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Ernesto Che Guevara

Wirtschaft und Außenhandel in der heutigen Welt

 
Rede, gehalten auf der Zweiten Afro-Asiatischen Wirtschaftskonferenz im Februar 1965
Quelle: Projekt Sozialistische Klassiker Online
 
Liebe Brüder,

Cuba nimmt teil an dieser Konferenz, um als einziges die Stimme der Völker Amerikas zu Gehör zu bringen, aber auch, um in seiner Eigenschaft als unterentwickeltes Land zu sprechen, das zugleich schon den Sozialismus aufbaut. Nicht zufällig wurde es unserer Vertretung gestattet, hier im Kreis der Völker Asiens und Afrikas ihre Ansicht darzulegen. Ein gemeinsames Streben - die Vernichtung des Imperialismus - eint uns auf unserem Gang in die Zukunft; eine gemeinsame Vergangenheit des Kampfes gegen ein und denselben Feind hat uns den ganzen Weg lang vereint.

   Dies ist eine Versammlung der kämpfenden Völker; ihr Kampf vollzieht sich an zwei gleich wichtigen Fronten und erfordert unsere gesamten Kräfte. Der Kampf gegen den Imperialismus, um die kolonialen und neokolonialen Fesseln zu sprengen - ob er nun mit politischen oder mit Feuerwaffen oder mit beiden zugleich geführt wird - steht gleichrangig neben dem Kampf gegen Rückständigkeit und Armut; beide sind sie Etappen eines gleichen Weges, der zur Schaffung einer neuen, einer reichen und dabei gerechten Gesellschaft führt. Die politische Macht zu erlangen und die Klassen der Unterdrückung abzuschaffen, ist ein Gebot, doch gilt es danach, die zweite Etappe des Kampfes in Angriff zu nehmen, die womöglich noch schwierigere Züge trägt als die vorangegangene.

   Seit das Kapital der Monopole sich der Welt bemächtigte, hält es den größten Teil der Menschheit in Armut und teilt die Profite unter der kleinen Gruppe der mächtigsten Länder auf. Der Lebensstandard dieser Länder beruht auf dem Elend der unseren. Um das Lebensniveau der unterentwickelten Völker zu heben, heißt es also den Imperialismus zu bekämpfen. Jedesmal, wenn ein Land sich vom imperialistischen Stamm löst, ist nicht nur eine Teilschlacht gegen den Erzfeind gewonnen, sondern ein Beitrag zu seiner wirklichen Schwächung geleistet und ein Schritt vorwärts getan zum endgültigen Sieg.

   Es gibt keine Grenzen in diesem Kampf auf Leben und Tod. Wir dürfen uns nicht gleichgültig verhalten vor dem, was in irgendeinem Teil der Welt vor sich geht; der Sieg irgendeines Landes über den Imperialismus ist auch für uns ein Sieg, so wie das Scheitern irgendeiner Aktion für uns alle ein Scheitern ist. Die Durchführung des proletarischen Internationalismus ist nicht nur eine Pflicht für alle Völker, die um eine bessere Zukunft kämpfen, sie ist auch eine unausweichliche Notwendigkeit. Wenn der imperialistische Feind - ob nordamerikanisch oder was sonst - gegen die unterentwickelten Völker und die sozialistischen Länder losschlägt, ergibt sich aus einer elementaren Logik, daß die sozialistischen Länder sich verbinden. Bestünde sonst kein Anlaß zur Vereinigung, der gemeinsame Feind wäre einer. Natürlich können solche Bündnisse nicht spontan entstehen, ohne Diskussionen und ohne daß ihnen ein oft schmerzlicher Pakt vorausgeht.

   Jedesmal, wenn ein Land sich befreit, so haben wir gesagt, ist das eine Niederlage für das weltweite imperialistische System; doch wir müssen zugeben, daß dieses Sichlosreißen nicht dadurch erfolgt, daß man eine Unabhängigkeit proklamiert oder in einer Revolution einen Waffensieg erringt: es erfolgt erst dann, wenn die wirtschaftliche Notwendigkeit, daß die unterentwickelten Völker und die Herrschaft des Imperialismus über ein Volk aufhört. Deshalb ist es für die sozialistischen Länder lebenswichtig, daß diese Loslösungen tatsächlich stattfinden, und deshalb ist es unsere internationale Pflicht - uns auferlegt durch die Ideologie, die uns leitet -, mit allen Kräften beizutragen, daß diese Befreiung so schnell und so tiefgreifend wie möglich erfolgt.

   Aus all dem läßt sich folgender Schluß ziehen: die Entwicklung der Länder, die jetzt den Weg der Befreiung einschlagen, muß von den sozialistischen Ländern getragen werden. Wir sagen dies ohne die geringste erpresserische oder spektakuläre Absicht, auch nicht in dem billigen Bemühen, uns anzubiedern beim Bündnis der afro-asiatischen Völker, sondern weil es unsere tiefe Überzeugung ist. Es kann keinen Sozialismus geben, wenn sich im Bewußtsein nicht ein Wandel vollzieht, der eine neue brüderliche Haltung der Menschheit gegenüber bewirkt, sowohl individuell innerhalb der Gesellschaft, die den Sozialismus aufbaut oder aufgebaut hat, als auch weltweit in den Beziehungen zwischen allen Völkern, die unter der imperialistischen Unterdrückung leiden.

   Wir glauben, daß in diesem Geist den abhängigen Ländern gegenüber verantwortliche Hilfe geleistet werden muß und daß nicht mehr soviel von einem für beide Seiten gleich vorteilhaflen Handel geredet werden sollte, denn er beruht auf Preisen, die durch das Wertgesetz und die internationalen Beziehungen ungleichen Austauschs - verursacht durch eben dieses Wertgesetz - gegen die rückständigen Länder gerichtet sind.

   Wie kann es auch "gleich vorteilhaft" sein, zu Weltmarktpreisen Rohstoffe zu verkaufen, welche die unterentwickelten Länder unendliche Anstrengungen und Mühen kosten, und zu Weltmarktpreisen Maschinen anzukaufen, welche in automatisierten Großfabriken hergestellt werden, so wie es gegenwärtig geschieht? Wenn wir dieser Art Beziehung zwischen den beiden Gruppen von Nationen zustimmen, müssen wir uns darüber klar sein, daß die sozialistischen Länder sich in gewisser Weise zu Komplizen der imperialistischen Ausbeutung machen. Man mag einwenden, daß der Austausch mit den unterentwickelten Ländern nur einen unbedeutenden Prozentsatz im Außenhandel dieser Länder darstellt. Das ist völlig richtig, ändert aber nichts am unmoralischen Charakter eines solchen Austauschs.

   Die sozialistischen Länder haben die moralische Verpflichtung, ihre stillschweigende Komplizenschaft mit den Ausbeuterländern des Westens zu liquidieren. Die Tatsache daß der Handel heute nur gering sei, besagt gar nichts: 1959 verkaufte Cuba nur gelegentlich und nur über die Vermittlung englischer oder anderer Makler Zucker an irgendein Land des sozialistischen Blocks. Inzwischen führt es achtzig Prozent seines Handels in dieser Zone durch: alle lebenswichtigen Güter kommen aus dem sozialistischen Lager und Cuba ist selber ein Teil dieses Lagers geworden. Wir können nicht behaupten, daß dieser Beitritt sich einfach aus der Steigerung unseres Außenhandels ergab, aber ebensowenig, daß der Handel sich allein deshalb verstärkte, weil wir mit den alten Strukturen brachen und einen sozialistischen Weg in der Entwicklung einschlugen: beide Extreme berühren und verknüpfen sich. Wir haben uns nicht auf eine Bahn begeben, die nach allen vorbestimmten Schritten im Kommunismus enden wird, indem wir logisch einer ideologischen Entwicklung entsprachen, die auf ein klar umrissenes Ziel gerichtet ist: die Wahrheiten des Sozialismus, zusammen mit den rauhen Wahrheiten des Imperialismus haben unser Volk geschmiedet und ihm den Weg gewiesen, den wir inzwischen mit vollem Bewußtsein beschreiten. Die Völker Afrikas und Asiens, die ihrer Befreiung entgegengehen, sollten die gleiche Richtung einschlagen. Und sie werden sie früher oder später einschlagen, auch wenn ihr Sozialismus heute noch irgendwelche anderen bestimmenden Beiworte trägt.

   Es gibt für uns keine gültige Bestimmung des Sozialismus außer: Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

   Solange dies nicht erreicht ist, bleiben wir im Stadium des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft; und wenn dieses Endziel nicht nur auf sich warten läßt, sondern der Einsatz für die Abschaffung der Ausbeutung stagniert, ja sogar zurückgeht, dann kann man nicht einmal mehr von Aufbau des Sozialismus sprechen. Wir müssen Bedingungen schaffen, in denen unsere Brüder direkt und bewußt auf die Abschaffung der Ausbeutung lossteuern, aber wir können sie nicht in diese Richtung leiten, wenn wir selber Komplizen dieser Ausbeutung sind. Wenn man uns fragte, welches denn die Methoden wären, gerechte Preise festzusetzen, könnten wir keine Antwort geben, weil wir das praktische Ausmaß dieser Frage nicht kennen. Wir wissen nur, daß nach politischen Unterredungen die Sowjetunion und Cuba Verträge geschlossen haben, die günstig für uns sind, mit deren Hilfe wir fünf Millionen Tonnen Zucker verkaufen zu festen Preisen, die über den normalen des sogenannten freien Weltmarktes für Zucker liegen. Die Volksrepublik China zahlt die gleichen Preise.

   Dies ist nur ein Präzedenzfall; die eigentliche Aufgabe besteht darin, allgemein Preise festzusetzen, welche eine Entwicklung erlauben. Ein völliger Wandel in der Auffassung hat die Ordnung der internationalen Beziehungen zu verändern: der Außenhandel darf nicht die Politik bestimmen, sondern muß umgekehrt einer brüderlichen Politik zwischen den Völkern untergeordnet werden.

   Lassen Sie mich kurz eingehen auf das Problem der langfristigen Kredite zur Entwicklung von Grundindustrien. Häufig stoßen wir auf die Tatsache, daß nutznießende Länder sich anschicken, Industriebasen zu schaffen, die in keinem Verhältnis zur eigenen augenblicklichen Kapazität stehen, deren Produkte also im Land gar nicht konsumiert werden können, und daß sie mit einer solchen Anstrengung ihre Reserven verschleudern. Uns beschäftigt der Gedanke, daß in den sozialistischen Ländern die Investitionen auf eigenem Territorium direkt über den Staatshaushalt laufen und nur durch die Nutzung der Produkte im Prozeß allgemeiner Zusammenarbeit amortisiert werden, so daß die äußersten Grenzen der Fabrikation erreicht werden können. Wir schlagen nun vor, daß sie [die sozialistischen Länder] die Möglichkeit erwägen, Investitionen dieser Art auch in den unterentwickelten Ländern zu verwirklichen. Auf diese Weise könnte eine gewaltige Energie in Bewegung gesetzt werden, die latent vorhanden ist in unseren Kontinenten, welche bisher nur elend ausgebeutet, nie aber in ihrer Entwicklung gefördert wurden. Und es könnte eine neue Etappe echter internationaler Arbeitsteilung einsetzen, die sich nicht auf die Geschichte dessen, was getan wurde, sondern auf die künftige Geschichte stützt, auf das, was getan werden kann.

   Jene Staaten, auf deren Gebiet die neuen Investitionen durchgeführt würden, erhielten über dieselben alle einem souveränen Besitz innewohnenden Rechte, ohne jede Zahlungs- oder Kreditauflage. Die Besitzer müßten sich nur verpflichten, den investierenden Ländern eine bestimmte Menge von Produkten innerhalb einer festgesetzten Spanne von Jahren und zu einem festgesetzten Preis zu liefern.

   Ebenso lohnt es sich, darüber nachzudenken, in welcher Form ein zu derartigen Investitionen bereites Land den an Ort und Stelle erforderlichen Teil der Kosten finanzieren kann. Eine Möglichkeit der Unterstützung, die nicht den Einsatz frei konvertierbarer Devisen erfordern würde, wäre die Bereitstellung von leicht verkäuflichen Waren gegen langfristige Zahlung an die unterentwickelten Länder.

   Ein weiteres schwer lösbares Problem ist die Eroberung der Technik. Jedermann kennt den Mangel an Technikern, der in den unterentwickelten Ländern herrscht. Es fehlen Ausbildungsstätten und -kader. Es fehlt oft auch am richtigem Bewußtsein über unsere Bedürfnisse und an der Entschiedenheit, eine Politik der technischen, kulturellen und ideologischen Entwicklung durchzuführen, der Vorrang vor allem andern gebührt. Die sozialistischen Länder müssen die nötige Hilfe leisten, um technische Ausbildungsorgane zu schaffen, müssen immer wieder auf ihre entscheidende Bedeutung hinweisen, und sie müssen die Kader stellen, um dem gegenwärtigen Mangel abzuhelfen.

   Auf diesen letzten Punkt sollten wir noch genauer eingehen: die Techniker, die in unsere Länder kommen, müssen vorbildlich sein, diese Genossen werden auf ein unbekanntes, der Technik oft feindlich gegenüberstehendes Milieu treffen, das eine andere Sprache spricht und völlig andere Gebräuche hat. Die Techniker, die sich dieser schwierigen Aufgabe stellen, müssen vor allem also Kommunisten sein, im tiefsten und vornehmsten Sinne dieses Wortes: mit dieser Eigenschaft und einem Minimum an Organisations- und Anpassungsfähigkeit werden. sie Wunder vollbringen.

   Wir wissen, daß dies möglich ist, weil uns Bruderländer bereits eine gewisse Anzahl von Technikern geschickt haben, die mehr leisteten für die Entwicklung unseres Landes als zehn Institute und wirksamer zu unserer Freundschaft beitrugen als zehn Botschafter oder hundert diplomatische Empfänge.

   Wenn die hier angeschnittenen Punkte wirklich in die Tat umgesetzt werden könnten, und den unterentwickelten Ländern darüber hinaus die ganze Technologie der entwickelten Länder zur Verfügung gestellt würde, ohne das herrschende System der Patente anzuwenden, das die Entdeckungen eines jeden Landes schützt, dann könnten wir einen riesigen Fortschritt in unserer gemeinsamen Aufgabe erzielen. Der Imperialismus ist in vielen Teilschlachten besiegt worden. Doch stellt er noch immer in der Welt eine beachtliche Macht dar und wir können mit seiner endgültigen Überwindung nicht rechnen ohne die Kraft und das Opfer aller.

   Doch all diese vorgeschlagenen Maßnahmen dürfen nicht einseitig durchgeführt werden. Zwar muß die Entwicklung der unterentwickelten von den sozialistischen Ländern getragen werden. Ebenso aber müssen auch die unterentwickelten Länder all ihre Kraft zusammennehmen und entschlossen den Weg zum Aufbau einer neuen Gesellschaft einschlagen - unter welchem Namen immer -, in der die Maschine ein Instrument der Arbeit, aber nicht ein Instrument für die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen darstellt. Man kann auch nicht das Vertrauen der sozialistischen Länder für sich an Anspruch nehmen, wenn man zwischen Kapitalismus und Sozialismus hin- und herpendelt und versucht, beide Kräfte gegeneinander auszuspielen, um bestimmte Vorteile aus dieser Konkurrenz zu ziehen.

   Eine neue Politik absoluter Aufrichtigkeit sollte in den Beziehungen zwischen beiden Gesellschaftsgruppen herrschen. Noch einmal dürfen wir hervorheben, daß die Produktionsmittel vorzugsweise in den Händen des Staates liegen sollten, damit allmählich die Zeichen der Ausbeutung verschwinden. Außerdem darf die Entwicklung nicht völliger Improvisation überlassen bleiben; der Aufbau der neuen Gesellschaft muß geplant werden. Planung ist eines der Gesetze des Sozialismus, ohne die er nicht existieren würde. Ohne entsprechende Planung kann nicht hinlänglich garantiert werden, daß die wirtschaftlichen Sektoren eines Landes harmonisch ineinandergreifen, um die Sprünge nach vorn zu ermöglichen, wie die Epoche, in der wir leben, es fordert. Planung ist kein isoliertes Problem für jedes unserer kleinen Länder, die in ihrer Entwicklung verzerrt wurden, die irgendwelche Rohstoffe besitzen, einige Fabrikate oder Halbfabrikate herstellen, aber an allen übrigen Mangel leiden. Sie sollte von Anfang an auf eine gewisse Regionalisierung der Produktion zielen, um den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Länder zu entsprechen und zu einer Integration auf der Grundlage echten wechselseitigen Nutzens zu gelangen.

   Wir sind überzeugt, daß der gegenwärtige Weg voller Gefahren ist; Gefahren, die nicht durch irgendeinen obwaltenden Geist erfunden oder für eine ferne Zukunft gesponnen werden, sondern handgreifliches Ergebnis der realen Umstände sind, die uns quälen.

   Der Kampf gegen den Kolonialismus hat seine letzten Stationen erreicht, doch ist in unserer gegenwärtigen Epoche der Kolonialstatus auch nur eine Folge der imperialistischen Herrschaft.

   Solange der Imperialismus der Sache nach besteht, wird er seine Herrschaft über andere Länder ausüben: diese Herrschaft heißt heute Neokolonialismus.

   Der Neokolonialismus hat sich als erstes in Südamerika entwickelt, auf dem gesamten Kontinent, und macht sich heute mit wachsender Intensität in Afrika und Asien bemerkbar. Seine Unterwanderung und Entfaltung trägt unterschiedliche Züge: auf der einen Seite die brutale Form, wie wir sie im Kongo kennenlernten. Die brutale Gewalt ohne irgendwelche Rücksicht oder Verschleierung ist seine äußerste Waffe. Daneben gibt es eine weit subtilere Form: die Unterwanderung der Länder, die sich politisch befreien, die Verbrüderung mit den aufkommenden nationalen Bourgeoisien, die Förderung einer schmarotzenden bürgerlichen Klasse, welche mit den Interessen der Metropole eng liiert ist, und begünstigt wird durch einen gewissen Wohlstand oder ein zeitweiliges Anheben im Lebensniveau der Völker - demzufolge in äußerst rückständigen Ländern der einfache Übergang von den feudalen zu den kapitalistischen Verhältnissen schon als ein großer Fortschritt erscheint, unabhängig von den verheerenden Folgen, die er auf die Dauer für die Arbeiter erbringt.

   Der Neokolonialismus hat seine Krallen im Kongo gezeigt; das ist kein Zeichen für Macht, sondern für Schwäche; er mußte zur äußersten Waffe greifen, zur Gewalt als wirtschaftlichem Argument, was intensive Gegenreaktionen hervorrief. Doch wurde gleichzeitig in einer Reihe von afrikanischen und asiatischen Ländern jene andere subtilere Form angewandt und es bildete sich schnell etwas, das man die "Südamerikanisierung" jener Kontinente nannte, das heißt also die Entwicklung einer Schmarotzerbourgeoisie, die dem Nationalvermögen nichts hinzufügt, statt dessen außerhalb des Landes in den kapitalistischen Banken ihre ungeheuren unredlichen Profite häuft und mit dem Ausland paktiert, um noch mehr Gewinne zu erzielen, mit einer absoluten Verachtung für das Wohlergehen ihres Volkes.

   Es gibt noch andere Gefahren wie etwa die Konkurrenz zwischen Bruderländem, die, obwohl politisch Freunde und manchmal sogar Nachbarn, zur gleichen Zeit gleiche Investitionsgüter zu entwickeln suchen für Märkte, die oft genug gar nicht aufnahmefähig sind.

   Derlei Konkurrenz hat den Nachteil, daß sie Energien verschleudert, die eingesetzt werden könnten, um eine viel breitere wirtschaftliche Ergänzung zu ermöglichen, und daß sie dem Spiel der imperialistischen Monopole Auftrieb gibt.

   In gewissen Fällen, wenn keinerlei Möglichkeit besteht, mit Hilfe des sozialistischen Lagers bestimmte Investitionen einzuleiten, führt man diese durch, indem man mit den Kapitalisten Verträge schließt. Diese kapitalistischen Investitionen haben nicht nur ihre Mängel hinsichtlich der Form, in der sie getätigt werden, sondern noch andere entscheidende Begleiterscheinungen wie etwa die Schaffung von gemischten Gesellschaften mit einem gefährlichen Nachbarn. Da die Investitionen im allgemeinen parallel laufen zu denen anderer Staaten, wird die Gefahr beschworen, daß befreundete Länder sich wegen wirtschaftlicher Streitigkeiten miteinander überwerfen; außerdem droht Korruption durch die ständige Anwesenheit des Kapitalismus, der es wohl versteht, Entwicklung und Wohlstand vorzugaukeln und den Verstand vieler Leute zu benebeln.

   Wenig später erfolgt dann der Preissturz auf den Märkten, weil diese mit gleichen Produkten übersättigt werden. Die betroffenen Länder sehen sich gezwungen, entweder weitere Anleihen aufzunehmen oder zusätzliche Investitionen zu erlauben, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der Übergang der Wirtschaft in die Hände der Monopolisten und ein langsamer aber sicherer Rückfall in die Vergangenheit ist schließlich die Folge einer derartigen Politik.

   Unserer Meinung nach ist die einzig sichere Form, Investitionen durchzuführen, die einer direkten Beteiligung des Staates, der rechtlich die Güter erwirbt, die imperialistische Aktion einschränkt auf die Abfassung von Lieferungsverträgen besteht und sie nicht weiter kommen läßt als bis vor unsere Haustür. In diesem Falle soll man ruhig die interimperialistischen Widersprüche ausnutzen, um weniger schändliche Bedingungen zu erzielen. Man darf darüber nicht die "uneigennützigen" wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Hilfen vergessen, welche der Imperialismus von sich aus gewährt, oder auch über Marionettenstaaten, die in gewissen Teilen der Welt freundlicher aufgenommen werden.

   Wenn all die aufgezeigten Gefahren nicht rechtzeitig erkannt werden, dann kann in Ländern, die eben noch voll Glauben und Enthusiasmus ihre Aufgabe der nationalen Befreiung erfüllt haben, der Weg für den Neokolonialismus frei werden: die Herrschaft der Monopole nistet sich ganz vorsichtig ein, so allmählich, daß es schwer fällt, ihre Auswirkungen wahrzunehmen, bis sie sich schließlich brutal spüren läßt.

   Es gilt eine große Aufgabe zu verwirklichen: unendliche Probleme stellen sich unseren beiden Welten, der Welt der sozialistischen Länder und dieser sogenannten Dritten Welt; Probleme, die direkt verknüpft sind mit dem Menschen und seinem Wohlbefinden und mit dem Kampf gegen den Hauptschuldigen an unserem Rückstand. Diesen Problemen gegenüber müssen alle Länder und Völker - im Bewußtsein ihrer Pflichten, im Bewußtsein der Gefahren, die unsere Lage mit sich bringt, der Opfer, die unsere Entwicklung fordert - konkrete Maßnahmen ergreifen, damit unsere Freundschaft sich auf den beiden Ebenen der Wirtschaft und der Politik verbindet, welche nicht voneinander getrennt werden können, und damit ein großer kompakter Block entsteht, der seinerseits neuen Ländern hilft, sich nicht nur von der politischen, sondern auch von der wirtschaftlichen Macht des Imperialismus zu befreien.

   Der Gesichtspunkt einer Befreiung durch Waffen von einer politischen Unterdrückermacht muß nach den Regeln des proletarischen Internationalismus behandelt werden: So absurd die Vorstellung ist, daß der Direktor eines Unternehmens in einem kriegführenden sozialistischen Land zögern würde, seine Panzer, die er herstellt, an eine Front zu entsenden, die keine Zahlungsgarantien leisten kann, so absurd sollte es auch erscheinen, nach der Zahlungsfähigkeit eines Volkes zu fragen, das für seine Befreiung kämpft oder Waffen braucht, um seine Freiheit zu verteidigen.

   Die Waffen dürfen in unseren Welten keine Handelsware sein, sie müssen völlig kostenfrei und in den genügenden - und möglichen - Mengen an die Völker geliefert werden, die sie erbitten, um sie gegen den gemeinsamen Feind einzusetzen. In diesem Geist haben die UdSSR und die Volksrepublik China uns ihre militärische Unterstützung gewährt. Wir sind Sozialisten, wir sind eine Garantie für den richtigen Einsatz dieser Waffen, aber wir sind nicht die einzigen, und allen sollte die gleiche Behandlung zuteil werden. Als Antwort auf den abscheulichen Angriff des nordamerikanischen Imperialismus auf Vietnam und den Kongo müssen jene Bruderländer alle Verteidigungsmittel erhalten, die sie brauchen, und dazu unsere uneingeschränkte Solidarität.

   Auf wirtschaftlicher Ebene müssen wir den Weg unserer Entwicklung mit einer möglichst fortschrittlichen Technik erkämpfen. Wir können den langen und langsamen Aufstieg der Menschheit vom Feudalismus zum Zeitalter der Atombombe und Automatik nicht nachvollziehen, denn es wäre ein Weg mit unendlichen und zum Teil unnützen Opfern. Wir müssen uns die Technik holen da, wo sie ist - den großen technischen Sprung vollziehen, um nach und nach den Abstand zwischen den fortgeschrittensten und unseren Ländern zu verringern.

   Diese Technik muß sowohl in den großen Fabriken eingesetzt werden als auch in einer angemessen entwickelten Landwirtschaft; außerdem muß sie sich stützen auf eine technische und ideologische Kultur, die stark genug und in den Massen verankert ist, um ständig die Institute und Forschungsapparate zu versorgen, welche ein jedes Land sich schaffen sollte, um die Menschen zu stellen, welche die gegenwärtige Technik anwenden und in der Lage sind, sich neuen technischen Errungenschaften anzupassen.

   Diese Kader müssen sich klar sein über ihre Pflicht gegenüber der Gesellschaft, in der sie leben; es kann keine angemessene technische Kultur geben, wenn sie nicht begleitet wird von einer ideologischen Kultur. Und in den meisten unserer Länder kann es keine ausreichende Basis für industrielle Entwicklung - von der die Entwicklung einer modernen Gesellschaft abhängt - geben, solange man nicht damit beginnt, dem Volk die nötige Nahrung zu sichern, die unentbehrlichsten Verbrauchsgüter und eine angemessene Bildung.

   Ein großer Teil des Volkseinkommens muß in die sogenannten unproduktiven Investitionen der Erziehung gesteckt werden, und ganz besonders muß man sich um die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktivität kümmern. Diese hat in mehreren kapitalistischen Ländern nahezu unglaubliche Grade erreicht und im Rückschlag widersinnige Krisen von Überproduktion bewirkt, eine Invasion von Getreide und anderen Nahrungsmitteln oder industriellen Rohstoffen aus den entwickelten Ländern, während eine ganze Welt an Hunger leidet, obwohl sie Land und Menschen genug hat, um ein Mehrfaches dessen zu produzieren, was die ganze Welt braucht, um sich zu ernähren.

   Die Landwirtschaft muß als einer der Grundpfeiler der Entwicklung betrachtet werden, und deshalb muß es eine unserer Grundaufgaben sein, die landwirtschaftlichen Strukturen zu ändern und sie den neuen Möglichkeiten der Technik, als auch den neuen Pflichten - der Aufhebung der Ausbeutung des Menschen - anzupassen. Bevor man kostspielige Entscheidungen fällt, die unheilbaren Schaden anrichten könnten, gilt es eine sorgfältige Prospektion des Nationalgebietes vorzunehmen; das ist einer der entscheidenden Schritte vor jeder wirtschaftlichen Untersuchung und eine elementare Notwendigkeit für eine korrekte Planung.

   'Wir unterstützen voll und ganz den Vorschlag Algeriens, unsere Beziehungen zu institutionalisieren. Wir möchten dazu nur einige ergänzende Überlegungen vortragen.



Erstens: damit diese Union wirklich ein Instrument des Kampfes gegen den Imperialismus wird, ist es nötig, daß die lateinamerikanischen Völker einbezogen und ein Bündnis mit den sozialistischen Ländern geschlossen wird.

Zweitens: es gilt über den revolutionären Charakter der Union zu wachen, indem man jenen Regierungen und Bewegungen den Beitritt verweigert, die sich nicht mit den allgemeinen Bestrebungen der Völker identifizieren, und indem man Mechanismen schafft, die es ermöglichen, sich von jedem loszusagen, der vom rechten Weg abweicht, sei es nun Regierung oder Volksbewegung.

Drittens: man muß es erreichen, neue Beziehungen auf der Grundlage der Gleichheit zwischen unseren und den kapitalistischen Ländern zu errichten, indem man eine revolutionäre Rechtsprechung etabliert, die uns in Streitfällen schützt und den Beziehungen zwischen uns und der übrigen Welt ein neues Gewicht verleiht.



   Wir sprechen eine revolutionäre Sprache und wir kämpfen aufrichtig für den Sieg dieser Sache der Revolution, aber wir verfangen uns selber oft in den Maschen eines internationalen Rechts, das geschaffen wurde als das Produkt der Zusammenstöße zwischen den imperialistischen Mächten und nicht aus dem Kampf der freien, der gerechten Völker erwuchs.

   Unsere Völker leiden z. B. unter dem beängstigenden Druck fremder, auf ihrem Gebiet errichteter Militärbasen oder unter dem schweren Gewicht unglaublich hoher Auslandsschulden.

   Die Geschichte dieser Belastungen ist wohlbekannt: Marionettenregierungen, Regierungen, die durch einen langen Befreiungskampf oder die Entwicklung der kapitalistischen Marktgesetze geschwächt wurden, stimmten dem Abschluß von Verträgen zu,- die unsere innere Stabilität bedrohen und unsere Zukunft gefährden. Es ist Zeit, das Joch abzuwerfen, eine Revision der drückenden Auslandsschulden zu fordern und die Imperialisten zu zwingen, ihre Aggressionsbasen aufzugeben.

   Ich möchte diese Worte, diese Wiederholung von Prinzipien, die Sie alle kennen, nicht abschließen, ohne die Aufmerksamkeit dieser Konferenz noch einmal auf die Tatsache zu lenken, daß Cuba nicht das einzige amerikanische Land ist, nur wurde ihm die Gelegenheit zuteil, heute vor Ihnen zu sprechen; weitere Völker vergießen ihr Blut, um jenes Recht zu erwerben, das wir besitzen - und so müssen wir von hier aus wie von jeder Konferenz und jedem Ort, an dem sie stattfinden mag, unseren Gruß entsenden an die heldenmütigen Völker Vietnams, Laos, des sogenannten Portugiesisch Guinea, Südafrikas oder Palästinas, an alle ausgebeuteten Länder, die um ihre Emanzipation kämpfen, müssen wir gleichzeitig den Brudervölkern Venezuelas, Guatemalas und Kolumbiens, welche heute mit den Waffen in der Hand dem imperialistischen Feind ein endgültiges "Nein" entgegenstellen, unsere Freundesstimme, unsere Hand und unsere Ermutigung bieten.

   Es gibt wenig Plätze für eine solche Erklärung, die so symbolträchtig wären wie Algier, eine der tapfersten Hauptstädte der Freiheit. Möge das großartige algerische Volk, das wie kaum ein anderes ausgebildet ist in den Leiden für die Unabhängigkeit, unter der entschlossenen Führung seiner Partei, mit unserem lieben Genossen Ahmed Ben Bella an der Spitze, uns zur Inspiration dienen in diesem erbarmungslosen Kampf gegen den weltweiten Imperialismus.

 

geleitet von Einde O’Callaghan
zuletzt aktualisiert am 16. August 2000
 
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