Rudolf Hilferding

Das Finanzkapital


Zweiter Abschnitt
Mobilisierung des Kapitals. Das Fiktive Kapital


VII. Kapitel
Die Aktiengesellschaft


1. Dividende und Gründergewinn

Die bisherige Ökonomie hat den Unterschied zwischen Einzelunternehmen und Aktiengesellschaft vornehmlich bloß in der Verschiedenheit der Organisationsform und den daraus unmittelbar sich ergebenden Folgen gesucht. Sie hat auf die „gute“ und „schlechte“ Seite beider Unternehmungsformen hingewiesen und dabei teils objektive Momente (größere oder geringere unmittelbare Interessiertheit und Verantwortlichkeit der Leiter, leichtere oder schwierigere Kontrollierbarkeit des Unternehmens), teils objektive Momente (leichtere Kapitalbeschaffung, größere oder geringere Akkumulationskraft) als Unterscheidungsmerkmale hervorgehoben. Doch hat sie es unterlassen, auf die grundlegenden ökonomischen Unterschiede der beiden Unternehmungsformen einzugehen, obwohl diese von entscheidender Wichtigkeit sind für das Verständnis der modernen kapitalistischen Entwicklung, die ohne den Sieg der Aktiengesellschaft und dessen Gründe gar nicht begriffen werden kann. [1]

Die industrielle Aktiengesellschaft, die wir zunächst betrachten, bedeutet vorerst eine Änderung der Funktion des industriellen Kapitalisten. Denn sie bringt grundsätzlich mit sich, was beim Einzelunternehmen nur zufällig einmal eintreten kann: die Befreiung des industriellen Kapitalisten von der Funktion des industriellen Unternehmers. Diese Funktionsveränderung gibt dem Kapital, das in die Aktiengesellschaft investiert wird, für den Kapitalisten die Funktion des reinen Geldkapitals. Wieder Geldkapitalist als Gläubiger nichts mit der Verwendung seines Kapitals im Produktionsprozeß zu tun hat, mag auch in Wirklichkeit diese Verwendung die notwendige Bedingung des Leihverhältnisses sein, sofern er nur sein Geldkapital abzutreten und es nach Ablauf einer bestimmten Zeit mit den Zinsen zurückzuerhalten hat, seine Funktion also sich in einer juristischen Transaktion erschöpft; ebenso fungiert auch der Aktionär als bloßer Geldkapitalist. Er gibt Geld her, damit er dafür ein Erträgnis, um zunächst diese ganz allgemeine Bezeichnung zu gebrauchen, erhalte. Er kann dabei die Höhe der Summe beliebig bemessen und haftet für nicht mehr als diese Summe, so wie der Geldkapitalist ebenfalls nur eine bestimmte Summe in der von ihm gewählten Höhe aufs Spiel setzt. Jedoch ergibt sich hier bereits ein Unterschied. Der Zinssatz für das in Aktienform zur Verfügung gestellte Geldkapital ist nicht als solcher im voraus bestimmt, sondern er besteht nur als Anspruch auf den Ertrag (Profit) eines bestimmten Unternehmens. Ein zweiter Unterschied gegenüber dem Leihkapital besteht darin, daß der Rückfluß des Kapitals an den Geldkapitalisten nicht direkt – nicht als beim Eingehen des Verhältnisses selbst vereinbart und aus der Natur des Leihverhältnisses selbst hervorgehend – bestimmt ist.

Wir betrachten zunächst das erste Moment. Vor allem ist festzustellen, daß das Erträgnis für das in Aktienform zur Verfügung gestellte Geldkapital keineswegs ein völlig unbestimmtes ist. Ein kapitalistisches Unternehmen wird gegründet, um Profit abzuwerfen. Die Erzielung des Profits, und zwar unter normalen Verhältnissen die Erzielung des herrschenden Durchschnittsprofits, ist Voraussetzung der Gründung. Jedenfalls ist hier der Aktionär in ähnlicher Lage wie der Geldkapitalist, der ebenfalls auf die produktive Verwertung seines Kapitals rechnen muß, soll sein Schuldner nicht zahlungsunfähig werden. Im allgemeinen wird die im Vergleich mit dem Geldkapitalisten vielleicht etwas größere Unsicherheit des Aktionärs demselben eine gewisse Risikoprämie einbringen. Nur darf man sich nicht vorstellen, daß diese Prämie als solche irgendwie fixiert und als bewußter und vor allem meßbarer Anspruch des Aktionärs erscheint. Vielmehr entsteht sie dadurch, daß das Angebot an Geldkapitalien – und an das freie Geldkapital wenden sich die Gründer – für die Anlage in Aktien unter sonst gleichen Umständen geringer sein wird als für die fest verzinslichen, eventuell besonders sicheren Anlagen. Es ist überhaupt diese Verschiedenheit im Angebot, was die Verschiedenheit der Zinssätze, respektive die Verschiedenheit im Kurse der zinstragenden Papiere erklärt. Die größere Sicherheit oder Unsicherheit wirkt als Motiv für das größere oder geringere Angebot. Aber erst aus der Verschiedenheit dieses Verhältnisses von Angebot und Nachfrage resultiert eine Verschiedenheit des Zinsertrages. Das mutmaßliche Ergebnis des Ertrages der Aktie ist also bestimmt durch den industriellen Profit und dieser unter sonst gleichen Umständen durch die Durchschnittsprofitrate.

Der Aktionär ist aber nicht industrieller Unternehmer (Kapitalist). Er ist vorerst nur Geldkapitalist. Aber es gehört zu den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen des Leihkapitalisten von den industriellen Kapitalisten, daß er sein Kapital – Geldkapital – in ganz anderer Weise frei verfügbar hat. Der industrielle Kapitalist legt als solcher sein ganzes Kapital in einem bestimmten Unternehmen an. Voraussetzung dafür ist, daß sein Kapital hinreicht, in diesem Industriezweig selbständig fungieren zu können. Der Aktionär dagegen braucht nur über einen geringfügigen Kapitalbetrag zu disponieren. Der industrielle Unternehmer hat sein Kapital in seinem Unternehmen fixiert, er wirkt nur produktiv in diesem Unternehmen und ist mit ihm dauernd verwachsen. Er kann es nicht zurückziehen, außer durch den Verkauf des Gesamtunternehmens, was nur heißt, daß die Person des Kapitalisten wechselt, ein industrieller durch einen anderen ersetzt wird. Er ist nicht Geldkapitalist, sondern industrieller (produktiver, fungierender) Kapitalist. Der Ertrag des Unternehmens – der industrielle Profit – fällt ihm zu. Wenn wir aber den Aktionär als bloßen Geldkapitalisten betrachten, so würde für ihn die Erzielung des Zinses auf sein Kapital genügen, damit er sein Geldkapital zur Verfügung stellt.

Damit aber der Aktionär Geldkapitalist werde, ist es notwendig, daß er sein Kapital jederzeit als Geldkapital zurückerhalten kann. Sein Kapital erscheint aber wie das des Einzelkapitalisten in dem Unternehmen fixiert. Und dies ist in der Tat so. Das Geld ist weg- gegeben und dient zum Ankauf der Maschinen, des Rohmaterials, zur Bezahlung der Arbeiter usw., kurz, es hat sich aus Geldkapital in produktives Kapital,

G<

Pm
A

verwandelt, um den Kreislauf als industrielles Kapital zu beschreiben. Der Aktionär kann dieses einmal weggegebene Kapital nicht mehr zurückerhalten. Er hat darauf keinen Anspruch, er hat nur Anspruch auf einen aliquoten Teil des Erträgnisses. In der kapitalistischen Gesellschaft gewinnt aber jede Geldsumme die Fähigkeit, Zins abzuwerfen; umgekehrt wird jedes regelmäßig wiederkehrende Einkommen, das übertragbar ist (und dies ist der Fall, sofern es nicht an eine rein persönliche und daher vergängliche, unbestimmbare Bedingung geknüpft ist, wie der Arbeitslohn usw.), als Zins eines Kapitals betrachtet und erhält einen Preis, der gleich ist dem zum herrschenden Zinsfuß kapitalisierten Betrag. [2] Dies erklärt sich ohne weiteres daraus, daß immer große Geldsummen zur Verwertung frei liegen und diese Verwertung in dem Anspruch auf dieses Erträgnis finden. Der Aktionär ist daher in der Lage, sein Kapital jederzeit zurückerhalten zu können durch den Verkauf seiner Aktien, seines Anspruchs auf den Profit, und ist damit in derselben Lage wie der Geldkapitalist. Diese Verkaufsmöglichkeit wird geschaffen durch einen eigenen Markt, die Effektenbörse. Erst die Herstellung dieses Marktes gibt dem Aktienkapital, das nunmehr stets für den einzelnen „realisierbar“ ist, ganz den Charakter des Geldkapitals. Umgekehrt behält der Geldkapitalist diesen seinen Charakter auch dann, wenn er sein Kapital in Aktienform anlegt. Das freie Geldkapital konkurriert also als solches, das heißt als zinstragendes Kapital, um die Anlage in Aktien, wie es in seiner eigentlichen Funktion als Leihkapital um die Anlage in festverzinslichen Darlehen konkurriert. Die Konkurrenz um diese verschiedenen Anlagemöglichkeiten nähert den Preis der Aktie dem Preis der fest verzinslichen Anlagen an und reduziert für den Aktionär das Erträgnis vom industriellen Profit auf den Zins.

Diese Reduktion auf den Zins ist also ein historischer Prozeß, der mit der Entwicklung des Aktienwesens und der Effektenbörse vor sich geht. Solange die Aktiengesellschaft nicht herrschende Form und die Negotiabilität der Aktie nicht entwickelt ist, wird auch in der Dividende nicht nur Zins, sondern auch Unternehmergewinn enthalten sein.

Soweit also die Aktienunternehmung reicht, wird jetzt die Industrie betrieben mit einem Geldkapital, dessen Verwandlung in industrielles Kapital für diese Kapitalisten nicht den Durchschnittsprofit, sondern nur den Durchschnittszins abzuwerfen braucht.

Hier scheint sich aber ein offenkundiger Widerspruch zu ergeben Das als Aktienkapital zur Verfügung gestellte Geldkapital wird ja in industrielles Kapital verwandelt. Daß es für seinen Besitzer – also subjektiv – ganz nach Art des Leihkapitals fungiert, kann auf den Ertrag des industriellen Unternehmens sicher nicht von Einfluß sein. Dieses wird nach wie vor unter normalen Umständen den Durchschnittsprofit abwerfen. Daß die Aktiengesellschaft ihre Ware unter dem Durchschnittsprofit verkauft, freiwillig auf einen Teil des Profits verzichtet, um ein Erträgnis zu verteilen, das nur den Zins den Aktionären abwirft, ist eine unmögliche Annahme. Denn jedes kapitalistische Unternehmen sucht den höchstmöglichen Profit zu erzielen, und gerade dieses Bestreben bewirkt den Verkauf zu Produktionspreisen, das heißt zu Preisen gleich ihm Kostpreis plus dem Durchschnittsprofit. Es scheint daher, als wären die angeführten Momente, die subjektiv dem in Aktienform angelegten Geldkapital den Charakter des Leih-, also des zinstragenden Kapitals geben, nicht ausreichend, um die Reduktion des Erträgnisses der Aktie auf Zins zu erklären. Würde ja dadurch unerklärt bleiben, wohin der andere Teil des Profits, nämlich der Durchschnittsprofit minus Zins, der gleich ist dein eigentlichen Unternehmergewinn, entschwunden wäre. Sehen wir näher zu.

Durch die Verwandlung des Privatunternehmens in eine Aktiengesellschaft scheint eine Verdoppelung des Kapitals eingetreten zu sein. Aber das ursprüngliche, von den Aktionären vorgestreckte Kapital ist definitiv in industrielles verwandelt, existiert als solches allein in Wirklichkeit fort. Das Geld fungierte als Kaufmittel für Produktionsmittel, ist für diese ausgegeben und damit definitiv aus dem Kreislaufprozeß dieses Kapitals geschwunden. Erst die Verwandlung der Produktionsmittel in Waren durch die Produktion und der Verkauf dieser Waren läßt Geld – ganz anderes Geld – aus der Zirkulation zurückströmen. Das Geld also, das bei den späteren Umsätzen von Aktien gezahlt wird, ist durchaus nicht das Geld, das von den Aktionären ursprünglich hergegeben worden war und verbraucht ist; es ist kein Bestandteil des Kapitals der Aktiengesellschaft, des Kapitals des Unternehmens. Es ist zusätzliches Geld, erforderlich für die Zirkulation der kapitalisierten Ertragscheine. Ebenso ist der Preis der Aktie keineswegs bestimmt als Teil des Untemehmungskapitals; er ist vielmehr der kapitalisierte Ertragsanteil. Als solcher bestimmt nicht als aliquoter Teil des in der Unternehmung fixierten Gesamtkapitals und also eine relativ fixe Größe, sondern nur der zum herrschenden Zinsfuß kapitalisierte Ertrag. Daher ist der Preis der Aktie abhängig nicht vom Wert (respektive Preis) des wirklich fungierenden industriellen Kapitals, denn die Aktie ist nicht Anweisung auf einen Teil des im Unternehmen tatsächlich fungierenden Kapitals, sondern Anweisung auf einen Teil des Ertrages und daher abhängig erstens von der Größe des Profits (also einer viel variableren Größe, als es der Preis der Produktionselemente des industriellen Kapitals selbst wäre) und zweitens von dem herrschenden Zinsfuß. [3]

Die Aktie ist also Revenuetitel, Schuldtitel auf künftige Produkton, Ertragsanweisung. Indem dieser Ertrag kapitalisiert wird und dies den Preis der Aktie konstituiert, scheint in diesen Aktienpreisen ein zweites Kapital vorhanden zu sein. Dieses ist rein fiktiv. Was wirklich existiert, ist nur das industrielle Kapital und sein Profit. Das hindert aber nicht, daß dieses fiktive „Kapital“ rechnungsmäßig vorhanden ist und als „Aktienkapital“ angeführt wird. In Wirklichkeit ist es kein Kapital, sondern nur der Preis einer Revenue – ein Preis, der eben dadurch möglich ist, daß innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft jede Geldsumme Revenue abwirft und daher umgekehrt jede Revenue als Frucht einer Geldsumme erscheint. Ist bei der industriellen Aktie diese Täuschung noch dadurch erleichtert, daß ein wirklich fungierendes industrielles Kapital besteht, so wird der fiktive, rein rechnungsmäßige Charakter dieses papierenen Kapitals bei anderen Ertragsanweisungen völlig unzweifelhaft. Staatsschuldscheine brauchen in keiner Weise irgendein vorhandenes Kapital zu repräsentieren. Das von den Staatsgläubigern senerzeit geliehene Geld mag längst in Pulverdampf aufgegangen sein. Sie sind nichts als der Preis für einen Anteil an den jährlichen Steuern, die das Erträgnis ganz anderen Kapitals sind als desjenigen, das seinerzeit irgendwie unproduktiv verausgabt worden war.

Der Umsatz von Aktien ist kein Kapitalumsatz, sondern Kauf und Verkauf von Rententiteln; die Schwankungen ihrer Preise lassen das wirklich fungierende industrielle Kapital, dessen Erträgnis und nicht dessen Wert sie repräsentieren, direkt ganz unberührt. Ihr Preis hängt außer vom Erträgnis von der Höhe des Zinsfußes ab, zu dem sie kapitalisiert werden. Dieser ist aber in seinen Bewegungen ganz unabhängig von den Schicksalen des individuellen industriellen Kapitals. Schon daraus geht hervor, daß es nicht angeht, den Aktienpreis als aliquoten Teil des industriellen Kapitals anzusehen.

Die Summe des „Aktienkapitals“, also die Preissumme der kapitalisierten Ertragstitel, braucht daher mit dem ursprünglich in Industriekapital verwandelten Geldkapital nicht übereinzustimmen. Es fragt sich nun, wie diese Differenz entsteht und wie groß sie ist. Nehmen wir ein industrielles Unternehmen mit einer Million Mark Kapital. Der Durchschnittsprofit sei 15 Prozent, der herrschende Zinsfuß 5 Prozent. Das Unternehmen wirft einen Profit von 150.000 Mk. ab. Die Summe von 150.000 Mk. wird aber als jährliche Revenue zu 5 Prozent kapitalisiert einen Preis von 3.000.000 Mark haben. Zu 5 Prozent würde allerdings das Geldkapital vielleicht nur festverzinsliche, sichere Papiere übernehmen wollen. Aber setzen wir eine hohe Risikoprämie ein, sage von 2 Prozent, berücksichtigen wir weiter die Verwaltungskosten, Tantiemen usw., die aus dem Profit des Unternehmens bestritten werden müssen und dem Privatbetrieb im Gegensatz zur Aktiengesellschaft erspart blieben, und setzen wir dafür eine Verringerung des verfügbaren Profits um 20.000 Mk., so werden 130.000 Mk. verteilt werden können, die den Aktionären eine Verzinsung von 7 Prozent bieten sollen. Es ist dann der Preis der Aktien gleich 1.857.143, sage rund 1.900.000 Mark. Um den Profit von 150.000 Mk. zu erzeugen, ist aber nur ein Kapital von 1.000.000 Mk. Nötig, 900.000 Mk. sind frei; diese 900.000 Mk. entspringen aus der Verwandlung des profittragenden Kapitals in zinstragendes (Dividende tragendes) Kapital. Sie sind, wenn wir von den höheren, aus der Form der Aktiengesellschaft entspringenden Verwaltungskosten, die den Profit vermindern, absehen, gleich der Differenz zwischen dem zu 15 Prozent und dem zu 7 Prozent kapitalisierten Betrag, also zwischen dem Kapital, das die Durchschnittsprofitrate, und dem, das den Durchschnittszins abwirft. Es ist diese Differenz, die als „Gründergewinn“ erscheint, eine Quelle des Gewinns, die nur aus der Verwandlung des profittragenden in die Form des zinstragenden Kapitals entspringt.

Die herrschende Anschauung, die die Kostspieligkeit der Verwaltung der Aktiengesellschaft gegenüber dem Privatunternehmen so eifervoll hervorhebt, hat das merkwürdige Problem, woher ein Gewinn bei der Umwandlung aus einer billiger in eine teurer produzierende Unternehmungsform entsteht, weder gesehen noch erklärt, sondern sich mit bloßen Phrasen über Kosten und Risiko begnügt. Der Gründungsgewinn ist aber weder ein Schwindel noch eine Vergütung oder Lohn, sondern eine ökonomische Kategorie sui generis.

Die Ökonomen, soweit sie Zins und Unternehmergewinn überhaupt scheiden, fassen die Dividende einfach als Zins plus Unternehmergewinn, also als dasselbe wie den Profit des Individualunternehmens. Daß dabei das Spezifische der Aktiengesellschaft nicht erkannt wird, ist klar. So sagt zum Beispiel Rodbertus: „Ich will zur Verständigung über die Terminologie hier nur noch bemerken, daß in der Dividende einer Aktie nicht bloß Zins, sondern auch Unternehmungsgewinn steckt, in dem Zinsfuß eines Darlehensscheines aber nicht.“ [4] Eine Erklärung des Gründergewinnes ist daher unmöglich.

„Es ist ... Unternehmungsgewinn, der in der Betriebsform [5] der Aktienunternehmung, dem Kapitalbesitzer (der, wenn er sein Kapital an einen Einzelunternehmer ausgeliehen hätte, nur den laufenden Zins bekommen hätte) auch noch zufließt, und zwar in derselben Bequemlichkeit, wie der Zins es getan hätte, weshalb auch die Aktienunternehmung für unsere Kapitalisten so reell einladend und vorauszusetzen ist, daß sich die Aktienform immer mehr des Industriegebietes bemächtigen wird. Der sogenannte Gründungsschwindel ist bloß Schaum respektive Abschaum von dem reellen Geschäft.“ [6]

Über die moralische Verurteilung ist jede Erklärung des Gründergewinnes, der kein Schwindel ist, sondern erst den Schwindel möglich macht, unterlassen. Rodbertus faßt die Sache einseitig und deshalb falsch auf, wenn er sagt: „Das frühere Leihkapital hört also in der Aktienform auf, Leihkapital zu sein, und wird in den Händen seiner Besitzer selbstwertend, und zwar in einer Form, die ihnen bei dem göttergleichen Leben der Leihkapitalisten noch nahezu die ganze Kapitalrente (worunter Rodbertus den Unternehmergewinn plus Zins versteht) zuwendet.“ [7] Rodbertus sieht nur den Inhalt des Prozesses, die Verwandlung von Geldkapital in industrielles; er übersieht aber, daß hier die Form der Verwandlung wesentlich ist, indem das Geldkapital zugleich fiktives Kapital wird und damit für seine Besitzer die Form von Geldkapital beibehält. [8]

Betrachten wir nun die eigentümliche Zirkulationsform des fiktiven Kapitals, so finden wir folgendes: Die Aktien (A) werden emittiert, also gegen Geld (G) verkauft. Dieses Geld zerfällt in zwei Teile; ein Teil (g1) bildet den Gründergewinn, gehört den Gründern, zum Beispiel der Emissionsbank, und fällt aus der Zirkulation dieses Kreislaufes heraus. Der andere Teil (G1) verwandelt sich in produktives Kapital und beschreibt den uns bereits bekannten Kreislauf des industriellen Kapitals. Die Aktien sind verkauft; sollen sie selbst wieder zirkulieren, so ist dazu zusätzliches Geld (G2) als Zirkulationsmittel nötig. Diese Zirkulation A–G2–A findet ihre Stätte auf einem eigenen Markt, der Börse.

Es ergibt sich also folgende Zirkulationsfigur:

 
A<

 
G1
g1

– W<

Pm
A

.... P .... W′ – G

|
G2
|
A

 

Einmal geschaffen, hat die Aktie mit dem wirklichen Kreislauf des industriellen Kapitals, das sie repräsentiert, nichts mehr zu tun. Die Vorgänge und Unfälle, die sie bei ihrer Zirkulation erwarten, lassen direkt den Kreislauf des produktiven Kapitals unberührt.

Der Handel mit Aktien, allgemeiner mit den fiktiven Kapitalscheinen überhaupt, erfordert neues Geld – Bargeld und Kreditgeld – zum Beispiel Wechsel. Während aber der Wechsel früher gedeckt war durch den Wert der Ware, ist er jetzt gedeckt durch den „Kapitalwert“ der Aktie, der wieder abhängt von dem Erträgnis. Dieses wieder hängt ab von der Realisierung der Produkte, die die Aktiengesellschaft herstellt, also von dem Verkauf der Waren zu ihren Werten respektive Produktionspreisen. So ist dieses Kreditgeld erst indirekt gedeckt durch Warenwert. Ferner: während der Zahlungsverkehr im Handel in seinem Umfang durch den Wert der Waren bestimmt ist, so dieser durch den kapitalisierten Betrag des Reinerträgnisses. Anderseits wird hier das wirklich nötige Geld sehr beschränkt durch die Fungibilität dieser Papiere.

Betrachten wir nun die Formel für den Gründungsgewinn (Gg), so ergibt sich die folgende, wenn wir den Durchschnittsprofit = p, die Dividende=d und den Ertrag des Unternehmens gleich E setzen und uns erinnern, daß das Kapital gleich ist den hundertfachen Zinsen dividiert durch den Zinsfuß:

Gg =

100 E
d


100 E
P

Sieht man den Ertrag der Aktiengesellschaft als vermindert an infolge der Kostspieligkeit der Verwaltung, so ist für das erste E (E−n) zu setzen. Man sieht, die Trennung der Unternehmerfunktion, die die bisherige Ökonomie rein deskriptiv konstatiert, ist zugleich eine Verwandlung des industriellen Kapitalisten zum Aktionär, zu einer besonderen Sorte von Geldkapitalisten, wobei die Tendenz besteht, den Aktionär immer mehr zum reinen Geldkapitalisten zu machen. Diese Tendenz wird vollendet durch die stete Verkäuflichkeit der Aktie auf der Börse.

Unsere Auffassung der Ökonomie der Aktiengesellschaft geht über die von Marx entwickelte hinaus. Marx faßt in seiner genialen Skizzierung – die Ausführung blieb ihm leider versagt – der Rolle des Kredits in der kapitalistischen Produktion [9] die Bildung von Aktiengesellschaften als Folge des Kreditwesens und bezeichnet als ihre Wirkung:

„1. Ungeheure Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion und Unternehmungen, die für Einzelkapitale unmöglich waren. Solche Unternehmungen zugleich, die früher Regierungsunternehmungen waren, werden gesellschaftliche.

2. Das Kapital, das an sich auf gesellschaftlicher Produktionsweise beruht und eine gesellschaftliche Konzentration von Produktionsmitteln und Arbeitskräften voraussetzt, erhält hier direkt die Form von Gesellschaftskapital (Kapital direkt assoziierter Individuen) im Gegensatz zum Privatkapital, und seine Unternehmungen treten auf als Gesellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privatunternehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise selbst.

3. Verwandlung des wirklich fungierenden Kapitalisten in einen bloßen Dirigenten, Verwalter fremden Kapitals, und der Kapitaleigentümer in bloße Eigentümer, bloße Geldkapitalisten. Selbst wenn die Dividenden, die sie beziehen, den Zins und Unternehmergewinn, d. h. den Totalprofit einschließen (denn das Gehalt des Dirigenten ist, oder soll sein, bloßer Arbeitslohn einer gewissen Art geschickter Arbeit, deren Preis im Arbeitsmarkt reguliert wird, wie der jeder andren Arbeit), so wird dieser Totalprofit nur noch bezogen in der Form des Zinses, d. h. als bloße Vergütung des Kapitaleigentums, das nun ganz so von der Funktion im wirklichen Reproduktionsprozeß getrennt ist wie diese Funktion in der Person des Dirigenten vom Kapitaleigentum. Der Profit stellt sich so dar (nicht mehr nur der eine Teil desselben, der Zins, der seine Rechtfertigung aus dem Profit des Borgers zieht) als bloße Aneignung fremder Mehrarbeit, entspringend aus der Verwandlung der Produktionsmittel in Kapital, d. h. aus ihrer Entfremdung gegenüber den wirklichen Produzenten, aus ihrem Gegensatz als fremdes Eigentum gegenüber allen wirklich in der Produktion tätigen Individuen, vom Dirigenten bis herab zum letzten Taglöhner. In den Aktiengesellschaften ist die Funktion getrennt vom Kapitaleigentum, also auch die Arbeit gänzlich getrennt vom Eigentum an den Produktionsmitteln und an der Mehrarbeit. Es ist dies Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion ein notwendiger Durchgangspunkt zur Rückverwandlung des Kapitals in Eigentum der Produzenten, aber nicht mehr als das Privateigentum vereinzelter Produzenten, sondern als das Eigentum ihrer als assoziierter, als unmittelbares Gemeinschaftseigentum. Es ist andrerseits Durchgangspunkt zur Verwandlung aller mit dem Kapitaleigentum bisher noch verknüpften Funktionen im Reproduktionsprozeß in bloße Funktionen der assoziierten Produzenten, in gesellschaftliche Funktionen.

Bevor wir weitergehn, ist noch dies ökonomisch Wichtige zu bemerken: Da der Profit hier rein die Form des Zinses annimmt, sind solche Unternehmungen noch möglich. wenn sie bloßen Zins abwerfen, und es ist dies einer der Gründe, die das Fallen der allgemeinen Profitrate aufhalten, indem diese Unternehmungen, wo das konstante Kapital in so ungeheurem Verhältnis zum variablen steht, nicht notwendig in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate eingehn.“

Wie Marx hier betrachtet, sind vor allem die wirtschaftspolitischen Wirkungen der Aktiengesellschaften. Die Dividende faßt er noch nicht als besondere ökonomische Kategorie und läßt deshalb auch den Gründergewinn unanalysiert. Was die letzte Bemerkung über den Einfluß auf die Bildung der Durchschnittsprofitrate und den Fall der Profitrate anlangt, ist es klar, daß mit der Verbreitung der Aktiengesellschaft der Profit der Aktiengesellschaft genauso in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate eingehen muß wie der von Privatunternehmungen. Wir haben übrigens schon oben gesehen, daß auch das Produkt der Aktiengesellschaft unter normalen Umständen genau den gleichen Preisgesetzen unterliegt wie das von Privatunternehmungen. Marx schwebten die Eisenbahnaktiengesellschaften seiner Zeit vor, und in dieser Beziehung mag seine Bemerkung vielleicht teilweise zutreffen; nur teilweise deswegen, weil auch dort der Gründergewinn bereits einen Teil des Profits vorweggenommen hat, der in den Eisenbahnpreisen zum Ausdruck gelangen mußte.
 

2. Finanzierung der Aktiengesellschaften Aktiengesellschaften und Banken

Bei Gründung einer Aktiengesellschaft wird also das Aktienkapital so bemessen, daß der Profit des Unternehmens hinreicht, auf dieses Kapital eine Dividende zu verteilen, die für den einzelnen Aktienbesitzer den Zins auf sein ausgelegtes Kapital abwirft. [10]

Tritt eine Hochkonjunktur ein oder erlauben sonst günstige Umstände, später eine höhere Dividende zu verteilen, so wird der Kur« der Aktien steigen. Gesetzt, die Aktien eines Unternehmens stehen auf 100 bei einer Dividende von 6 Prozent, so werden sie auf 150 steigen, wenn die Dividende 9 Prozent beträgt. In der Verschiedenheit der Dividenden spiegeln sich also die verschiedenen Geschicke, die die individuellen Unternehmungen in ihrem weiteren Verlauf erfahren. Anderseits werden diese Verschiedenheiten ausgelöscht für die Neuerwerber von Aktien in der Erhöhung oder Erniedrigung des Kursstandes. [11]

Im Verlauf des Lebens einer Aktiengesellschaft kann die Differenz zwischen dem wirklich fungierenden Kapital und dem (fiktiven) Aktienkapital weiterwachsen. Wirft das Unternehmen viel höheren als den Durchschnittszins ab und ergibt sich die Notwendigkeit oder auch nur die Gelegenheit zu einer Kapitalserhöhung, so wird dieser höhere Ertrag bei der neuen Kapitalisierung zugrunde gelegt und das nominelle Aktienkapital weit über das fungierende Kapital hinaus vermehrt. Umgekehrt ist es auch möglich, das fungierende Kapital zu vermehren, ohne das nominelle Aktienkapital zu erhöhen. Das wird zum Beispiel der Fall sein, wenn der Reingewinn, statt als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet zu werden, ganz oder teilweise für den Betrieb des Unternehmens verwendet wird. Da eine solche Verwendung Steigerung des künftigen Ertrages verspricht, wird gleichzeitig eine Erhöhung im Kurswert des Aktienkapitals eintreten.

Abgesehen davon werden Änderungen im Kurswert unabhängig von Änderungen im Ertrag und in der Vermehrung oder Verminderung des wirklich fungierenden Kapitals sich ergehen durch Änderungen in der allgemeinen Zinsrate. Ein länger dauernder niedriger Zinsfuß läßt den Kurswert des Aktienkapitals ceteris paribus anschwellen, ein hoher ihn kontrahieren.

Aus der Bildung der Dividende geht bereits hervor, daß es keine Durchschnittsdividende weder nach Art der Zinsrate noch nach Art der Profitrate gibt. Die Dividende ist ursprünglich gleich dem Zins plus einer Risikoprämie, kann im Lauf der Entwicklung aber sowohl geringer als höher werden und dauernd so bleiben, da ja hier die Ausgleichung durch die Konkurrenz nicht wie bei der Zins- und Profitrate bei dem Erträgnis, sondern nur beim Aktienkurs einsetzt.

Der Kurswert des Aktienkapitals ist also stets größer als der Wert der unter normalen Bedingungen fungierenden, das heißt den Durchschnittsprofit bringenden Kapitals. Anderseits den Ertrag des Unternehmens und den Zinsfuß gegeben, hängt der Kurswert des Aktienkapitals ab von der Menge der ausgegebenen Aktien. Das gesamte Aktienkapital eines Unternehmens, in dem das produktive Kapital 1 Million Mark beträgt und das 200.000 Mark Profit bringt, wird einen Kurswert von 4 Millionen Mark haben, wenn der Zinsfuß 5 Prozent beträgt. Der Kurs einer Aktie von 1000 Mk. Nominalwert wird aber 4000 Mk. betragen, wenn 1 Million Mark Aktien, 2000, wenn 2 Millionen, 1000, wenn 4 Millionen, 500, wenn 8 Millionen Mark Aktien ausgegeben werden.

Ist das nominelle Aktienkapital so groß, daß sein Kurs bei der Emission unter den Nominalwert, unter pari, fällt, so spricht man von Verwässerung des Aktienkapitals. Es ist klar, daß diese Verwilderung zunächst etwas rein Rechnungsmäßiges ist. Gegeben ist das Erträgnis, und dieses bestimmt den Kurs des Gesamtaktienkapitals; aus je mehr einzelnen Stücken sich dieses zusammensetzt, ein desto kleinerer aliquoter Teil entfällt natürlich auf das einzelne Stück. Die Verwässerung hat nichts zu schaffen mit dem Gründergewinn, der vielmehr bei jeder Aktiengesellschaftsgründung aus der Verwandlung von produktivem, profittragendem Kapital in fiktives, zinstragendes Kapital entsteht. In der Tat ist die Verwässerung nichts Wesentliches und kann daher in der Regel durch Gesetz gehindert werden, im Gegensatz zum Gründergewinn. Die Bestimmung des deutschen Aktiengesetzes, daß das Agio der Aktie den Reserven zufallen muß, hat nur bewirkt, daß die Aktie pari oder mit geringem Agio an ein Bankkonsortium begehen wird und von diesem mit Gewinn (Gründergewinn) an das Publikum verkauft wird.

Die Verwässerung ist aber unter Umständen ein geeignetes finanztechnisches Mittel, um den Anteil der Gründer über dort Gründergewinn hinaus zu steigern. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel werden bei den großen Gründungen gewöhnlich zweierlei Arten Aktien ausgegeben, die preferred shares (Vorzugsaktien) und die common shares (gewöhnliche Aktien). Die preferred shares sind in ihrer Verzinsung limitiert, sie tragen meist 5 bis 7 Prozent. Sie sind zugleich häufig kumulativ, das heißt, wenn in einem Jahre nicht die ganze Dividende, auf die sie Anspruch haben, gezahlt wird, so haben sie das Recht auf Nachzahlung aus den Erträgnissen der folgenden Jahre. Erst nach Befriedigung der preferred shares können Dividenden auf die commons verteilt werden. Der Betrag der preferred shares wird bei der Gründung gewöhnlich so bemessen, daß er größer ist als das wirklich zur Funktion benötigte Kapital. In den preferred shares steckt schon der größte Teil des Gründergewinnes. Dazu kommen dann die common shares meist in annähernd gleichem Betrag. Ihr Kurswert ist gewöhnlich ursprünglich sehr gering; preferred und commons zusammen stehen meist etwas über pari. Aber diese commons bleiben einmal zum großen Teil in den Händen der Gründer und erleichtern ihnen die Sicherung der Majorität. [12] Zweitens: die preferred werden bei den solideren Gründungen so ziemlich verzinst; der Anteil der commons dagegen ist völlig unbestimmt, in ihnen vor allem kommt die Gestaltung der Konjunktur zum Ausdruck; ihr Ertrag schwankt außerordentlich; sie sind daher beliebtes Spekulationspapier; die Kursschwankungen können aber von den eingeweihten Großaktionären, denen sie nichts gekostet haben, zu gewinnreicher Spekulation ausgenützt werden. Drittens aber sichert diese Finanzierungsmethode den durch die Gründung zu erwartenden Extraprofit und den Ertrag aller künftigen Errungenschaften und günstigen Konjunkturen den Gründern, den Besitzern der common shares, während der Gewinn des Publikums, das die preferred besitzt, auf eine feste, den Zins nicht allzu hoch überschreitende Grenze gesetzt ist. Schließlich wird dadurch bis zu einem gewissen Punkte der wirkliche Stand des Unternehmens [13] verhüllt, und dieses Dunkel kann leicht zu schwindelhaften Operationen ausgenützt werden. Doch hat die Überkapitalisierung keineswegs einen Einfluß auf die Preise. Es ist eine merkwürdige Vorstellung, daß, weil das fiktive Kapital nominell angeschwollen ist, die Preisgesetze irgendwie alteriert sein können. Daß ein großes Aktienkapital den Wunsch erzeugt, hohe Preise möchten seine Verzinsung gestatten, ist selbstverständlich. Aber das Kapital kann auch auf 0 abgeschrieben sein, und kein Kapitalist wird billiger verkaufen, als er muß, sei er Gebieter eines Privatunternehmens, einer einfachen Aktiengesellschaft oder eines Trusts.

Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft von Kapitalisten. Sie wird konstituiert durch die Einzahlung des Kapitals; der Grad, an dem jeder Kapitalist an der Konstituierung teilhat, ist gegeben durch die Größe des von ihm beigesteuerten Kapitals; sein Stimmrecht respektive seine Verfügungsgewalt richtet sich daher naturgemäß nach der Größe seiner Einzahlung. Der Kapitalist ist ja Kapitalist nur, soweit er Kapital hat, unterscheidet sich nur quantitativ von jedem anderen Kapitalisten. Damit ist aber die Verfügungsgewalt über das gesamte Unternehmen in die Hand der Besitzer der Majorität des Aktienkapitals gegeben. Um über die Aktiengesellschaft verfügen zu können, ist also nur die Hälfte des Kapitals notwendig, nicht wie bei der Verfügung über das Privatunterrnehmen der Besitz des Gesamtkapitals. Dies verdoppelt die Macht großer Kapitalisten. Ein Kapitalist, der sein Privatunternehmen (vom Kredit abgesehen) in eine Aktiengesellschaft verwandelt, braucht, um die volle Verfügungsgewalt zu behalten, mir sein halbes Kapital. Die andere Hälfte wird frei und kann aus diesem Unternehmen zurückgezogen werden. Freilich geht dann die Dividende auf diese Hälfte verloren. Jedoch ist die Verfügungsgewalt über das fremde Kapital von größter Wichtigkeit und die Beherrschung des Unternehmens, abgesehen von allem anderen, von größter Bedeutung für die Beeinflussung der Eigentumsbewegung der Aktien auf der Börse.

In der Praxis ist aber der Kapitalbetrag, der zur Beherrschung der Aktiengesellschaft ausreicht, gewöhnlich noch geringer, beträgt bloß ein Drittel bis ein Viertel des Kapitals und weniger. Der Beherrscher der Aktiengesellschaft verfügt aber über das andere, fremde Kapital wie über sein eigenes. Diese Art der Verfügung deckt sich keineswegs mit der Verfügung über fremdes Kapital überhaupt. Ist in der kapitalistischen entwickelten Gesellschaft jedes eigene Kapital durch die Entwicklung des Kredits zugleich Exponent fremden ausgeliehenen Kapitals – und von der Größe des eigenen Kapitals hängt unter sonst gleichen Umständen die Größe des Kredits ab, die noch rascher wächst als die Größe des Eigenkapitals –, so wird das Eigenkapital des Großaktionärs in doppelter Hinsicht ein solcher Exponent. Sein Kapital hat die Verfügung über das der übrigen Aktionäre, und die gesamte Kapitalskraft des Unternehmens wird wieder die Attraktion für fremdes Kapital, Leihkapital, das das Unternehmen aufnimmt.

Von noch viel größerer Wucht aber wird das eine Aktiengesellschaft beherrschende Großkapital, wenn es sich nicht mehr um eine einzelne Aktiengesellschaft, sondern um ein System voneinander abhängiger Gesellschaften handelt. Gesetzt, Kapitalist N beherrsche mit 5 Millionen Aktienbesitz die Aktiengesellschaft A, deren Aktienkapital 9 Millionen betrage. Diese Gesellschaft gründe eine Tochtergesellschaft B mit 30 Millionen Aktienkapital, von denen sie 16 Millionen im Portefeuille behält. Um das Geld für diese 16 Millionen einzahlen zu können, gäbe A für 16 Millionen festverzinsliche Obligationen aus, die kein Stimmrecht besitzen. N beherrscht jetzt mit seinen 5 Millionen beide Gesellschaften, also ein Kapital von 39 Millionen. A und B können jetzt nach denselben Prinzipien neue Gesellschaften gründen, so daß N mit einem verhältnismäßig geringen Kapital das Kommando über außerordentlich große fremde Kapitalssummen erhält. Mit der Entwicklung des Aktienwesens bildet sich eine eigene Finanztechnik aus, deren Aufgabe es ist, möglichst geringem eigenem Kapital die Beherrschung möglichst großen fremden Kapitals zu sichern. Ihre Vollendung hat diese Technik bei der Finanzierung amerikanischer Eisenbahnsysteme erlahren. [14]

Mit der Entwicklung der Aktiengesellschaften einerseits, mit der wachsenden Eigentumskonzentration anderseits wächst die Zahl der Großkapitalisten, die ihr Kapitell in verschiedenen Aktiengesellschaften angelegt haben. Starker Aktienbesitz gibt aber die Macht, sich in der Leitung der Gesellschaft vertreten zu lassen. Als Mitglied des Aufsichtsrates erhält der Großaktionär in Form der Tantiemen erstens einen Anteil am Profit [15], zweitens Gelegenheit, auf die Verwaltung des Unternehmens Einfluß zu nehmen oder aber die Kenntnis von den Vorgängen im Unternehmen auszunützen, sei es zu spekulativen, sei es zu anderen geschäftlichen Transaktionen. Es bildet sich ein Kreis von Personen heraus, die vermögen ihrer eigenen Kapitalsmacht oder aber als Vertreter der konzentrierten Macht fremden Kapitals (Bankdirektoren) als Aufsichtsräte in einer großen Anzahl von Aktiengesellschaften vertreten sind. Es entsteht so eine Art von Personalunion [16], einmal zwischen den verschiedenen Aktiengesellschaften untereinander und sodann zwischen diesen und den Banken, ein Umstand, der für die Politik dieser Gesellschaften von größtem Einfluß sein muß, weil zwischen den verschiedenen Gesellschaften ein gemeinsames Besitzinteresse sich bildet.

Um die Konzentration der Kapitale in einem Unternehmen durchzuführen, sammelt die Aktiengesellschaft ihr Kapital aus einzelnen Kapitalstücken, jedes für sich genommen vielleicht zu klein, um industriell – sei es überhaupt, sei es namentlich in den Industriezweigen, deren Domäne die Aktiengesellschaft ist – zu fungieren. Es ist aber zu beachten, daß in den Anfängen der Aktiengesellschaft diese Sammlung meist durch direkten Appell an die Einzelkapitalisten geschieht. Im Fortgang der Entwicklung aber sind die Einzelkapitale bereits gesammelt und konzentriert in den Banken. Der Appell an den Geldmarkt geht daher durch die Vermittlung der Banken.

Keine Bank kann daran denken, das Kapital eines Privatunternehmers aufbringen zu wollen. Diesem kann sie in der Regel wesentlich nur „Zahlungskredit“ leisten. Anders bei der Aktiengesellschaft. Hier das Kapital aufbringen, heißt für die Bank nichts anderes als es vorschießen, in Anteile zerlegen und durch Verkauf dieser Anteile das Kapital zurückerhalten, also ein der Form nach reines Geldgeschäft G–G′ machen. Es ist die Übertragbarkeit und Negotiabilität dieser Kapitalscheine, die das Wesen der Aktiengesellschaft ausmacht, die dann der Bank die Möglichkeit der „Gründung“ und damit der schließlichen Beherrschung der Aktiengesellschaft gibt. Ebenso ist hier die Möglichkeit der Bankschulden viel größer als im Privatbetrieb. Dieser muß im allgemeinen diese Schulden aus den Erträgnissen decken können, und diese Schulden haben daher eine enge Grenze. Gerade deswegen, wegen ihrer relativen Kleinheit, lassen sie aber den Privatunternehmer ziemlich unabhängig. Bei der Aktiengesellschaft besteht aber die Möglichkeit, diese Bankschulden nicht nur aus den laufenden Erträgnissen, sondern durch Vergrößerung des Kapitals decken zu können, durch Emission von Aktien oder Obligationen, deren Ausgabe für die Bank dann noch den Gründungsgewinn abwirft. Die Bank kann daher der Aktiengesellschaft mit größerer Sicherheit wie dem Privatunternehmen größeren Kredit einräumen, vor allem aber andersartigen Kredit, Kredit nicht nur zur Zahlungsvermittlung, also Zirkulationskredit, sondern zur Ergänzung fehlenden Betriebskapitals, also Kapitalkredit. Denn die Bank vermag, falls es ihr nötig erscheint, diese Kreditgewährung dadurch einzuschränken, daß dem Unternehmen durch Neuemission von Aktien oder Obligationen neues Kapital zugeführt wird. [17]

Die Bank kann aber der Aktiengesellschaft nicht nur in höherem Maße Kredit gewähren als dem Privatunternehmen, sie kann auch einen Teil ihres Geldkapitals für kürzere oder längere Zeit in Aktien anlegen. In allen Fällen aber entsteht ein dauerndes Interesse der Bank an der Aktiengesellschaft, die einerseits von der Bank kontrolliert werden muß, um die richtige Verwendung des Kredits zu gewährleisten, anderseits von der Bank möglichst beherrscht werden muß, um all die gewinnbringenden finanziellen Transaktionen der Bank zu sichern.

Aus diesen Interessen der Banken entspringt das Bestreben, die Aktiengesellschaften, an denen sie interessiert sind, dauernd zu überwachen, was am besten durch die Vertretung im Aufsichtsrat geschehen kann. Diese Vertretung gewährt zugleich die Garantie, daß die Gesellschaft auch alle übrigen finanziellen Transaktionen, die miz dem Emissionsgeschäft zusammenhängen, durch die Bank besorgen läßt. Anderseits sucht die Bank, um das Risiko zu verteilen und ihren Geschäftskreis zu erweitern, mit möglichst viel Gesellschaften zu arbeiten und damit zugleich auch in deren Aufsichtsrat vertreten zu sein. Die Verfügung über Aktienbesitz gibt ihr die Möglichkeit, eventuell auch in ursprünglich widerstrebenden Gesellschaften eine Vertretung durchzusetzen. So entsteht hieraus eine Tendenz zur Kumulierung solcher Aufsichtsratsstellen. [18]

Eine besondere Rolle spielen die Vertreter der Industrie in den Aufsichtsräten; hier handelt es sich um Anknüpfung von Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Gesellschaften. So wenn der Vertreter eines Eisenwerkes im Aufsichtsrat einer Kohlenzeche sitzt und darauf hinwirkt, daß das Eisenwerk seine Kohle von dieser Zeche bezieht.

Diese Personalunion, die zugleich eine Kumulierung von Aufsichtsratsstellen in der Hand einer kleinen Anzahl von Großkapitalisten bedeutet, wird wichtig, sobald sie Vorläufer oder Beförderer engerer organisatorischer Verbindung zwischen bisher voneinander unabhängigen Gesellschaften wird. [19]
 

3. Aktiengesellschaft und Individualunternehmung

Die Aktiengesellschaft appelliert also bei ihrer Gründung nicht an die relativ schmale Schicht der fungierenden und funktionsfähigen Kapitalisten, die die Eigentumsfunktion mit der Unternehmeerfunktion vereinigen müssen. Sie ist von diesen persönlichen Qualitäten von vorhinein unabhängig und bleibt es während ihres Bestehens. Tod, Erbteilung usw. ihrer Besitzer üben auf sie keinen Einfluß. Aber dies ist kein entscheidender Unterschied gegenüber der Individualunternehmung, die von einem gewissen Grad der Entwicklung an die persönlichen Qualitäten, die ihrem Eigentümer abgehen, durch die bezahlter Angestellter ersetzen kann. Praktisch bedeutungslos ist auch ein anderer Gegensatz, der in der Literatur zwischen Aktiengesellschaft und Privatunternehmen gemacht wird; danach schalte einmal ein subjektiv voll verantwortlicher, ganz unabhängiger Unternehmer, der aber auch voll interessiert sei, während das anderemal eine Menge wenig unterrichteter, einflußloser Unternehmer (Aktionäre) gebiete, die nur zum Teil interessiert seien und nichts von der Leitung verstünden. Denn die Aktiengesellhaften, und gerade die wichtigsten, erträgnisreichsten und bahnbrechendsten, werden von einer Oligarchie oder sogar nur von einem Großkapitalisten (oder einer Bank) beherrscht, die in Wirklichkeit ebenfalls voll interessiert und von der Masse kleiner Aktionäre unabhängig sind. Dazu kommt, daß die Leiter, die Spitzen der industriellen Bürokratie, sowohl durch die Tantiemen als auch, und vor allem, durch in der Regel ausgedehnten Aktienbesitz an dem Unternehmen interessiert sind.

Viel wichtiger ist der sachliche Unterschied: der Appell an den Geldmarkt ist ein Generalappell an alles, was Geld hat, Geld hier zugleich als Verfügung über Kredit genommen. Die Aktiengesellschaft ist unabhängig von der Größe des Einzelkapitals, das in einer Hand erst vereinigt sein muß, um als Industriekapital eines Privatunternehmens fungieren zu können. Es ist nicht nur der Kreis der Personen erweitert – Geldkapitalist kann jeder sein, der Geld hat sondern es ist jetzt auch jede Geldsumme über ein gewisses Minimum hinaus (das bekanntlich bloß ein paar Schillinge zu betragen braucht) befähigt, in einer Aktiengesellschaft mit anderen vereinigt und als industrielles Kapital angewendet zu werden. Das gibt der Aktiengesellschaft von vornherein eine ganz andere Leichtigkeit der Gründung als dem Privatunternehmen und der schon bestehenden eine viel größere Expansionskraft.

In dieser Eigenschaft der Zusammenfassung von Kapital erfüllen die Aktiengesellschaften eine ähnliche Funktion wie die Banken. Der Unterschied ist der: Das in den Banken angesammelte Kapital behält die ursprüngliche Form von Geldkapital bei und wird durch den Kredit nach seiner Zusammenfassung der Produktion zur Verfügung gestellt. Bei den Aktiengesellschaften wird das zersplitterte Geldkapital vereinigt in der Form des fiktiven Kapitals. Man darf übrigens nicht meinen, daß die Zusammenfassung kleiner Kapitalien, die nur Bruchstücke großer zu sein brauchen, dasselbe ist wie die Beteiligung kleiner Kapitalisten. Die kleinen Kapitale können recht großen Kapitalisten gehören. Kleine Kapitalien kleiner Kapitalisten werden mehr durch die Banken als durch die Aktiengesellschaft vereinigt.

Zu der Leichtigkeit der Kapitalbeschaffung gesellt sich die Leichtigkeit der Akkumulation. Beim Privatunternehmen muß die Akkumulation aus dem Profit bestritten werden. Ein Teil des Profits, der nicht konsumiert wird, was von vornherein eine gewisse Größe des Unternehmens voraussetzt, wird als latentes Geldkapital angesammelt, bis seine Größe zur Neuanlage und Erweiterung des Betriebes ausreicht. Demgegenüber wird in der Aktiengesellschaft allerdings die Dividende zunächst an die Aktionäre weggezahlt. Aber auch hier ist die Möglichkeit vorhanden, Teile des Profits, namentlich bei hohen, über den Durchschnittszinssatz erheblich hinausgehenden Dividenden, zu akkumulieren. Aber vor allem wird die Erweiterung unabhängig von der eigentlichen Akkumulation aus den eigenen Erträgnissen des Betriebes und kann direkt durch Kapitalsvermehrung vollzogen werden. Die Schranke des Wachstums des Privatbetriebes – die Größe des im Betriebe selbst erzeugten Profits – ist gefallen. Die Wachstumsenergie der Aktiengesellschaft ist damit eine bedeutend größere als die der Privatunternehmung. Der Aktiengesellschaft steht für ihre Vergrößerung ebenso wie für ihre Gründung das gesamte freie Geldkapital zur Verfügung. Sie vergrößert sich nicht bloß aus der Akkumulation ihres eigenen Profits. Das gesamte akkumulierte und nun nach Verwertung strebende Geldkapital ist das Wasser, das sie auf ihre Mühle leiten kann. Die Schranken, die aus der individuellen Zerkleinerung des Kapitals unter seine gleichgültigen und zufälligen Träger entspringen, sind aufgehoben. Die Aktiengesellschaft appelliert unmittelbar an das vereinigte Kapital der Kapitalistenklasse.

Die Unabhängigkeit vom Einzelkapital macht die Größe der Unternehmung unabhängig von der Größe des bereits in einer einzigen Hand akkumulierten Reichtums und erlaubt ihr – ohne Rücksicht auf den bereits eingetretenen Grad der Vermögenskonzentration –, das Unternehmen auszuweiten. So werden durch die Aktiengesellschaft Unternehmungen erst möglich oder wenigstens in dem erforderlichen Umfang möglich, die durch die Größe ihres Kapitalerfordernisses dem Privatunternehmer unzugänglich waren, daher entweder unterblieben oder vom Staate ausgeführt werden mußten, also dem direkten Einfluß des Kapitals entzogen blieben. Das bedeutendste Beispiel bilden hier bekanntlich die Eisenbahnen, die am mächtigsten die Verbreitung der Aktiengesellschaften gefördert haben. Diese Bedeutung der Aktiengesellschaft, die persönliche Schranke des Eigentums zu sprengen, gleichsam nur durch die Größe nicht des persönlichen, sondern des gesellschaftlichen Kapitals [20] in ihrem Umfang beschränkt zu sein, hat namentlich in ihren Anfängen die größte Wichtigkeit.

Die Expansion des kapitalistischen Unternehmens, das Aktiengesellschaft geworden ist, kann jetzt, losgelöst von der Fessel des individuellen Eigentums, rein nach den Anforderungen der Technik erfolgen. Die Einführung neuer Maschinerie, die Aufnahme verwandter Produktionszweige, die Ausnützung von Patenten erfolgt nur mehr nach dem Gesichtspunkt ihrer technischen und ökonomischen Angemessenheit. Die Sorge um Aufbringung des nötigen Kapitals, die beim Privatunternehmen eine Hauptrolle spielt, seine Expansionskraft einschränkt, seine Schlagfertigkeit und stets Kriegsbereitschaft vermindert, tritt zurück. Konjunkturen können besser, gründlicher und rascher ausgenützt werden, ein wichtiger Gesichtspunkt namentlich dann, wenn die Dauer günstiger Konjunkturen sich verkürzen sollte. [21]

Die angeführten Momente werden von Bedeutung im Konkurrenzkampf. Wir haben gesehen, wie bei der Aktiengesellschaft die Leichtigkeit der Kapitalbeschaffung eine ganz andere ist als bei dem Privatunternehmen. Die Aktiengesellschaft hat so die Möglichkeit, die Einrichtung ihres Betriebes nach rein technischen Rücksichten zu treffen, während der Individualunternehmer dabei fortwährend an die Schranke stößt, die ihm die Größe seines Kapitals zieht. Dies gilt auch dann, wenn er Kredit benützt, da dessen Größe durch die Größe seines Eigenkapitals begrenzt ist. Die Aktiengesellschalt dagegen ist sowohl bei der Gründung als auch namentlich bei der Erweiterung und bei Neuanlagen an diese Schranke des persönlichen Eigentums nicht gebunden. Sie kann daher die besten und neuesten Errungenschaften sich aneignen und ist auch in dem Zeitpunkt, in dem sie Neuanlagen macht, viel unabhängiger als der Privatunternehmer, der warten muß, bis sein Profit akkumulationsfähige Größe erreicht hat. Die Aktiengesellschaft kann also technisch überlegen eingerichtet werden und, was fast ebenso wichtig ist, diese technische Überlegenheit stets festhalten. Das bedeutet aber auch, daß sie imstande ist, technische Errungenschaften, arbeitsparende Methoden anzuwenden, bevor sie allgemein geworden sind; die Aktiengesellschaft kann so gegenüber dem Privatunternehmen erstens auf größerer Stufenleiter, zweitens mit verbesserter und neuerer Technik arbeiten und wird so diesem gegenüber einen Extraprofit erzielen können.

Dazu kommt die große Überlegenheit, die die Aktiengesellschaft in der Benützung des Kredits vor dem Individualunternehmer voraus hat und auf die in diesem Zusammenhang noch kurz verwiesen werden muß.

Der Privatunternehmer wird in der Regel nur Kredit im Höchstbetrag seines zirkulierenden Kapitals in Anspruch nehmen können. Jede weitere Kreditgewährung würde das kreditierte Kapital in fixes industrielles Kapital verwandeln und ihm damit auch für den Leihkapitalisten de facto den Charakter von Leihkapital nehmen. Der Leihkapitalist würde einfach verwandelt sein in einen industriellen Kapitalisten. Daher kann der Kredit an Privatunternehmer auch nur gewährt werden von Personen, die mit allen Verhältnissen und Geschäftsgebarungen der Industriellen vertraut sind. Der Kredit an das Privatunternehmen unterstellt den kleinen lokalen Bankbetrieb, den Privatbankier, als genauen Kenner der Geschäftsbeziehungen seiner Kunden.

Die Aktiengesellschaft erhält leichter Kredit, weil die Art ihror Organisation die Überwachung außerordentlich erleichtert durch einfache Delegierung eines Vertrauensmannes der Bank. Hier ist der Privatbankier auszuschalten durch einen Bankbeamten. Dann aber ist die Kreditgewährung an die Aktiengesellschaft in viel größerem Umfang möglich, da die Aktiengesellschaft sich leicht Kapital beschaffen kann. Es besteht nicht die Gefahr, daß der in Anspruch genommene Kredit immobilisiert wird. Selbst wenn er in der Tat von der Aktiengesellschaft zur Anschaffung von fixem Kapital benützt würde, kann die Aktiengesellschaft doch bei günstiger Gelegenheit ohne Rücksicht auf den wirklichen Rückfluß des fixen Kapitals durch Ausgabe von Aktien das Kapital mobilisieren und es zur Rückzahlung der Bankschulden verwenden. In der Tat auch ein alltäglicher Umstand. Beide Umstände aber, die leichtere Beaufsichtigung und der Wegfall der Kreditbeschränkung auf das zirkulierende Kapital, geben der Aktiengesellschaft die Möglichkeit weit stärkerer Kreditbenützung und damit eine neue Überlegenheit im Konkurrenzkampf.

Die ökonomische Überlegenheit der leichteren Kapitalbeschaffung bei der Gründung und der leichteren Ausdehnungsfähigkeit bringt so eine technische Überlegenheit mit sich.

Die Aktiengesellschaft ist aber vermöge ihrer Konstitution auch Überlegen im Preiskampf.

Wir haben gesehen, daß der Aktionär den Charakter des Geldkapitalisten hat, von seinem angelegten Kapital nur Zins erwartet. Trotz des Gründergewinnes, trotz Verringerung des Profits durch erhöhte Verwaltungskosten, Tantiemen usw. mag im Verlauf einer günstigen Entwicklung das Erträgnis den Zins weit übertreffen.

Dies gesteigerte Erträgnis braucht, wie wir gesehen haben, durchaus nicht immer den Aktionären zugute zu kommen. Ein Teil desselben mag zur Stärkung des Unternehmens, zur Reservenbildung verwendet werden, die dann in Krisenzeiten der Aktiengesellschaft einen stärkeren Rückhalt verschafft gegenüber dem Privatunternehmen. Gleichzeitig ermöglichen hohe Reserven eine stetigere Dividendenpolitik und erhöhen dadurch den Kurs der Aktien. Oder es kann aus diesem Erträgnis ein Teil akkumuliert, das wirklich fungierende, Profit produzierende Kapital also erhöht werden ohne Erhöhung des Nominalkapitals. Auch das steigert, und in noch höherem Maße als die Reservenbildung, den wirklichen Wert der Aktie. Diese Steigerung, die sich vielleicht erst in einem späteren Zeitpunkt manifestiert, kommt den großen und bleibenden Aktionären zugute, während die kleinen und häufig ausscheidenden Besitzer dazu mit dem Verlust eines Teiles ihres Gewinns beitragen mußten.

Tritt aber eine ungünstige Konjunktur ein und verschärft sich der Konkurrenzkampf, so kann eine Aktiengesellschaft, bei der durch eine solche Dividendenpolitik die ursprüngliche Differenz zwischen Aktienkapital und wirklich fungierendem Kapital stark vermindert oder völlig geschwunden ist, ihre Preise unter den Produktionspreis k + p reduzieren auf einen Preis = k + z (Kostpreis + Zins) und wird dann noch immer eine Dividende gleich oder wenig unter dem Durchschnittszins verteilen können.

Die Widerstandskraft der Aktiengesellschaft ist dadurch viel größer. Der Einzelunternehmer wird das Bestreben haben, den Durchschnittsprofit zu realisieren. Produziert er weniger, so wird er darauf bedacht sein, sein Kapital zurückzuziehen. Dies Bestreben ist bei der Aktiengesellschaft gar nicht in diesem Maße vorhanden, wenigstens nicht bei der Leitung, aber auch nicht bei den Besitzern. Der Privatunternehmer muß aus dem Erträgnis seinen Lebensunterhalt bestreiten; sinkt sein Profit unter eine gewisse Grenze, so werden ihm die Betriebsmittel ausgehen, da er einen Teil seines Kapitals zu seinem Unterhalt verbraucht. Er macht Bankrott. Anders die Aktiengesellschaft. Sie hat das Bestreben, das Aktienkapital zu verzinsen. Aber die Aktiengesellschaft kann überhaupt so lange bestehen, als sie nicht mit Verlust arbeitet. Der Zwang, mit Reinertrag zu arbeiten, besteht für sie überhaupt nicht [22], nämlich ein unmittelbar zur Katastrophe führender Zwang, der für den Einzelkapitalisten in der Verringerung seines Kapitals durch seinen Konsum und dem Unzureichendwerden seines Kapitals existiert. Dieser Zwang wirkt vielleicht auf den Aktionär und zwingt ihn, die Aktie zu verkaufen. Aber dieser Verkauf läßt das fungierende Kapital unberührt. Ist der Reingewinn nicht verschwunden, sondern nur geschmälert, so kann die Aktiengesellschaft auch auf die Dauer weiterbestehen. Ist der Reingewinn unter den Durchschnittssatz der Dividende gefallen, so wird der Preis der Aktie fallen. Die neuen Käufer ebenso wie die alten Besitzer berechnen jetzt das Erträgnis auf ein niedrigeres Kapital. Der Kurswert der Aktie ist gesunken, aber das Unternehmen, das vom Standpunkt des industriellen Kapitalisten unrentabel geworden, da es nicht mehr den Durchschnittsprofit erzeugt, ist für die neuen Käufer durchaus rentabel, und die alten Besitzer würden bei völliger Einstellung nur noch mehr verlieren. Aber auch die mit Verlust arbeitende Aktiengesellschaft ist widerstandsfähiger. Während der Privatunternehmer in diesem Falle gewöhnlich verloren, der Bankrott gewöhnlich unausbleiblich ist, kann die Aktiengesellschaft verhältnismäßig leicht „reorganisiert“ werden. Denn ihr macht es die Leichtigkeit der Kapitalbeschaffung eher möglich, die Summen aufzubringen, die zur Fortführung und Sanierung nötig sind. Die Aktionäre müssen in der Regel zustimmen. Im Aktienpreis ist ja dieser Stand des Unternehmens ausgedrückt. Sie müssen den tatsächlichen Verlust nur auch nominell ausdrücken. Das Aktienkapital wird herabgesetzt; das heißt, das Erträgnis verteilt sich auf ein geringeres Kapital, ist diesem alsdann angemessen. Oder wenn kein Erträgnis da ist, so wird neues Kapital aufgebracht, das, mit dem minder bewerteten alten zusammengenommen, nunmehr genügenden Ertrag abwirft. Nebenbei sei bemerkt, daß diese Sanierungen und Reorganisationen für die Banken von doppelter Bedeutung sind: erstens als gewinnbringendes Geschäft und zweitens als eine Gelegenheit, solche notleidenden Gesellschaften von sich in Abhängigkeit zu bringen.

Die Trennung des Kapitaleigentums von seiner Funktion ist auch auf die Führung des Betriebes von Einfluß. Für die Leiter der Aktiengesellschaft können bis zu einem gewissen Grade die Interessen des Eigentümers auf Erzielung eines möglichst großen und raschen Profits, der Drang zum Raubbau, der in jeder Kapitalistenseele schlummert, zurücktreten hinter die rein technischen Erfordernisse, die der Betrieb stellt. Sie werden in energischerer Art als es der Privatunternehmer tut, die Ausgestaltung des Betriebes, die Modernisierung veralteter Einrichtungen, auch die Führung des Konkurrenzkampfes um Eroberung neuer Gebiete betreiben, trotz der Opfer, die die Befriedigung ihrer Forderungen die Aktionäre kostet. Es wird bei der Verwaltung des fremden Kapitals ein energischerer, kühnerer und rationellerer, von persönlichen Rücksichten freierer Zug sich geltend machen, um so mehr, als eine solche Politik auch die Zustimmung der großen, herrschenden Aktionäre in der Regel finden wird, die die vorübergehenden Einschränkungen ihres Profits leicht ertragen können, während sie schließlich in erhöhtem Kurs und erhöhtem Profit auch die Früchte der Opfer einheimsen, die die kleinen Aktionäre, die schon längst ihren Besitz veräußert haben, gleichfalls bringen mußten.

Die Aktiengesellschaft ist darin dem Individualunternehmen überlegen, daß bei ihr die rein ökonomischen Bedingungen und Bedürfnisse sich durchsetzen auch gegen die Bedingungen des individuellen Eigentums, die unter Umständen in Widerspruch zu den technisch-ökonomischen Erfordernissen geraten können.

Die Konzentrationsbewegung des Kapitals wird ständig begleitet von der Loslösung von Kapitalteilen, die als neue selbständige Kapitale fungieren.

„Eine große Rolle spielt dabei unter anderem die Teilung des Vermögens in Kapitalistenfamilien ... Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andrerseits als Repulsion vieler individueller Kapitale voneinander.“ [23]

Mit der Ausdehnung des Aktienwesens löst sich so die ökonomische Entwicklung los von den individuellen Zufälligkeiten der Eigentumsbewegung, die in dem Schicksal der Aktien, nicht der Aktiengesellschaft, erscheint. Die Konzentration der Unternehmungen kann also rascher erfolgen als die Zentralisation des Eigentum». Beide Bewegungen haben ihre eigenen Gesetze. Doch ist die Konzentrationstendenz bei beiden vorhanden. Bei der Eigentumsbewegung erscheint sie nur zufälliger und weniger zwingend und wird auch in der Tat oft durch Zufälligkeiten durchkreuzt. Es ist dieser Schein, der manche veranlaßt, von einer Demokratisierung des Eigentums durch die Aktie zu reden. Die Trennung der industriellen Konzentrationsbewegung von der Eigentumsbewegung ist wichtig, weil dadurch die erstere nur mehr den technisch-ökonomischen Gesetzen zu folgen braucht, unabhängig von der Schranke des individuellen Eigentums. Diese Konzentration, die nicht zugleich Eigentumskonzentration ist, muß unterschieden werden von der Konzentration und Zentralisation [24], die durch Eigentumsbewegung und mit ihr zugleich erfolgt.

Durch die Verwandlung des Eigentums in Aktieneigentum wird der Eigentümer zum Eigentümer minderen Rechts. Als Aktienbesitzer ist er abhängig von den Entschlüssen aller anderen Aktienbesitzer; er ist nur ein Glied (wenn auch nicht gerade immer ein dienendes) einer Gesamtheit. Mit der Ausdehnung des Aktienwesens wird so das kapitalistische Eigentum immer mehr zu solchem beschränkten Eigentum, das dem Kapitalisten nur einen bloßen Mehrwertstitel gibt, ohne ihm zu erlauben, entscheidend in den Gang der Produktion einzugreifen. Diese Beschränkung gibt aber zugleich dem Besitzer der Aktienmajorität die unumschränkte Herrschaft über die Minorität, und so wird das Eigentum der größten Zahl der kleinen Kapitalisten immer mehr beschränkt, die unumschränkte Verfügung über die Produktion beseitigt, der Kreis der Produktionsbeherrscher stets enger; die Kapitalisten bilden eine Gesellschaft, in deren Leitung die meisten von ihnen nichts dreinzureden haben. Die wirkliche Verfügung über das Produktionskapital steht Leuten zu, die nur einen Teil desselben wirklich beigesteuert haben. Die Besitzer der Produktionsmittel existieren nicht mehr als einzelne, sondern sie bilden eine Gesellschaft, von der der einzelne nur die Forderung auf den aliquoten Teil des Erträgnisses hat.
 

4. Die Emissionstätigkeit

Als Vermittler des Wechselverkehrs substituieren die Banken Bankkredit dem kommerziellen Kredit. Als Vermittler der Verwandlung von brachliegendem Geld in Geldkapital führen die Banken den produktiven Kapitalisten neues Kapital zu. In einer dritten Funktion führen die Banken gleichfalls den Produktiven Kapital zu, aber nicht, indem sie es ihnen leihen, sondern indem sie Geldkapital in industrielles Kapital und in fiktives Kapital verwandeln und diese Umwandlung selbst vornehmen. Einerseits führt die Entwicklung immer mehr dazu, daß alles Geld in den Banken zusammenströmt und nur durch ihre Vermittlung in Geldkapital verwandelt werden kann. Anderseits hört durch die Verwandlung des Bankkapitals in industrielles das Kapital auf, in Geldform zu existieren, und hört damit auf, geeigneter Bestandteil des Bankkapitals zu sein. Diesen Widerspruch löst die Mobilisierung des Kapitals, seine Verwandlung in fiktives Kapital, in kapitalisierte Erträgnisanweisungen. Da gleichzeitig mit dieser Verwandlung sich der Markt für diese Anweisungen entwickelt, sie damit jederzeit in Geld verwandelbar werden, können sie Bestandteil des Bankkapitals selbst werden. Die Bank geht hier kein Kreditverhältnis ein, sie realisiert auch keinen Zins. Die Bank stellt nur das zur Verwandlung in industrielles Kapital bestimmte Geldkapital in Form des fiktiven Kapitals dem Markt zur Verfügung. Dort wird das fiktive Kapital verkauft, und die Bank realisiert den Gründergewinn, der aus der Umwandlung des industriellen in fiktives Kapital entspringt. Der Ausdruck „Emissionskredit“ bezeichnet also kein Kredit Verhältnis, sondern bedeutet nur das mehr oder weniger begründete Vertrauen des Publikums, von der Bank nicht beschwindelt zu werden.

Diese Funktion der Bank, die Mobilisierung des Kapitals durchzuführen, entspringt aus ihrer Verfügung über das gesamte Geld der Gesellschaft. Zugleich bedingt diese Funktion ein großes eigenes Kapital der Bank. Das fiktive Kapital, der Schuldtitel, ist eine Ware sui generis, die erst durch Verkauf in Geld rückverwandelt wird. Dazu ist eine gewisse Zirkulationszeit nötig, während der das Kapital der Bank in dieser Ware festliegt. Zudem mag der Verkauf nicht in jedem Zeitpunkt möglich sein, während die Verpflichtungen der Bank stets in Geldform zu erfüllen sind. Es muß daher für diese Transaktionen stets der Bank Kapital zur Verfügung stehen, für das sie nicht verpflichtet ist, also eigenes Kapital; zugleich wächst mit der Entwicklung der industriellen Unternehmung die Größe der Transaktionen und damit die Notwendigkeit der Vergrößerung des Bankkapitals. [25]

Je stärker die Bankenmacht, desto vollständiger gelingt die Reduktion der Dividende auf den Zins, desto vollständiger fällt der Gründergewinn der Bank zu. Umgekehrt wird es starken und gefestigten Unternehmungen gelingen, bei Kapitalserhöhungen selbst einen Teil des Gründergewinns dem eigenen Unternehmen zu sichern. Es entspinnt sich dann eine Art Kampf um die Verteilung des Gründergewinnes zwischen der Gesellschaft und der Bank und damit ein neues Motiv für die Bank, ihre Herrschaft über das Unternehmen zu sichern.

Es versteht sich von selbst, daß Gründergewinn nicht nur gemacht wird bei Gründungen im eigentlichen Sinne des Wortes, seien es völlige Neugründungen oder Umwandlungen bestehender Privatuternehmungen in Aktiengesellschaften. Gründergewinn im ökonomischen Sinne des Wortes kann ebenso bei jeder Kapitalserhöhung bestehender Aktiengesellschaften erzielt werden, vorausgesetzt, daß ihr Erträgnis mehr abwirft als bloßen Zins.

Zum Teil ist das, was als Sinken des Zinsfußes imponiert, nur die Golge der fortschreitenden Reduktion der Dividende auf Zins, während im Gründergewinn immer mehr der gesamte Unternehmergewinn kapitalisiert erscheint, ein Prozeß, der zur Voraussetzung hat eine verhältnismäßig hohe Entwicklung der Banken und ihrer Verbindung mit der Industrie sowie eine entsprechende Entwicklung des Marktes des fiktiven Kapitals, der Börse. Wenn in den siebziger Jahren in den Vereinigten Staaten der Zins für Eisenbahnobligationen 7 Prozent betrag gegen 3½ Prozent heute [26], so deswegen, weil heute der Teil, der in den 7 Prozent als Unternehmergewinn steckte, von den Gründern kapitalisiert wird. Dies ist auch deswegen wichtig, da es bedeutet, daß der Gründergewinn steigende Tendenz hat, weil der Ertrag für Aktien und Obligationen immer mehr auf den bloßen Zins reduziert wird. Dieser steigenden Tendenz des Gründergewinnes wirkt entgegen der Fall der Profitrate, doch darf man annehmen, daß dieser so oft unterbrochene Fall, dem so viele den Profit steigernde Gegenwirkungen gegenüberstehen, in seinem schließlichen Ergebnis die steigende Tendenz des Gründergewinnes nicht aufheben konnte, dieser also bis in die neueste Zeit steigende Richtung hatte, und zwar in den Ländern am stärksten, wo die Entwicklung von Bank und Börse am raschesten vor sich ging und der Einfluß der Banken auf die Industrie seine größte Vollendung erfuhr.

Während der Geldkapitalist durch Verleihen des Kapitals Zins erhält, erhält die Aktien emittierende Bank, die in diesem Fall nichts ausleiht, auch keinen Zins. Den Zins erhalten vielmehr die Besitzer der Aktien als Dividende. Der Bank fließt der Unternehmergewinn zu; aber nicht als jährliche Revenue, sondern kapitalisiert als Gründergewinn. Der Unternehmergewinn ist eine fortlaufende Einnahme, die aber der Bank im Gründergewinn ein für allemal ausbezahlt ist. Die Bank hat die kapitalistische Verteilung des Eigentums als ewig und unabänderlich gesetzt und eskomptiert im Gründergewinn diese Ewigkeit. Sie ist damit auch ein für allemal abgefunden und hat keinen Anspruch auf Entschädigung für die Aufhebung dieser Eigentumsverteilung. Sie hat ihren Lohn bereits dahin.


Anmerkungen

1. Dieses Gefühl leitete wohl auch Erwin Steinitzer, als er seine Schrift über die Aktiengesellschaft ÖkonomischeTheorie der Aktiengesellschaft (Leipzig, Duncker & Humblot, 1908) nannte. Jedoch sind die grundlegenden ökonomischen Besonderheiten der Aktiengesellschaften auch hier nicht erkannt. Die Schrift ist übrigens reich an treffenden und feinen Bemerkungen.

2. „Der Wert des Geldes oder der Waren als Kapital ist nicht bestimmt durch ihren Wert als Geld oder Waren, sondern durch das Quantum Mehrwert, das sie für ihren Besitzer produzieren.“ Marx, Kapital, III., 1., S. 340. (Neuausgabe S. 589. – Die Red.)

3. Der Zusammenhang des Aktienkurses mit dem Wert des produktiven Kapitals äußert sich nur mehr darin, daß der Kurs nicht tiefer sinken kann, als der Wertteil beträgt, der beim Bankrott des Unternehmens aus der Masse nach Befriedigung aller anderen Forderungen als aliquoter Teil auf die Aktie entfiele.

4. Briefe und sozialpolitische Aufsätze von Dr. Rodbertus-Jagetzow. Herausgegeben von Dr. Rudolf Meyer, Berlin 1880, I., S. 259.

5. Das ist übrigens falsch: Aktiengesellschaft ist keine Betriebs-, sondern Unternehmungsform.

6. Ebenda, I., S. 262.

7. Ebenda, I., S. 285.

8. Aber die revolutionierende Bedeutung der Aktiengesellschaft hat der konservative Sozialist richtig gefühlt: „Diese Betriebsform (seil, die Aktienunternehmung), die aus tausend Meinen Kapitalsquellen die Zuflüsse zu einem Strom zu verbinden weiß, hat eine Mission zu erfüllen. Sie hat Gottes Schöpfung zu supplieren, Landengen und Länder durchzustechen, wo der Allmächtige es vergessen oder noch nicht an der Zeit gehalten hat, vom Meer getrennte Länder unter dem Meeresgründe oder über der Meeresfläche zu verbinden, Alpen zu durchbohren usw. Der Pyramidenbau und die phönizischen Quadern reichen nicht an das, was das Aktienkapital noch zu schaffen hat.“ Soweit schwärmt Rodbertus nicht weniger romantisch als Zolas Saccard im L’Argent. Dann aber fährt er fort: „Aber ich, für meine Person, habe noch einen ganz besonderen ‚Schwarm‘ für sie. Und warum? Sie säubern mir meine Straße. Und wie sie sie säubern! Der gewöhnliche Freihandel ohne Aktienform ist nur ein miserabler Handbesen; der Freihandel mit Aktienform ist ein Dampfmaschinenbesen, der in zehn Jahren soviel reinfegt wie jener Samstagsbesen in hundert. Die Hand von den Aktienunternehmungen! Die Lösung der sozialen Frage bedarf dieser Straßenkehrer; denn auch ohne Innungsform bedarf sie einer Reinheit, als hätten die Tauben sie zusammengelesen.“ (Ebenda, I., S. 291.)

Ebenso ist die Bemerkung sehr fein: „Wie unter der Aktienform der Individualunternehmer wird auch der reine Leihkapitalist immer mehr verschwinden.“ (Ebenda, I., S. 286.)

Unerlaubt naiv ist die Darstellung Van Borghts im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Kapitel Aktiengesellschaften. „Aufgabe und Zweck gesellschaftlicher Unternehmungen kann sowohl die Ergänzung und Verstärkung der persönlichen Arbeitskraft, des Wissens und der Erfahrung des Unternehmers als auch die Verstärkung der Kapitalskraft sein.“ Das ist ebenso schön, als wenn einer in einem wissenschaftlichen Kochbuch dozierte: Aufgabe und Zweck des Zwetschkenknödels kann sowohl die Anregung und Vergnügen des Gaumens sein als auch der Köchin den Lohn zu verschaffen.

9. Marx, Kapital, III., 1., 27. Kapitel, S. 422 ff. (Neuausgabe S. 477/478. – Die Red.)

10. Ein Beispiel für die im Text gegebene schematische Darstellung: Das Berliner Tageblatt berichtet in der Abendausgabe vom 16. Mai 1908:

„In diesen Tagen wurden die Aktien der Köpenicker Nitritfabrik mit mehr als 80 Prozent Agio an der Börse eingeführt. Vom Jahre 1901 bis zum Jahre 1906 bestand dieses Unternehmen als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem bescheidenen Kapital von 300.000 Mk. Nach einigen verlustreichen Jahren erzielte die Gesellschaft mit beschränkter Haftung einmal einen Bruttogewinn von 100.000 Mk., ein zweitesmal einen solchen von 300.000 Mk. und zahlte 15.000 respektive 75.000 Mk. an Dividenden. Damit schien sie den Gründern prädestiniert für eine Aktiengesellschaft mit 1 Million Mark Grundkapital, in die die 300.000 Mk. Anteile der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu einem Preise von 900.000 Mk. wanderten. Um die Aktiva und Passiva der neuen Aktiengesellschaft balancieren zu lassen, mußten die Grundstücke, die bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit 60.000 Mk. zu Buch standen, von der Aktiengesellschaft mit 210.000 Mk. übernommen werden, der Gebäudewert wurde von 45.000 Mk. Auf 140.000 Mk. Und der Maschinen-, Apparate- und Utensilienwert von 246.000 Mk. auf 400.000 Mk. erhöht. Die neue Aktiengesellschaft hat jetzt zwei Geschäftsjahre hinter sich, für die sie 15 respektive 16 Prozent Dividende verteilte, obwohl das Grundstückskonto – ohne Berücksichtigung der Neuerwerbungen – noch immer eine Belastung von 200.000 Mk. und das Gebäudekonto eine Belastung von 150.000 Mk. zeigt. Nur beim Maschinen- und Utensilienkonto, dessen Werterhöhung am bedenklichsten erschien, ist eine Herabschreibung bis auf 250.000 Mk. vorgenommen worden. Die Fabrikation der Gesellschaft basiert auf zwei Patenten, von denen das eine bereits in einem Jahr abläuft, das andere von seinem Erfindei für 50.000 Mk. an die Aktiengesellschaft verkauft wurde. Und diese Grundlagen genügten den Emissionshäusern, um einen Preis von 180 Prozent zu stipulieren, das heißt, sie ließen sich für die ehemaligen 300.000 Mk. Anteile, die zuzüglich einer Barzahlung von 100.000 Mk. das Fundament der Aktiengesellschaft bilden, l.800.000 Mk. zahlen!“

Der Gründergewinn ist hier noch vermehrt, weil das Unternehmen durch die Ausbeutung der Patente Extraprofit macht, der natürlich gleichfalls kapitalisiert wird.

11. Daß das in Aktien ausgelegte Kapital seinem Besitzer bei der ersten oder bei Neuanlage eine Dividende bringt, die nur wenig über den durchschnittlichen Zinssatz sich erhebt, beweist folgende Tabelle, die wir dem Berliner Tageblatt vom 1. Juni 1907 entnehmen. Der Diskont der Reichsbank betrug damals 5½ Prozent.

 

Kurs vom 30. Mai
Prozent

Dividende
Prozent

Rentabilität
Prozent

Berliner Handelsgesellschaft

150,75

  9   

5,97

Darmstädter Bank

129,30

  6   

6,18

Deutsche Bank

223,60

12   

5,36

Diskontogesellschaft

109, – 

  9   

5,32

Dresdner Bank

141, – 

   8½

6,02

Nationalbank

121,50

   7½

6,17

Bochumer Gußstahl

224,25

15   

6,68

Laurahütte

225,30

12   

5,32

Harpener Bergbau

207,60

11   

5,29

Gelsenkirchner Bergwerk

195,50

11   

5,62

Phönix Bergbau

205,30

15   

7,30

Rombacher Hüttenwerke

204,50

14   

6,84

Donnersmarckhütte

264,50

14   

5,29

Eisenwerk Kraft

166, – 

11   

6,62

Eisenhütte Thale, Vorzugsaktien .

123, – 

  9   

7,31

Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft

198,50

11   

5,54

Lahmeyer Elektrizität

122, – 

  6   

6,55

Hofmann Waggonfabrik

335, – 

22   

6,56

Gaggenauer Eisenwerk

105, – 

  8   

7,61

Schering Chemische Fabriken

263, – 

17   

6,46

Chemische Fabrik Oranienburg

184,50

10   

5,42

Schultheiss’ Brauerei

288,50

18   

6,23

Vereinsbrauerei, Aktien

210,50

12   

5,70

12. Dasselbe auch bei englischen Gründungen. Bei Schilderung einer Interessengemeinschaft; zwischen einem gemischten Roheisenwerk und einem Stahlwerk sagt Macrosty:

„It is to be observed, that while the aid of the public was called in to assist in the extension of the business (scil, durch Ausgabe von Obligationen, Vorzugsaktien), control lay solely with the vendors (die Firma Bill Bros. and Durman Long & Co.) so long as debenture interest and preference dividend were maintained. This is quite a common feature of British flotations, and it demands from the cautious investor a csreful scrutiny of the purchase conditions.“ Henry W. Macrosty, The Trust Movement in British Industry, London 1907, S. 27.

„In many cases the ordinary stock is held largely or solely by the original vendors in order that they may retain control, in which case the amount of the ordinary dividend is of less consequence to the public.“ Ebenda, S. 54.

Eine ähnliche Funktion wie die common shares – die Monopolisierung der günstigen Ergebnisse der Entwicklung der Aktiengesellschaft für die Gründer – hatten die sogenannten Gründerrechte des früheren deutschen (und österreichischen) Aktienrechts. Die Gründer bedangen sich gewisse Vorrechte, zum Beispiel bei Neuemissionen von Aktien aus, die ihnen etwa stets zum Parikurse angeboten werden mußten. Diese Festlegung geriet aber mit der Funktion der Mobilisierung des Kapitals in Widerspruch und wurde daher beseitigt. Das Berliner Tageblatt vom 24. September 1907 schreibt darüber:

„Wie ein Denkmal einer längst vergangenen Periode ragt in unsere Zeit die Institution der Gründerrechte hinein, die noch bei einer Reihe von Aktiengesellschaften besteht. Die Gründerrechte stammen aus einer Zeit, in der das Aktienrecht noch nicht die Entwicklung erreicht hat, auf der es heute steht. Früher galt es als zulässig, den Gründern eines Unternehmens dauernde Sondervorteile zu sichern, ein Zustand, der bei dem mobilen Charakter, der die Aktie innewohnt, als drückend und ungerechtfertigt empfunden werden mußte. Bereits die Aktiennovelle von 1884 legte Bresche in das System der Gründerrechte, völlig beseitigt werden diese für Neubildungen von Gesellschaften durch das Handelsgesetzbuch, das seit dem 1. Jänner 1900 Gültigkeit hat. Freilich hatte das neue Handelsgesetz keine rückwirkende Kraft, und so bestehen unverändert die Gründerrechte aus alter Zeit weiter und bringen sich, soweit sie nicht durch freiwillige Vereinbarungen abgelöst worden sind, gelegentlich den Aktionären von mit Gründerrechten ‚gesegneten‘ Gesellschaften recht unangenehm in Erinnerung ... Bei den Berliner Elektrizitätswerken – um eines der Schulbeispiele der Wirkung von Gründerrechten zu erwähnen – bestehen Vorrechte der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft dahin, daß diese jeweils die Hälfte der neu zu emittierenden Aktien zu pari übernehmen kann. Der Gewinn, der durch dieses Vorrecht der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft allein bei der Aktienemission der Berliner Elektrizitätswerke in den Jahren 1889, 1890, 1899 und 1904 zufloß, wird auf etwa 15 Millionen Mark geschätzt. Daß die Gründer respektive ihre Erben ihre wohlerworbenen Rechte geltend machen, wird man ihnen nicht verübeln können. Aber es hat sich doch gezeigt, daß die moderne Auffassung vom Aktienwesen mit Recht die Beseitigung der ewigen Gründervorteile verlangt.“

13. Das beste und größte Beispiel bietet die Geschichte des amerikanischen Stahltrusts. (Siehe Report of the Industrial Commission 1901, vol. XIII, S. XIV und XV.) Er vereinigte bereits überkapitalisierte Gesellschaften. Der Report berechnet den „wirklichen Wert“, indem er nur die preferred shares der konstituierenden Gesellschaften addiert, was in Wirklichkeit ein Aktienkapital ergäbe, das den Paristand einnehmen könnte, und kommt zu dem Resultat, daß 598.918.111 Dollar nur für „good will“ gerechnet sind. Noch bessere Vorstellung von der „Überkapitalisation“, genauer von der Differenz des wirklich fungierenden Kapitals und des Aktienkapitals, gibt folgende Angabe der Frankfurter Zeitung vom 29. März 1909: „Die Werke in Gary werden etwa 100 Millionen Dollar kosten und über 2 Millionen Tonnen Stahl liefern. Die anderen Werke des Trusts sind mit fast 1500 Millionen Dollar kapitalisiert und haben eine Leistungsfähigkeit von 10 Millionen Tonnen, Das Mißverhältnis springt in die Augen.“ Selbst wenn man berücksichtigt, daß in dieser Kapitalisation wertvoller Erzbesitz und andere Objekte eingeschlossen sind, bleibt das Mißverhältnis noch kolossal.

Das hat aber nicht gehindert, daß der Stahltrust stets die 7 Prozent Dividende auf die preferred shares zahlen konnte und daß auch die common shares in steigendem Maße Dividenden tragen. Der Trust wurde im Frühjahr 1901 gegründet. 1901 bis 1903 war günstige Konjunktur, und die common shares erhielten 4 Prozent Dividende; 1903 sank die Dividende auf 3 Prozent, 1904 und 1905 fiel die Dividende aus. Jedoch setzte 1905 bereits die Besserung in der Konjunktur ein, und der Stahltrust hätte gegen 43 Millionen Dollar zur Dividendenverteilung übrig gehabt, was die Ausschüttung von 8½ Prozent Dividende gestattet hätte. Aber der Trust verwendete diesen Betrag zu Abschreibungen, Neuinvestitionen und Reservebildung. 1906 wurden dann wieder 2 Prozent gezahlt.

Zu den Gewinnen des Stahltrusts stand aber diese Dividende in keinem in richtigen Verhältnis, denn das Jahr 1906 war sehr fett gewesen, und für Dividenden standen dem Stahltrust fast 100 Millionen Dollar zur Verfügung. Davon beanspruchte die Auszahlung auf die preferred shares etwa 25 Millionen Dollar. Was rechnerisch übrigblieb, waren 14,4 Prozent für die common shares. Während nun die Aktionäre nur 10.166.000 Dollar erhielten, wurden 5o Millionen Dollar für Neubauten auf gewandt (darunter figurierte die zweite rate für das Garystahlwerk mit 21½ Millionen Dollar), und außerdem wurde ein Surplusfonds mit 13 Millionen Dollar bedacht. Die gleiche Politik schlugen die Direktoren auch im Jahre 1907 ein. Es wurde noch mehr verdient als im Jahre 1906. Für die Besitzer der common shares stand ein Betrag zur Verfügung, der 15,6 Prozent Dividende entsprach. Wieder erhielten die Aktionäre nur 2 Prozent per Jahr, also ein halbes Prozent per Quartal. 54 Millionen Dollar wurden für Neubauten verwandt, davon 18½ Millionen Dollar für das Garywerk ausgesetzt. Das Surplus erhielt 25 Millionen Dollar. Das Jahr 1907 fiel nun wesentlich dürftiger als seine Vorgänger aus. Immerhin wurden auf die common shares des Stahltrusts noch etwas über 4 Prozent per Jahr verdient; die Besitzer erhielten tatsächlich nur 2 Prozent. Für Neubauten wurde nichts ausgeworfen, dagegen dem Surplus über 10 Millionen Dollar zugeführt, so daß dieses bei Jahresschluß 1908 auf zirka 153½ Millionen Dollar angewachsen war. Für das erste Quartal 1909, das im Vergleich mit der entsprechenden Vorjahrszeit wieder eine Besserung aufwies, gegenüber den beiden letzten Quartalen 1908 hauptsächlich infolge des Mitte Februar am amerikanischen Eisenmarkt erfolgten Preissturzes dagegen ein Verschlechterung zeigte, wurde auf die common shares wie seit 1906 um halbes Prozent Quartalsdividende gezahlt und über 3 Millionen Dollar dem Surplusbestande überwiesen. (Siehe Berliner Tageblatt vom 28. Juli 1909) Für das zweite Quartal 1909 erklärte der Stahltrust eine Quartalsdividende von ¾ Prozent, was einer dreiprozentigen Verzinsung entspricht, und für das dritte Quartal eine solche von 1 Prozent, also eine vierprozentige Verzinsung auf die common shares. Da die common shares zu einem großen Teil in den Händen der Gründer geblieben oder aber, soweit sie in die Hände der Spekulation übergegangen waren, zu deren beliebtesten Spielpapieren sie zählen, während und bald nach der Panik von 1907 zu niedrigsten Kursen von den Finanzgruppen zurückgekauft worden waren, ist diese Dividendenpolitik, die auf Kosten der Aktionäre den Gewinn jahrelang zurückhielt, um ihn im geeigneten Moment plötzlich auszuschütten, eine ungeheure Bereicherungsquelle für die den Stahltrust beherrschenden Finanzgruppen gewesen.

14. Die detaillierte Darstellung der Finanzierungstechnik fällt außerhalb des Rahmens vorliegender Arbeit. Doch wird folgendes typische Beispiel das Gesagte veranschaulichen, das die Finanzierung des Rock-Island-Bahnsystems darstellt. (Siehe Frankfurter Zeitung vom 6. Oktober 1909.) An der Spitze des Systems sieht eine Kontrollgesellschaft (Holding Company, das heißt eigentlich eine Aktien anderer Gesellschaften besitzende Gesellschaft), die Rock Island Company, ohne feste Verschuldung mit einem autorisierten Kapital von 54 Millionen Dollar preferred und 96 Millionen Dollar common stock. Wovon 49,129 Millionen Dollar beziehungsweise 89,733 Millionen Dollar emittiert sind. Die preferred Aktien allein besetzen das Stimmrecht. Diese Gesellschaft besitzt das gesamte Aktienkapital von 145 Millionen Dollar der Chicago Rock Island und Pacific Railroad Company, die außerdem eine feste Verschuldung von 70,199 Millionen Dollar 4prozentiger Collateral Trust Bonds und 17,361 Millionen Dollar 5prozentiger Collateral Trust Bonds besitzt. Dies sind Schuldscheine, zu deren Sicherheit andere Effekten bei Treuhändern als Pfand hinterlegt sind. (Siehe über die Collateral Trust Bonds Thomas L. Greene, Corporation Finance, New York 1906.) Diese Railroad Company erst besitzt zwei Bahngesellschaften: 1. Chicago Rock Island und Pacific Railway Company. Deren fundierte Schuld beträgt 197,850 Millionen Dollar; das Aktienkapital 74,859 Millionen Dollar, wovon 70,199 Millionen Dollar bei Treuhändern als Unterlage für die erwähnte Emission der 4prozentigen Collateral Trust Bonds der Railroad Company hinterlegt sind. 2. Die St. Louis und San Francisco Railroad Company mit einer fundierten Schuld von rund 227 Millionen Dollar. Das Aktienkapital besteht aus: 5 Millionen Dollar I. preferred stock, 16 Millionen Dollar II. preferred stock, 29 Millionen Dollar common stock, wovon 28,940 Millionen Dollar von der Rock Island Company erworben wurden. Diese gab für je 100 Dollar in Aktien 60 Dollar in eigenen Aktien und 60 Dollar in fünfprozentigen Collateral Trust Bonds der Chicago Rock Island und Pacific Railroad Company. Beide große Bahngesellschaften haben nun wieder ihre eigenen Untergesellschaften.

Der Zweck dieser kunstvollen Finanzierung ist klar. Die Kontrolle des ganzen gewaltigen Bahnsystems liegt bei den allein stimmberechtigten preferred shares der Rock Island Company. Zur Zeit ihrer Gründung 1902 betrug der Kurswert dieser Titres zwischen 40 und 70 Prozent. Für die 27 Millionen Dollar preferred shares, die zur Kontrolle nötig waren, brauchten die Gründer höchstens etwa 15 Millionen Dollar. Dieses Geld genügte um sie zu Beherrschern des ganzen Bahnnetzes zu machen.

15. Die Einnahmen aus Aufsichtsratsstellungen in Deutschland hat E. Loeb (Das Institut des Aufsichtsrates usw., Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, XXIII. Bd., 1902) für 1900 auf etwa 60 Millionen Mark geschätzt. In einer sehr eingehenden Untersuchung über die Aufsichtsräte der deutschen Aktiengesellschaften in der genannten Zeitschrift (3. Folge, XXXII. Bd., 1906, S. 92 ff.) schätzt Franz Eulenburg diese Summe auf zirka 70 Millionen Mark für 1906. Jede Aktiengesellschaft verteilt durchschnittlich 6/10 Prozent ihres Nominalkapitals als Tantieme, mithin erhält durchschnittlich jedes Aufsichtsratsmitglied 1/10 Prozent. Bei großen Gesellschaften ist natürlich dieser Betrag absolut größer, etwa 6000 bis 8000 Mark und mehr. So verteilten die Dresdner Bank 21.000, Felten & Guillaume 34.000, Dürkopp 10.000, Deutsche Bank 32.000, Hörder Bergwerke15.000, Gelsenkirchen 8700, Bayrische Hypothekenbank 13.000 Mk. als Tantiemen.

16. Die Personalunion ist Anfang oder Ende von zusammengehörigen Vereinigungen, die aus äußeren Gründen organisatorisch und institutionell getrennt sein müssen, die aber nur in der Zusammenfassung ihrer Kräfte in einer obersten gemeinsamen Leitung ihre volle Wirksamkeit entfalten können. Die Personalunion zwischen Österreich und Ungarn ist der Rest, der aus der Zeit der ehemaligen Verbindung beider Länder zurückgeblieben, und vielleicht nur so weit bedeutungsvoll, als er der Ausgangspunkt einer andersartigen Verbindung werden könnte. Die Vereinigung der wirtschaftlichen und politischen Organisationen der Arbeiterklasse durch Personalunion in ihrer obersten Leitung gestattet beiden erst volle Machtentfaltung. Dieselbe Erscheinung der Verbindung wirtschaftlicher und politischer Organisation finden wir beim deutschen Grundbesitz im Bund der Landwirte und besonders vollkommen ausgebildet bei den Organisationen der preußischen Polen.

17. Starke Bankschulden eines Privatunternehmens sind daher oft die Vorboten einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft.

18. Die Großbanken suchen „ihre Verbindungen mit industriellen Unternehmungen nach Ort und Gewerbeart möglichst vielseitig zu gestalten, die Ungleichheiten in der örtlichen und gewerblichen Verteilung, die sich aus der Geschichte der einzelnen Institute erklärt, mehr und mehr zu beseitigen. Damit geht Hand in Hand das Bestreben, die Industriebeziehungen zu fundieren auf die reguläre dauernde Geschäftsverbindung und ihnen Ausdruck und die Möglichkeit der Erweiterung und Vertiefung zu geben durch ein vereinigtes System der Besetzung von Aufsichtsratsstellen“. Jeidels, a. a. O., S. 180.

Jeidels gibt folgende Tabelle (für 1903): Es waren bei Aktiengesellschaften vertreten:

 

Die
Deutsche
Bank

mit

Diskonto-
Gesell-
schaft

Darm-
städter
Bank

Dresdner
Bank

Schaaff-
hausenscher
Bankverein

Berliner
Handels-
gesellschaft

Summe

durch Direktoren

101

81

  51

  53

  68

40

344

durch eigene Aufsichtsräte

120

61

  50

  80

  62

34

407

 

221

92

101

133

130

74

751

Im ganzen verfügten also die sechs Berliner Großbanken allein über 751 Aufsichtsratsstellen.

Nach dem neuesten Adreßbuch der Direktoren und Aufsichtsratsmitglieder (1909) gibt es in Deutschland 12 000 solche Stellen. 2918 Aufsichtsratsstellen aber sind in der Hand von nur 197 Personen. Den Rekord hält Herr Karl Fürstenberg von der Berliner Handelsgesellschaft mit 44 Mandaten; Herr Eugen Gutmann von der Dresdner Bank hat 35 Stellen inne. Überhaupt ist von den verschiedenen Berufen, die unter den Aufsichtsratsmitgliedern vertreten sind, der Bankberuf am stärksten vertreten, und auf diesen fällt daher die stärkste Kumulierung. Detaillierte Angaben darüber bei Eulenburg, l. c.

Dieselbe Erscheinung natürlich in den Vereinigten Staaten. 1906 war die Firma J.P. Morgan & Cie. vertreten im Board von 5 Banken, 50 Bahnen, 3Schiffahrtsgesellschaften, 8 Trustgesellschaften, 8 Versicherungsgesellschaften und 40 industriellen Unternehmungen. Steinitzer, a. a. O., S. 158.

19. Dagegen spielt die Aufsichtsführung im Sinne der juristischen Fiktion gar keine Rolle. So sagte der Vorsitzende in der Generalversammlung der „Elektrische Licht- und Kraftanlagen-Aktiengesellschaft in Berlin“ geradezu: „Die Idee, daß irgendein Aufsichtsrat oder das Mitglied eines Aufsichtsrats das tun könne, was das Gesetz ihnen vorschreibe, sei irrig. Die Gesetzgeber wußten nicht, was sie taten, als sie dieses Gesetz machten. Man stelle sich vor, daß ein Mitglied des Aufsichtsrates oder der Aufsichtsrat überhaupt bei einer unserer großen Gesellschaften die sämtlichen Zweige des Unternehmens auch nur an einem Tag verfolgen solle. Während der Mann an einer Stelle kontrolliere, könnten an zehn anderen die größten Fehler begangen werden. Der Aufsichtsrat könne die großen Richtlinien angeben, nach welchen eine Gesellschaft geleitet werden soll. Er könne die Direktion beaufsichtigen, daß sie nichts gegen Gesetz und Statuten tue. Die Einzelheiten der Revision seien Sache der Revisionsgesellschaften.“ (Berliner Tageblatt vom 28. November 1908.)

20. Wenn hier von gesellschaftlichem Kapital gesprochen wird, so ist dies in diesem Sinne gemeint: Der Privatunternehmer ist beschränkt durch die Größe des Einzelkapitals, die Aktiengesellschaft durch die Größe des ganzen in der kapitalistischen Gesellschaft vorhandenen, zu neuer Verwertung freien Geldkapitals.

21. „Die Aktiengesellschaft ist die schärfste und sicherste und deshalb bevorzugteste Waffe, welche die kapitalistische Wirtschaftsordnung zur Durchfechtung ihrer Konzentrationstendenzen zur Verfügung hat. Stellt doch schon die Aktiengesellschaft selbst eine vollendete Konzentration dar: eine Zusammenfassung kleiner und zersplitterter, an sich von produktiver Verwertung mehr oder weniger ausgeschlossener Vermögensteile in einer Gesamtkapitalmasse, welche als solche unter einheitlicher Leitung wirtschaftliche, also produktive Zwecke zu verfolgen bestimmt und geeignet ist. Die Aktiengesellschaft übt denn aber auch infolge der leichten Veräußerlichkeit und Vererblichkeit der Anteile, ferner infolge der durch die fast völlige Loslösung von der Person des Unternehmers in viel höherem Grade als bei den anderen Unternehmungsformen gewährten Wahrscheinlichkeit längerer Lebensdauer, endlich infolge der (theoretischen) Unbegrenztheit der auf das zusammengefaßte Kapital zu erwartenden Dividende eine ungemein starke Attraktionskraft auf verfügbare Kapitalien aus. Sie besitzt also in höherem Grade als jede andere Unternehmungsform die Möglichkeit, ihre Kredit- und Erweiterungsbedürfnisse durch Kapitalerhöhungen zu befriedigen. Die Leichtigkeit der Kapitalbeschaffung aber ruft naturgemäß wieder die Tendenz zur Kapitalvergrößerung hervor, und zwar deshalb in immer steigendem Verhältnis, weil es sowohl auf dem Gebiete der Industrie wie des Handels und auch des Bankwesens ein wirtschaftliches Gesetz zu sein scheint, daß ein doppeltes Kapital mehr als doppelte Produktion beziehungsweise mehr als doppelten Umsatz (Anmerkung: Aber nicht ohne weiteres auch doppelte Rentabilitätt) ermöglicht und daß schon deshalb die Tendenz zur Kapitalvergrößerung sich verstärkt mit dem Wachstum dieses Kapitals und somit bei größeren Kapitalien relativ weit bedeutender ist als bei kleineren.“ Rießner, Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Großbanken, Seite 152.

22. „Namentlich über die Konkurrenz der Aktiengesellschaften hat die Kommission von 1886 besonders viele Klagen zu hören bekommen; viele Zeugen behaupteten, die Hauptursache der niedrigen Warenpreise bestehe darin, daß in vielen Produktionszweigen Aktiengesellschaften eine übermäßige Verbreitung gefunden hätten. Diese könnten zu arbeiten fortfahren, selbst ohne einen Profit, da im Interesse der Leute, welche die Geschäftte leiten (des Vorstandes, des Aufsichtsrates usw.), eine Weiterführung d«f Produktion ohne Rücksicht auf ihre Rentabilität liege.“ Tugan-Baranowski, Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen in England, Jena 1901, S. 162.

23. Marx, Kapital, I., S. 589 ff. (Neuausgabe S. 658/659. – Die Red.)

24. Siehe über den Unterschied dieser beiden Begriffe Marx, Ebenda. (Neuausgabe S. 660/661. – Die Red.)

25. Diese Tendenz zur Vergrößerung des Bankkapitals kann durch gesetzliche Eingriffe noch gesteigert werden. So hat die Bestimmung des deutschen Aktiengesetzes, daß bei Umwandlung von Privatunternehmungen in Aktiengesellschaften die Aktien erst ein Jahr nach der Gründung zum Börsenhandel zugelassen werden, die Folge, daß das Bankkapital ein Jahr hindurch nicht mobilisiert werden kann, während dieses Jahres also in industrielles verwandelt bleibt und nicht wieder Geldform annehmen kann. Dadurch wurde die Gründungstätigkeit besonders für große Unternehmungen das Monopol der ganz großen Banken mit hohem Eigenkapital. Zugleich wurde dadurch die Tendenz zur Konzentration im Bankwesen gefördert. Diesen Großbanken fällt dann auch der Gründungsgewinn zu.

26. Siehe Edward Sherwood Meade, Trust Finance, New York 1907, S. 245.


Zuletzt aktualisiert am 14. November 2015