Abraham Léon

Die jüdische Frage


VI. Die Entwicklung der jüdischen Frage
im 19. Jahrhundert


Die Juden waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts in überwiegender Mehrzahl in den rückständigen Ländern Osteuropas konzentriert. In Polen gab es zum Zeitpunkt der Teilung des Landes mehr als eine Million. Nach der russischen Volkszählung von 1818 verlief die gesellschaftliche Schichtung; des Ostjudentums folgendermaßen:

 

Händler

Handwerker

Landwirte

Ukraine

86,5 %

12,1 %

1,4 %

Litauen und Weißrußland

86,6 %

10,8 %

2,6 %

zusammen

86,5 %

11,6 %

1,9 %

Der Prozentsatz von Handwerkern und Landwirten zeigt den Beginn der gesellschaftlichen Differenzierung des Judentums an. Aber im Allgemeinen hat sich die Struktur des Ostjudentums noch nicht wesentlich verändert. Sie bleibt, was sie Jahrhunderte hindurch gewesen ist. Einige Reisebeschreibungen von Soldaten, die an dem Rußlandfeldzug Napoleons teilnahmen, legen Zeugnis ab von dem Leben der Juden zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

„Viele von ihnen, sagt Furtenbach, verwalten und leiten herrschaftliche Domänen und betreiben das Gastwirtgewerbe. Alles liegt in ihren Händen. Sie leihen Geld an Feudalherren und Bauern und sie kaufen Waren in Leipzig.“ [1]

Ein anderer Soldat, der Franzose Puybusque gibt in seinen Lettres sur la guerre de Russie interessante Informationen über die Rolle der Juden im Wirtschaftsleben Rußlands:

„Sie spielten die Vermittlerrolle zwischen den Bauern und den Herren. Die Herren verpachteten ihnen Herbergen unter der Bedingung, in diesen nur auf ihren Domänen hergestellte Getränke zu verkaufen. Bei Festen, wie Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten waren die Bauern verpflichtet, mindestens einen Eimer voll Branntwein zu kaufen. Die Juden gaben ihnen Kredit, aber sie verlangten hohe Zinsen. Sie mischten sich in alle Handelsgeschäfte des Landes ein. Sie waren ebenfalls Bankiers.“

Der Autor erzählt, daß zwischen polnischen Juden und ihren deutschen Glaubensgenossen dauernde Geschäftsbeziehungen bestanden. Sie hatten ihre eigene Post und waren über die Börsenkurse in ganz Europa informiert. [2]

Der Autor des Buches Reise eines Moskauer Offiziers von Triest nach Konstantinopel (1810), schreibt:

„Man könnte Polen zu Recht ein jüdisches Königreich nennen. Die großen und kleinen Städte sind hauptsächlich von Juden bewohnt. Man findet selten ein Dorf ohne Juden. Jüdische Gaststätten sind überall entlang der großen Straßen zu finden. Abgesehen von einigen wenigen Domänen, die von den Feudalherren selbst verwaltet werden, sind alle anderen an Juden verpachtet oder an Juden verpfändet. Sie besitzen ungeheuer viel Geld und niemand kann ohne ihre Unterstützung auskommen. Nur einige sehr reiche Feudalherren stecken nicht bis zum Hals in Schulden beiden Juden.“ [3]

„Die Juden in den Dörfern“, schreibt Kamamin in Das Archiv des südlichen und östlichen Rußlands, „begnügen sich damit, die Mühlen, die Schankwirtschaften und die Herbergen zu verwalten. Es gibt nahezu kein Dorf ohne seinen jüdischen ‚Pächter‘.“

Dies geht soweit, daß in den Volkszählungen oft der Begriff des Pächters mit dem des Juden gleichgesetzt und der Beruf mit der Nationalität oder der Religion verbunden wird. Statt „es gibt keinen Juden im Dorf“ heißt es dann, „es gibt keinen Pächter im Dorf“. [4]

Diese Autoren geben jedoch, auch wenn sie glauben, die Gegenwart zu beschreiben, nichts als die Vergangenheit wider. Die Stellung Judentums in Osteuropa um die Jahrhundertwende herum wurde -wenn auch sehr langsam - vom Kapitalismus untergraben. Der Kapitalismus zerstörte das alte Feudalsystem, um dann endgültig an seine Stelle zu treten. Der Feudalismus zerfiel, bevor noch der Kapitalismus seine Nachfolge angetreten hatte.

„Die numerische (...) Vermehrung (der Juden) erforderte größere und neue Erwerbsmöglichkeiten, während die alten Verdienstmöglichkeiten immer mehr schwanden.(...) Die Juden, seit Jahrhunderten der Naturalwirtschaft angepaßt, fühlten jetzt den Boden unter ihren Füßen schwinden.“

Sie hatten zu lange das Tauschmonopol besessen.

„(...) der Kapitalisierungsprozeß (brachte) in Rußland und in Polen die Gutsbesitzer dazu, sich immer mehr selbst mit den verschiedenen Zweigen der Wirtschaft zu beschäftigen und die Juden daraus zu verdrängen. Nur eine kleine Zahl reicher Juden konnte bei der neuen Lage einen günstigen Boden für ihre Tätigkeit finden.“ [5]

Aber die große Mehrzahl der Juden, die sich aus kleinen Händlern, Gastwirten und Hausierern zusammensetzte, litt sehr unter der neuen Entwicklung. Die alten Handelszentren der Feudalzeit verfielen. Neue Industrie- und Handelsstädte lösten die kleinen Städte undMärk-te ab. Eine einheimische Bourgeoisie begann, sich zu entwickeln. Die wirtschaftliche Situation der jüdischen Massen war derart kritisch geworden, daß sich schon vor der Teilung Polens die Frage nach einer Veränderung der gesellschaftlichen Struktur und nach Emigrationsmöglichkeiten stellte [6]. Die Auswanderung war zunächst nur innerhalb der Staaten denkbar, die Polen unter sich aufgeteilt hatten. Die jüdischen Massen bemühten sich, die verfallenen und rückständigen Gebiete des polnischen Königreiches mit seinen immer beschränkteren Existenzmöglichkeiten zu verlassen um neue Beschäftigungen in den entwickelteren Teilen der Nachfolgereiche zu finden. Schon 1776 und 1778 ersuchen einige jüdisch-polnische Gemeinschaften die russische Regierung um die Einwanderungserlaubnis. „Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bewegte sich ein breiter Auswandererstrom vom alten Polen nach Rußland.“ [7] Ebenso war es in den von Preußen und Österreich annektierten Gebieten. Die Juden zogen nach Berlin, nach Wien, in alle Zentren wo der Puls eines neuen Wirtschaftslebens schlug, wo Handel und Industrie ausgedehnte Arbeitsmärkte schufen.

„Die Emigration der Juden aus Podolien, Wolhynien, Weißrußland und Litauen nach Rußland, aus Posen und Polen nach England und sogar nach Amerika beweist, daß die osteuropäischen Juden Einwanderungsländer schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts suchten.“ [8]

Dieser Wille zur Auswanderung ging Hand in Hand mit den Versuchen, aus den Juden wieder „nützliche Bürger“ zu machen, sie an die neue Situation anzupassen, z.B. durch Umschulung auf Handwerk und Landwirtschaft. Der polnische „Große Sejm“ von 1784 bis 1788 hatte bereits als einen Punkt der Tagesordnung das Problem der „produktiven Eingliederung“ der Juden. [9] Alle Regierungen, die einen Teil des polnischen Judentums zum Erbe erhalten hatten, hielten seine gesellschaftliche Struktur für anomal. Es wurden Versuche unternommen, die Juden zu Fabrikarbeitern umzuschulen. Wenn ein Handwerker einen jüdischen Lehrling beschäftigte, gab es für beide eine Belohnung. [10]

Tausende von Juden wurden in bestimmten Regionen Rußlands als Kolonisten angesiedelt. [11] Den so entstandenen Dörfern gelang es – trotz großer anfänglicher Schwierigkeiten – sich auf die Dauer zu akklimatisieren. [12]

„Zwei Prozesse charakterisieren die Entwicklung des jüdischen Volkes im vergangenen Jahrhundert: Die Emigration und die gesellschaftliche Differenzierung der Juden. Der Zerfall des Feudalsystems und des Systems der Knechtschaft haben parallel mit der Entwicklung des Kapitalismus zwar neue Unterhaltsquellen geschaffen, aber zugleich in sehr viel weiterem Maße die Vermittlerrolle zerstört, von der der größte Teil des jüdischen Volkes lebte. Diese Prozesse haben die jüdischen Massen dazu veranlaßt, ihre Wohnorte und ihr gesellschaftliches Milieu zu verändern; sie haben sie gezwungen, einen neuen Platz in der Welt und eine neue Stellung in der Gesellschaft zu suchen.“ [13]

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts steht der Prozeß der „produktiven Eingliederung“ immer noch an seinem Anfang. Einerseits geht der Zerfall der Feudalwirtschaft nur langsam voran und die Juden können sich deshalb noch lange Zeit in ihren alten Positionen halten. Andererseits ist der Kapitalismus in seinen Anfängen noch ziemlich primitiv und eine beachtliche Zahl von Juden finden ein weites Beschäftigungsfeld im Handel und Handwerk. [14] Sie spielen sehr aktiv die kaufmännische Vermittlerrolle für die junge kapitalistische Industrie und tragen zur Kapitalisierung der Landwirtschaft bei.

Ganz allgemein kann man annehmen, daß die Eingliederung der Juden in die kapitalistische Gesellschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erfolgt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sind jedoch im Gegensatz dazu beträchtliche Scharen von Juden gezwungen, Osteuropa zu verlassen.

Der Jahresdurchschnitt von Emigranten betrug:

zwischen 1830 und 1870:

 

4 bis

5.000

zwischen 1871 und 1880:

8 bis

10.000

zwischen 1881 und 1900:

50 bis

60.000

zwischen 1901 und 1914:

150 bis

100.000

Während der ersten Periode, die bis zum Jahre 1880 reicht, handelt es sich hauptsächlich um eine interne Umsiedlung in die Großstädte. Zwischen 1830 und 1880 beträgt die Zahl der jährlichen Auswanderer nicht mehr als 7.000, aber das jüdische Volk ist von 3.281.000 auf 7.763.000 gestiegen. Dieses rapide natürliche Wachstum wurde großenteils von den Ländern, in denen die Juden lebten, absorbiert. Eine außerordentliche Veränderung tritt erst ab 1881 und vor allem ab 1901 ein, als die jüdische Emigration so beeindruckende Zahlen wie 150.000 bis 160.000 Emigranten jährlich erreicht. Was sind das für Gründe für diese Veränderung?

Die Kapitalisierung der russischen Wirtschaft wurde beschleunigt durch die Reform von 1863. [15] Die Landwirtschaft p reduzierte mehr und mehr für den Markt. Die Bande der Knechtschaft und der feudale Zwang lockerten sich; die gesellschaftliche Differenzierung machte im Dorf rapide Fortschritte. Ein Teil der Bauern verwandelte sich in wohlhabende Farmer, ein anderer Teil proletarisierte sich. Die Kapitalisierung der Landwirtschaft hat die Entstehung eines bedeutenden Binnenmarktes für die Produktionsmittel (Maschinen etc.) und für die Konsumtionsgüter zufolge. Die kapitalistische Landwirtschaft setzt in der Tat voraus:

  1. Die Arbeitsteilung innerhalb der Landwirtschaft infolge der Spezialisierung der einzelnen Zweige;
  2. eine wachsende Nachfrage nach Fertigwaren seitens der reichen Bauern und der proletarisierten Massen, die nur ihre Hände zum Leben besitzen und die ihren Unterhalt erkaufen müssen;
  3. die landwirtschaftliche Produktion benötigt im Hinblick auf den Markt in immer weiterem Ausmaß Maschinen. Dies trägt zur Entwicklung der Produktionsmittelindustrie bei;
  4. die wachsende Produktion von Produktionsmitteln hat ein ständiges Anwachsen des städtischen Proletariats zufolge. Dies trägt ebenfalls zur Erweiterung des Konsumtionsmittelmarktes bei.

Diese weitgehenden Möglichkeiten des Binnenmarktes boten den aus ihren ehemaligen wirtschaftlichen Positionen verdrängten jüdischen Massen Gelegenheit, sich in die kapitalistische Wirtschaft zu integrieren. Ihre Werkstätten und Kleinindustrien erreichten große Ausdehnung.

Während der nicht-jüdische Schmied oder Bauer in Fabriken oder Minen Zugang fand, strömte das jüdische Proletariat in die kleinen, Konsumtionsgüter produzierenden Industrien.

Aber es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Verwandlung des Bauern oder des Schmiedes in einen Metallarbeiter und derjenigen des jüdischen Händlers in einen Handwerker oder Schneidergesellen. Die kapitalistische Entwicklung der Schwerindustriezweige wird von einer Veränderung der materiellen Produktionsbedingungen begleitet. Die Produktionsmittel wechseln nicht nur ihre Bestimmung, sondern auch ihre Form. Das primitive Werkzeug wird zur modernen, perfektionierten Maschine. Nicht so verhält es sich mit den Konsumtionsmitteln. Ob es sich um Produkte zur Deckung des Eigenbedarfes für den lokalen Markt oder für den Weltmarkt handelt, das Kleidungsstück und das Handwerkszeug ändern sich kaum. Anders verhält es sich mit dem Werkzeug, das sich in eine immer perfektere Maschine verwandelt und immer beträchtlichere Kapitalinvestitionen verlangt.

Um die Maschinenfabrikation in Gang zu setzen, bedarf es von Anfang an großer Kapitalien. Das erklärt sich vor allem zu Beginn durch den Umfang der nötigen Arbeitszeit.

„Je nach der längern oder kürzern Dauer der Arbeitsperiode (ununterbrochene Folge von nötigen Arbeitstagen in einer Branche, um ein fertiges Produkt zu schaffen [16]), welche die spezifische Natur des Produkts oder des zu erreichenden Nutzeffekts zu ihrer Herstellung beansprucht, ist eine beständige zuschüssige Ausgabe von zirkulierendem Kapital (Arbeitslohn, Roh- und Hilfsstoffen) erfordert (...).“ [17]

Dies ist der Grund dafür, daß die Produktion der Produktionsmittel von Anfang an unter der Form kapitalistischer Großunternehmen stattfindet, während die Herstellung der Konsumgüter nach wie vor in den Werkstätten von früher erfolgt.

Erst viel später verdrängt die Großfabrik die Werkstätten und die veralteten Arbeitsmethoden auch aus diesem letzten Bereich. Dies geschieht mit der Erfindung perfektionierter Arbeitsmaschinen, die sich auch im Sektor der Konsumgüter durchsetzen. Hier spielt also das Wachstum des fixen Kapitals eine entscheidende Rolle. [18] Auf diese Art und Weise werden die Produktionsbedingungen in den beiden Hauptsektoren derWirt-schaft nivelliert.

„Der Umstand, ob die Dampfmaschine ihren Wert stückweis täglich auf Garn, das Produkt eines diskreten [19] Arbeitsprozesses, oder während drei Monaten auf eine Lokomotive, das Produkt eines kontinuierlichen Produktionsakts, abgibt, ändert durchaus nichts an der Auslage des für den Ankauf der Dampfmaschine nötigen Kapitals .(...). (...) in beiden Fällen findet die Erneuerung der Dampfmaschine vielleicht erst nach 20 Jahren statt.“ [20]

Die Befreiung der Bauern in Rußland hatte einen großen Markt für Fertigwaren geschaffen. An die Stelle der noch großteil s feudalen Wirtschaft tritt die Produktion von Tauschwerten. Rußland beginnt, die Kornkammer Europas zu werden. Die Städte, Handels- und Industriezentren, entwickeln sich schnell. Die Juden verlassen in Massen die Kleinstädte, um sich in den Großstädten niederzulassen, wo sie viel zur Entwicklung des Handels und der handwerklichen Konsumtionsmittelindustrie beitragen. Um 1900 bildeten die Juden in 11 von 21 wichtigen Städten die absolute Majorität der Einwohner. Die Einwanderung der Juden in die Großstädte wird von einer gesellschaftlichen Differenzierung begleitet, die die traditionellen Grundlagen des Judentums erschüttert.

Aber die Entwicklung des Produktionsmittelsektors zieht eine Mechanisierung der Landwirtschaft und der Leichtindustrie nach sich. Die Maschinen machen den kleinen jüdischen Handwerksbetrieben nach und nach erbitterte Konkurrenz. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts wandert die große Masse der nichtjüdischen Arbeiter in Richtung der Großstädte ab, wo sich der Wachstumsrythmus der jüdischen Bevölkerung verlangsamt und schließlich ganz zum Rückstand kommt. [21] Die jüdischen Handwerksbetriebe, die sich aufgrund des erweiterten Binnenmarktes entwickelt hatten, erliegen der Mechanisierung und der Modernisierung der Industrie zum größten Teil.

Es war schwer für den jüdischen Handwerker, mit den vom Land zuströmenden bäuerlichen Massen zu konkurrieren, die einen sehr niedrigen Lebensstandard hatten und seit e h und je an schwere körperliche Arbeit gewohnt waren. Natürlich gab es an bestimmten Orten jüdische Arbeiter, die alle Schwierigkeiten überwanden und ebenfalls einen Platz in der mechanisierten Industrie fanden, aber der Großteil mußte Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Weg ins Exil nehmen. Der Prozeß der Verwandlung des Juden vom vorkapitalistischen Kaufmann in einen handwerklichen Arbeiter überschnitt sich mit einem anderen, nämlich dem der Ersetzung des jüdischen Arbeiters durch die Maschine. [22] Der zweite Prozeß beeinflußt den ersten. Die verdrängten jüdischen Kleinstädter konnten sich nicht mehr proletarisieren und waren so zur Emigration gezwungen, So erklärt sich das unglaubliche Anwachsen der jüdischen Emigration gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Während die Auflösung der alten Feudalwirtschaft und die Schaffung eines Binnenmarktes für Juden und Nichtjuden ähnliche Folgen hatten, führten Mechanisierung und industrielle Konzentration zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen für beide Gruppen. Hierdurch lassen sich auch bestimmte Tendenzen der jüdischen Emigration erklären, die den allgemeinen Tendenzen der Emigration nicht entsprechen. Die jüdische Emigration begann relativ zögernd, nahm aber ständig zu, während für die Emigration im Allgemeinen oft das Gegenteil gilt. In Deutschland z.B. schwankt die jährliche Emigrationsquote zwischen 100 und 200.000 Auswanderern in den Jahren zwischen 1880 und 1892, überschreitet zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch kaum 20.000. Dieses starke Absinken der Zahl der deutschen Auswanderer erklärt sich durch die rasche wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zu dieser Zeit.

Das Phänomen der Verdrängung der Juden aus der Industrie führt uns selbstverständlich zum Problem des jüdischen Proletariats. Die Beschränkung der jüdischen Arbeiterklasse auf die Konsumtionsmittelindustrie stellt unwidersprochen eines der eigenartigsten Phänomene der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur des jüdischen Volkes dar. Die Tatsache, daß nur eine verschwindend geringe Anzahl von jüdischen Arbeitern in den ersten Stadien der industriellen Produktion beschäftigt war, während ihr Prozentsatz in den letzten Phasen ins Riesenhafte gestiegen ist, bildet ein schlagendes Beispiel für das, was man gemeinhin die „jüdische Anomalie“ nennt. Diese wirtschaftliche Basis des jüdischen Proletariats ist nicht nur in sich brüchig, sie nimmt auch parallel zur Entwicklung der Technik ständig ab. Die jüdischen Arbeiter leiden nicht nur an den der handwerklichen Industrie anhaftenden Unannehmlichkeiten, nämlich an der Unorganisiertheit der Arbeiter, an den saisonbedingten Beschäftigungsmöglichkeiten, an der verschärften Ausbeutung und den schlechten Arbeitsbedingungen; sie werden auch mehr und mehr aus ihren wirtschaftlichen Positionen verdrängt.

Die kapitalistische Wirtschaft ist charakterisiert durch das ununterbrochene Anwachsen des konstanten Kapitals gegenüber dem variablen Kapital. Anders ausgedrückt: Die Bedeutung des in den Produktionsmitteln vergegenständlichten Kapitals wächst gegenüber der Bedeutung des für die Bezahlung der Arbeitskraft aufgewandten Kapitals. Dieser wirtschaftliche Prozeß hat die wohlbekannten Folgen der Ausschaltung des Arbeiters durch die Maschine, des Handwerksbetriebes durch die Fabrik, Verminderung des spezifischen Gewichts des Teils der Klasse der unmittelbaren Produzenten, die Konsumtionsmittel produzieren, gegenüber dem Teil, der Produktionsmittel produziert. Die offizielle Nationalökonomie charakterisiert diesen Vorgang folgendermaßen.

„Das einzig wirklich Sichere – und dies ist von außerordentlicher Wichtigkeit – in der Wirtschaftsentwicklung der letzten 100 bis 150 Jahre ist, daß das fixe Kapital relativ an Bedeutung gewonnen, das zirkulierende Kapital aber relativ an Bedeutung verloren hat.“ [23]

Je primitiver der Mensch ist, desto mehr zählt die Arbeit, die es ihm erlaubt, seine unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen. Je mehr aber die Menschheit Fortschritte macht, desto mehr wendet sich ihre Aufmerksamkeit zunächst dem Werkzeug und dann der Maschine zu, die ihre Produktivkraft in großartiger Weise vervielfältigten. Zu Beginn ist das Werkzeug ein Anhängsel des Menschen, später wird der Mensch ein Anhängsel des Werkzeugs.

Diese kurze Erinnerung an eine hinreichend bekannte wirtschaftliche Entwicklung kann die einschneidende Bedeutung der besonderen Lage der jüdischen Arbeiterklasse nur unterstreichen und erlaubt uns, sofort zu unserem Thema zu kommen. Ein Problem, das sofort auftaucht, bis jetzt jedoch noch nicht die entsprechende Aufmerksamkeit gefunden hat, ist die Suche nach dem oder den historischen Gründen für diese Entwicklung der Dinge.

In seiner grundlegenden Studie über die jüdische Wirtschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Titel: Le peuple juif au cours des cent dernières années schreibt Lesczinski zu der Zusammensetzung der jüdischen bzw. nichtjüdischen Handwerker zu dieser Zeit:

„Ein ganz oberflächlicher Blick auf die vergleichende Statistik genügt zu der Feststellung, daß die jüdischen Handwerker in den Berufen tätig waren, bei denen die Möglichkeit des Übergangs zur Fabrikproduktion geringer war, während die zu einem solchen Übergang prädestinierten Berufe von den nicht-jüdischen Handwerkern ausgeübt wurden. Die Nicht-Juden stellten in Galizien 99,6 % der Schlosser, 99,2 % der Leineweber, 98,2 % der Schmiede, 98,1 % der Spinnweber (während 94,3 % der Schneider, 78 % der Kürschner Juden waren). Diese 4 Berufe sind die Grundlage, auf der sich später Textil-und Metallindustrie entwickeln. (…)

Ohne diese qualifizierten Arbeiter, die die industrielle Massenproduktion vom Handwerk geerbt hatte, wäre die Entstehung dieser Industrien nicht möglich gewesen (...). In dieser historischen Tatsache liegt vielleicht der Hauptgrund für die schwache Teilnahme der Juden an der Großindustrie. Es war nur zu natürlich, daß die ersten Arbeiterorganisationen in den Metall- und Textilfabriken sich ausnahmslos aus Nicht-Juden zusammensetzten. Dieser dichte Wall nicht-jüdischer Arbeitermassen hatte sicherlich eine natürliche Anziehungskraft für die nicht-jüdische Bevölkerung, die ihm religiös, national und psychologisch näher stand. Er stieß aber sicherlich die jüdischen Massen ab, die ihm bis heute in jeder Beziehung fremd geblieben sind.“ [24]

Die Erklärung von Lesczinski trägt zur Erhellung des Problems bei, das uns beschäftigt. Sie zeigt uns den primären und unmittelbaren Grund für die spezifische Berufsstruktur der jüdischen Arbeiterklasse. Auf der anderen Seite stellt sie uns jedoch vor ein neues Problem, oder besser noch, sie zeigt uns das Problem unter einem anderen Aspekt. Wenn wir im jüdischen Arbeiter von heute einen Nachfahren des Handwerkers des 18. Jahrhunderts erkennen, so müssen wir grundsätzlich die Ursache für die verschiedene berufliche Zusammensetzung der jüdischen und nicht-jüdischen Handwerkerschaft in dieser Zeit suchen. Warum waren die letzteren hauptsächlich Schneider und die ersteren Schmiede? Warum waren diese hauptsächlich in Berufen vertreten, die mit der Produktion von Produktionsmitteln verbunden sind, während jene auf Kleidung spezialisiert waren und also für die Konsumtion produzierten? Die Frage so zu stellen, heißt sie beinahe beantworten. Die Naturalwirtschaft, die in Osteuropa zu dieser Zeit vorherrschte, war beinahe ausschließlich durch die Produktion von Gebrauchswerten charakterisiert; das implizierte das nahezu vollständige Fehlen einer Arbeitsteilung in Berufe.

Jede Familie genügte sich selbst bzw. produzierte in etwa alles, was zur Befriedigung des Eigenbedarfs nötig war. Vandervelde beschreibt diesen Zustand folgendermaßen:

„Jede Familie genügt sich in etwa selbst. Sie bewohnt ihr kleines Häuschen aus Holz, das aus dem nächsten Hochwald kommt und versorgt sich dort selbst mit Stroh und Lehm. Sie heizt ausschließlich oder doch hauptsächlich mit Torf, mit Heidekraut, Stechginster oder totem Holz, das sie in der Umgebung sammelt. Sie spinnt, webt und verwandelt das Leinen und den Hanf ihrer Ernte in Kleidung; sie ernährt sich von ihrem eigenen Weizen, ihren Kartoffeln, ihren Gemüsen; sie bäckt ihr eigenes Brot, stellt eigenen Wein und eigenes Bier her, trocknet selbst ihren Tabak, tauscht ihre Eier und ihre Butter gegen seltene Waren ein, die sie von auswärts bezieht: Spitzen, Petroleum, Luxusartikel und Eisen. Kurz, sie produziert ungefähr alles, was sie konsumiert, und sie konsumiert alles, was sie produziert. Sie kauft nur das strikte Minimum, um so wenig wie möglich Geld auszugeben.“ [25]

Dasselbe kann man mutatis mutandis von den feudalen Gütern sagen. Es ist leicht verständlich, daß ein solches Wirtschaftssystem die berufliche Spezialisierung zwar nicht völlig ausschließt, daß die wenigen Berufe jedoch, die sich in diesem Rahmen entwickeln, notwendigerweise das Ergebnis von außergewöhnlichen Umständen sind.

„Wir müssen die Arbeiten des Schmiedes und des Töpfers als die ersten spezialisierten Berufe ansehen, weil sie von Anfang an mehr Geschicklichkeit und speziellere Arbeitsinstrumente verlangen. Selbst bei den Nomaden findet man die Nur-Handwerker im Eisengewerbe.“ [26]

Man versteht also leicht, daß selbst in der Epoche der Naturalwirtschaft die Berufe des Schmiedes und des Webers [27] in den Dörfern verbreitet und in den Städten im Überfluß vorhanden waren. Die Städte waren in Osteuropa überdies nahezu ausschließlich Militär- und Verwaltungszentren. [28]

„In Galizien, in der Bukowina, in vielen Teilen Ungarns, Rumäniens und Transsylvaniens und bei den Völkern in Jugoslawien gab es bis vor kurzen noch keine anderen Handwerker als Schmiede.“ [29]

Die Existenz einer nicht-jüdischen Handwerkerschaft in Osteuropa ist also auf die Tatsache zurückzuführen, daß auch eine Gesellschaft, die in der Naturalwirtschaft (noch nicht Tauschwirtschaft) ihre ökonomische Grundlage hat, in besonderen Fällen nichtsdestoweniger den Austausch von Dienstleistungen benötigt.

Ganz anders war der Ausgangspunkt der jüdischen Handwerkerschaft . Sie entstand aus den besonderen Bedingungen der jüdischen Kleinstadt und sorgte für deren Bedarfsdeckung.

Wer aber jüdische Kleinstadt im achtzehnten Jahrhundert sagt, meint eine Ansammlung von Kleinkaufleuten, Gastwirten, Bankiers und Vermittlern aller Art. [30]

Der jüdische Handwerker arbeitete also nicht für den Bauern, der selbst produzierte, sondern für den Händler, den Bankier, die unproduktive Vermittlertätigkeiten ausübten. Hier liegt der wesentliche Grund für die besondere Berufsstruktur des jüdischen Proletariats und seines Vorgängers, der jüdischen Handwerkerschaft. Der nichtjüdische Handwerker produziert keine Konsumgüter für den Bauern, denn dieser deckt seinen Bedarf – wie wir gesehen haben – selbst.

Die Tätigkeit des jüdischen Handwerkers ist im Gegenteil durch seine Kundschaft bestimmt, die sich aus Leuten zusammensetzt, die sich mit Geld- und Warenhandel beschäftigen und also per definitionem keine Produzenten sind. Auf der Seite der Bauern steht also der nicht-jüdische Schmied, auf der Seite des Finanzmannes der jüdische Schneider. [31] Der Unterschied in der Berufsstruktur zwischen den jüdischen und den nicht-jüdischen Handwerkern beruht also letzten Endes auf dem grundlegenden Unterschied ihrer Tätigkeitsbereiche. Diese Erklärung ist notgedrungen recht schematisch und erlaubt es lediglich, wie bei allen Schematas der Fall, die Phänomene in ihrer Allgemeinheit zu erfassen, ohne der Vielfalt des realen Lebens gerecht zu werden. Aber diese Vielfalt exakt und detailliert wiedergeben zu wollen, hieße wiederum das Verständnis der allgemeinen Prozesse erschweren. Auch die Soziologie ist gezwungen, sich ständig im Kreise zu drehen; von der Realität zum theoretischen Bezugsrahmen und umgekehrt. Diejenigen, die der Theorie vorwerfen, nicht die ganze Diversität des Lebens wiederzugeben, haben diese dialektische Interdependenz nicht erfaßt.

Man kann auch feststellen, daß der Kampf, der zu bestimmten Zeiten zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Handwerkern ausbricht, durch wechselseitige Übergriffe in die jeweils fremde Geschäftssphäre provoziert zu sein scheint. Diese Kämpfe haben nichts zu tun mit der damals angeblich schon bestehenden nationalen Konkurrenz, die mit dem Feudalismus, der der Begründung der Nationen vorangeht, ganz einfach unvereinbar wäre. „Das Nationalgefühl ist in der zerstückelten Gesellschaft des Mittelalters unbekannt.“ [32] Zur Illustration könnte man eine alte Prager Chronik zitieren, die Ramschackie Chronik von 1491:

„Den Juden war es verboten, Arbeiten für die Christen durchzuführen, aber sie hatten die nötige Muße, für ihre jüdischen Klienten zu arbeiten.“

Der Prager Stadtrat beklagte sich zur selben Zeit, „daß die Juden die alten Privilegien und Verordnungen nicht beachteten, nach denen es ihnen untersagt sei, für Christen zu arbeiten.“ In Posen, schreibt Graetz, sei es den Juden erlaubt gewesen, einige Berufe, wie z.B. den des Schneiders auszuüben, jedoch nicht für Christen, sondern nur, um die eigenen Bedürfnisse der Juden zu befriedigen.

Ich glaube, daß wir so die ganze Kausalkette der wirtschaftlichen Struktur des jüdischen Proletariats heute bis zu seinen Ursprüngen zurückverfolgt haben. Sie ist insofern vollständig, als sie uns auf ein gesellschaftliches Problem allgemeinerer Art zurückgeführt hat, das auch schon untersucht worden ist: nämlich das Problem der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Funktion der Juden in der vorkapitalistischen Epoche.


Anmerkung

1. F. von Furtenbach, Krieg gegen Rußland und russische Gefangenschaft, Nürnberg und Leipzig 1912. (R)

2. L.-G. de Puybusque, Lettres sur la guerre de Russie, Paris 1816, S. 179-181,

3. Zitiert bei Wolff Dubnov in: Zur ökonomischen Geschichte der Juden in Rußland, S. 576. (R)

4. I.M. Kamanin, Archive de la Russie meridionale et occidentale, zitiert von J. Lesczinski in: Le peuple juif au cours des cent dernieres années.

5. S.B. Weinryb, Neueste Wirtschaftsgeschichte der Juden in Rußland und Polen, Breslau 1934, S. 5 und 7 f.

6. Lesczinski, op. cit.

8. Ebd.

8. Ebd.

9. Ebd.

10. Ebd.

11. Zar Alexander I. ermutigte die „jüdische Kolonisation“ in Rußland; der Vater Trockijs beispielsweise zog als jüdischer Kolonist in die Ukraine und wurde dort ein reicher Bauer.

12. Entfällt.

13. Lesczinski, op. cit.

14. Bezeichnend ist der Kampf zwischen der Haskala (Emanzipationsbewegung) und der orthodoxen Richtung. Diese Opposition zwischen denjenigen, die das wirtschaftliche Leben des Judentums ebenso wie das kulturelle verändern wollen, und den Trägern der alten Traditionen, spiegelt den Antagonismus wider zwischen der neuen jüdischen Bourgeoisie, die aus der kapitalistischen Entwicklung Nutzen zieht und zur völligen Assimilation neigt, und den alten feudalen Schichten, die an ihrer überkommenen Lebensform hängen. Dieser Kampf dauerte das ganze 19. Jahrhundert hindurch und endete mit der Niederlage der Assimilatoren. Diese Niederlage ist weniger auf die Solidität der alten Wirtschaftsformen als vielmehr auf die Zerbrechlichkeit der neuen zurückzuführen.

15. Damit ist die Bauernbefreiung Alexanders I gemeint, erstes und deutlichstes Hindernis für die kapitalistische Entwicklung Rußlands. Die Bauern wurden zwar von ihrer Leibeigenschaft befreit, nichtsdestoweniger jedoch aus steuerlichen Gründen fest an den Boden ihrer jeweiligen Dorfgemeinschaft gebunden.

16. Vgl. weiter unten.

17. Karl Marx, Das Kapital, Bd. II, MEW 24, Berlin 1969, S. 234.

18. „Daß das Verlagssystem (d.h. das System der Heimarbeit) sich solange halten konnte, hat seinen Grund in der Schwäche des stehenden (d. h. des fixen) Kapitals.“ Max Weber, Wirtschaftsgeschichte, op. cit., S. 146.

19. Diskret hier: abgesondert, unterschiedlich, aus verschiedenen Teilen bestehend.

20. Karl Marx, Das Kapital, Bd. II, op. cit., S. 234.

21. Im 19. Jahrhundert wuchs die jüdische Bevölkerung in den polnischen Städten schneller an als die nicht-jüdische. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts, als die Großindustrie entstand und große nicht-jüdische Massen In die Städte auswanderten, verlangsamte sich das Wachstum der jüdischen Bevölkerung und kam an manchen Orten ganz zum Erlahmen. Vgl. La Situation économique des Juifs dans le monde, Congres juif mondial, Paris 1938, S. 215.

22. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auch in ländlichen Gegenden. „In den Gebieten mit höchstentwickeltem landwirtschaftlichem Kapitalismus kreuzt sich dieser Prozeß der gleichzeitigen Einführung von Lohnarbeit und von Maschine mit einem anderen Prozeß: mit der Verdrängung der Lohnarbeiter durch die Maschine.“ Lenin, Die Entwicklung des Kapitalismus In Rußland, Werke, Bd. 3, Berlin 1963, S. 229.

23. M. Ansiaux, Traité d’économie politique, op. cit.

24. Lesczinski, op. cit.

25. E. Vandervelde, L’exode rural et le retour aux champs, 1903.

26. A. Mendes, L’artisanat, chez les Juifs aux temps bibliques.

27. Der Beruf des Webers, sowie der des Schmiedes erfordert eine besondere berufliche Ausbildung und löst sich sehr früh von der häuslichen Wirtschaft. Der Leineweber der Feudalzeit führt ein Wanderleben. Er zieht von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf, um seinen Beruf auszuüben.

28. Vgl. dazu theoretisch L.D. Trockij, Die russische Revolution 1905, Berlin 1923, S. 15 ff., besonders S. 37 ff. (Erstausg. Dresden 1909)

29. M. Ansiaux, Traité d’économie politique, op. cit.

30. Die Juden lebten bei weitem nicht alle In den Kleinstädten. Aber ihre gesellschaftliche Rolle in den Großstädten oder in den Dörfern war dieselbe wie in den Kleinstädten. Die Kleinstadt charakterisierte jedoch aufgrund ihrer Besonderheiten diese gesellschaftliche Rolle am besten. Nach einer Zählung in den Gouvernements der Ukraine und Weißrußlands im Jahre 1818 waren 86,2 % der Juden Kaufleute, 11,6 % Handwerker, 1,9 % Landwirte. In Galizien waren im Jahre 1820 81 % aller Kaufleute Juden.

31. Bestimmte, dem Handel verwandte Berufe wurden ebenfalls oft von den Juden ausgeübt, beispielsweise der Beruf des Goldschmiedes.

32. Henri Pirenne, Les anciennes démocraties des Pays-Bas, op. cit.


Zuletzt aktualisiert am 8 April 2010