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Es war im Anfang dieses Jahrhunderts ein von englischen Ökonomen und Publizisten viel umstrittenes Thema, ob gute oder schlechte Ernten für den Grundbesitzer vorteilhafter seien? Besonders die Anhänger des Freihandels suchten den Beweis zu führen, dass das Letztere der Fall sei, denn dadurch schoben sie den Gegensatz zwischen dem Interesse der Grundbesitzer und dem gesellschaftlichen Interesse in grelle Beleuchtung. Th. Tooke formulierte diese Ansicht in folgender Weise: „Die Geschichte unseres Landbaues beweist aufs Klarste, dass in allen bedeutenden Fällen von Missjahren oder reichen Ernten die Veränderungen im Preise selbst die äußerste Berechnung im Unterschiede der Menge überschritten haben, und dass jeder bemerkbare Übergang von Teuerung zu Überfluss Klagen über einen Notstand der Landwirtschaft hervorgerufen hat.“ Man glaubte sogar, ein bestimmtes mathematisches Verhältnis feststellen zu können, in welchem die Steigerung der Getreidepreise den Rückgang der Ernte begleitet, so dass z. B. nach einer in solcher Weise aufgestellten Skala ein Ernteausfall von 1/10 eine Preissteigerung von 3/10 nach sich zieht, ein Ausfall von 2/10 eine Preissteigerung von 8/10, einen Ausfall von 3/10 eine Steigerung von 16/10 entspricht usw.
Bei aller sichtbaren Übertriebenheit dieser Aufstellungen enthalten sie doch Wahres. Es ist wirklich die Tendenz der Missernten, unter sonst gleichen Verhältnissen, nämlich besonders bei gleich bleibender Zufuhr, die Getreidepreise bedeutend über den Prozentsatz des Ernteausfalls hinaus hinauf zu treiben. Es genügt, einen flüchtigen Blick in die bekannten Statistiken zu werfen, um sich davon zu überzeugen. Wir nehmen z. B. die Jahre 1890 und 189, in Deutschland zwei Jahre des höchsten Zollschutzes. Das Jahr 1890 hatte eine gute Ernte. Der Roggenertrag war im Durchschnitt des Reiches 1,01 Tonnen pro Hektar, Dagegen gab es 1891 eine Missernte. Der Roggenertrag war 0,87 Tonnen pro Hektar, ein Ausfall gegenüber die Vorjahre von 13,8 Prozent. Deshalb lösten die Grundbesitzer 1891 von jedem Hektar Roggen 183,7 Mark, während sie im Vorjahre bei einer reichern Ernte vom gleichen Hektar bloß 171,7 Mark erhielten. Der Ernteausfall von fast einem Siebtel hat ihnen einen Mehrerlös von 7 Prozent gebracht. Sie fahren also bei der Missernte besser. Der Rückgang des landwirtschaftlichen Ertrages bereichert die kapitalistischen Landwirte – ein herrlicher Widerspruch, wie er nur in der kapitalistischen Gesellschaft möglich ist.
Die Zufuhr billigen auswärtigen Getreides in ausreichenden Mengen würde selbstverständlich die Teuerung beseitigen und die Missernte ist nur aus dem Marktverhältnis zu erklären, daraus, dass die Nachfrage das Getreideangebot übersteigt. Das Kennzeichnende des Falles ist, dass der gegebene Getreidevorrat, sieht man von der Zufuhr an, auf ein Jahr lang nicht mehr erweitert werden kann. Ist einmal die Getreideernte vorbei, so kann eine neue in unserem Klima nur über ein Jahr stattfinden. Das ist eine von Natur aus gegebene Tatsache. Die Grenze der Preissteigerung des Getreides während dieses Jahres, von Ernte zu Ernte, liegt deshalb nicht etwa in den Produktionskosten des Getreides auf dem schlechteren Boden, der noch in Bebauung genommen werden könnte – weil eben dieses Getreide erst nach der nächsten Ernte zu Markte gebracht werden könnte – sondern nur in dem Marktbedarf nach Getreide. Der Gewinn, den die Grundbesitzer aus dieser Teuerung ziehen, hat also mit der Verschiedenheit der Bodenarten und den Produktionskosten des Getreides nichts zu tun. Die Missernte braucht aber keineswegs eine allgemeine zu sein, um diese Erscheinung zu zeitigen. Denken wir uns ein großes Reich, das durch hohe Schutzzölle für einige Jahre von ausländischer Getreidezufuhr genügend geschützt ist. Nehmen wir nun an, dass in diesem Lande auf drei Viertel der bebauten Fläche die Ernte gut ist, auf einem Viertel aber schlecht. Dann wird im allgemeinen ein Ernteausfall sich herausstellen, und wenn das Land „reich“ ist, eine blühende Industrie hat, relativ hohe Löhne aufzuweisen hat, so kann der Getreidepreis in weit größeren Proportionen steigen als der Ernteausfall auf dem von der Missernte betroffenen Gebiete beträgt. Leiden die Grundbesitzer, deren Ernte missraten, keinen Schaden, so werden die anderen in einer ganz enormen Weise bereichert.
Ähnliches ist in der Industrie unmöglich. Wenn hier aus irgendwelchen Gründen in einem Teile der Fabriken einer Industriebranche eine Verschlechterung der Produktionsbedingungen eintritt, so werden die respektive Fabrikanten deshalb den Preis nicht erhöhen können. Täten sie es, so würden die anderen sofort ihre Produktion erweitern und die ersteren vom Markte verdrängen. Man wird aber auch finden, dass selbst, wo in der Industrie eine allgemeine Teuerung stattfindet, diese meistens eine aus der Landwirtschaft abgeleitete, z. B. eine Folge der Rohstoffteuerung ist (der Landwirtschaft gleich wirkt in dieser Beziehung auf die Preisbildung auch der Bergbau).
Der Grund dieses Unterschiedes zwischen kapitalistischer Landwirtschaft und kapitalistischer Industrie ist im Allgemeinen der, dass die Vermehrung der Getreideproduktion an Schranken gebunden ist, die die Industrie nicht hat. Absolut schrankenlos ist auch die Vermehrung der industriellen Produktion nicht, aber sie ist es in der kapitalistischen Produktion relativ. Die Vermehrung der industriellen Produktion ist gebunden: an die gegebene Arbeitermenge, die in letzter Linie mit der Volkszahl zusammenhängt, an die gegebene Produktivkraft der Arbeit, an den vorhandenen Vorrat an Produktionsmitteln. Aber die entwickelte kapitalistische Industrie hat einen solchen Reservevorrat von Arbeitern, Produktionsmitteln und ad hoc zu machenden Erfindungen, dass sie jeder innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft möglichen plötzlichen Steigerung des Marktbedarfs gerecht werden kann; außerdem kann sie noch eine Produktionssteigerung hervorrufen durch Verschiebung des Produktionsverhältnisses der einzelnen Industriebranchen. Wir haben aber soeben schon einen Umstand kennen gelernt, der eine beliebige Steigerung der Getreideproduktion der Zeit nach unmöglich macht, d. i. die Gebundenheit des Produktionsprozesses an den natürlichen Wachstumsprozess. Es handelt sich nicht bloß um die Dauer des Produktionsprozesses, sondern um seine Gebundenheit an die Jahreszeiten, so dass nur von Sommer zu Sommer die Getreideernte stattfinden kann. [23]
Dies allein genügt bereits, wie wir gesehen haben, um für die Grundbesitzer einen Extraprofit, eine Rente zu bilden. Nur ist dieser Extraprofit zufällig und schwankend wie der Ernteausfall. [24]
Wie kommen aber die Grundbesitzer dazu, sich diesen Extraprofit anzueignen? Kraft wessen gelingt ihnen das? Der Unterschied der Bodenqualitäten hat mit diesem Fall, wie schon erwähnt, nichts zu tun. Dieser Unterschied ist vielmehr für ein Jahr ausgelöscht in dem Moment, wo die Ernte stattgefunden hat. Ein Sack Roggen wird deshalb weder besser noch größer, weil der Morgen, dem er erwachsen, 12 oder 20 solche Säcke liefert. Auch der Privatbesitz an Grund und Boden kommt hier an und für sich nicht in Betracht. Man denke sich in dem respektive Lande noch so immense Flächen fruchtbaren Landes besitzfrei, allgemein zugänglich: ist die Ernte vorbei, so nützt das, bis zum nächsten Frühjahr, nichts – solange nicht das Getreide bei Frost und Schnee reif werden kann. Aber der Grundbesitzer tritt hier als Besitzer von Produktionsmitteln überhaupt auf, ohne Unterschied, ob es gerade der Grund und Boden, das Pferd oder der Pflug ist, also in der gleichen Gestalt wie jeder Kapitalist auf. Als solcher hat er das Eigentumsrecht über die produzierte Ware. Die gesamte geerntete Getreidemasse gehört also zunächst den Grundbesitzern. Dieser Umstand verhilft den Grundbesitzern dazu, dass sie, unter Benutzung des gekennzeichneten Machtverhältnisses, die Getreidepreise steigern und den daraus entspringenden Extraprofit in die Tasche stecken – sofern er nicht von der Börse eskamotiert wird.
Wir haben diese eigene Variation der Rentenbildung deshalb vorausgeschickt, weil sie klar zeigt, dass die Rente nicht ein natürliches, sondern ein gesellschaftliches respektive kapitalistisches Ergebnis ist. Die Missernte und die Gebundenheit der Getreideproduktion an die Jahreszeiten bedingen für sich allein nur dieses: die Notwendigkeit, den Brotkonsum einzuschränken. In der kapitalistischen Gesellschaft aber entspringt daraus für die Konsumenten zweierlei: einmal dass sie den Brotverbrauch einschränken müssen, sodann aber, unter Umständen, dass sie noch den Großgrundbesitzern einen Extraprofit zahlen. Diesen Extraprofit eignen sich die Grundbesitzer in der gleichen Zeit an wie die Kapitalistenklasse überhaupt sich den Mehrwert, also jeden Profit aneignet: kraft ihres Privatbesitzes an den Produktionsmitteln. Die Natur erzeugt den Surplusprofit ebenso wenig wie der Geschlechtsunterschied die Prostitution.
Aber neben der Gebundenheit der Getreideproduktion an den natürlichen Wachstumsprozess, die nur zufällig, unter Voraussetzung des Ernteausfalls, Extraprofit für die kapitalistischen Grundbesitzer abwirft, gibt es in der kapitalistischen Landwirtschaft eine andere Schranke der Produktionserweiterung, die regelmäßig und beständig wirkt und deshalb regelmäßig und beständig Rente bildet. Sie ergibt sich aus dem Umstand, dass der Grund und Boden als Produktionsfaktor in die Getreideproduktion eingeht.
Der Grund und Boden ist nicht gleichartig, sondern von verschiedener Ertragsfähigkeit Daher rührt eine Verschiedenheit der Produktionskosten des Getreides auf verschiedenen Bodenarten. Wenn aber die Produktionskosten des Getreides verschieden sind, wie wird dann der Getreidepreis gebildet? Welche Produktionskosten sind für den Getreidepreis maßgebend: die unter den schlechteren oder die unter den besseren Produktionsverhältnissen eintretenden?
Gesetzt, es wären die geringeren Produktionskosten auf besserem Boden, die den Getreidepreis bestimmen – und das erscheint plausibel, weil es ja die Tendenz der Konkurrenz ist, die waren zu verbilligen. In diesem Fall würde sich aber offenbar der Getreidebau auf dem schlechteren Boden, der größere Produktionskosten erfordert, nicht mehr rentieren. Dieser Boden würde folglich aus dem Anbau ausscheiden. Abstrakt weiter verfolgt, gelangt man dazu, dass nur noch der beste Boden in Bebauung bliebe. Dann stößt man aber auf eine Schranke der Erweiterung der Getreideproduktion: die Beschränktheit des Bodenraums von bester Qualität. Steigt der Marktbedarf weiter, so steigt mit ihm der Getreidepreis, bis es schließlich rentabel wird, auch Boden schlechterer Qualität in Kultur zu nehmen. Es klar, dass nunmehr die Produktionskosten des Getreides auf dem schlechteren in Anbau genommenen Boden der Preissteigerung eine Grenze legen werden, so lange dieser Boden in ausreichender Menge vorhanden ist.
Aber wenn die Produktionskosten auf schlechterem Boden den Getreidepreis bestimmen, so muss der bessere Boden, der geringere Produktionskosten hat, einen Extraprofit abwerfen. Diese Rente muss innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise fortbestehen, so lange es einen Unterschied der Bodenarten gibt. Dieser Extraprofit unterscheidet sich noch in anderem von der zufälligen Form des Extraprofits, die wir zuerst erörterten. Jener entsprang einem Monopolpreis – der allerdings produktive Bedingungen zur Voraussetzung hatte – darum war die einzige Grenze seiner Steigerung der Marktbedarf. Dieser wird durch eine Marktfluktuation vermittelt, aber er entspringt nicht dem Marktverhältnis, sondern einem Produktionsunterschied. Die vorausgesetzte Steigerung des Getreidepreises hält ja nur deshalb an und bedingt nur deshalb und insofern einen Extraprofit, als die Erweiterung des Anbaues mit größeren Produktionskosten verbunden ist. Darum werden die Grenzen dieses Extraprofits gebildet durch den Unterschied des Produktionspreises auf schlechterem und besserem Boden.
Dies ist die Differenzialrente, die eigentliche kapitalistische Grundrente. Man sieht, sie hat nichts zu tun mit der absoluten Beschränktheit des Grund und Bodens oder selbst der kulturfähigen Fläche. Die gegebene Produktionsschranke ist überhaupt nur absolut, so lange der Getreidepreis stationär bleibt. Steigt er, so wird sie relativ, d. h. sie erlaubt eine Ausdehnung, aber nur unter erschwerenden Bedingungen. Dieses Hindernis besteht scheinbar bloß nur in den größeren Produktionskosten, doch bedingt es die kapitalistische Produktionsweise, dass dem nicht ganz so ist.
Um die eintretende Änderung klarzulegen, müssen wir uns eines Beispiels bedienen. Gesetzt, der Marktbedarf betrage 1 Million Meterzentner Getreide und es stehen dafür 20 Millionen Mark dem Markte zur Verfügung. Gesetzt weiter, die momentane Getreideproduktion betrage 900.000 Meterzentner, die zum Preise von 16 Millionen Mark verkauft werden, so sind noch 100.000 Meterzentner anzuschaffen, wofür 4 Millionen Mark ausgegeben werden könnten. Die 4 Millionen Mark, die neu auszugeben wären, repräsentieren eine bestimmte Arbeitsmenge. In einer Gesellschaft ohne Warenproduktion, also z. B. in der sozialistischen, würde sich die Sache so abspielen, dass die Gesellschaft die respektive Arbeitsmenge darauf verwenden würde, um die mangelnden 100.000 Zentner Getreide zu erzeugen. Sie würde dabei, kapitalistisch ausgedrückt, bis zu einem Produktionspreis von 40 Mark für jeden dieser fehlenden 100.000 Zentner gehen können. Nicht so unter der Herrschaft des Kapitals.
Da auf dem kapitalistischen Markte der Produktionspreis des Getreides auf dem schlechtesten bebauten Boden den allgemeinen Getreidepreis bestimmt, so wären 40 Mark dieser allgemeine Preis, und der Gesamtwert die Getreidevorrats wäre dadurch gestiegen auf 40 Millionen Mark. Dem steht aber, nach unser Voraussetzung ein Marktbedarf von nur 20 Millionen Mark gegenüber, wofür nunmehr bloß 500.00 Meterzentner zu kaufen wären. Es wird also ein Überfluss von Getreide auf dem Markte eintreten, folglich wird der Getreidepreis sinken und die Erweiterung des Getreideanbaus wird sich unter solchen Verhältnissen als unrentabel erweisen. Es lässt sich leicht ausrechnen, dass die kapitalistische Gesellschaft in unserem Fall nur bis zu einem Produktionspreis von 20 Mark pro Meterzentner des fehlenden Getreides gehen kann. [25]
Woher rührt das? Die Rente, die, den Gesetzen der kapitalistischen Preisbildung folgend, aus den natürlichen relativen Schranken der Erweiterung der Getreideproduktion sich ergibt, dient dann selbst als weiter Schranke dieser Produktionsvermehrung!
Unser Beispiel zeigt noch eins: dass die Grundrente nicht aus den Unterschieden im Getreideertrag sich ergibt, sondern aus den Unterschieden der Getreidepreise. Der Unterschied des Getreideertrags bleibt auch in der sozialistischen Naturalwirtschaft, aber es entspringt ihm keine Rente, wenn es keinen kapitalistischen Warenpreis gibt. Der Extraprofit entspringt nicht daraus, dass der Ertrag auf dem schlechteren Boden geringer ist, sondern daraus, dass der Produktionspreis des geringeren Ertrags zum allgemeinen Produktionspreis wird. Ist aber dies einmal gegeben, so hängt die Quantität der Grundrente nicht bloß vom Preisunterschied, sondern außerdem noch vom Ertrag ab.
Den Extraprofit aus dem Monopolpreis eignen sich die Grundbesitzer in ihrer simplen Eigenschaft als Kapitalisten an. Darum kann er ihnen auch von der Börse wegstibitzt werden. Aber die Rente aus dem Unterschied der Produktionspreise heimsen die Grundbesitzer als solche ein, d. h. als Privateigentümer des Grund und Bodens. Darum können sie sich vom landwirtschaftlichen Betrieb gänzlich reparieren, ohne ihre Rente zu verlieren. Wenn einmal ein Bodenstück unter gegebenen Produktionsverhältnissen einen Extraprofit abwirft, so ist der Grundbesitzer in der Lage, von diesem Grundstück einen Pachtzins im Vertrage der Rente zu erheben, denn dem kapitalistischen Pächter wird dann noch immerhin der gewöhnliche durchschnittliche Profit auf sein Kapital verbleiben. Und wenn der Grundbesitzer dieses Grundstück verkauft, so erhält er die kapitalistische Grundrente in der Gestalt des Bodenpreises.
Wenn aber dieses System der Grundrente, des Pachtzinses und des Bodenpreises entwickelt ist, so ergibt sich daraus eine Reihe neuer Modifikationen.
Erstens, unbebauter Boden besserer Qualität als der schlechteste bebaute, hat, wenn sämtliches Land sich im Privatbesitz befindet, einen Preis, der gleich ist dem Preis des bebauten Bodens gleicher Qualität. Dieser Boden wird auch nicht anders in Pacht gegeben, als unter Zahlung der gleichen Rente, welche der gleichartige bebaute Boden bereits trägt.
Zweitens, auch der schlechteste bebaute Boden wird Grundrente tragen. Der Grundbesitzer wird deshalb den Pächter zwingen können, ihm einen Pachtzins für diesen Boden zahlen, weil sonst Boden noch schlechterer Qualität in Bebauung genommen werden müsste. Aus dem gleichen Grunde würde sein Pächter oder er selbst den Getreidepreis entsprechend erhöhen oder von einer bereits eingetretenen Erhöhung den entsprechenden Nutzen ziehen können.
Wenn aber kein schlechterer unbebauter Boden mehr vorhanden ist, so wird dennoch auch der schlechteste Boden Rente liefern, diesmal einfach deshalb, weil der Grundbesitzer ihn nicht würde gratis abgeben wollen. Wenn die Marktnachfrage die Bebauung dieses Bodens erheischt, so wird diese Rente gezahlt werden müssen und können. Wenn nicht, bleibt dieses Land unbebaut, es hat aber dennoch einen Bodenpreis, weil der künftige Marktbedarf und mit ihm die künftige Grundrente spekulativ antizipiert wird. Deshalb gibt es in der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft keine Erbparzelle, die nicht einen Preis trägt.
In dem letzten Fall ist es also der Privatbesitz am Grund und Boden selbst, der die Rente erzeugt, währenddem wir ihn früher nur als Mittel ihrer Aneignung kennen gelernt haben.
Diese Antizipation der Grundrente und ihre Festlegung im Bodenpreis – kraft des Privatbesitzes an Grund und Boden – erscheint als weitere kapitalistische Hemmung der Erweiterung der Getreideproduktion. Es ist klar, dass jetzt nicht mehr, wie wir spekulativ voraussetzten, die Schranke der besten Bodenqualität überschritten werden braucht, damit der Produktionspreis auf schlechterem Boden den allgemeinen Getreidepreis bestimme. Hat sich einmal Grundrente gebildet – und dazu genügt, dass der Marktbedarf sämtliches auf verschiedene Bodenarten erzeugtes Getreide absorbiert – so erheischt auch der Pächter dieses Bodens offenbar soweit das Getreide nicht billiger verkaufen als der Pächter des schlechteren Bodens. Es bleibt deshalb, vorläufig unter Voraussetzung des kapitalistischen Pachtsystems, der Produktionspreis auf schlechterem Boden bestimmend für den Getreidepreis. Aber wie dem Pächter, so ergeht es dem etwaigen Käufer des Bodens: denn es muss in dem Bodenpreis die antizipierte Rente bezahlen. Auch er wird also das Getreide nicht oder nur um ein Weniges billiger produzieren können. Aber wie der Käufer neuen Bodens, rechnet auch der alte Grundbesitzer mit dem zeitweiligen Bodenpreis. Mag ihn selbst der Boden nichts gekostet haben, so betrachtet er ihn doch als ein Kapitel von gegebener Größe, das verzinst werden muss. Er wird also ebenfalls im Produktionspreis seines Getreides die Rente antizipieren – sonst wäre es ihm vorteilhafter, den Boden zu verkaufen. Die Sache wird klar, wenn man ein extremes Beispiel nimmt: Der Besitzer eines leeren Grundstücks im Zentrum einer großen Stadt wird, wenn er darauf ein Haus baut, bei der Bestimmung der Mietpreise mit dem augenblicklichen Bodenpreis rechnen und nicht mit jenem, den er vor vielen Jahren wirklich zahlte, bzw. er wird die Mietpreise genau so hoch stellen, wie es in den umliegenden Häusern der Fall ist.
Andererseits, da auch der schlechteste unbebaute Boden einen Preis hat, so kann die Erweiterung der Anbaufläche nur dann stattfinden, wenn der Getreidepreis hoch genug gestiegen ist, um auch für diesen Boden einer Rente abzuwerfen.
Es haben sich drei Quellen der Grundrente herausgestellt:
Der allgemeine Zusammenhang ist dieser:
Die Erweiterung der Getreideproduktion ist an natürliche Schranken gebunden. Dadurch ist die Konkurrenz auf dem Getreidemarkt gehemmt. Die Konkurrenz ist aber die einzige Macht auf dem kapitalistischen Markte, welche die Preise zum Sinken bringt. Wo ihre Wirkung aufhört, steigen die Preise, die ein anderes Verhältnis ihnen als Hemmnis der Steigerung entgegentritt, oder die Konkurrenz wieder auf dem Schauplatz erscheint. Dies gilt allgemein, für alle Waren.
Die durch die Produktionsverhältnisse bedingten Hindernisse der Konkurrenz auf dem Getreidemarkt sind zum Teil zufällig und temporär – wenn durch die Ungunst des Wetters und die Gebundenheit der Produktion an die Jahreszeiten hervorgerufen – zum anderen Teil regelmäßig und beständig, d. i. sofern se auf dem Unterschied der Bodenverhältnisse beruhen. Das erste Hindernis ist absolut, d. h. so lange es anhält, lässt es keine Vermehrung des Getreidevorrats zu. Darum ist hier die oberste Grenze der Preissteigerung der Marktbedarf, der sich aus allgemeinen kapitalistischen Produktionsverhältnissen ergibt. Das zweite Hindernis ist relativ: wenn der Getreidepreis den Produktionspreis auf dem schlechtesten bebauten Boden überschreitet, so kommt wieder die Konkurrenz zur Geltung.
Die durch die Verschiedenheiten der Bodenqualität gegebenen relativen Schranken der Produktionserweiterung werden durch den Privatbesitz am Grund und Boden in hohem Maße verengt, indem die Grundbesitzer, voraussehend, dass der steigende Marktbedarf eine Erweiterung der Getreideproduktion erfordern wird, jeden kulturfähigen Boden mit einem Pachtzins belegen, dem ein Bodenpreis entspricht. Dadurch bedingt ist es nunmehr, damit eine Erweiterung der Getreideproduktion stattfinde, nicht bloß erforderlich, dass der gesteigerte Marktbedarf im Stande sei, außer dem gewöhnlichen Bedarf die Produktionskosten des fehlenden Getreides zu bestreiten – sondern der Marktbedarf muss so weit gestiegen sein, dass er im Stande ist, das fehlende Getreide zu dem auf dem schlechtesten bebauten Boden beruhenden Produktionspreis, eventuell sogar den gesamten Getreidevorrat mit einem Aufschlag, einzukaufen. Die Grundbesitzer eignen sich nicht bloß die Rente an, die sich bereits gebildet hat, sondern sie lassen überhaupt keine Vermehrung des Getreideanbaues zu, ohne dass er ihnen eine Rente abwirft. Mit anderen Worten, sie hatten die Erweiterung des Getreideanbaues so lange auf, bis der Marktbedarf so weit gestiegen ist, dass er ihnen im Getreidepreis die gewünschte Rente bezahlen kann und muss.
Dies vollzieht sich nicht vermittelst Übereinkunft, sondern durch Festlegung der Grundrente im Pachtzins und Bodenpreis. Es ist also ein gesellschaftlicher Prozess, der den Grundbesitzern als etwas Selbständiges und von Natur aus Gegebenes erscheint.
Es bleibt noch eine Frage zu erörtern: Wir wird es, wenn die Vermehrung der Getreideproduktion nicht durch Vergrößerung der Anbaufläche vor sich geht, sondern in der Weise, dass die Kultur auf dem bereits in Anbau genommenen Boden durch Anwendung von mehr Kapital intensiviert wird, d. h. wenn es gelingt, den Bodenpreis zu steigern?
Der einzige Fall, der diesmal für uns in Betracht kommt, ist der, wenn der Produktionspreis des erzielten Mehrertrags geringer ist als der herrschende Getreidepreis. Dann tritt Folgendes ein:
Wenn die Produktionsvermehrung den Marktbedarf nicht übersteigt, so bleibt der Getreidepreis unverändert. Dann aber wirft der also gewonnene Mehrertrag, weil er geringere Produktionskosten hat, Rente ab, folglich steigt die Gesamtrente der gegebenen Bodenfläche: der Pächter zahlt einem größeren Pachtzins eines größeren Kapitals. Und so findet auch hier das Gleiche statt wie bei dem Boden besserer Qualität: durch die Grundrente belastet, erfordert er den gleichen Getreidepreis wie der schlechteste Boden, respektive der Boden, auf dem noch die alte Kulturart herrscht. Dieser Boden wird also den Getreidepreis nicht heruntersetzen. Es tritt hors de combat!
Greift die intensivierte Kultur immer mehr um sich, so kann Überproduktion eintreten. Dann sinkt der Getreidepreis. Dieses Sinken braucht aber keineswegs bis auf den nach unserer Voraussetzung geringeren Produktionspreis der neuen Kulturart hinunterzugehen. Da nämlich der gesunkene Getreidepreis die Getreideproduktion auf sämtlichem Boden, auf dem noch die alte Kulturart herrscht, weniger rentabel macht, so wird von dieser Seite unausgesetzt der Versuch stattfinden, den Preis wieder hochzuheben. Darum ist es wieder, wie beim Monopolpreis der Marktbedarf, der die Grenze, diesmal des Sinkens der Preise, bestimmt. Deshalb ist es wohl möglich, dass, trotz des gesunkenen Getreidepreises, die neue Kulturart dennoch Rente abwirft.
Wir haben also folgenden Unterschied: Boden, auf dem neue, intensivierte Kultur stattfindet, und Boden, der noch unter alter Kultur steht. So lange beide Kulturen nebeneinander fortbestehen, wirft die neue der alten gegenüber eine Rente ab. Die Tendenz scheint aber die zu sein, dass die neue Kultur die alte immer mehr verdrängt und dadurch die Preise zum Sinken bringt. Unterdes aber geht derselbe Prozess vor sich wie bei dem unbebauten Boden: die Rente wird antizipiert. Boden gleicher Qualität muss gleichen Pachtzins, gleichen Preis tragen. Wenn auf einem bestimmten Boden unter neuer intensivierter Kultur, aus angegebenen Gründen, Pachtzins respektive Verkaufspreis steigen, so steigen sie in gleichem Maße auf sämtlichem Boden gleicher Qualität, mag darunter Boden alter Kultur wie auch unbebauter Boden sich befinden. Daraus ergibt sich, dass die Anwendung der neuen Kulturart nicht mehr wird der den Preis heruntersetzen Können, weil dem die gestiegene, bereits antizipierte Grundrente im Wege steht. Daraus ergibt sich aber auch, dass die weitere Verbreitung des neuen Kulturverfahrens auf dieselben Hemmnisse stoßen wird, wie die Erweiterung der Anbaufläche: der Marktbedarf wird hoch steigen müssen, um die vermehrte Getreidemenge beim alten Preis zu absorbieren.
Das erklärt, warum produktive Verbesserungen in der Agrikultur viel langsamer eine allgemeine Verbreitung finden als in der Industrie. In der Industrie führen produktive Verbesserungen zur Verbilligung des Produkts. Dadurch wird der Markt erweitert, andererseits setzt die Konkurrenz die alten Verfahrensarten außer Kurs. In der Agrikultur richtet sich, wie gezeigt, die Produktionserweiterung nach dem Marktbedarf, die Preise sinken wenig und die mächtig anschwellende Grundrente verlegt den Weg des weiteren Preissinkens.
Die kapitalistische Landwirtschaft hat die Tendenz, die Getreidepreise nicht unter das Niveau der rückständigen Produktionsart sinken zu lassen. Es ist zweifellos, dass die Einführung der rationellen Fruchtwechselwirtschaft eine große Steigerung der Grundrente hervorgebracht hat, aber die Getreidepreise hat sie nicht vermindert. Beobachtet man die Bewegung der Getreidepreise in einem kapitalistischen Lande, so kann man deshalb leicht zu der Annahme gelangen, dass die Produktionstechnik in der Agrikultur mindestens auf demselben Fleck stehen bleibt. Aber es genügt, einen Blick in die Bewegung des Pachtzinses oder der Bodenpreise zu werfen, um sich zu überzeugen, wo die Früchte der Produktionsentwicklung stecken. Die steigende Grundrente wird unter solchen Umständen fast zum Gradmesser den sinkenden Produktionskosten. [26]
Der kurze ökonomische Sinn der Grundrente ist also der, dass durch sie ein Fallen des Getreidepreises verhindert wird. Gedeckt durch diese Schutzwehr nehmen die Grundbesitzer die gesamte ökonomische Entwicklung für sich in Beschlag. Sie profitieren von der natürlichen Ertragsfähigkeit des Bodens, von seiner künstlichen Ertragsfähigkeit, von dem steigenden Marktbedarf, von jeder Verminderung der Produktionskosten.
Es ist noch ein Moment besonders auseinanderzusetzen. Jede Verminderung des Arbeitslohns vermehrt den Mehrwert. Der Fabrikant, dem es gelingt, die Löhne zu reduzieren, erhält deshalb auch sein Kapital einen größeren Profit. Wenn nach ihm Andere dasselbe Kunststück vollbringen, so profitieren sie alle davon. Aber zu gleicher Zeit wird eine Erweiterung der Produktion in dieser Industriebranche stattfinden, denn jeder Fabrikant wird suchen, den gesamten, so vorteilhaften Markt an sich zu reißen. Die Folge wird sein, dass Überproduktion eintritt und die Warenpreise so weit sinken, dass schließlich nur noch der gewöhnliche frühere Durchschnittsprofit übrig bleibt.
Anders in der Agrikultur. Wenn hier die Arbeitslöhne sinken, so findet deshalb keine Erweiterung der Getreideproduktion statt. Das einzige Resultat wird also sein, dass der Extraprofit wächst. Also wächst die Grundrente, die, wie gewöhnlich, fixiert wird. Dann aber stehen Pachtzins und Bodenpreis der Erhöhung des Arbeitslohns ebenso entgegen wie der Erniedrigung des Getreidepreises.
Dies ist ein Grund, warum die kapitalistische Landwirtschaft nicht nur rückständige Getreidepreise, sondern auch rückständige Arbeitslöhne zeigt. Trotzdem die Landwirtschaft einen Extraprofit, d. i. die Grundrente, abwirft, sind in ihr die Löhne bedeutend geringer als in der Industrie. Selbstverständlich ist, damit dieses stattfinde, noch das Vorhandensein eines billigen Arbeitsmaterials notwendig. Aber wir werden bei der Erörterung der Krise sehen, dass selbst wenn diese Voraussetzung nicht mehr ganz zutrifft, die landwirtschaftlichen Löhne dennoch nur sehr langsam steigen. [27]
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass die Verhältnisse der Grundrente wie dem Marktbedarf eng zusammenhängen. Sinkt der Marktbedarf, so wird der stolze Zusammenhang zwischen Grundrente, Pachtzins, Bodenpreis, Grundbesitz, Getreidepreis in seinen Grundlagen erschüttert. Aber dass der Marktbedarf am Getreide nicht sinkt, sondern steigt, dafür sorgt, wie früher auseinandergesetzt worden, die industrielle Entwicklung. Diese sorgt sogar in solchem Maße dafür, dass die Getreidepreise steigen. Und jede neue Steigerung der Getreidepreise wird sofort in bekannter Weise als Grundrente fixiert und zu einer künstlichen Verschlechterung der Produktionsbedingungen des Getreide gemacht.
Weil aber die Entwicklung der kapitalistischen Industrie zu einer Verbilligung, die Entwicklung der kapitalistischen Landwirtschaft zu einer Verteuerung ihrer Produkte führt – deshalb schlagen die kapitalistischen Länder die anderen auf dem industriellen Markte und werden von ihnen auf dem landwirtschaftlichen Markte geschlagen. So entsteht die kapitalistische Agrarkrisis, deren nähere Zusammenhänge und Wirkungsarten nunmehr zu untersuchen sind.
Die industrielle Entwicklung steigert den Marktbedarf an Getreide. Mit dem Marktbedarf steigen die Getreidepreise. Mit der Steigerung der Getreidepreise wird die Anbaufläche erweitert und die Kultur intensiviert, d. h. der Bodenertrag vom Hektar unter Anwendung von mehr Betriebskapital vermehrt. Mit alledem steigen die Grundrente, respektive der Pachtzins, und mit ihnen der Bodenpreis.
Das alles hält fest zusammen. Dann aber zeigt sich die Kehrseite der Medaille. Weil der Bodenpreis hoch, so muss die Grundrente hoch sein – sonst würde der Grundbesitzer, der den Boden zu diesem Preise gekauft hat, nicht auf seine Kosten kommen. Wenn aber die Grundrente hoch sein soll, so kann das Betriebskapital nicht gekürzt werden, denn sonst würde der Bodenertrag sinken und mit ihm die Grundrente. Bleibt neben der Grundrente auch das Betriebskapital hoch, so können die Produktionskosten nicht verkürzt werden – selbstverständlich wenn man einen stabilen Arbeitslohn voraussetzt – und folglich müssen die Getreidepreise auf der erlangten Höhe bleiben.
Nun denken wir uns aber, dass ein industriell entwickeltes Land in Handelsverbindung tritt mit einem anderen, dessen Industrie viel weniger entwickelt ist. Dieses andere Land wird geringere Bodenpreise aufweisen, geringere Grundrente, eine weniger entwickelte Landeskultur, geringeren Bodenertrag und geringere Getreidepreise. Das wird also ein Agrikulturland sein: es wird dem ersteren Getreide zuführen. Man sieht, auf den Unterschied der Bodenqualität kommt es soweit gar nicht an. Mag die Bodenqualität in beiden Ländern die gleiche sein, so wird das Agrikulturland das industrielle schon deshalb auf dem Getreidemarkte schlagen, weil es eine geringere Grundrente, tatsächlich eine geringere landwirtschaftliche Entwicklung hat.
Diese theoretische Ableitung deckt sich vollkommen mit der Wirklichkeit. Es ist der durchschnittliche Weizenertrag: [28]
|
Hektoliter |
Großbritannien |
26,9 |
Deutschland |
17,0 |
Frankreich |
14,9 |
Ungarn |
11,0 |
Vereinigte Staaten |
10,7 |
Russland |
6,7 |
Also die Länder der geringeren Erträge, der geringeren Entwicklung der Agrikultur sind es, die den Getreidemarkt beherrschen. Das scheint aber eine sehr sonderbare Sache: die ganze landwirtschaftliche Entwicklung dieses Jahrhunderts, die Entwicklung der Chemie, der speziellen Agronomie, die Erkenntnis des Stoffwechsels der Pflanze, der Beschaffenheit des Bodens, die Einführung von Maschinen, von Meliorationen, die Einführung eines rationellen Fruchtwechselsystems usw., dies alles wäre dann – für den Hund?! Und das Beste wäre, bei der alten Dreifelderwirtschaft zu bleiben, die in Russland 6,7 Hektoliter vom Hektar gibt? Das wäre die Verurteilung jedes Fortschritts in der Agrikultur.
Es ist klar, dass das nur ein kapitalistisches Paradoxon ist. Wir wissen, dass die Erfolge der Wissenschaft damit nichts zu tun haben. Mögen die Produktionskosten, in Folge verbesserter Bewirtschaftung, noch so sehr sinken, so würde ja nur der kapitalistische Grundbesitz den Vorteil davon haben. Die Getreidepreise würden deshalb nicht sinken, nur die Grundrente würde wachsen, solange der Marktbedarf an Getreide nicht nachlässt, oder eben ein anderes Land in Konkurrenz tritt.
Im Kopfe des Grundbesitzers spiegelt sich freilich die Erscheinung umgekehrt ab. Der Bodenpreis erscheint ihm als etwas Natürliches, von vornherein Gegebenes – weil er ihn gezahlt hat. Er findet tatsächlich den Bodenpreis bereits vor, wenn er als Landwirt auftritt. Darum ist es ihm selbstverständlich, dass er diese und keine geringere Grundrente beziehen muss, mit anderen Worten, dass die Rente nur steigen und nicht sinken darf. Wenn jeder andere Kapitalist mit sinkenden Warenpreisen rechnet so der Grundbesitzer nur mit steigenden Getreidepreisen. Wenn nun dennoch die Getreidepreise sinken, was anderes soll daran schuld sein, als die „unlauteren Wettbewerber“ von auswärts, die sich mit geringeren Renten begnügen? „Da drüben sind die Bodenpreise gering“, lamentieren die kapitalistischen Grundbesitzer: „und dagegen können wir nicht aufkommen.“ Dass die ausländischen Bodenpreise und Renten ihnen nur deshalb gering erscheinen, weil ihre eigenen zu hoch gestiegen sind, das kommt ihnen nicht in den Sinn.
Es würde auch nicht helfen, sie über die wirkliche Sachlage belehren zu wollen, denn auf jeden Einwand haben sie die von ihrem Standpunkte aus tatsächlich unwiderlegbare Antwort: „Soll das Kapital, das wir für den Boden bezahlt haben, nicht den gleichen Profit tragen wie jedes Kapital? [29] Und dann kann die Grundrente nicht geringer sein!“ Sie rechnen die Grundrente als Zins auf das Bodenkapital, neben der Verzinsung des Betriebskapitals, zu dem Produktionspreis, und dann erscheint der Konkurrenzunterschied der beiden Länder als allgemeiner Unterschied der Produktionskosten. In diesem Ausdruck ist der wirkliche Charakter des Vorgangs völlig ausgelöscht, denn die Produktionskosten werden nicht nur durch die Grundrente sondern noch durch andere Umstände beeinflusst, so durch den Unterschied der Bodenqualität.
Der Vorgang, wie er sich in der kapitalistischen Landwirtschaft abspielt, ist auch in der kapitalistischen Industrie durchaus nicht etwas völlig Unbekanntes. Nur ist er hier an Ausnahmebedingungen gebunden und tritt als Zufall auf. Dieser Ausnahmefall tritt bei jeder neuen Erfindung von größerer Tragweite ein, wenn es gelingt, ihre produktive Verwendung für eine Zeit lang zu monopolisieren. Das neueste Beispiel dieser Art ist das Auersche Gasglühlicht.
Auers Gasglühlichtgesellschaft machte bekanntlich zuerst ganz exorbitante Gewinne. Sie verteilte Dividenden von 100 Prozent und selbst 128 Prozent, weil ihr Niemand im Wege stand. Sie erhielt also tatsächlich über die Durchschnittsprofitrate einen enormen Extraprofit, eine Rente. Dementsprechend stieg der Kurs, d. h. der Preis ihrer Aktien, genau in derselben Weise, wie in der Landwirtschaft die Bodenpreise steigen. Wer nun die Auerschen Aktien nach dem Tageskurs kaufte, der bezahlte darin selbstverständlich fast den gesamten kapitalistischen Extraprofit. Desgleichen, wenn z. B. der Kurs einer 100-Mark-Aktie nominell etwa 800 stand, so schätzte sich der Besitzer von zehn solchen Aktien, mochte er es seinerseits auch nur zum nominellen Werte gekauft haben, nicht im Besitze eines Vermögens von 1000 Mark, sondern eines solchen von 8.000 Mark.
Es ist klar, dass, so lange die Alleinherrschaft des dieser Aktiengesellschaft anhielt, sie durchaus nicht genötigt war, wegen etwaiger Produktionsersparnisse die Preise zu reduzieren. Alle gemachten Verbesserungen der Produktion konnte sie dazu verbrauchen, den Extraprofit zu steigern. Von außen mochte es also scheinen, als ob die Produktionskosten dieselben blieben, und doch konnten während dieser Zeit die Technik sehr verbessert und die Produktionskosten heruntergesetzt werden. Fiel der Preis der Rohstoffe, so wären in allen anderen Fabriken die Warenpreise entsprechend gesunken – hier aber nicht, es wäre nur der Profit gestiegen. Ähnlich bei einer Verkürzung des Arbeitslohns usw.
Als es aber der Konkurrenz gelang, sich Bahn zu brechen – wobei es gleichgültig ist, ob analoge Erfindungen gemacht oder einfach das Patentgesetz auf eine schlaue Weise umgangen worden –, da änderte sich die Situation. Die Konkurrenz machte billigere Preise. Wenn es so weiter geht, so kann es dazu kommen, dass der Extraprofit der Gaslichtgesellschaften gänzlich verschwindet. Die Preise der Glühkörper sind jetzt schon fast um die Hälfte zurückgegangen. Dann würde der Kurs selbst der ersten Gasglühlichtaktien auf ihren nominellen Wert sinken. Das ist umso wahrscheinlicher, als ja bei solchen Gründungen gewöhnlich von vornherein ein größerer Aktienbetrag angezeigt wird als tatsächlich Kapital im Geschäfte steckt. Ein Teil des Aktienkapitals fällt den Gründern unentgeltlich zu. Das heißt, die Gründer antizipieren den Extraprofit, wie die Besitzer des unbebauten Bodens die Grundrente.
Es ist klar, dass nunmehr diejenigen, welche die Aktien nach ihrem späteren Börsenkurs gekauft haben, umso größere Verluste erleiden werden, je höher dieser Kurs bzw. der Extraprofit, in dem er gründete, war. Aber auch die ersten Aktienkäufer, die bis jetzt den gesamten Extraprofit einsteckten, werden mit einem Male in eine sehr prekäre Lage geraten. Sie haben sich nach dem hohen Extraprofit, nach dem gestiegenen Aktienpreis eingerichtet. Sie verheirateten ihre Töchter, unterhielten vielleicht ihre Söhne bei der Garde, sie erlaubten sich selbst dieses und jenes, schließlich gingen sie andere Geschäfte ein, z. B. sie errichteten Schnapsbrennereien und Ähnliches mehr. Zu alledem verbrauchten sie nicht nur ihre großen Extraprofite, sondern sie nutzten ach reichlich ihre stark gewachsene Kreditfähigkeit aus. Eins nur unterschied sie von den Grundbesitzern: sie konnten keine Hypotheken aufnehmen. Freilich, auch sie verpfändeten ihre Aktien, aber deren Beleihungsgrenze war bei weitem nicht so groß und der Kredit viel kostspieliger als beim Grund und Boden. Dennoch sind sie jetzt ruiniert, weil mit dem Extraprofit auch ihre Zahlungsfähigkeit schwindet.
Es ist noch ein Zweites klar, nämlich, dass die zuletzt aufgetretenen Gasglühlichtgesellschaften keineswegs ein besseres, respektive billigeres Verfahren entdeckt zu haben brauchen, um mit der ersten derartigen Gesellschaft konkurrieren zu können. Im Gegenteil, sie können sogar eine schlechtere und kostspieligere Produktionstechnik haben, und dennoch werden sie billiger verkaufen als die erste Gesellschaft, weil diese ja damit rechnen muss, dass ihre Aktionäre einen dem hohen Börsenkurs entsprechenden Profit erwarten. Wie sich unter diesen Verhältnissen ein Kampf auf Leben und Tod entwickelt zwischen den Gründern, den Besitzern der Stammaktien, den Besitzern der anderen Aktien, sodann der einzelnen Aktiengesellschaften untereinander, und wie der Wirrwarr zur Lösung kommt, gehört in das Kapitel von der Börse, das unserer Untersuchung fern liegt.
Um die Analogie mit dem Grundbesitz zu vervollständigen, denke man sich, dass die spätere Konkurrenz vom Auslande kommt, z. B. aus einem Lande, das kein Patentrecht kennt. Dann werden die betreffenden heimischen Interessenten selbstverständlich dem Auslande alle Übel beimessen, Schutzzölle fordern, und wenn das nicht hilft, so werden sie möglicherweise mit denselben abenteuerlichen Währungsplänen kommen wie die Agrarier. [30] Kurz, wer dann in die Generalversammlung der Aktionäre dieser Gesellschaft ginge, würde sie leicht mit dem „Bund der Landwirte“ verwechseln.
Nicht der Vorgang selbst der Bereicherung und des Ruins der kapitalistischen Grundbesitzer ist also das Auffallende. Die Analogie ist täglich zu finden auf der Börse, mit der der kapitalistische Grundbesitz überhaupt sehr innige Konnexe hat. Kennzeichnend ist, dass dieser Prozess in der kapitalistischen Landwirtschaft nicht als Zufall und Einzelheit auftritt, sondern als allgemeines, regelrechtes Entwicklungsprodukt.
Die so genannten Agrikulturländer, mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Kolonien, haben aber dem Industrieland gegenüber nicht nur den Vorteil der relativ geringen Grundrente, sondern den anderen des geringen Arbeitslohnes. [31] Währenddem die Getreidepreise infolge der ausländischen Nachfrage steigen, bleiben die Arbeitslöhne niedrig, ja der Grundbesitzer sucht noch womöglich die Löhne reduzieren, um derart, ohne den Betrieb zu erweitern, die gestiegene Getreidenachfrage zu decken. [32] Die Grundrente der preußischen Junker z. B. hat sich zu einem bedeutenden Teil in dieser Weise gebildet.
Andererseits ist in den industriell weniger entwickelten Ländern die durchschnittliche Profitrate höher. Daraus entspringt ein Nachteil für deren Grundbesitzer, weil ihre Grundrente mit einem geringeren Betrag kapitalisiert wird (1000 Mark Grundrente geben bei vier Prozent Verzinsung einen Bodenpreis von 25.000 Mark, bei fünf Prozent bloß 20.000 Mark(. Aus dem gleichen Grunde würde der Grundbesitzer, wollte er sein Grundstück verpachten, an den kapitalistischen Pächter einen größeren Prozentsatz als Profit abtreten müssen. Anders ausgedrückt: während der Grundbesitzer in einem industriell weniger entwickelten Lande sich mit einer geringeren Grundrente begnügt, fordert der kapitalistische landwirtschaftliche Pächter, wie jeder kapitalistische Unternehmer eines solchen Landes, im Gegenteil eine größere Profitrate. Wirtschaftet aber der Grundbesitzer selbst, so fällt ihm der Profit zu. Die eigene Regie ist hier also vorteilhafter und konkurrenzfähiger. Dies ist ein Grund, warum in den nach England aufgetretenen kapitalistischen Ländern die landwirtschaftliche Großpacht sich bei weitem nicht in dem Maße entwickelt hat wie in Großbritannien.
Diese gekennzeichneten allgemeinen Bedingungen der größeren Konkurrenzfähigkeit der Agrikulturländer auf dem Getreidemarkt gelten auch für die kapitalistischen landwirtschaftlichen Kolonien, deren Musterbild die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind. Die vorhandenen Unterschiede ändern den allgemeinen Zusammenhang nicht.
Wir wollen nur hervorheben, dass hier, wo die Landwirtschaft auf freier Besitznahme des Grund und Bodens beruht, deshalb die Preisbildung eine von der in den alten Kulturländer unterschiedene sein muss. Mit dem Preis des unbebauten Bodens fehlt auch die künstliche Schranke der Erweiterung der Getreideproduktion, die, wie wir gesehen haben, eine so große Rolle spielt. Wohl gibt es auch hier Grundrente, je nach dem Unterschied des Produktionspreises auf Boden verschiedener Qualität, aber soweit noch keine antizipierte Grundrente. Deshalb hängt hier die Bewegung des Getreidepreises nur von dem einen Umstande ab, ob Boden besserer oder schlechterer Qualität in Bebauung genommen wird. [33]
Dies ändert sich nicht nur in dem Maße, als die frei verfügbare Bodenmenge abnimmt, sondern auch als sie schwer zugänglich wird bzw. unter schlechteren Verkehrsbedingungen sich befindet. Diese Grenze wird erreicht, nicht etwa durch die Ausdehnung der Anbaufläche, sondern durch Ausdehnung der Besitznahme. [34]
Bevor wir unsere Erörterung weiter führen, wollen wir, um Missverständnisse zu vermeiden, Folgendes vorausschicken: Wenn wir als die ökonomische Grundlage der kapitalistischen Agrarkrisen die durch die industrielle Entwicklung bewirkte Steigerung der Grundrente angeben, so soll damit keineswegs geleugnet werden, dass für die Frage der landwirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit zweier Länder noch eine große Menge anderer Umstände in Betracht kommen. So kann ein Land tatsächlich von Natur aus fruchtbarer sein als das andere. Oder es können Umstände sein, die in dem Allgemeinen wirtschaftlichen Charakter des Landes liegen. So z. B. wenn ein naturalwirtschaftendes Land einen Teil seines Produktes verkauft. In der Naturalwirtschaft gibt es keine Warenpreise, folglich kann das Produkt unter Umständen unter seinem kapitalistischen Produktionspreis abgeben werden. Man bedenke, dass der amerikanische Farmer zuerst in der Hauptsache Naturalwirtschafter war, um die Bedeutung dieses Moments zu würdigen. Es kann aber auch etwas anderes, es kann z. B. die Sklavenwirtschaft, wie seinerzeit in den Baumwollplantagen Südamerikas sein.
Alles dieses und noch vieles andere müsste in Betracht gezogen werden, wollte man die tatsächliche Geschichte irgendeines bestimmten Falles schreiben. Für uns aber handelt es sich nicht um Einzelheiten, sondern um die allgemeinen kapitalistischen Zusammenhänge. Und weil es, wie wir nachgewiesen haben, solche allgemeine Zusammenhänge gibt, so erscheint das Ganze nicht als Zufall, sondern als naturgemäßes Ergebnis der kapitalistischen Produktionsentwicklung.
Nun aber, einmal die Agrarkrise eingetreten, wie wird sie sich äußern? welche Wirkung wird sie auf die Landwirtschaft haben?
Nach der Ricardoschen Theorie würde die Sache sich sehr einfach anspielen: Boden schlechter Qualität wird aufgegeben, die Grundrente sinkt, die Bodenpreise sinken, bis schließlich ein neuer Status geschaffen ist. Aber die Sache ist in Wirklichkeit viel komplizierter.
Zunächst tritt als Hindernis der regelrechten Entwicklung der Umstand auf, dass von dem Moment an, als die Grundrente als Pachtzins oder Bodenpreis festgelegt worden ist, der Unterschied der Bodenqualität aus dem Konkurrenzspiel tritt. Der Pächter des besseren Bodens zahlt eben eine größere Rente. Von seinem Standpunkte aus produziert er durchaus nicht billiger als der Pächter des schlechteren Bodens, der eine entsprechend geringere Rente bezahlt. Der Pächter des besseren Bodens wird sein Produkt nicht billiger verkaufen können, weil er sonst nicht auf den Pachtzins kommt. Eine Verminderung des Pachtzinses fordern nun alle kapitalistischen Pächter. Auch der Grundbesitzer, ob er selbst wirtschaftet oder nicht, leidet in derselben Weise Verluste, wie der Aktienbesitzer in Folge der sinkenden Dividende und des sinkenden Börsenkurses. Die Krise ist also nicht partiell, sondern allgemein. [35]
Es entwickelt sich ein erbitterter Kampf der Pächter mit den Grundbesitzern wegen der Pacht, und aller Landwirte untereinander überhaupt auf dem Getreidemarkt. Entscheidend in diesem Kampf ist vor allem der Besitz von Kapital. Wo der Grundbesitzer der Stärkere ist, drückt er den Pächter, der sich einen Profitabzug gefallen lässt, um nicht gänzlich erwerbslos zu bleiben. Der selbstwirtschaftende Grundbesitzer seinerseits kann desto länger aushalten, je mehr Kapital und je weniger Schulden er besitzt.
So lange der Bodenpreis stieg, war die Hypothek ein durchaus willkommenes Ding. Denn sie war die Kapitalisation der Grundrente. Sie war oft die Realisation der antizipierten Rente, wenn sie auf unbebauten Boden genommen wurde. Der Grundbesitzer bekam in ihr etwas bezahlt, was noch gar nicht da war. Der Besitzer eines Stückes fruchtbaren Ödlandes nimmt darauf eine Hypothek. Mit dem erhaltenen Gelde gründet er eine Schnapsbrennerei. Das Ödland bleibt es auch weiter, es hat nie ein Weizenkorn produziert, aber es hat doch seinen Eigentümer in den Besitz einer Fabrik gesetzt. Und der Wert dieses Ödlandes wächst von selbst. Es erzeugt zwar kein Korn, aber in einigen Jahren produziert es wieder eine Hypothek. Die Hypothek gibt also die Möglichkeit, die Grundrente doppelt auszunützen: einmal als solche, und dann als kapitalistische Grundrente. Für dieses Grundrentenkapital muss allerdings Zins bezahlt werden, wenn auch ein sehr mäßiger Zins, aber unter der Voraussetzung, dass die Hypothek kapitalistisch, also in der Industrie oder auf der Börse, angelegt wird, trägt sie ja selbst ihren Zins und wirft noch einen Profit darüber hinaus ab.
Nunmehr, unter der Krise, wird die Wohltat zur Plage. Die Zinsen müssen bezahlt werden, folglich kann weder der Getreidepreis heruntergesetzt noch die Produktion vermindert werden. Jetzt zeigt sich die ökonomisch zwiespältige Natur des selbstwirtschaftenden kapitalistischen Gutsbesitzers: als Grundbesitzer hat er ein Interesse an der hohen Grundrente und dem hohen Bodenpreis, aber als Kapitalist, als Produzent der Ware „Getreide“, die einer scharfen Konkurrenz auf dem Markte entgegentritt, kurz als sein eigener Pächter, hat er das gerade entgegengesetzte Interesse, denn die Grundrente in der Gestalt des Zinses auf die aufgenommene Hypothek hindert ihn daran, den Getreidepreis herunterzusetzen.
Das allgemeine Bestreben geht dahin, die Produktionskosten zu vermindern, ohne gleichzeitige Herabsetzung des Ertrags. Dazu bedarf es aber einer neuen Agrikulturtechnik. Und zu diesem Zweck ist eine Vermehrung des Betriebskapitals notwendig. Die Notwendigkeit, die Produktionstechnik zu verbessern, wird überhaupt erst während der Krise akut, denn zu anderen Zeiten, rettet die Rente über alles hinweg.
Wo das kapitalistische Pachtsystem herrscht, ist das verhältnismäßig leicht getan: der eine Pächter wird verjagt und an seine Stelle ein anderer gesetzt, der ausreichendes Kapital besitzt, um die nötigen Änderungen vorzunehmen. Anders der selbstwirtschaftende Grundbesitzer: seine Kreditfähigkeit ist durch die früher ausgenommenen Hypotheken erschöpft, sie sinkt überhaupt, weil die Grundrente und die Bodenpreise sinken, folglich kann er die nötigen Verbesserungen nicht einführen. Daraus ergibt sich, dass die Großpacht der rationelle kapitalistische Agrikulturbetrieb ist.
Andererseits hält die Hypothek diesen kapitalistischen Grundbesitzer am Boden fest, denn würde er bei den sinkenden Bodenpreisen sein Grundstück verkaufen, so würde ihm nicht viel Kapital übrig bleiben. Die Hypothek wirkt hier ebenso als Hindernis der landwirtschaftlichen Entwicklung wie früher der Bodenpreis.
Zu gleicher Zeit wendet sich der Grundbesitzer an die Arbeiter und späht, ob sich nicht eine Lohnkürzung machen lässt. Aber die Löhne sind schon von vornherein so niedrig, dass sie nicht mehr gekürzt werden können. Stattdessen vollzieht sich ein steter Abzug der Arbeiter vom platten Lande, weil hier die Löhne viel niedriger sind, nach den Industriezentren und nach den Kolonien. Nunmehr erhebt der Grundbesitzer ein verzweifeltes Wut- und Jammergeschrei: er sei ruiniert, weil ihn die Arbeiter verlassen! Aber wenn er will, dass ihn die Arbeiter nicht verlassen, so soll er ihnen nur die Löhne aufbessern. Das könnte er wieder nicht! Denn er hat den Mehrwert bereits als Grundrente kapitalisiert und eine Hypothek darauf gezogen. Was er dem Arbeiter schuldig geblieben ist, dafür bezahlt er jetzt Zinsen, freilich nicht dem Arbeiter, sondern der kapitalistischen Bank.
Kurz, wenn die Industrie sich entwickelt, so klagen die Agrarier über Arbeitermangel und hohe Arbeitslöhne infolge industrieller Konkurrenz, und wenn die Getreidepreise sinken, dann klagen sie über hohe Arbeitslöhne, weil sie den überschüssigen Mehrwert bereits kapitalisiert und eingesteckt haben und ihn nicht noch einmal aus den gleichen Arbeitern herauspressen können.
Nun füge man noch hinzu: unglückliche Börsenspekulanten und Überproduktion an Schnaps und Zucker, und man hat den ganzen Jammer der deutschen Agrarier. Die preußischen Junker wollten sich doppelt bereichern: als Grundbesitzer und als Kapitalisten – darum büßen sie jetzt als Kapitalisten die Sünden der Grundbesitzer und als Grundbesitzer die Sünden der Kapitalisten. Der Parzellenbauer wird von der Krise desto weniger getroffen werden, je schlechter seine Lage ist, d. h. je mehr er früher schon gezwungen war, ein Nebengewerbe zu betreiben und folglich nicht mehr ausschließlich von der Landwirtschaft abhängt. Zweitens wird er die Krise nicht spüren, soweit er als Naturalwirtschafter auftritt. Da andererseits die Entwicklung der Gutswirtschaft während der Krise unter dem sinkenden Getreidepreisen und der sinkenden Kreditfähigkeit leidet und bei längerer Dauer ein Teil der Güter subhastiert oder ihre Anbaufläche beschränkt wird, so kann eine Verschiebung der landwirtschaftlichen Betriebe zu Gunsten des Parzellenbauerntums stattfinden. Dieselben Momente, die sonst den landwirtschaftlichen Großbetrieb dem Bauerntum gegenüber hervorheben: der große Marktabsatz, die Bildung einer hohen Grundrente, der geringere Hypothekarzins und die leichtere Beleihung usw. kehren sich jetzt gegen ihn.
23. Die Entwicklung der Transportmittel erweitert diese natürlichen Schranken in der Weise, dass sie Länder von verschiedener Erntezeit mit einander in Verbindung bringt. Aber teils, weil der überseeische Transport selbst bis zu einem gewissen Grade an die Jahreszeit gebunden ist, noch mehr weil die Länder, die für den Getreidemarkt, sei es als einführende oder als ausführende, in erster Linie in Betracht kommen: Europa, Russland, Vereinigte Staaten, nahe bei einander liegende Erntezeiten haben (die zuletzt aufgetretenen: Ostindien, Australien, Argentinien machen freilich eine Ausnahme), schließlich weil mit der Entfernung der Erntezeit von der europäischen auch die geographische Entfernung von Europa wächst und mit ihr die Zeit, die für den Transport erheischt wird, so kam dieser Umstand bis jetzt auf dem Getreidemarkt nicht stark zur Geltung.
24. Aus dem gleichen Grunde wie der Extraprofit im Falle einer Missernte, d. i. weil von Ernte zu Ernte der Getreidevorrat durch Produktionserweiterung sich nicht vermehren lässt, entspringt die regelmäßige Fluktuation des Getreidepreises im Zeitraum des Erntejahres. Kein Industrieprodukt zeigt eine ähnlich, regelmäßig wiederkehrende Bewegung der Preise. Mitwirkend bei der Bildung der Wellenbewegung des Getreidepreises sind: der Ernteausfall, der Marktbedarf, der vom Vorjahre vorhandene Getreidevorrat, die Aussichten der folgenden Ernte. Die Schwankungen sind unter diesen Einwirkungen so bedeutend, dass z. B. in Preußen selbst 1893/94, trotz der auswärtigen Getreidezufuhr, trotz der Entwicklung der Transportmittel etc., der Abstand zwischen dem niedrigsten und höchsten Monatspreis für Roggen 11,6 Prozent betrug.
In diesen Preisschwankungen nistet sich die Börsenspekulation ein, das Differenzgeschäft. Die Spekulation schafft nicht die Preisbewegung, die sich aus dem Wesen der kapitalistischen Landwirtschaft selbst ergibt, aber sie nützt sie aus, um den auf diese Weise etwa entstehenden Extraprofit den Grundbesitzern wegzuwischen, Grund genug, um von diesen gehasst zu werden.
25. Die Lehre von der Konkurrenz ist, wie schon erwähnt, von Marx nicht ausgearbeitet worden. Dahin gehört die Erörterung dieses Verhältnisses, wie auch die nähere Untersuchung der Rente aus dem Monopolpreis, die wir eingangs erörterten.
26. Aus diesen Gründen vollzieht sich auch die kapitalistische Vernichtung des Kleinbauerntums anders als die des Kleingewerbes. Der Handwerker wird durch die billige Fabrikware aus dem Markte und aus der Produktion geschleudert. Wenn aber der Getreidepreis nicht sinkt, so wird der Bauer, trotz der Rückständigkeit seiner Produktionsart, vom Markte durch die Konkurrenz allein nicht verdrängt. Darum hat der englische landwirtschaftliche Großbetrieb den Boden mit Gewalt von Bauern säubern müssen, um sich entwickeln zu können.
Die entwickelte kapitalistische Produktion hat raffiniertere Mittel, um den Bauern loszuwerden An dieser Stelle genügt, zu erwähnen, dass, wenn die kapitalistische Grundrente das Schwert des sinkenden Preises vom Haupte des Bauern abwendet, andererseits der Bauer selbst keine Vorstellung von Grundrente hat. Was er durch seine selbständige Produktion erzeugt, ist oft genug nur armseliger Arbeitslohn. Er begegnet der Grundrente zum ersten Mal und zwar in Gestalt des gestiegenen Bodenpreises, wenn er seinen Boden verkauft (oder verpfändet), d. h. er tritt als kapitalistischer Grundbesitzer nur in dem Moment auf, wo er aufhört, Grundbesitzer zu sein. Will er aber umkehren und wieder Landwirt werden, so begegnet er wieder der Grundrente, die ihm nun den Weg versperrt, wie der Engel mit dem fallenden Schwerte den Eingang in das Paradies.
Der Kampf zwischen Großbetrieb und Kleinbetrieb nimmt also in der Landwirtschaft unter dem Einfluss der Grundrente besondere Formen an.
27. Herr Dr. Gustav Ruhland hat entdeckt, dass nach Ricardo eine Steigerung der Preise der Lebensmittel eine Steigerung des Arbeitslohnes nach sich zieht. Dies ist nichts anderes als die bekannte Prämisse des allerweltsbekannten „ehernen Lohngesetzes“. Aber Dr. Gustav Ruhland hat sie neu entdeckt. „Moritz, du bist ein großer Mann! ...“
Durch ein Bündel aus dem Zusammenhang gerissener, falsch wiedergegebener Zitate will dann Herr Dr. Gustav Ruhland nachgewiesen haben, dass nach Ricardo die Lage der Arbeiter sich verbessere, wenn die Getreidepreise steigen, weil dann der Arbeitslohn steigt. Jedennoch, wenn Dr. Gustav Ruhland auch nur das kurze Kapitel über Arbeitslohn in Ricardos Werk ganz gelesen hätte, so würde er sich überzeugt haben, dass Ricardo gerade das Gegenteil behauptet und rechnerisch nachweist. Ricardo untersucht den Einfluss des steigenden Getreidepreises auf die Grundrente und den Arbeitslohn. Nachdem er gezeigt, wie der Grundbesitzer seinen Vorteil davon hat, fährt er fort: „Das Schicksal des Arbeiters ist weniger glücklich; es ist zwar wahr, er bekommt mehr Geldlohn, aber sein Getreidelohn ist herabgesetzt; und nicht bloß seine Verfügung über Getreide ist geschwächt, sondern seine Lage im Allgemeinen ist verschlimmert, da er es schwieriger findet, den Marktsatz des Arbeitslohnes über dem natürlichen Satze desselben zu erhalten. Während der Getreidepreis um 10 Prozent steigt, geht der Arbeitslohn stets um weniger als 10 Prozent in die Höhe, aber die Rente steigt immer um mehr: die Lage des Arbeiters verschlimmert sich im Allgemeinen und die des Grundherrn verbessert sich stets“ (Kapitel über den Arbeitslohn).
Dennoch bringt es Dr. Gustav Ruhland zu Stande, D. Ricardo „mit eherner Konsequenz“ zu einem Agrarier zu stempeln. Herr Dr. Gustav Ruhland verwechselt doch nicht eherne Konsequenz mit einer ehernen Stirn?
Nachdem D. Ricardo in dieser Weise abgetan, wendet sich Dr. Gustav Ruhland leichten Fußes an Karl Marx, bei dem der Beweis, dass er ein Agrarier, noch „weit leichter ist“. Marx zerpflückte mit schonungsloser Schärfe die Argumente der englischen Freihändler, die den Arbeitern ein Paradies versprachen, wenn die Korngesetze einmal abgeschafft sind. Er wies nach, dass der sinkende Getreidepreis von einem noch stärker fallenden Arbeitslohn begleitet werden kann. Das genügt! Marx wendet sich gegen die Freihändler, folglich ist er ein verkappter Agrarier. Schließlich hat ja Marx selbst gesagt, er sei als Revolutionär für den Freihandel – folglich muss jeder Nichtrevolutionär gegen den Freihandel sein!
Marx untersucht in seiner Rede über den Freihandel nur das Spiel der ökonomischen Kräfte. Ob und inwieweit die Arbeitslöhne bei einem sinkenden Getreidepreis fallen, hängt aber selbstverständlich noch von dem Widerstande ab, den die Arbeiterklasse einer Lohnreduktion gegenüber leisten kann. Marx war der Letzte, die Bedeutung dieses Moments zu bestreiten.
Andererseits, wenn Marx die kapitalistischen Industriellen geißelt, so hat er noch weniger Sympathie für die kapitalistischen Grundbesitzer. Wenn einer, so war es Karl Marx, der nachgewiesen hat, in welch brutaler Weise die Grundbesitzer sich durch Ausbeutung der Arbeiter bereichern (siehe besonders Kapital, Band I, Kapitel 23, 5e). Marx wies unwiderleglich nach, wie einer Steigerung der Grundrente und des Getreidepreises eine grausame Verschlechterung der Lebenslage der Arbeiter entsprechen kann.
Aber Dr. G. Ruhland braucht doch wahrlich die Werke der Schriftsteller nicht zu lesen, über die er sich ein öffentliches Urteil abzugeben anmaßt! „Im Auslegen seid frisch und munter! Legt Ihr’s nicht aus so legt was unter!“
28. Die Zahl für Russland ist der von Dr. Franz v. Juraschek bearbeiteten Neuausgabe der Neumann-Spallartschen „Übersichten der Weltwirtschaft“ entnommen, die übrigen Angaben dem Buche von Max Sering über Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas. Diesem auf einer ausgezeichneten Forschung beruhenden Werke fehlt vor allem eins: der theoretische Zusammenhang. Deshalb verläuft sich der Verfasser in seinen agrarpolitischen Schlussfolgerungen in eine Sackgasse. Das Ganze klingt in die Melodie aus: „So Gott es will, wird es schon einmal anders. Solange aber die erfreuliche Wendung mit Gottes Fügung nicht eingetreten – Schutzzölle!“ Und doch sprechen gerade die von Sering aufgeführten Tatsachen eine äußerst beredte Sprache. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Sprache ist aber Karl Marx‘ Grundrententheorie.
Es verging mehr als ein Vierteljahrhundert, bis die bürgerlichen Ökonomen gelernt haben, Marx‘ allgemeine Auffassung der kapitalistischen Verhältnisse halbwegs richtig zu verstehen. Es scheint ein weiteres Vierteljahrhundert vergehen zu müssen, bis sie den dritten Band des Kapital zu lesen gelernt haben. Vorläufig steht noch selbst Herr Werner Sombart, zweifellos der geistreichste bürgerliche Interpret von Marx‘ Kapital, kopfschüttelnd davor und erklärt, Marx‘ agrarische Erörterungen „müssen über Bord gehen; wie weit dann der Rest noch als einheitliche Theorie wird gelten können, lässt sich noch nicht übersehen“. Und doch war es Marx erst, der der Grundrente eine kritische unanfechtbare und in den Hauptzügen vollkommene Fassung gegeben hat. Marx‘ Grundrententheorie verhält sich zu der Ricardoschen wie seine Darstellung des Werts, des Kapitals, des Profits und des Preises zu der klassischen Arbeitswerttheorie.
Jedoch wir nehmen Herrn Professor Werner Sombart beim Wort und erwarten von ihm, neben anderen in der „Zukunft“ versprochenen Gräueltaten auch die Überbordwerfung Marx‘ agrarischer Lehren.
29. Die Vulgärökonomie, deren Aufgabe es ist, die Geschäftssprache der Kapitalisten wissenschaftlich zu verdolmetschen, erklärt deshalb auch den Grund und Boden für Kapital. Richtig ist dabei nur, dass das zum Ankauf des Bodens verausgabe Geld Kapital war. Der Grund und Boden ist deshalb ebenso wenig Kapital, wie es etwa Regen ist, weil von Regenwasser durchtränkt.
Es ist die Manier der bürgerlichen politischen Ökonomie, gesellschaftliche Verhältnisse als natürliche Eigenschaften der Dinge, die dabei eine Rolle spielen, zu betrachten. Da aber ein und derselbe Gegenstand, je nach den Beziehungen, in die er tritt, jedes Mal anders erscheint, so gerät sie dadurch in unentwirrbar begriffliche Verwicklungen, die einen unerschöpflichen Stoff für scholastische Untersuchungen liefern. So vertiefte sich erst vor kurzem Herr Professor Lujo Brentano in ein sehr fades Gerede darüber, ob das Grundeigentum ein „Amt mit Pflichten“, eine Ware oder Kapital sei? ... Der Herr Professor könnte mit demselben Erfolge die Frage untersuchen: Was frisst der Ochse: eine Sinekure, eine Ware, ein Kapital, ein Privateigentum oder ein Bündel Stroh?
30. Es ist nicht lauter Wahnwitz, wenn die Agrarier für die Doppelwährung eintreten, obwohl sie freilich in ihren Erwartungen sehr getäuscht werden können.
Eine Entwertung des Geldes zieht eine nominelle Erhöhung der Warenpreise nach sich, d. h. der Wert der waren steigt im Verhältnis zum Geld, aber ihr Austauschverhältnis untereinander bleibt das gleiche. Wenn nun eine allgemeine Teuerung eintritt, so steigt in gleichem Maße auch der nominelle Wert der Grundrente. Wenn der Besitzer von 100 Hektar früher eine Rente von 50 Mark pro Hektar, zusammen also 5.000 Mark empfing, so wird er, bei einer Verteuerung von 10 Prozent, stattdessen 5.500 Mark erhalten. Wenn er diese 5.500 Mark ausschließlich zum Einkauf von Waren verwendet, sei es zum persönlichen Verbrauch oder zu produktiven Zwecken, so ändert sich gar nichts an seiner Situation. Denn er wird die Waren entsprechend höher bezahlen müssen. Anders, wenn en Teil davon zur Zinsenzahlung oder Schuldentilgung verwendet wird. Denn der Betrag der früher vereinbarten Schuld ist der gleiche geblieben, er ist wegen der Teuerung nicht gestiegen. Wenn er also neun Zehntel der Grundrente selbst verbraucht und ein Zehntel zur Schuldenabtragung verwendet, so standen ihm früher zu diesem Zweck 500 Mark frei, jetzt aber 550 Mark! Die nur nominelle Preissteigerung wird für ihn insoweit zu einer sehr realen Verminderung seiner Schuld.
Aber die tatsächliche Gestaltung ist nicht so einfach, wie die spekulative Rechnung. Es fragt sich, ob die Warenpreise, auch die Getreidepreise, in demselben Maße würden steigen können wie das Geld sich entwertet? Nämlich, wenn man die ausländische Konkurrenz in Betracht zieht, erscheint die Sache sehr problematisch. Es fragt sich ferner, ob nicht die eingetretene Schwankung der Werte eine wirtschaftliche Stagnation, vielleicht eine Handelskrisis nach sich ziehen würde, die die Preise, statt sie zu erhöhen, noch tiefer hinunter schleudert?!
Schon etwas sicherer ist eine andere Spekulation: vielleicht gelingt es, die Arbeitslöhne nicht im gleichen Maße zu erhöhen, als die Warenpreise gestiegen sind. Das wäre freilich reiner Profit, der vom Grundbesitzer sofort als Rente weggeschnappt wird. Darum ist aber auch die Arbeiterklasse auf der Hut, um diese Experimente zu vereiteln.
Doch was bei der Operation am meisten verlockt, das ist die Steigerung der Bodenpreise. Die nominelle Steigerung der Grundrente kommt dem Grundbesitzer nur mit jenem winzigen Bruchteil zugute, den er nicht verbraucht, die Steigerung des Bodenpreises aber in vollem Betrage. Nach unserem Beispiel würde er von der gestiegenen Grundrente 50 Mark profitieren, aber bei 4 Prozent Verzinsung würde der Wert seines Bodens um 12.500 Mark gestiegen sein!
Nur einen Haken hat die Geschichte. Dieser gestiegene Bodenwert wird vollkommen nur dann realisiert, wenn der Boden verkauft wird. Wird sich unter solchen Verhältnissen ein Käufer finden? Kaum zu erwarten. Aber auf den gestiegenen Wert kann nun eine neue Hypothek aufgenommen werden. Und das ist es, was die Doppelwährung am wahrscheinlichsten nach sich ziehen würde, nicht Schuldentlastung, sondern größere Verschuldung!
31. In den Kolonien, in denen sich ein selbständiges Farmertum bildet, sind die industriellen Arbeitslöhne hoch. Andererseits richten sich hier die landwirtschaftlichen Löhne nach den Industrielöhnen, während im kapitalistischen Stammlande, wie bereits hervorgehoben, die landwirtschaftlichen Löhne bedeutend geringer sind als die Fabriklöhne. Dieses dient in der Kolonie als Hindernis der Entwicklung des kapitalistischen landwirtschaftlichen Großbetriebs.
32. Wenn die Entwicklung der Industrie oder die Organisation der Arbeiterklasse dem nicht in ausreichendem Maße entgegenwirkt, ist also der kapitalistische Großgrundbesitzer auch in Bezug auf das Hungerleiden, „Sichkrummlegen“, den Bauern über, nur dass er nicht selbst Hunger leidet, sondern seine Arbeiter „krumm legt“. Aber der Bauer verfügt zu diesem Zweck nur über seine Familie, der Großgrundbesitzer dagegen über sämtliche Bauern, denen das „Sichkrummlegen“ zu Hause nicht mehr hilft – wenn sie von der Industrie oder der Auswanderung nicht absorbiert werden.
33. Deshalb Careys Grundrententheorie.
34. Dieses zweite Stadium der Entwicklung getreulich widergespiegelt durch Henry George.
35. Gelangt das Grundstück zur Subhastation [Zwangsversteigerung], so hört selbstverständlich diese hemmende Wirkung des Bodenpreises auf, weil eben der letztere entsprechend reduziert wird. Andererseits zeigt sich der Unterschied der Bodenarten auch während der Krise in der Weise, dass eine Vermehrung des Getreideertrags mit mehr oder weniger Produktionskosten verbunden ist. Dieser Unterschied braucht aber mit dem Unterschied der Bodenqualität nicht zusammenzufallen, ja vielfach ist er ihm entgegengesetzt.
Zuletzt aktualisiert am 16. April 2024