Parvus (Aleksandr Helphand)

Die Eroberung der politischen Macht


III. Das Geheimnis des deutschen Generalstabs


Noch hat der deutsche Reichstag kein einziges Gesetz geschaffen gegen den Willen der Regierung. Selbst eine derartige geringfügige Sache wie die Diätenbewilligung, die der Reichstag bereits unzählige Male beschlossen hatte, hat er bis auf diesen Augenblick nicht erreichen können, weil die Regierung es nicht haben wollte. Denn die Regierung verfügt über den Bundesrat und ohne die Einwilligung des Bundesrates gibt es kein Gesetz. Eine sozialdemokratische Majorität im Reichstag würde selbstverständlich in ihrer positiven Tätigkeit mit diesem Hindernis erst recht zu rechnen haben – der Weg, Gesetze zu machen, wäre ihr durch den Bundesrat vollständig verlegt. Man erblickt also für einen sozialdemokratischen Reichstag vorerst keine andere Art, sich zu betätigen, als eine streng durchgeführte Obstruktionspolitik, die in der Verweigerung des Budgets ihre höchste Spitze findet. Allein die Erfahrungen der preußischen Konfliktszeit und die Erfahrungen, die man jetzt in Österreich macht, scheinen den Beweis zu führen, dass man auch gegen den Willen des Parlaments regieren kann. Was nun?

Jedenfalls ist so viel klar, das die 199 sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag an und für sich nicht die Macht sein können, um die Regierung in die Schranken der Gesetzlichkeit zu zwingen. Und wenn sie noch so redegewandt sein sollten, so sind doch die Zeiten vorbei, wo Posaunenstöße die Mauern Jerichos stürzten. Die Regierungen fürchten sich vor Worten nicht mehr. Folglich muss diese Reichstagsmajorität eine Macht hinter sich haben, die im Stande wäre, ihren Worten Geltung zu verschaffen. Ohne dies erreicht sie nichts. Allgemein gesagt: die Zusammensetzung des Parlaments ist nur der Ausdruck politischer Machtverhältnisse, die außerhalb des Parlaments liegen. Jener parlamentarischer Ausdruck politischer Machtverhältnisse braucht aber nicht genau zu sein und kann gefälscht werden. Selbst beim allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht kann die Zusammensetzung des Parlaments bekanntlich auf rein mechanische Weise beeinflusst werden – durch Wahlkreiseinteilung, Änderung der Altersstufe der Wahlberechtigung etc. – noch besser lässt sich das erreichen durch Kürzung des Wahlrechts selbst. Man kann also ein Parlament zusammenstellen, wie man will, aber es ist klar, dass an jenen Machtverhältnissen, die außerhalb des Parlaments stehen und ihm erst eine politische Bedeutung verleihen, dadurch nichts geändert wird. Folglich kann man in der Zusammensetzung des Parlaments nicht den genauen Gradmesser der politischen Zustände eines Landes erblicken. Der Siedepunkt mag, wenn der Apparat allen wissenschaftlichen Forderungen entspricht, bei 198+1 liegen, – aber wenn man durch mechanische Mittel das Quecksilber im Stiegen hindert, so dass es etwa nicht über 56 steigen kann, so ist deshalb in Wirklichkeit die Hitze nicht minder. Das ist doch so einleuchtend, und doch wird es so leicht übersehen. Die Regierungen gerieren sich bald so, als wenn sie sich um die Parlamente gar nicht zu kümmern brauchten, bald zeigen sie eine übertriebene Furcht vor den Parlamenten und scheinen zu glauben, dass die Welt zusammenstürzen würde, wenn die Verteilung der Sitze unter den Parteien bestimmte Schranken überschreiten würde. Auch in den Betrachtungen, welche innerhalb unserer Partei gepflogen werden, erscheint das Parlament als nichts und als alles.

Die Frage, ob eine Regierung auf die Dauer gegen das Parlament regieren kann, ist also eine Frage, ob es außerhalb des Parlaments eine politische Macht gibt, welche die Regierung zwingen könnte, dem Parlament zu gehorchen. Übertragen wir diese Erkenntnis auf den von uns erörterten Gegenstand der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat, so handelt es sich offenbar nicht darum, ob 199 sozialdemokratische Abgeordnete den Willen einer Regierung, die sich auf das Beamtentum und die Armee stützt, zu brechen vermögen, sondern um eine Auseinandersetzungen zwischen dem organisierten, klassenbewussten Proletariat einerseits und der kapitalistischen Staatsmacht andererseits. Stellt man so die Frage, dann wird es klar, dass der Militarismus den Drehpunkt der Entscheidung bildet. Inwiefern vermag der kapitalistische Staat in seinem Kampf gegen die Sozialdemokratie sich auf das Heer zu verlassen?

Da das moderne Heer auf der allgemeinen Wehrpflicht beruht, so hängt seine politische Stellungnahme von seiner sozialen Zusammensetzung ab. Von allen Anhängern der Gewaltpolitik wird denn auch im gleichen Atemzug mit dem Heer das Bauerntum als staatserhaltende Macht anerkannt. Wir wollen uns nun möglichst genaue Rechenschaft geben, wie hier die Dinge stehen.

Vor einem Jahre ging eine Statistik durch die Presse, welche gewaltiges Aufsehen erregt hat. Es war die vom bayerischen Kriegsminister auf Antrag des bayerischen Landtags vorgenommene Berufszählung der Rekruten. Das Resultat war in doppelter Beziehung ein überraschendes: erstens weil nur eine Minorität der Ausgehobenen der Landbevölkerung entstammte, zweitens, weil es sich herausstellte, dass das Verhältnis der Ausgehobenen zur Gesamtbevölkerung in der Industrie ein bei weitem günstigeres ist als in der Landwirtschaft. Es gehören nämlich bloß 40,2 Prozent der Ausgehobenen der Land- und Forstwirtschaft an, dagegen 49,3 % der Industrie nebst Bergbau, 6,8 Prozent Handel und Verkehr, 3,9 Prozent anderen Berufsklassen und 0,2 Prozent waren ohne Beruf; die Berufsgliederung der Gesamtbevölkerung Bayern war aber: Land- und Forstwirtschaft 44,8 Prozent, Industrie 34,2, Handel und Verkehr 8,8, sonstige Berufsklassen 7,7 und ohne Beruf 4,5. Jene bayerische Statistik hatte aber eine sehr wesentliche Lücke: sie sagte nichts über die Berufsstellung der Ausgehobenen, darüber, wie viel unter den Ausgehobenen Lohnarbeiter, wie viele selbständige Bauern und Handwerker oder Kaufleute waren, gab sie keine Auskunft. Und doch waren in den Fragebogen, nach denen das bayerische Kriegsministerium arbeitete, auch jene Bestimmungen vorgesehen. Das Urmaterial musste also auch über die Berufsstellung der Rekruten Auskunft gegeben haben, allein und obwohl es außerhalb Zweifel stand, dass der Landtag auch darüber Auskunft haben wollte, hat es das bayerische Kriegsministerium für ratsamer gehalten, jene statistischen Bogen als eine Art Militärgeheimnis zu behandeln. Und es hatte allerdings gewichtige Gründe dazu. Aber wenn selbst der französische Generalstab mit seinen Dreyfus-Akten Pech gehabt hatte, warum soll es dem bayerischen Kriegsministerium besser ergehen? Wir wollen den geheimen Schleier lüften und zwar nicht für Bayern allein, sondern für das ganze Reich.

Weniger verschwiegen als das bayerische Kriegsministerium ist nämlich die Reichsstatistik, und diese liefert uns in der Berufszählung von 1895 ein vorzügliches Material über die soziale Klassenstellung des Heeres. Es ist ein mathematisches Gesetz, dass, wer damals in der Altersstufe zwischen 18 und 20 sich befand, das Rekrutenmaterial der nächsten Jahre bildete – ihre Berufsstellung ist also maßgebend für die Berufstellung der Ausgehobenen bzw. des aktiven Heeres. Vom 18. bis zum 20. Lebensjahr geschehen auch keine erheblichen Veränderungen der Lebensstellung und jedenfalls am allerwenigsten eine Selbständigmachung, schon aus Rücksicht auf die Militärdienstzeit. Die Reichsstatistik entwirft nun folgendes Bild der sozialen Gliederung der männlichen Bevölkerung in der Alterstufe 18 bis 20 Jahre:

 

Im Verhältnis
zur Gesamtzahl

Selbständige in Landwirtschaft, Industrie und Handel

    8.506

 

Berufslose Selbständige

  28.496

Angehörige ohne Erwerb

  57.937

 

  94.939

9,3 Prozent

Berufstätige in Armee und Marine

  21.396

 

Beamte und freie Berufe

  21.676

 

  43.072

4,3 Prozent

Angestellte

  34.645

 

Dienstboten

    2.521

Lohnarbeiter wechselnder Art

    7,866

Lohnarbeiter in Landwirtschaft, Industrie und Handel

846.900

82 Prozent

Mehr als acht Zehntel des gesamten deutschen Rekrutenmaterials sind Lohnarbeiter.

Wir haben die Angehörigen ohne Erwerb mit den Selbständigen subsumiert, weil ja die Söhne von Arbeitern nur in Fällen ganz besondere körperlicher Gebrechen mit 18 Jahren noch nicht erwerbstätig sind; rechnet man dazu noch diejenigen, welche sich der Militär- und Beamtenkarriere widmen, so bilden diese Vertreter der besitzenden Klassen immer noch nur 13,7 Prozent der Gesamtzahl, – es ist das fast ausschließlich das Material für Offiziere, Einjährig-Freiwillige respektive Reserveleutnants. Die Masse der Gemeinen des aktiven Bestandes der Armee ist proletarisch.

Aber wo bleiben die Bauernsöhne? Dieses fast gänzliche Verschwinden des Bauerntums aus der Armee ist so frappierend, dass es notwendig ist, dafür eine stichhaltige Erklärung zu geben, um die Tatsache zu beglaubigen. Daran soll es nicht fehlen. Vorläufig aber behalte man fest, dass niemand im Lande darüber im Zweifel ist, was man unter einem Lohnarbeiter versteht, dass besonders der Landmann auf seine Eigenschaft als Bauer recht stolz ist und sich jedenfalls nicht gern als Arbeiter bezeichnen würde, dass aber nichtsdestoweniger 846.900 junge Leute in Stadt und Land sich als Lohnarbeiter in die Statistik eingetragen haben.

Die Zahl der selbständigen Landwirte in der uns interessierenden Altersklasse betrug nur 1.402. Das ist an und für sich nicht verwunderlich, und es würde nur einen gesunden Zustand der Wirtschaft beweisen, wenn der Bauernsohn bis zur Militärzeit die Möglichkeit hätte, in der elterlichen Familie zu verbleiben. Allein dann müsste er unter den Familienangehörigen erscheinen. Sicher steckt auch ein Teil dieser darunter. Jedoch die ermittelte Gesamtzahl – 57.937 – ist so geringfügig, dass der Anteil des Bauerntums daran gar nicht ins Gewicht fallen kann.

Sehen wir uns die Statistik der Familienzugehörigkeit an. Von je 100 Erwerbstätigen entfielen auf die Landwirtschaft 36,19 [Prozent], auf die Industrie 36,14, also der gleiche Prozentsatz, – aber von je 100 männlichen Familienangehörigen entfielen auf die Landwirtschaft 40, auf die Industrie 45,7. Mit der großen Bauernfamilie ist es aus: die Zahl der Mitglieder, die im Haus verbleiben, ist bereits bei der ländlichen Bevölkerung geringer als bei der gewerbetreibenden. Das Bauerngut ist nicht mehr in Stande, den Nachwuchs zu ernähren; die Kindern sind gezwungen, frühzeitig sich selbst ihr Brot zu verdienen.

Auf je 100 selbständige Landwirte beiderlei Geschlechts kamen männliche Familienangehörige unter 14 Jahren 77, im Alter von über 14 Jahren waren es nur noch 8! Die Bauernsöhne gehen gleich, nachdem sie der Volksschule entwachsend sind, in Lohnarbeit – was Wunder, dass sie sich dann mit 18 Jahren in vollem Bewusstsein als Lohnarbeiter bezeichnen? Wenn das in den Bauernfamilien geschieht, so bei den Tagelöhnern, die selbst Lohnarbeiter sind, erst recht. Folgender Vergleich zwischen dem ländlichen und dem industriellen Proletariat ist sehr lehrreich:

 

Es kamen auf 100
unter 14 Jahren

Erwerbstätige männliche
über 14 Jahren

Familienangehörige
Zusammen

Bei den Landarbeitern

18,29

1,16

19,45

Bei den Industriearbeitern

37,27

1,79

39,66

Der Unterschied springt in die Augen: die Landarbeiter sind gezwungen, ihre Kinder noch in viel größerem Umfange und in zarterem Lebensalter auf Broterwerb hinauszuschicken als die Industriearbeiter.

Dieser Bauernnachwuchs geht zum Teil in die Städte und erscheint dort als industrielle Arbeiterschaft, zum anderen bildet er das Gesinde der Gutshöfe, oder er findet Beschäftigung in den Fabriken, die jetzt zahlreich auch über das flache Land zerstreut sind. Er kann also in der Berufsstatistik weder als selbständige Landwirte noch als berufslose Angehörige erschienen, sondern er muss zum Teil unter die industrielle, zum anderen unter die landwirtschaftliche Lohnarbeiterschaft gezählt werden.

Die Zusammensetzung des proletarischen Rekrutenmaterials aus den drei großen Berufsgruppen war die folgende

 

In Prozent

Landarbeiter

302.113

35,6

Fabrikarbeiter

476.605

56,2

Handarbeiter in Handel und Verkehr

  68.182

  8,2

Da, wie die Ermittlungen des bayerischen Kriegsministeriums beweisen, das Verhältnis der Ausgehobenen zu den Gestellungspflichtigen bei der Landbevölkerung ein weniger günstiges ist als bei der industriellen Bevölkerung, so muss die wirkliche Zusammensetzung der Armee in ihrem aktiven Bestande einen noch geringeren Prozentsatz des ländlichen Elements aufweisen.

Da nachgewiesenerweise die Masse der Gemeinen in der Armee proletarisch ist, da ferner gut zwei Drittel des aktiven Bestandes der Armee aus Lohnarbeitern in Industrie und Handel sich zusammensetzt, so ergibt sich daraus: die Armee ist in noch höherem Maße sozialdemokratisch als die Wählerschaft.

Würde man in den Kasernen frei abstimmen lassen und das Wahlrecht bloß auf das Militär beschränken, so hätten wir schon jetzt eine sozialdemokratische Reichstagsmajorität.

Aber man hütet sich wohl, der Armee das Wahlrecht zu verleihen, obwohl man in ihr die angebliche Stütze des kapitalistischen Staats erblickt. Vielmehr sehnt man sich nach einer Hinaufschiebung der Altersgrenze. Denn die proletarische Jugend, die bereits im Geiste des Industrialismus und Kapitalismus großgezogen worden war, ist allerdings in Wirklichkeit ein höchst „staatsgefährdendes“ Element. Wie jetzt schon im reaktionären Lager angesichts der sozialdemokratischen Wahlerfolge sogar Anhänger einer Proportionalvertretung erscheinen, so kann noch eine Zeit kommen, wo der sozialdemokratische Antrag der Volksmiliz von reaktionärer Seite aufgenommen wird, um der Gefahr der Ansammlung der revolutionärer Jugend in großer Zahl in den Kasernen vorzubeugen. Nicht mehr der innere Geist, nur noch der militärische Drill macht die Armee zum Werkzeug des kapitalistischen Staats.

Wie steht es aber mit den Reserven? Darüber gibt uns Auskunft die soziale Gliederung der männlichen Bevölkerung in der Altersklasse von 20–30 Jahren. Es waren darunter nach Abzug der aktiven Militärs:

Selbständige in Landwirtschaft, Industrie und Handel

   441.771

 

Berufslose Selbständige

     72.075

Angehörige ohne Beruf

   100.275

 

   614.021

=16,8 Prozent

Beamte und freie Berufe

   135.803

 

Angestellte

   175.868

Dienstboten

     10.856

Lohnarbeiter wechselnder Art

     43.344

Lohnarbeiter in Landwirtschaft, Industrie und Handel

2.684.324

=73,0 Prozent

Auch hier bildet das ländliche Element kaum ein Drittel der Gesamtheit.

Das Bauerntum steckt in den viel älteren Jahrgängen. 69,5 Prozent der selbständigen Landwirte, also mehr als zwei Drittel, ist über 40 Jahre alt, – dagegen befindet sich fast die Hälfte der selbständigen Gewerbetreibenden im Alter unter 40 Jahren. Die Berufsstatistik von 1895 zeigt, dass erst mit dem 60. Lebensjahr ein Übergewicht der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung im Reiche beginnt, während das eigentliche Bauerntum stets in der Minorität bleibt. Worauf soll sich nun der Staat stützen? Es ist klar, dass es eine lächerliche Torheit wäre, die Altersgrenze der Wahlberechtigung bis zum 60. Lebensjahr hinaufzuschrauben und dass noch weniger sich eine Armee von lauter Greisen zusammenstellen lässt.

Es gab eine Zeit, wo die herrschenden Klassen Deutschlands sich ebenso auf die Volksmassen wie auf die Armee haben verlassen können. Was war die Sozialdemokratie im ersten deutschen Reichstag? Man hat sie verlacht und geglaubt, sie ignorieren zu können. Aber es kam eine rasche Entwicklung, die proletarischen Massen schuf und diese der Sozialdemokratie zutrieb. Dann wandte man Unterdrückungsmaßregeln an und glaubte, mit Polizeigewalt und Gefängnisstrafen die Arbeitermassen von selbständiger politischer Betätigung zurückhalten zu können. Auch das half nicht und nun bleibt nichts übrig, als das allgemeine, gleiche Wahlrecht zu beseitigen, d. h. das Volk von der parlamentarischen Betätigung auszuschließen, den Zusammenhang zwischen Volk und Staat zu zerreißen und beide in einen offenen Gegensatz zu einander zu setzen.

Aber diese Entwicklung, welche die Mehrzahl des deutschen Volkes zu Lohnarbeitern und die Lohnarbeiter zu Sozialdemokraten machte, hat auch die Zusammensetzung und Gesinnung der Armee verändert. Nunmehr baut man, in der Hoffnung, Soldaten gegen Sozialdemokraten ausspielen zu können, nur noch auf die Disziplin, die sich ihrerseits auf die Polizeigewalt des militärischen Kommandos und die Gefängnisstrafen des Militärstrafgesetzbuchs stützt. Aber was anderes ist das, im Grunde genommen, als die selbe Illusion, auf die man sich auf jener Seite bei der Einführung des Sozialistengesetzes gewiegt hat? Wenn auch die Unterdrückungsmaßregeln jeder politischen Willensäußerung, die man in der Armee anwendet, viel gewaltiger sind als jene des Sozialistengesetzes, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass die fortschreitende Entwicklung zu einem Punkte führen muss, bei dem auch sie versagen. Ob dieser Punkt bereits jetzt erreicht ist, darüber wird wohl auch der deutsche Generalstab keine sichere Auskunft geben können. Aber sicher ist, das jede Maßregel, durch welche das arbeitende Volk entrechtet wird, in demselben Maße die Erreichung jenes Punktes beschleunigt, in welchem sie die Unzufriedenheit und Erbitterung im Volk steigert. Und was dann? Das allgemeine Wahlrecht lässt sich beseitigen, die allgemeine Wehrpflicht nicht.


Zuletzt aktualisiert am 29. May 2024