Karl Retzlaw

SPARTACUS
Aufstieg und Niedergang

* * *

7. Der Novembersturz 1918


Nach einigen Tagen hatte ich meine Erschöpfung soweit überwunden, daß ich der Einladung, zu meiner früheren Arbeitsstelle Cassirer zu kommen, folgen konnte. Den Empfang beschrieb ich bereits. Das Ergebnis der Sammlung unter den Kollegen gab mir die Möglichkeit, mich erst über die Geschehnisse der letzten Monate zu informieren, ehe ich nach einer Brotarbeit suchen mußte.

Ich stürzte mich auf alle erreichbaren Schriften über das Zeitgeschehen, las die Zeitungen und Zeitschriften aller Richtungen der vergangenen Monate und traf mich täglich mit Paul Nitschke, der mir auch die Spartakusbriefe brachte, die seit meiner Verhaftung erschienen waren, und die bisher erschienenen Nummern der von Luxemburg und Liebknecht redigierten neuen Zeitung Rote Fahne. Aus der Lektüre der Schriften und den Erzählungen Paul Nitschkes und anderer Freunde vom Jugendbildungsverein erfuhr ich von der weiteren Tätigkeit des Spartakusbundes im letzten halben Jahr. So hörte ich erst damals, daß nach der Verhaftung fast aller führenden Köpfe im Frühjahr der Spartakusbund die Lähmung bald überwand und weiterwirkte und im Oktober 1918 mit der berühmten revolutionären Erklärung hervorgetreten war, in der der Sturz aller deutschen Dynastien, soziale Revolution und Völkerfrieden verlangt wurden. Zur Bildung einer neuen Arbeiterpartei war es indessen noch nicht gekommen. Paul Nitschke erzählte mir, daß unter den Mitgliedern und Freunden keine einheitliche Auffassung bestände, ob es überhaupt zweckmäßig sei, eine neue sozialistische Partei zu gründen.

Ich will versuchen zu schildern, welche Schlußfolgerungen ich aus der Lektüre und den Diskussionen mit meinem Genossen über den Sturz der deutschen Militärmacht zog.

Als ich aus dem Gefängnis zurückkehrte, war Deutschland bereits eine Republik geworden. Die Monarchen waren jedoch nicht gewaltsam gestürzt worden, sie hatten abgedankt. Der Kaiser war nicht durch Spartakus und nicht durch die Arbeiterschaft verjagt worden, sondern sein Oberbefehlshaber Hindenburg hatte dem Kaiser den Rat gegeben, ins Ausland zu flüchten. Den gleichen Rat hatten im Frühjahr 1917 die geschlagenen russischen Generäle ihrem Zaren gegeben: abdanken und flüchten. Der Zar hatte den Rat der Militärs abgelehnt, der deutsche Kaiser befolgte ihn. Hindenburg und der deutsche Generalstab opferten die Monarchie und retteten ihre Militärkaste. Das entsprach auch den geheimen Wünschen der Militärs der Entente.

Aus allen Diskussionen mit meinen Genossen erfuhr ich die Wahrheit, daß die deutschen Heere auf allen Fronten geschlagen waren. Zuerst in Kleinasien, dann auf dem Balkan, Österreich-Ungarn, die Türkei und Bulgarien hatten bereits kapituliert. Sie schieden nicht nur aus dem Krieg aus, sondern setzten die deutschen Truppen in ihren Gebieten auch noch gefangen. Italienische Armeen bereiteten den Vormarsch nach München vor, mit dem Ziel Berlin. Die Ententetruppen, die den Balkan besetzt hatten, wollten zur gleichen Zeit über Breslau nach Berlin marschieren. Den Armeen der Entente standen hier keine nennenswerten deutschen Kräfte im Wege. Doch ehe diese Pläne durchgeführt werden konnten, erfolgte die Kapitulation des deutschen Oberkommandos im Westen und die Flucht des Kaisers und Ludendorffs ins Ausland.

Auch der uneingeschränkte U-Bootkrieg war schon längst verloren, als im Herbst 1918 die britische Marine die Kanäle an der belgischen Küste verriegelte. Die deutschen U-Boote und Torpedoboote, die dort ihre Basis hatten, lagen aktionsunfähig fest. Nun hatte es die übliche deutsche Heuchelei gegeben. Die Parteien im Reichstag, die den uneingeschränkten U-Bootkrieg befürwortet hatten, erklärten ihn für illegal, als sie ihn nicht mehr führen konnten. Die deutsche Hochseeflotte aber war durch jahrelange Stillegung, obwohl täglich unter Dampf, eingerostet, die Mannschaften durch unablässiges nerventötendes „Schleifen“ und mangelnde Ernährung demoralisiert. Als in letzter Stunde die oberste Marineleitung die Matrosen durch eine Verzweiflungsaktion gegen England in den Tod schicken wollte, verweigerten diese die Ausfahrt.

An der Westfront waren die deutschen Heere in den letzten Wochen langsam aber stetig unter schweren Verlusten zurückgewichen. Die Oberste Heeresleitung, Hindenburg, hatte, um der vollständigen Auflösung zuvorzukommen, die Entente am 6. November um Waffenstillstand gebeten. Der Vizekanzler Payer gab im Reichstag an Stelle des Reichskanzlers Max von Baden, der in seiner Generalsuniform zusammengesackt war, die Bestätigung der deutschen Niederlage bekannt: „Alle Verbündeten Deutschlands liegen besiegt und vernichtet am Boden, alle. Unser gesamtes Volk muß nach unerhörten Opfern an Gut und Blut hungern.“ Jetzt, hinterher, schrieb auch der rechtsstehende, damals angesehenste Soziologe und Religionsphilosoph Ernst Troeltsch in Das Ende des Militarismus: »Diese Militärpolitik herrschte und triumphierte, solange es eben ging. Unter hundert Masken arbeiteten Ludendorf und seine Generalstäbler« ... Ludendorff durfte nach seiner Absetzung mit Einverständnis der Regierung nach Skandinavien fahren und dort den weiteren Zusammenbruch abwarten. Doch schon nach kurzer Zeit konnte er nach Deutschland zurückkehren, die Rechtfertigung seiner Kriegsführung niederschreiben und die theoretischen Grundlagen des Revanchekrieges ausarbeiten: politische Kriegsführung mit Massenbasis. Kaum wieder daheim, erklärte Ludendorff, daß er „kalten Blutes die sozialdemokratischen Führer hängen sehen würde“. Das war Jahre, bevor Hitler die „rollenden Köpfe“ ankündigte.

Nach allem war Deutschland bereits eine Republik, bevor Liebknecht und Scheidemann unabhängig voneinander die Republik „ausriefen“. Das deutsche Volk erlitt den Zusammenbruch des Kaiserreiches, es erkämpfte die Revolution nicht. Scheidemann erklärte öffentlich und schrieb es auch in seinen Erinnerungen, daß Ebert ihm Vorwürfe gemacht habe wegen der Proklamation der Republik. „Ich hasse die soziale Revolution wie die Sünde,“ hatte Ebert vorher schon dem neuen deutschen Reichskanzler Max von Baden erklärt. Instinktlos lieferte Ebert auch der sich vom ersten Schock erholenden deutschen Militärkaste die Losung der Konterrevolution. „Im Felde unbesiegt kehrt Ihr zurück!“, sagte er beim Empfang einer Truppe, die Anfang Dezember 1918 geschlossen durchs Brandenburger Tor marschierte. Mit diesem Satz waren Ludendorff und sein Generalstab freigesprochen, die kriegsmüde Arbeiterschaft und das hungernde Volk verurteilt. Selbst unter den Funktionären seiner Partei wurde viel über diesen Ausspruch diskutiert. Die meisten Funktionäre erklärten später, daß Eberts Intelligenz nicht ausreichte, um die Tragweite seiner eigenen Worte zu begreifen. Bürgerliche Geschichtsschreiber dagegen bemühen sich, Ebert wegen dieses Ausspruchs und wegen seiner Zusammenarbeit mit den kaiserlichen Generälen die „besten Absichten zu unterstellen.“ In der Geschichte zählen Absichten jedoch nicht, wohl aber die Ergebnisse einer Politik. Die Ereignisse waren: auf Ebert folgte Hindenburg und dieser ernannte Hitler. Auf den Ersten Weltkrieg mit 11,5 Millionen Toten folgte die Fortsetzung, der Zweite Weltkrieg mit 54 Millionen Toten. Das war das schauerliche Resultat der von der Mehrheit der Sozialdemokratischen Partei verhinderten Revolution. Wer den Marasmus der Weimarer Republik verstehen will, muß den Anfang studieren. Wie meistens im Leben zählen die ersten Schritten, so auch in der Politik.

Für uns, den Spartakusbund war der militärische und wirtschaftliche Zusammenbruch des Kaiserreichs keine Revolution, obwohl auch wir von der „Novemberrevolution“ sprachen. Die Revolution konnte sich erst aus den Trümmern entwickeln. Wir wußten, daß eine Revolution kein einmaliger Akt ist. Die politische Umwälzung muß erst den Weg zu Reformen öffnen, die der Revolution den Inhalt geben. Wir waren uns bewußt, daß im November 1918 nur die oberste Spitze des alten Obrigkeitsstaates gefallen war, und daß wir in Deutschland in der Situation waren, die Marxens kongenialer Freund Friedrich Engels im Dezember 1888 aus der Analyse der Entwicklung des deutschen Militärismus-Imperialismus vorausgesehen hatte, als er schrieb:

»Kein anderer Krieg ... ist für Preußen-Deutschland mehr möglich als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zusammengedrängt in 3–4 Jahren und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine durch akute Not hervorgerufene Verwirrung des Heeres wie der Volksmasse; rettungslose Verwirrung unseres künstlichen Getriebes in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankrott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, daß die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen und niemand sich findet der sie aufhebt.«

Doch die maßgebenden, „praktische Arbeit“ leistenden Partei-Budiker Funktionäre lasen schon lange nicht mehr Marx und Engels. Noch schlimmer als ihr Nichtwissen war ihr Nichtverstehen. Sie hatten sich über die Aufgaben, die sich aus der vorausgesehenen Situation ergeben würden keine Gedanken gemacht.

Die Geschichte des Spartakusbundes und des Jugendbildungsvereins beweist wohl eindeutig, daß wir überzeugt waren, aus dem Zusammenbruch des monarchistischen Obrigkeitsstaates müsse die sozialistische Revolution erwachsen. Daß diese nicht von allein kommen konnte, war uns klar, es war unsere Verpflichtung, für sie zu wirken. „Wenn eine Zeit reif ist und das Notwendige wird nicht getan, so kommt ein noch größeres Unglück.“ Dieser Leitgedanke und die Auffassungen von Marx, Engels und anderen Historikern über das Wesen der Revolution waren für uns maßgebend:

„Eine Revolution ist der rasche Sturz von Einrichtungen, die Jahrhunderte gebraucht haben, um Wurzel zu fassen und befestigt und unbeweglich zu scheinen.“ „Revolution bedeutet den in einem kurzen Zeitraum eintretenden Fall oder das Abbrökkeln alles dessen, was bis dahin den wesentlichen Inhalt des sozialen, religiösen, politischen und wirtschaftlichen Leben einer Nation gebildet hat.“

Marx hatte geschrieben:

»Die zentralisierte Staatsmacht, mit ihren allgegenwärtigen Organen – stehende Armee, Polizei, Bureaukratie, Geistlichkeit, Richterstand, ... stammt her aus den Zeiten der absoluten Monarchie ...

Die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen ... sondern muß sie ... zerbrechen, und dies ist die Vorbedingung jeder wirklichen Volksrevolution ...«

Der französische Politiker und Schriftsteller de Tocqueville hatte gelehrt: „Wenn nach einer Katastrophe des Volkes oder der Nation die Institutionen nicht geändert werden, so wiederholen sich die Katastrophen.“ Marx, Engels, de Tocqueville sollten in Deutschland recht behalten. Mit der Bejahung der Ansicht Marxens, daß in der Revolution der Staatsapparat nicht einfach übernommen werden kann, sondern daß der alte Apparat aufgelöst und ein neuer aufgebaut werden müsse, hatten wir zwar eine Vorstellung von unseren Aufgaben, aber noch lange nicht die zu deren Verwirklichung erforderlichen, revolutionär gesinnten Massen und geistigen Kräfte.

So war die Situation im November–Dezember 1918 für uns in jeder Hinsicht sehr schwierig. Der deutsche Obrigkeitsstaat hatte einen Krieg entfesselt, den die deutschen Heere nicht nur gegen die Truppen anderer Länder, sondern auch gegen deren Bevölkerung mit entsetzlicher Grausamkeit geführt hatten. Die Alldeutschen, die maßgebenden Industriellen, die Militärs hatten halb Europa als Beute gefordert. In dem Diktatfrieden von Brest-Litowsk und Bukarest hatte der deutsche Imperialismus sein Gesicht gezeigt und den anderen Ländern ihr Schicksal, wenn Deutschland gesiegt hätte. Die Schuldigen am Weltkrieg spürten, daß sie nur Spartakus zu fürchten hatten. Sie sahen in den Mehrheits-Sozialdemokraten ihre Retter und akzeptierten deren Regierung, die sie zur gegebenen Stunde beiseite schieben wollten. Diese Absicht verbargen sie nicht einmal.

Die positiven Ergebnisse der nach den ersten Schritten stecken gebliebenen Revolution: Verschwinden der Dynastien der deutschen Einzelstaaten, die sich jetzt „Volksstaaten“ nennen durften; der gesetzliche Achtstundentag; das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen, waren zu mager, um das Volk für die Revolution zu begeistern. Der 9. November wurde daher niemals ein „Staatsfeiertag“, und die Arbeiterschaft hat ihn niemals als Tag der Befreiung gefeiert.

Die Haltung des Bürgertums in diesen Wochen des Zusammenbruchs einer Staatsmacht entsprach seiner Geschichte. Es hatte dem Raubkrieg jubelnd zugestimmt. Die Millionen getöteter Menschen zählten nicht, aber daß die Straßenbahn gelegentlich unpünktlich fuhr, ließ es vor Entrüstung schäumen. Der Schrei des Bürgertums nach „Ordnung“ galt nur der Aufrechterhaltung des bisherigen Militär- und Polizeistaates.

Zum besseren Verständnis meiner Mitarbeit im Spartakusbund im Ersten Weltkrieg muß ich immer wieder die Tatsache hervorheben, daß der Spartakusbund von Funktionären der alten SPD als Protest gegen die Kriegspolitik des Parteivorstandes geschaffen worden war. Grundlage unserer Opposition waren das Erfurter Programm und die Beschlüsse der Kongresse der Sozialistischen Internationale.

Kritiker bemängelten, daß in den Spartakusbriefen der Begriff Pazifismus nicht verwendet wurde. Wir hielten das nicht für nötig, weil der Kampf gegen den Krieg ein erster Grundsatz des Sozialismus ist. Die führenden Köpfe des Spartakusbundes, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Leo Jogiches hatten einen geradezu religiösen Glauben an das „Proletariat“ und an die Revolution, die sie für die „geschichtliche Aufgabe“ der arbeitenden Massen hielten. Die Spartakusführer wußten wohl, daß gesellschaftliche Umwälzungen nur bei aktiver Mitwirkung der Massen möglich sind. Zu Palastrevolutionen genügen unzufriedene Militärs und Funktionäre. Die Politik des Spartakusbundes mußte sich immer heftiger gegen die Bürokratie der SPD wenden, je mehr diese sich den Interessen der alten Herrschaftsschicht unterordnete und diese durch ihre Mitarbeit stützte. Zum Wegräumen des alten Obrigkeitsschutts und zum Kampf für die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaftsordnung brauchte die Arbeiterschaft ein neues Instrument, eine revolutionäre Partei. Die Politik des Spartakusbundes beabsichtigte nicht die „Spaltung der Arbeiterbewegung“ sondern deren Weiterentwicklung.

Die sozialdemokratischen Führer und ihre Presse blieben in diesem Monaten bei ihrem Doppelspiel, das sie während des Krieges erfolgreich geübt hatten. Wie sie für die Kriegskredite gestimmt hatten, so stimmten sie jetzt für Maßnahmen zur Eindämmung und Unterdrückung der weiteren revolutionären Entwicklung und protestierten gleichzeitig hier und dort gegen Methoden, die bei den Unterdrückung angewendet wurden. Sie hielten „Alibireden“ und schrieben „Alibiartikel“, um sich vor ihren Gefolgsleuten und Wählern zu rechtfertigen. Die mit der Unterdrückung einer revolutionären Entwicklung beauftragten Generäle verbanden den Auftrag erfolgreich mit der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen, Geschichtsschreiber aber zitierten die Alibireden und -artikel, ohne zu erkennen, daß diese zweckbestimmt waren.

Doch zurück zu meiner persönlichen Aktivität. Voller Ungeduld wollte ich wieder aktiv mitarbeiten. Der Zufall wollte es, daß ich einige Häuser von der Druckerei der Roten Fahne auf Hermann Duncker traf. Ich begleitete ihn ins Büro der Zentrale des Spartakusbundes, und er führte mich gleich ins Zimmer von Jogiches. Ich lernte nun endlich den Mann kennen, der unter den Namen „Kraft“ und „Sturm“ den Spartakusbund während des Krieges geleitet hatte.

Jogiches erinnerte sich sofort an die zwangsweise Gegenüberstellung im Untersuchungsgefängnis im vergangenen Mai. Nach Fragen über mein Ergehen in den letzten Monaten sagte er, daß wir jetzt bereits die Gefahren der Konterrevolution vor uns hätten, wir müßten mit aller Kühnheit, aber auch mit großer Vorsicht arbeiten. „Im Gefängnis sitzen ist keine Heldentat“, sagte er. Jogiches war eine Persönlichkeit, die auf alle, die ihn kannten, einen unauslöschlichen Eindruck machte. Er war ein Typ, wie ihn die deutsche Arbeiterbewegung niemals hervorgebracht hat. Er war 52 Jahre alt, wohlhabend, und sein Leben wäre auch als Privatgelehrter ausgefüllt gewesen. Sein Temperament ließ ihn gegen soziales Unrecht, Militarismus und Krieg kämpfen. Jogiches war kein gebürtiger Deutscher. Sein Geburtshaus stand in Wilna. Schon als Schüler hatte er eine Kampfgruppe gegen den Zarismus gegründet. Die Arbeiterbewegung in Wilna wurde von diesem jungen Studenten ins Leben gerufen. Er war mehrere Male von der zaristischen Polizei ins Gefängnis geworfen worden. Als Jogiches zaristischer Soldat werden sollte, flüchtete er nach Westeuropa. In Zürich lernte er im Jahre 1890 die damals neunzehnjährige polnische Studentin Rosa Luxemburg kennen. Rosa Luxemburg war auch erst kurz vorher vor der zaristischen Ochrana aus Warschau nach Zürich geflüchtet. Jogiches wurde ihr Freund, und beide gingen später nach Deutschland und wirkten in der SPD. Sie behielten aber gleichzeitig ihre Verbindungen und führenden Positionen in der polnisch-litauischen Arbeiterbewegung, innerhalb der russischen Sozialdemokratischen Partei. Nach Ausbruch der ersten russischen Revolution 1905 gingen Jogiches und Rosa Luxemburg nach Warschau, um mitzukämpfen. Beide wurden nach der Niederlage der Revolution gefangengenommen, sie konnten wieder entkommen und kehrten nach Deutschland zurück. Jogiches war stets zurückhaltend, er trat niemals öffentlich hervor. Was er von anderen verlangte, tat er jederzeit auch selbst. In meinen Gedanken verbinde ich Jogiches immer mit Friedrich Engels. Engels mag der Charakter Jogiches gewesen sein. Doch Jogiches hat kein Werk hinterlassen, das ihn überlebt.

Nach der Begrüßung führte mich Jogiches in ein Nebenzimmer und stellte mich zwei Männern vor: Wilhelm Pieck und Hugo Eberlein. Jogiches ersuchte Eberlein, mich für geplante Verlagsarbeiten zu verwenden. Die Arbeit fand sich schon am gleichen Nachmittag, als Willi Budich und mehrere Mitglieder des Spartakusbundes in Soldatenuniform ins Büro kamen.

Budich war erfreut, mich wiederzusehen, und setzte bei Jogiches durch, daß ich bei ihm arbeiten solle. Ich entsinne mich gut an die weiteren Anwesenden: Christel Wurm, Carl Grubusch und zwei Neuköllner, deren Namen ich vergessen habe. Alle waren Soldatenräte. Budich, der die folgende Sitzung leitete, sprach über die Bildung eines „Roten Soldatenbundes“ und über die Herausgabe einer Zeitung des Bundes, Der Rote Soldat. Über Form und Inhalt war, wie ich aus der Besprechung entnehmen konnte, bereits in vorausgegangenen Sitzungen gesprochen worden. Der „Rote Soldatenbund“ sollte keine feste Organisation, vielmehr ein loser Bund revolutionärer Soldaten sein, mit der Aufgabe, die aus dem Felde heimkehrenden Soldaten auf den Bahnhöfen und in den Kasernen über den Krieg, die Niederlage und den staatlichen Zusammenbruch aufzuklären. Besonders sollte über die Bedeutung und Aufgaben der Soldatenräte informiert werden. Das war nach Meinung Budichs dringend nötig, denn nicht wenige Einheiten hatten ihre Offiziere in die Soldatenräte gewählt und den Räten damit den revolutionären Charakter genommen. Die Redaktion der Zeitung Der Rote Soldat übernahmen Ch. Wurm und K. Grubusch. Die ersten Manuskripte hatten sie bereits mitgebracht. Der Druck sollte schon anderentags beginnen. Ich sollte an der Organisation und Verbreitung mitarbeiten. Die Gesamtleitung hatte Budich.

Mir blieben diese Einzelheiten so gut im Gedächtnis, weil ich durch diese Mitarbeit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg kennenlernen sollte. Ich ging am folgenden Tag mit den ersten Exemplaren der frisch gedruckten Zeitung zu ihnen. Beide wohnten seit ihrer Befreiung aus Gefängnis und Zuchthaus in einem Hotel im Norden Berlins gegenüber dem Stettiner Bahnhof. Der Hotelportier führte mich in das Zimmer von Rosa Luxemburg, das als Büro diente. Rosa Luxemburg lud mich ein zu bleiben und schickte nach Liebknecht. Am Tisch saß auch die Sekretärin, Frau Mathilde Jakob. Mit Liebknecht kam noch Otto Franke ins Zimmer, mit dem ich während des Krieges in der Druckerei beim Druck der Fürst Lichnowsky-Denkschrift gearbeitet hatte.

Liebknecht und Luxemburg sahen die Zeitung Der Rote Soldat sorgfältig durch. Das war bald geschehen, das Blatt hatte halbes Tageszeitungsformat und nur vier Seiten Text. Danach sprachen wir über die Tätigkeit im Kriege. Ich mußte von meiner Spartakusgruppe erzählen, vom Jugendbildungsverein, vom Untersuchungsgefängnis und Osowiec. Beide waren sehr interessiert und fragten nach allen Einzelheiten. So war meine persönliche Bekanntschaft mit den beiden Spartskusführern nur zufällig und kurz, doch blieb mir der Besuch unvergessen. Ich sah und hörte Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bis zu ihrem Tode noch öfters in Versammlungen und Kundgebungen.

Von der Zeitung Der Rote Soldat konnten nur wenige Nummern herausgegeben werden. Die konterrevolutionären Offiziere fürchteten, daß die Zeitung Enthüllungen über die Kriegsführung bringen würde, und schlugen schon am ersten Tage des Erscheinens gegen die Zeitung los. Um die Zeitung bei Überfällen auf die Druckerei zu retten, schaffte ich die ganze Auflage mit einem Handkarren stets sofort weg. Im Büro gaben wir die Zeitungen an Soldaten ab, die sie auf Bahnhöfen und in Kasernen vertreiben sollten. Als ich das erste Mal mit einem Pack Zeitungen zum Anhalter-Bahnhof kam, sah ich, daß auch die Rechtsorganisationen dabei waren, die Soldaten zu beeinflussen. Eine „Vereinigung deutscher Frauen für Truppenempfang“ und eine teils bewaffnete „Studentische Soldatenwehr“ verteilten Tabak und Getränke und warnten die Soldaten vor den „Spartakisten“.

Ich stand kaum eine halbe Stunde in der Halle des Bahnhofs, als mich ein Soldat ansprach und sagte, daß ein Verteiler meiner Zeitung vor wenigen Minuten auf der Potsdamer Brücker überfallen und in den Kanal geworfen worden sei. Ich eilte dorthin und sah Männer und Frauen am Geländer der Brücke stehen, die zuschauten, wie Polizisten und Feuerwehrleute auf einem Kahn stehend mit Stangen das Wasser absuchten. Es war einer der zahlreichen Morde, die von der Polizei als „Unfälle“ registriert wurden. Beinahe jeden Tag mußten Überfälle von Soldatenhorden, die unter Führung junger Offiziere standen, auf unser Büro und auf die Druckerei abgewehrt werden. Bei dieser Abwehr war ich öfters beteiligt, und ich erhielt dabei manche Beule. Mehrere Male wurde ich von Soldatenhorden festgehalten und mit Erschießen und Erschlagen bedroht. Soldaten überfielen mich, als ich mit Paketen von Drucksachen im Arm aus der Druckerei kam und entrissen mir die Zeitungen. Doch mit Unterstützung von Passanten und anderen Soldaten kam ich jedes Mal schnell wieder frei. Einmal stürmte eine Soldatenhorde das Büro, als Liebknecht gerade anwesend war, und hielten das Büro mehrere Stunden besetzt, bis die Polizei und Soldaten des Vollzugsrates die Eindringlinge vertrieben. Um diese Zeit wagten die Söldner noch nicht, Liebknecht zu ermorden. Es fehlte noch die direkte Anweisung höheren Ortes. Aber die Mordhetze hatte bereits begonnen. An den Litfaßsäulen und an Häusern wurden schon Plakate geklebt mit dem Text „Tötet Liebknecht“. Die Aufforderung war anonym mit „Die Frontsoldaten“ gekennzeichnet. Aber noch war die Berliner Polizei, die unter Leitung des unabhängigen sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Eichhorn stand, und Soldaten, die dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte ergeben waren, bemüht, Morde und Gewalttaten konterrevolutionärer Soldaten abzuwehren.

Gleichzeitig begannen die Anschläge der konterrevolutionären Söldner sich auch gegen die Arbeiter- und Soldatenräte zu richten. In einem ihrer Aufrufe hieß es: „Wenn der Vollzugsrat (der Arbeiter- und Soldatenräte) und Spartakus nicht vernichtet werden, kommen Hunger, Seuchen und Neger nach Berlin.“ Hunger und Seuchen hatte der Krieg längst gebracht. Die Neger wurden später von derselben Konterrevolution gerufen.

Der erste schwere, blutige Schlag gegen den Spartakusbund und den Roten Soldatenbund erfolgt am 6. Dezember 1918. Wir hatten an diesem Tag in Berlin drei Versammlungen einberufen, eine davon im „Wedding“, im Norden Berlins. Von dieser Versammlung formierte sich ein Demonstrationszug, der durch die Chausseestraße zum Stadtinnern marschieren wollte. Der Zug war vorher polizeilich angemeldet und genehmigt worden. An der Spitze gingen Budich und zwei weitere Mitglieder des Roten Soldatenbundes. Vor der Kaserne der Gardefüsiliere, der sogenannten „Maikäferkaserne“ in der Chausseestraße, war die Straße mit sechs Maschinengewehren gesperrt. Trotzdem ging Budich weiter. Ohne Warnung schossen die Gardefüsiliere in den Demonstrationszug hinein. Es wurden achtzehn Teilnehmer getötet, darunter die beiden, die neben Budich gingen. Dreißig weitere, darunter Budich, wurden schwer verletzt. Die schießenden Soldaten wurden durch Personen, die von der anderen Seite kamen, überwältigt, konnten aber in die Kaserne zurückflüchten.

Ich war bei dieser Schießerei nicht im Demonstrationszug. Zu Beginn hatte ich Budich ein Stück begleitet, dann aber war ich zur Druckerei geeilt, um Zeitungen zu holen.

Die Untersuchung dieses Blutbades ergab, daß der sozialdemokratische Stadtkommandant Wels Schießerlaubnis „für den Notfall“ gegeben hatte. Schwerbewaffnete Soldaten halten sich meistens für in einer Notlage befindlich, und sie nehmen eine Schießerlaubnis stets als Schießbefehl. Am gleichen Tage aber versuchte auch eine andere Soldatenhorde, Ebert zum Reichspräsidenten auszurufen. Ebert lehnte nicht ab. Der Plan mißlang jedoch.

Budich war von vier Schüssen getroffen worden. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht und schwebte mehrere Wochen zwischen Leben und Tod.

Sechs Wochen später, während der Januarmorde, als zu befürchten war, daß Spartakusmitglieder auch in den Krankenhäusern von Noskebanden ermordet werden könnten, schaffte ihn seine Lebensgefährtin L. P. mit Hilfe von Krankenwärtern aus dem Krankenhaus in eine Privatwohnung. Die Toten dieses hinterhältigen Überfalls wurden erst nach drei Wochen dauernden Streitereien über einen Begräbnisplan auf dem Friedhof der „Märzgefallenen vom Jahr 1848“, im Friedrichshain beigesetzt. Auf diesem Friedhof hatte ich noch während des Krieges, an einem achtzehnten März, im Auftrage der Kollegen meiner Arbeitsstelle einen Kranz niedergelegt. So lebendig war damals noch die Erinnerung an die Berliner Gefallenen der Revolution von 1848.

Kaum vier Wochen nach dem Zusammenbruch des monarchischen Obrigkeitsstaates fühlten sich die rechtsstehenden Parteien, einschließlich der Mehrheits-Sozialdemokratie schon so stark, um die Auflösung der Arbeiter- und Soldatenräte zu fordern. Sie beschuldigten diese der „Nebenregierung“. Tatsächlich verminderte sich die Bedeutung der Arbeiter- und Soldatenräte von Tag zu Tag; nur an wenigen Orten hatten sie noch einige Autorität. Die wirkliche Nebenregierung war aber bereits die „Oberste Heeresleitung“ in Kassel geworden. Wie stark diese sich bereits fühlte, bewies das Auftreten eines Majors von Schleicher, der im Auftrage der Obersten Heeresleitung an einer Sitzung der Ebert-Regierung vom 9. Dezember 1918 teilnahm und hier die Todesstrafe forderte für alle, die „unbefugt“ Waffen tragen. Das war allerdings eine voreilige Einschätzung der Situation, so weit waren die konterrevolutionären Offiziere noch nicht.

Unser Spartakusbund hatte seit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs zwar starken Zulauf erhalten, an unseren Demonstrationen und Versammlungen beteiligten sich Hunderttausende Menschen, aber wir waren doch keine Partei. Die Frage, ob eine neue Arbeiterpartei gegründet werden sollte, wurde noch in unseren Gruppen diskutiert. Die führenden Theoretiker des Spartakusbundes, Luxemburg und Jogiches, waren sehr skeptisch, ob es zur Zeit möglich sein werde, eine neue sozialistische Massenpartei zu schaffen. Die Notwendigkeit bestritten sie nicht. Aber die Ergebnisse der Wahlen zu den Arbeiter- und Soldatenräten waren ihnen eine Warnung. Bei diesen Wahlen hatten die Mehrheits-Sozialdemokraten wiederum eine starke Mehrheit erhalten. Arbeiter und Soldaten hatten zwar die Räteidee angenommen, aber Liebknecht und Luxemburg selber waren nicht einmal als Räte gewählt worden. Es war offensichtlich, daß der Spartakusbund keine Massenbasis hatte.

Zur Klärung der Frage der Parteigründung wurde zu einer Konferenz aller deutschen Spartakusgruppen eingeladen, die Ende des Jahres in Berlin stattfinden sollte.

In meinem früheren Parteibezirk Berlin-Moabit beteiligte ich mich eifrig an den Vorbereitungen. Ich suchte die Mitglieder der Mehrheits- und Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei auf die mir aus der Kriegszeit durch ihre kritischen Bemerkungen bekannt waren und besonders die früheren Mitglieder, die aus dem Felde zurückgekehrt waren. Wir glaubten die Gründung einer neuen Partei sei nur möglich, wenn Funktionäre und Mitglieder aus den alten Reihen mitwirkten, die organisatorische Erfahrung hatten. Schließlich mußte ja das Gerüst einer sozialistischen Arbeiterpartei aus überzeugten Sozialisten bestehen. Ich erlebte es jetzt oft daß mir ältere Mitglieder antworteten: „Der Krieg ist beendet, damit auch die Aufgabe der Opposition, jetzt müssen wir alle gemeinsam die alte Partei wieder herstellen“. Die meisten alten Mitglieder konnten und wollten es nicht einsehen, daß ihre alte Bebel-Partei ein Teil der Konterrevolution geworden war. Diese alten Mitglieder waren Organisationsmenschen, die geistig unbeweglich bei ihrer Organisation bleiben, gleichgültig, wohin diese geht. So unbeweglich blieben sie auch in den Jahren, als Hitler auf dem Wege zur Macht war.

Mitte Dezember 1918 veröffentlichte die Rote Fahne den von Rosa Luxemburg geschriebenen Programmentwurf für die neu zu gründende „Sozialistische Partei“. Der Name „Kommunistische Partei“ stand noch nicht fest. Mit diesem Programm trennte sich der Spartakusbund organisatorisch endgültig von der USPD. Die Zentrale hoffte, alle revolutionär gesinnten Gruppen innerhalb der Unabhängigen Partei und die verschiedenen anderen Oppositionsgruppen in Deutschland, die besonders in Bremen, Hamburg, Dresden bestanden, auf dieses Programm vereinigen zu können. Ich kann keinen Beweis dafür erbringen, daß die Arbeiterschaft das Programm des Spartakusbundes positiv aufnahm, aber sichtbar stark war die Reaktion beim Gegner, unter den Offizieren und im Bürgertum. Die Forderung nach einem Revolutionstribunal für Kriegsverbrecher erregte diese ganz besonders. Die gleichen Leute, die jubelnd jede Nachricht von Tötungen und Zerstörungen in den eroberten Gebieten begrüßt hatten, schrien jetzt „blutige Rosa“ und hetzten zum Mord. Rosa Luxemburg hatte die Reaktion auf das Programm vorausgesehen, und sie bezeichnete die Gruppen und Schichten, die sich getroffen fühlten, mit den Sätzen:

»Kreuzige ihn! rufen die Kapitalisten, die um ihre Kassenschränke zittern. Kreuzige ihn! rufen die Kleinbürger, die Offiziere, die Antisemiten, die Presselakeien der Bourgeoisie ...

Kreuzige ihn! rufen die Scheidemänner, die wie Judas Ischariot die Arbeiter an die Bourgeoisie verkauft haben ...

Kreuzige ihn! wiederholen noch wie ein Echo getäuschte, betrogene, mißbrauchte Soldaten der Arbeiterschaft und Soldaten, die nicht wissen, daß sie gegen ihr eigen Fleisch und Blut wüten, wenn sie gegen den Spartakusbund wüten. Im Hasse, in der Verleumdung gegen den Spartakusbund vereinigt sich alles, was gegenrevolutionär, volksfeindlich, antisozialistisch, zweideutig, lichtscheu, unklar ist.«

Die Kreuzigung folgte bald. Aus den Schichten, auf die Rosa Luxemburg hier hinweist, rekrutierten sich ihre Mörder und später die Nazis. Berlin wurde erneut mit Plakaten und Flugblättern mit dem Text „Tötet Liebknecht!“ überschwemmt. Ungehemmt wurden öffentlich hunderttausend Mark für den Mord geboten. Alle Mitglieder unseres Jugendbildungsvereins zogen abends von einer Litfaßsäule zur anderen und rissen die Mordhetze-Plakate herunter. Dabei kam es oft zu Schlägereien. Im Arbeiterbezirk Moabit waren wir die Stärkeren. Aber als wir auch den Westen Berlins von der Mordhetze säubern wollten und nach Steglitz, Wilmersdorf, Friedenau zogen, wurden wir zurückgeschlagen. Die Forderung nach Bestrafung der Kriegsanstifter und Verbrecher war übrigens die einzige des Spartakusprogramms, die auch von den Regierungen der Entente erhoben wurde. Es kam später auch zu einigen Prozessen gegen kleinere Kriegsverbrecher, in denen die Siegermächte vom Reichsgericht und vom Publikum so verhöhnt wurden, daß sie zurückwichen und auf weitere Prozesse verzichteten.

An dem blutigen Kampf der „Volksmarinedivision“, Weihnachten 1918, in dem 67 Menschen getötet wurden, hatte der Spartakusbund keinen Anteil. Ich muß den Kampf erwähnen, weil er den Rücktritt der drei Volksbeauftragten der USPD aus der Regierung zur Folge hatte. Der Schießbefehl gegen die Volksmarinedivision, die ihr Quartier im Marstall, gegenüber dem früheren kaiserlichen Schloß hatte, war wiederum vom sozialdemokratischen Stadtkommandanten Wels ohne Wissen der drei Unabhängigen Regierungsmitglieder gegeben worden.

Nun kamen die Tage Gustav Noskes und die Terrorherrschaft der „Freikorps“.

 


Zuletzt aktualiziert am 11. Januar 2023