Leo Trotzki

 

Der einzige Weg


Nachwort

Die vorliegende Broschüre, deren verschiedene Teile zu verschiedenen Zeitpunkten niedergeschrieben wurden, war bereits abgeschlossen, als ein Berliner Telegramm die Nachricht vorn Zusammenstoß der überwältigenden Mehrheit des Reichstages mit der Papenregierung und folglich mit dem Reichspräsidenten brachte. Die konkrete Entwicklung der weiteren Ereignisse werden wir in den Spalten der Permanenten Revolution aufmerksam verfolgen. Hier wollen wir nur einige allgemeine Schlussfolgerungen unterstreichen, die anfechtbar erschienen, als wir die Broschüre begannen, und seither dank dem Zeugnis der Tatsachen unanfechtbar geworden sind.

  1. Der bonapartistiscbe Charakter der Schleicher-Papen-Regierung ist durch deren isolierte Lage im Reichstag vollständig aufgedeckt. Die unmittelbar hinter der Präsidialregierung stehenden agrarisch-kapitalistischen Kreise machen einen unvergleichlich geringeren Prozentsatz der deutschen Nation aus, als der Prozentanteil von Reichstagsstimmen, die für Papen abgegeben wurden, vorspiegelt.
  2. Der Antagonismus zwischen Papen und Hitler ist der Antagonismus zwischen den agrarisch-kapitalistischen Spitzen und dem reaktionären Kleinbürgertum. So wie sich einst die liberale Bourgeoisie der revolutionären Bewegung des Kleinbürgertums bediente, es aber mit allen Mitteln hinderte, die Macht zu ergreifen, ist die Monopolbourgeoisie bereit, Hitler als Lakaien anzustellen, nicht aber als Herren. Ohne zwingende Notwendigkeit will sie dem Faschismus nicht die volle Macht aushändigen.
  3. Die Tatsache, dass die verschiedenen Fraktionen der Groß-, Mittel- und Kleinbourgeoisie einen offenen Kampf um die Macht führen, ohne einen äußerst riskanten Konflikt zu scheuen, beweist, dass sich die Bourgeoisie durch das Proletariat nicht unmittelbar bedroht sieht. Nicht nur die Nationalsozialisten und das Zentrum, sondern auch die Führungsspitzen der Sozialdemokratie haben den Verfassungskonflikt nur in der festen Zuversicht riskiert, dass er nicht in einen revolutionären umschlägt.
  4. Die einzige Partei, deren Abstimmung gegen Papen von revolutionären Absichten diktiert war, ist die Kommunistische Partei. Aber von revolutionären Absichten bis zu revolutionären Errungenschaften ist noch ein weiter Weg.
  5. Die Logik der Ereignisse ist derart, dass der Kampf um das „Parlament“ und die „Demokratie“ für jeden sozialdemokratischen Arbeiter zu einer Machtfrage wird. Darin liegt der Hauptinhalt des ganzen Konfliktes vom Standpunkt der Revolution. Die Machtfrage ist die Frage der revolutionären Aktionseinheit des Proletariats. Die Einheitsfrontpolitik gegenüber der Sozialdemokratie muss darauf gerichtet sein, schon in nächster Zukunft in einer Zusammensetzung, die der Arbeiterdemokratie entspricht – die Schaffung von Kampforganen der Klasse, d. h. Arbeiterräte zu ermöglichen.
  6. Angesichts der Geschenke an die Kapitalisten und des unerhörten Angriffs auf die Lebenshaltung des Proletariats muss die Kommunistische Partei die Losung der Arbeiterkontrolle über die Produktion aufstellen.
  7. Die Fraktionen der besitzenden Klassen können sich nur deshalb untereinander raufen, weil die revolutionäre Partei schwach ist. Die revolutionäre Partei könnte unermesslich stärker werden, wenn sie die Rauferei zwischen den besitzenden Klassen richtig ausnutzen würde. Dazu muss man die verschiedenen Fraktionen nach ihrem sozialen Bestand und ihren politischen Methoden unterscheiden können, nicht aber alles in einen Topf werfen. Die Theorie des „Sozialfaschismus“, die vollständig und endgültig Bankrott gemacht hat, muss man endlich als untauglichen Plunder fortwerfen.

Zuletzt aktualisiert am 22.7.2008