W. I. Lenin

 

Eine der Kernfragen der Revolution

(September 1917)


Nach dem Text des Rabotschi Put, Nr. 10, 27. (14.) September 1917. (Unterschrift: N. Lenin)
Lenin, Werke, Bd. 25, Berlin 1960, S. 378–386.
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Die Hauptfrage jeder Revolution ist zweifellos die Frage der Staatsmacht. Welche Klasse die Macht in den Händen hat, das entscheidet alles. Und wenn die Zeitung der bedeutensten Regierungspartei in Rußland, das Delo Naroda, vor kurzem darüber geklagt hat (Nr. 147), daß über dem Streit um die Macht sowohl die Konstituierende Versammlung als auch die Brotfrage vergessen werde, so wäre den Sozialrevolutionären nur zu antworten: Beklagen müßt ihr euch über euch selbst. Es sind doch gerade die Schwankungen, es ist die Unentschlossenheit eurer Partei, die am meisten Schuld sind an dem Fortdauern des „Minister-Karussells“, an dem endlosen Aufschieben der Konstituierenden Versammlung und an der von den Kapitalisten betriebenen Sabotage der in Angriff genommenen und geplanten Maßnahmen zur Schaffung eines Getreidemonopols und zur Versorgung des Landes mit Brot.

Die Frage der Staatsmacht kann weder umgangen noch beiseite geschoben werden, denn das ist eben die Grundfrage, die in der Entwicklung der Revolution, in deren Innen- und Außenpolitik alles bestimmt. Daß unsere Revolution durch Schwankungen hinsichtlich des Aufbaus der Staatsmacht ein halbes Jahr „zwecklos verschwendet“ hat, ist eine unbestreitbare Tatsache, und diese Tatsache ist eine Folge der schwankenden Politik der Sozialrevolutionäre und Menschewiki. Denn die Politik dieser Parteien wird letzten Endes durch die Klassenstellung des Kleinbürgertums, durch seine wirtschaftliche Unbeständigkeit im Kampf zwischen Kapital und Arbeit bestimmt.

Die ganze Frage ist jetzt, ob die kleinbürgerliche Demokratie in diesem wahrhaft großen, ungewöhnlich inhaltsreichen halben Jahr etwas dazugelernt hat oder nicht. Wenn nicht, so ist die Revolution verloren, und nur ein siegreicher Aufstand des Proletariats kann sie retten. Wenn ja, so muß man sofort damit beginnen, eine feste und beständige Macht zu schaffen, die nicht schwankt. In Zeiten der Volksrevolution, d. h. einer Revolution, die die Massen, die Mehrheit der Arbeiter und Bauern, zum Leben erweckt hat, kann nur eine Macht fest und beständig sein, die sich offenkundig und unbedingt auf die Mehrheit der Bevölkerung stützt. Bisher liegt in Rußland die Staatsmacht faktisch noch in den Händen der Bourgeoisie, die nur gezwungen ist, Teilzugeständnisse zu machen (um schon am nächsten Tag zu beginnen, sie wieder zurückzunehmen), Versprechungen zu machen (um sie nicht zu erfüllen) und auszuklügeln, wie sie ihre Herrschaft auf jede nur mögliche Art und Weise bemänteln kann (um dem Volk mit einer scheinbar „ehrlichen Koalition“ Sand in die Augen zu streuen) usw. usf. In Worten haben wir eine demokratische, revolutionäre Volksregierung, in Wirklichkeit eine volksfeindliche, antidemokratische, konterrevolutionäre bürgerliche Regierung – das ist der Widerspruch, der bis jetzt bestanden hat und der die Ursache der steten Unbeständigkeit und Schwankungen der Staatsmacht, die Ursache des ganzen „Minister-Karussells“ war, auf das die Herren Sozialrevolutionäre und Menschewiki einen (für das Volk) so beklagenswerten Eifer verwandten.

Entweder werden die Sowjets auseinandergejagt und sterben eines ruhmlosen Todes, oder alle Macht den Sowjets, sagte ich auf dem gesamtrussischen Sowjetkongreß Anfang Juni 1917 [1*], und die Geschichte des Juli und August hat die Richtigkeit meiner Worte außerordentlich überzeugend bestätigt. Nur die Sowjetmacht kann eine feste und beständige Macht sein, die sich offenkundig auf die Mehrheit des Volkes stützt, wie immer auch die Lakaien der Bourgeoisie, Potressow, Plechanov u. a. lügen mögen, die die faktische Übergabe der Macht an eine verschwindende Minderheit des Volkes, an die Bourgeoisie, an die Ausbeuter, eine „Erweiterung der Basis“ der Macht nennen.

1*. Siehen Werke, Bd. 25, S. 3–5. – Die REd.

Nur die Sowjetmacht wäre fest und beständig, nur sie könnte auch in den stürmischsten Augenblicken der stürmischsten Revolution nicht gestürzt werden, nur eine solche Macht würde die stetige Entwicklung der Revolution auf breitester Grundlage sichern und den friedlichen Kampf der Parteien innerhalb der Sowjets ermöglichen. Solange eine solche Macht nicht geschaffen ist, sind Unentschlossenheit, Unbeständigkeit, Schwankungen, endlose „Regierungskrisen“, ist die ausweglose Komödie des „Minister-Karussells“, sind Ausbrüche sowohl von rechts wie von links unvermeidlich.

Jedoch wird die Losung „Die Macht den Sowjets“ sehr oft, wenn nicht in den meisten Fällen, ganz falsch aufgefaßt, und zwar im Sinne einer „Regierung aus den Parteien der Sowjetmehrheit“, und auf diese von Grund aus irrige Auffassung wollen wir ausführlicher eingehen.

Eine „Regierung aus den Parteien der Sowjetmehrheit“ bedeutet, daß ein Personenwechsel in der Regierung stattfindet, der ganze alte Apparat der Regierungsmacht aber unangetastet beibehalten wird, ein Apparat, der durch und durch bürokratisch, durch und durch undemokratisch und unfähig ist, ernsthafte Reformen durchzuführen, Reformen, die sogar in den Programmen der Sozialrevolutionäre und Menschewiki enthalten sind.

„Die Macht den Sowjets“, das bedeutet die radikale Umgestaltung des ganzen alten Staatsapparats, dieses Bürokratenapparats, der alles Demokratische hemmt, das bedeutet, diesen Apparat zu beseitigen und durch einen neuen, einen Apparat des Volkes zu ersetzen, d. h. durch den wahrhaft demokratischen Apparat der Sowjets, d. h. der organisierten und bewaffneten Mehrheit des Volkes, der Arbeiter, Soldaten und Bauern, das bedeutet, der Mehrheit des Volkes Initiative und Selbständigkeit zu gewähren, nicht nur bei der Wahl von Deputierten, sondern auch bei der Verwaltung des Staates, bei der Durchführung der Reformen und Umgestaltungen.

Um diesen Unterschied klarer und anschaulicher zu machen, wollen wir an ein wertvolles Eingeständnis erinnern, das die Zeitung der Regierungspartei, der Partei der Sozialrevolutionäre, des „Delo Naroda“, vor einiger Zeit gemacht hat. Selbst in jenen Ministerien, schrieb dieses Blatt, die den sozialistischen Ministern übergeben wurden (dies wurde zur Zeit der berüchtigten Koalition mit den Kadetten geschrieben, als Menschewiki und Sozialrevolutionäre Minister waren), selbst in diesen Ministerien ist der ganze Verwaltungsapparat der alte geblieben und hemmt jede Arbeit.

Das ist auch begreiflich. Die ganze Geschichte der bürgerlich-parlamentarischen und in weitgehendem Maße auch der bürgerlich-konstitutionellen Länder zeigt, daß ein Ministerwechsel sehr wenig bedeutet, da die wirkliche Verwaltungsarbeit in den Händen einer Riesenarmee von Beamten liegt. Diese Armee aber ist durch und durch von antidemokratischem Geist erfüllt, durch Tausende und Millionen Fäden mit den Gutsbesitzern und mit der Bourgeoisie verbunden und auf die vielfältigste Art und Weise von ihnen abhängig. Diese Armee lebt in einer Atmosphäre bürgerlicher Verhältnisse und kennt nichts anderes als diese Atmosphäre, sie ist erstarrt, verknöchert und versteinert, sie ist außerstande, sich aus dieser Atmosphäre herauszureißen, sie kann nicht anders, als in althergebrachter Weise denken, fühlen und handeln. Diese Armee ist gebunden durch Beziehungen rangmäßiger Unterordnung und bestimmte Privilegien des „Staatsdienstes“; die auf der oberen Stufenleiter dieser Armee Stehenden sind durch Aktien und vermittels der Banken vollkommen an das Finanzkapital gekettet, sie sind in gewissem Grade selber dessen Agenten, die Vertreter seiner Interessen und seines Einflusses.

Mit Hilfe dieses Staatsapparats Umgestaltungen durchführen zu wollen, wie etwa die Aufhebung des Grundeigentums der Gutsbesitzer ohne Entschädigung oder die Einführung des Getreidemonopols usw., ist eine große Illusion, glatter Selbstbetrug und ein Betrug am Volke. Dieser Apparat kann der republikanischen Bourgeoisie dienen und eine Republik in Gestalt einer „Monarchie ohne Monarchen“ schaffen, wie die dritte Republik in Frankreich, aber zur Durchführung von Reformen, die die Rechte des Kapitals, die Rechte des „heiligen Privateigentums“ auch nur ernstlich beschneiden oder beschränken, geschweige denn abschaffen, ist ein solcher Staatsapparat absolut unfähig. So geschieht es denn, in allen nur möglichen „Koalitions“-regierungen, an denen die „Sozialisten“ teilnehmen, daß diese Sozialisten stets, selbst wenn es einzelne unter ihnen ganz ehrlich meinen, in Wirklichkeit eine bloße Dekoration oder Kulisse der bürgerlichen Regierung sind, daß sie als Blitzableiter dienen, um die Volksempörung von dieser Regierung abzulenken, daß sie dieser Regierung als Werkzeug dienen, um die Massen zu betrügen. So war es mit Louis Blanc im Jahre 1848, so war es seitdem dutzendemal in England und Frankreich, wenn sich Sozialisten an der Regierung beteiligten, so war es auch mit den Tschernow und Zereteli 1917, so war es und so wird es sein, solange die bürgerliche Gesellschaftsordnung besteht und der alte, bürgerliche, bürokratische Staatsapparat unangetastet erhalten bleibt.

Die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten sind gerade deshalb besonders hoch einzuschätzen, weil sie einen neuen, weitaus höheren, unvergleichlich demokratischeren Typ des Staatsapparats darstellen. Die Sozialrevolutionäre und Menschewiki haben alles getan, alles mögliche und unmögliche, um die Sowjets (besonders den Petrograder Sowjet und den Gesamtrussischen Sowjet, d. h. das Zentralexekutivkomitee) in bloße Schwatzbuden zu verwandeln, die sich unter dem Schein der „Kontrolle“ damit beschäftigten, ohnmächtige Resolutionen abzufassen und fromme Wünsche zu äußern, die dann von der Regierung mit dem höflichsten und liebenswürdigsten Lächeln zu den Akten gelegt wurden. Aber das „frische Lüftchen“ des Kornilowputsches, das einen tüchtigen Sturm verhieß, genügte, damit alles Modrige im Sowjet auf einige Zeit hinausgeweht wurde und die Initiative der revolutionären Massen sich als etwas Großes, Machtvolles und Unüberwindliches Bahn zu brechen begann.

Mögen alle Kleinmütigen aus diesem historischen Beispiel lernen. Mögen sich diejenigen schämen, die sagen: „Wir haben keinen Apparat, der den alten, unweigerlich zur Verteidigung der Bourgeoisie neigenden Apparat ersetzen könnte.“ Denn dieser Apparat ist vorhanden. Das sind gerade die Sowjets. Fürchtet nicht die Initiative und Selbständigkeit der Massen, vertraut den revolutionären Organisationen der Massen, und ihr werdet auf allen Gebieten des staatlichen Lebens dieselbe Kraft, dieselbe Größe und Unbesiegbarkeit der Arbeiter und Bauern sehen, die sich in ihrem gemeinsamen Handeln, in ihrem Elan gegen den Kornilowputsch offenbart haben.

Die Schuld der sozialrevolutionären und menschewistischen Führer besteht vor allem darin, daß sie nicht an die Massen glauben, Angst vor ihrer Initiative, Angst vor ihrer Selbständigkeit haben, daß sie vor der revolutionären Energie der Massen zittern, statt sie allseitig und rückhaltlos zu unterstützen. Hier liegt eine der tiefste Ursachen für die Unentschlossenheit der sozialrevolutionären und menschewistischen Führer, ihrer Schwankungen, ihrer endlosen und endlos unfruchtbaren Versuche, neuen Wein in die alten Schläuche des alten, bürokratischen Staatsapparats zu gießen.

Man betrachte die Geschichte der Demokratisierung der Armee in der russischen Revolution 1917, die Geschichte der Ministertätigkeit Tschernows, die Geschichte der „Herrschaft“ Paltschinskis, die Geschichte des Rücktritts von Peschechonow, und man wird auf Schritt und Tritt die anschauligste Bestätigung für das oben Gesagte finden. Da das volle Vertrauen zu den gewählten Soldatenorganisationen fehlte, da das Prinzip der Wählbarkeit der Vorgesetzten durch die Soldaten nicht restlos durchgeführt wurde, kam es dahin, daß die Kornilow, die Kaledin und die konterrevolutionären Offiziere an der Spitze der Armee standen. Das ist eine Tatsache. Und wer nicht absichtlich die Augen verschließt, muß sehen, daß die Kerenskiregierung nach dem Kornilowputsch alles beim alten läßt, daß sie in Wirklichkeit die Kornilowschen Zustände wiederherstellt. Die Ernennung Alexejews, der „Frieden“ mit den Klembowski, Gagarin, Bagration und sonstigen Kornilowleuten, die milde Behandlung von Kornilow und Kaledin selbst, all das beweist klar und deutlich, daß Kerenski in Wirklichkeit die Kornilowschen Zustände wiederherstellt.

Einen Mittelweg gibt es nicht. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es keinen Mittelweg gibt. Entweder alle Macht den Sowjets und vollkommene Demokratisierung der Armee oder Kornilowregime.

Und die Geschichte der Ministertätigkeit Tschernows? Hat sie etwa nicht bewiesen, daß jeder einigermaßen ernsthafte Schritt zur wirklichen Befriedigung der Nöte der Bauern, jeder Schritt, der von Vertrauen zu den Bauern, zu deren eigenen Massenorganisationen und Aktionen zeugt, in der ganzen Bauernschaft die größte Begeisterung hervorrief? Tschernow aber mußte beinahe vier Monate lang mit den Kadetten und Bürokraten „feilschen“ und wieder „feilschen“, die ihn nach endlosem Verschleppen und endlosen Intrigen zu guter Letzt zum Rücktritt gezwungen haben, ohne daß er etwas erreicht hätte. Die Gutsbesitzer und Kapitalisten haben für diese vier Monate und in diesen vier Monaten „das Spiel gewonnen“, es ist ihnen gelungen, das Grundeigentum der Gutsbesitzer zu behaupten, die Konstituierende Versammlung hinauszuschieben und sogar eine Reihe von Repressalien gegen die Bodenkomitees einzuleiten.

Einen Mittelweg gibt es nicht. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es keinen Mittelweg gibt. Entweder alle Macht den Sowjets in der Hauptstadt und in der Provinz, sofort alles Land den Bauern, noch vor der Beschlußfassung durch die Konstituierende Versammlung, oder die Gutsbesitzer und Kapitalisten hintertreiben alles, stellen die Macht der Gutsbesitzer wieder her, treiben die Bauern zur Empörung und bringen es schließlich zu einem unerhört erbitterten Bauernaufstand.

Genau die gleiche Geschichte war es mit der von den Kapitalisten (mit Hilfe Paltschinskis) betriebenen Sabotage einer einigermaßen ernsthaften Kontrolle über die Produktion, mit der Sabotage des Getreidemonopols durch die Kaufleute sowie mit deren Sabotage einer geregelten demokratischen Verteilung des Brotes und anderer Lebensmittel, wie sie von Peschechonow eingeleitet wurde.

Es handelt sich jetzt in Rußland keineswegs darum, „neue Reformen“ zu erfinden, „Pläne“ irgendwelcher „allumfassenden“ Umgestaltungen aufzustellen. Nichts dergleichen. So stellen die Sache – in wissentlich verlogener Weise – die Kapitalisten, die Potressow und Plechanow dar, die gegen die „Einführung des Sozialismus“, gegen die „Diktatur des Proletariats“ zetern. In Wirklichkeit ist die Lage in Rußland so, daß die unsagbaren Leiden und Nöte des Krieges, die riesengroße, unmittelbar drohende Gefahr der Zerrüttung und Hungersnot selbst den Ausweg diktieren, selbst die Reformen und Umgestaltungen vorzeichnen, ja nicht nur vorzeichnen, sondern als unbedingt unaufschiebbar bereits auf die Tagesordnung gesetzt haben: Getreidemonopol, Kontrolle über die Produktion und Verteilung, Einschränkung der Emission von Papiergeld, geregelter Austausch von Getreide gegen Industriewaren usw.

Maßnahmen solcher Art, in eben dieser Richtung, wurden von allen als unerläßlich anerkannt, und an vielen Orten und von den verschiedenen Seiten wurde mit ihrer Durchführung begonnen. Sie sind bereits in Angriff genommen, werden aber allerorts durch den Widerstand der Gutsbesitzer und Kapitalisten gehemmt und hintertrieben, einen Widerstand, der sowohl durch die Kerenskiregierung (die in Wirklichkeit eine völlig bürgerliche und bonapartistische Regierung ist) als auch durch den Beamtenapparat des alten Staates und durch den direkten und indirekten Druck des russischen und des „alliierten“ Finanzkapitals geleistet wird.

Vor nicht allzulanger Zeit beklagte I. Prileshajew im Delo Naroda (Nr.147) den Rücktritt Peschechonows und den Bankrott der festen Preise, den Bankrott des Getreidemonopols:

„Kühnheit und Entschlossenheit, das ist es, was unseren Regierungen aller Zusammensetzungen fehlte ... Die revolutionäre Demokratie darf nicht warten, sie muß selbst die Initiative ergreifen und ordnend in das wirtschaftliche Chaos eingreifen ... Wenn irgendwo, so ist gerade hier ein fester Kurs und eine entschlossene Macht vonnöten.“

Was wahr ist, ist wahr. Das sind goldene Worte. Nur hat ihr Verfasser nicht bedacht, daß die Frage des festen Kurses, der Kühnheit und Entschlossenheit keine Frage von Persönlichkeiten ist, sondern eine Frage der Klasse, die fähig ist, Kühnheit und Entschlossenheit an den Tag zu legen. Die einzige solche Klasse ist das Proletariat. Kühnheit und Entschlossenheit der Staatsmacht und ihr fester Kurs, das ist nichts anderes als die Diktatur des Proletariats und der armen Bauern. I. Prileshajew seufzt, ohne sich dessen bewußt zu sein, nach dieser Diktatur.

Denn was würde eine solche Diktatur in Wirklichkeit bedeuten? Nichts anderes, als daß der Widerstand der Kornilowleute gebrochen und die umfassende Demokratisierung der Armee wiederaufgenommen und zu Ende geführt würde. Neunundneunzig Hundertstel der Armee wären zwei Tage nach Errichtung einer solchen Diktatur deren begeisterte Anhänger. Diese Diktatur würde den Bauern den Boden geben und die örtlichen Bauernkomitees mit voller Machtbefugnis ausstatten. Wie kann man, ohne den Verstand verloren zu haben, daran zweifeln, daß die Bauern diese Diktatur unterstützen würden? Was Peschechonow nur verheißen hat („der Widerstand der Kapitalisten ist gebrochen“, sagte Peschechonow wörtlich in seiner berühmten Rede auf dem Sowjetkongreß), das würde diese Diktatur in die Tat umsetzen, verwirklichen, ohne die bereits im Entstehen begriffenen demokratischen Organisationen für Lebensmittelversorgung, für Kontrolle u. a. m. zu beseitigen, sie würde im Gegenteil diese Organisationen unterstützen, fördern und ihrer Arbeit jedes Hindernis aus dem Weg räumen.

Nur die Diktatur der Proletarier und der armen Bauern ist imstande, den Widerstand der Kapitalisten zu brechen, mit wahrhaft großartiger Kühnheit und Entschlossenheit die Macht auszuüben und sich die begeisterte, rückhaltlose, wahrhaft heroische Unterstützung der Massen sowohl in der Armee wie in der Bauernschaft zu sichern.

Die Macht den Sowjets – das allein könnte die weitere Entwicklung stetig, friedlich und ruhig gestalten, könnte zu einer Entwicklung führen, die dem Niveau des Bewußtseins und der Entscheidungen der Mehrheit der Volksmassen, dem Niveau ihrer eigenen Erfahrung vollkommen entspricht. Die Macht den Sowjets, das bedeutet den vollständigen Übergang der Verwaltung des Landes und der Kontrolle über seine Wirtschaft an die Arbeiter und Bauern, denen sich niemand zu widersetzen wagte und die durch die Erfahrung rasch lernen würden, durch die eigene Praxis lernen würden, den Grund und Boden, die Produkte und das Brot richtig zu verteilen.


Zuletzt aktualisiert am 14. April 2017