keine Beachtung geschenkt, aber ich bemerkte unter anderem in Ihrem Offenen Brief ... „ usw. Was bedeutet hier die Phrase „eine Anzahl falscher Behauptungen“? Von wem? Was bezeichnet der Ausdruck „unter anderem“? Was ist das für anderes? Glauben Sie nicht, daß Ihre Ausdrücke von unerfahrenen Genossen als verschwommene Unterstellungen verstanden werden können? Falls es in meinem Artikel „eine Anzahl falscher Behauptungen“ und „anderes“ gibt, wäre es besser, sie genau aufzuzählen. Wenn diese falschen Behauptungen nicht von mir sind, verstehe ich nicht, warum Sie sie in Ihrem Brief an mich zur Sprache bringen. Ich kann auch kaum verstehen, wie jemand einer Anzahl falscher Behauptungen „keine Beachtung schenken“ kann, wenn sie irgendwie politisch wichtig sind: Es könnte als Mangel an Aufmerksamkeit gegenüber der Partei gedeutet werden.
Jedenfalls stelle ich mit Befriedigung fest, daß Sie den Satz „das bedeutet Spaltung“ unbedingt dementieren. Ich deute den scharfen Ton Ihres Briefes dahingehend, daß Ihr Ableugnen nicht nur formal ist, d.h. daß Sie nicht nur das Zitat in Abrede stellen, sondern daß Sie wie auch ich der Meinung sind, daß der Gedanke einer Spaltung selbst ein schändlicher Betrug an der Vierten Internationale ist.
Brüderlich
Ihr Leo Trotzki
Coyoacan, D.F.
Abschrift an Cannon
Zuletzt aktualisiert am 22.7.2008