Liebe Brüder,
Cuba nimmt teil an dieser Konferenz, um als einziges die Stimme der
Völker Amerikas zu Gehör zu bringen, aber auch, um in seiner
Eigenschaft als unterentwickeltes Land zu sprechen, das zugleich schon
den Sozialismus aufbaut. Nicht zufällig wurde es unserer Vertretung
gestattet, hier im Kreis der Völker Asiens und Afrikas ihre Ansicht
darzulegen. Ein gemeinsames Streben - die Vernichtung des Imperialismus
- eint uns auf unserem Gang in die Zukunft; eine gemeinsame Vergangenheit
des Kampfes gegen ein und denselben Feind hat uns den ganzen Weg lang
vereint.
Dies ist eine Versammlung der kämpfenden
Völker; ihr Kampf vollzieht sich an zwei gleich wichtigen Fronten
und erfordert unsere gesamten Kräfte. Der Kampf gegen den Imperialismus,
um die kolonialen und neokolonialen Fesseln zu sprengen - ob er
nun mit politischen oder mit Feuerwaffen oder mit beiden zugleich
geführt wird - steht gleichrangig neben dem Kampf gegen Rückständigkeit
und Armut; beide sind sie Etappen eines gleichen Weges, der zur
Schaffung einer neuen, einer reichen und dabei gerechten Gesellschaft
führt. Die politische Macht zu erlangen und die Klassen der
Unterdrückung abzuschaffen, ist ein Gebot, doch gilt es danach,
die zweite Etappe des Kampfes in Angriff zu nehmen, die womöglich
noch schwierigere Züge trägt als die vorangegangene.
Seit das Kapital der Monopole sich der Welt bemächtigte,
hält es den größten Teil der Menschheit in Armut
und teilt die Profite unter der kleinen Gruppe der mächtigsten
Länder auf. Der Lebensstandard dieser Länder beruht auf
dem Elend der unseren. Um das Lebensniveau der unterentwickelten
Völker zu heben, heißt es also den Imperialismus zu bekämpfen.
Jedesmal, wenn ein Land sich vom imperialistischen Stamm löst,
ist nicht nur eine Teilschlacht gegen den Erzfeind gewonnen, sondern
ein Beitrag zu seiner wirklichen Schwächung geleistet und ein
Schritt vorwärts getan zum endgültigen Sieg.
Es gibt keine Grenzen in diesem Kampf auf Leben
und Tod. Wir dürfen uns nicht gleichgültig verhalten vor
dem, was in irgendeinem Teil der Welt vor sich geht; der Sieg irgendeines
Landes über den Imperialismus ist auch für uns ein Sieg,
so wie das Scheitern irgendeiner Aktion für uns alle ein Scheitern
ist. Die Durchführung des proletarischen Internationalismus
ist nicht nur eine Pflicht für alle Völker, die um eine
bessere Zukunft kämpfen, sie ist auch eine unausweichliche
Notwendigkeit. Wenn der imperialistische Feind - ob nordamerikanisch
oder was sonst - gegen die unterentwickelten Völker und die
sozialistischen Länder losschlägt, ergibt sich aus einer
elementaren Logik, daß die sozialistischen Länder sich
verbinden. Bestünde sonst kein Anlaß zur Vereinigung,
der gemeinsame Feind wäre einer. Natürlich können
solche Bündnisse nicht spontan entstehen, ohne Diskussionen
und ohne daß ihnen ein oft schmerzlicher Pakt vorausgeht.
Jedesmal, wenn ein Land sich befreit, so haben
wir gesagt, ist das eine Niederlage für das weltweite imperialistische
System; doch wir müssen zugeben, daß dieses Sichlosreißen
nicht dadurch erfolgt, daß man eine Unabhängigkeit proklamiert
oder in einer Revolution einen Waffensieg erringt: es erfolgt erst
dann, wenn die wirtschaftliche Notwendigkeit, daß die unterentwickelten
Völker und die Herrschaft des Imperialismus über ein Volk
aufhört. Deshalb ist es für die sozialistischen Länder
lebenswichtig, daß diese Loslösungen tatsächlich
stattfinden, und deshalb ist es unsere internationale Pflicht -
uns auferlegt durch die Ideologie, die uns leitet -, mit allen Kräften
beizutragen, daß diese Befreiung so schnell und so tiefgreifend
wie möglich erfolgt.
Aus all dem läßt sich folgender Schluß
ziehen: die Entwicklung der Länder, die jetzt den Weg der Befreiung
einschlagen, muß von den sozialistischen Ländern getragen
werden. Wir sagen dies ohne die geringste erpresserische oder spektakuläre
Absicht, auch nicht in dem billigen Bemühen, uns anzubiedern
beim Bündnis der afro-asiatischen Völker, sondern weil
es unsere tiefe Überzeugung ist. Es kann keinen Sozialismus
geben, wenn sich im Bewußtsein nicht ein Wandel vollzieht,
der eine neue brüderliche Haltung der Menschheit gegenüber
bewirkt, sowohl individuell innerhalb der Gesellschaft, die den
Sozialismus aufbaut oder aufgebaut hat, als auch weltweit in den
Beziehungen zwischen allen Völkern, die unter der imperialistischen
Unterdrückung leiden.
Wir glauben, daß in diesem Geist den abhängigen
Ländern gegenüber verantwortliche Hilfe geleistet werden
muß und daß nicht mehr soviel von einem für beide
Seiten gleich vorteilhaflen Handel geredet werden sollte, denn er
beruht auf Preisen, die durch das Wertgesetz und die internationalen
Beziehungen ungleichen Austauschs - verursacht durch eben dieses
Wertgesetz - gegen die rückständigen Länder gerichtet
sind.
Wie kann es auch "gleich vorteilhaft" sein, zu
Weltmarktpreisen Rohstoffe zu verkaufen, welche die unterentwickelten
Länder unendliche Anstrengungen und Mühen kosten, und
zu Weltmarktpreisen Maschinen anzukaufen, welche in automatisierten
Großfabriken hergestellt werden, so wie es gegenwärtig
geschieht? Wenn wir dieser Art Beziehung zwischen den beiden Gruppen
von Nationen zustimmen, müssen wir uns darüber klar sein,
daß die sozialistischen Länder sich in gewisser Weise
zu Komplizen der imperialistischen Ausbeutung machen. Man mag einwenden,
daß der Austausch mit den unterentwickelten Ländern nur
einen unbedeutenden Prozentsatz im Außenhandel dieser Länder
darstellt. Das ist völlig richtig, ändert aber nichts
am unmoralischen Charakter eines solchen Austauschs.
Die sozialistischen Länder haben die moralische
Verpflichtung, ihre stillschweigende Komplizenschaft mit den Ausbeuterländern
des Westens zu liquidieren. Die Tatsache daß der Handel heute
nur gering sei, besagt gar nichts: 1959 verkaufte Cuba nur gelegentlich
und nur über die Vermittlung englischer oder anderer Makler
Zucker an irgendein Land des sozialistischen Blocks. Inzwischen
führt es achtzig Prozent seines Handels in dieser Zone durch:
alle lebenswichtigen Güter kommen aus dem sozialistischen Lager
und Cuba ist selber ein Teil dieses Lagers geworden. Wir können
nicht behaupten, daß dieser Beitritt sich einfach aus der
Steigerung unseres Außenhandels ergab, aber ebensowenig, daß
der Handel sich allein deshalb verstärkte, weil wir mit den
alten Strukturen brachen und einen sozialistischen Weg in der Entwicklung
einschlugen: beide Extreme berühren und verknüpfen sich.
Wir haben uns nicht auf eine Bahn begeben, die nach allen vorbestimmten
Schritten im Kommunismus enden wird, indem wir logisch einer ideologischen
Entwicklung entsprachen, die auf ein klar umrissenes Ziel gerichtet
ist: die Wahrheiten des Sozialismus, zusammen mit den rauhen Wahrheiten
des Imperialismus haben unser Volk geschmiedet und ihm den Weg gewiesen,
den wir inzwischen mit vollem Bewußtsein beschreiten. Die
Völker Afrikas und Asiens, die ihrer Befreiung entgegengehen,
sollten die gleiche Richtung einschlagen. Und sie werden sie früher
oder später einschlagen, auch wenn ihr Sozialismus heute noch
irgendwelche anderen bestimmenden Beiworte trägt.
Es gibt für uns keine gültige Bestimmung
des Sozialismus außer: Abschaffung der Ausbeutung des Menschen
durch den Menschen.
Solange dies nicht erreicht ist, bleiben wir
im Stadium des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft; und wenn
dieses Endziel nicht nur auf sich warten läßt, sondern
der Einsatz für die Abschaffung der Ausbeutung stagniert, ja
sogar zurückgeht, dann kann man nicht einmal mehr von Aufbau
des Sozialismus sprechen. Wir müssen Bedingungen schaffen,
in denen unsere Brüder direkt und bewußt auf die Abschaffung
der Ausbeutung lossteuern, aber wir können sie nicht in diese
Richtung leiten, wenn wir selber Komplizen dieser Ausbeutung sind.
Wenn man uns fragte, welches denn die Methoden wären, gerechte
Preise festzusetzen, könnten wir keine Antwort geben, weil
wir das praktische Ausmaß dieser Frage nicht kennen. Wir wissen
nur, daß nach politischen Unterredungen die Sowjetunion und
Cuba Verträge geschlossen haben, die günstig für
uns sind, mit deren Hilfe wir fünf Millionen Tonnen Zucker
verkaufen zu festen Preisen, die über den normalen des sogenannten
freien Weltmarktes für Zucker liegen. Die Volksrepublik China
zahlt die gleichen Preise.
Dies ist nur ein Präzedenzfall; die eigentliche
Aufgabe besteht darin, allgemein Preise festzusetzen, welche eine
Entwicklung erlauben. Ein völliger Wandel in der Auffassung
hat die Ordnung der internationalen Beziehungen zu verändern:
der Außenhandel darf nicht die Politik bestimmen, sondern
muß umgekehrt einer brüderlichen Politik zwischen den
Völkern untergeordnet werden.
Lassen Sie mich kurz eingehen auf das Problem
der langfristigen Kredite zur Entwicklung von Grundindustrien. Häufig
stoßen wir auf die Tatsache, daß nutznießende
Länder sich anschicken, Industriebasen zu schaffen, die in
keinem Verhältnis zur eigenen augenblicklichen Kapazität
stehen, deren Produkte also im Land gar nicht konsumiert werden
können, und daß sie mit einer solchen Anstrengung ihre
Reserven verschleudern. Uns beschäftigt der Gedanke, daß
in den sozialistischen Ländern die Investitionen auf eigenem
Territorium direkt über den Staatshaushalt laufen und nur durch
die Nutzung der Produkte im Prozeß allgemeiner Zusammenarbeit
amortisiert werden, so daß die äußersten Grenzen
der Fabrikation erreicht werden können. Wir schlagen nun vor,
daß sie [die sozialistischen Länder] die Möglichkeit
erwägen, Investitionen dieser Art auch in den unterentwickelten
Ländern zu verwirklichen. Auf diese Weise könnte eine
gewaltige Energie in Bewegung gesetzt werden, die latent vorhanden
ist in unseren Kontinenten, welche bisher nur elend ausgebeutet,
nie aber in ihrer Entwicklung gefördert wurden. Und es könnte
eine neue Etappe echter internationaler Arbeitsteilung einsetzen,
die sich nicht auf die Geschichte dessen, was getan wurde, sondern
auf die künftige Geschichte stützt, auf das, was getan
werden kann.
Jene Staaten, auf deren Gebiet die neuen Investitionen
durchgeführt würden, erhielten über dieselben alle
einem souveränen Besitz innewohnenden Rechte, ohne jede Zahlungs-
oder Kreditauflage. Die Besitzer müßten sich nur verpflichten,
den investierenden Ländern eine bestimmte Menge von Produkten
innerhalb einer festgesetzten Spanne von Jahren und zu einem festgesetzten
Preis zu liefern.
Ebenso lohnt es sich, darüber nachzudenken,
in welcher Form ein zu derartigen Investitionen bereites Land den
an Ort und Stelle erforderlichen Teil der Kosten finanzieren kann.
Eine Möglichkeit der Unterstützung, die nicht den Einsatz
frei konvertierbarer Devisen erfordern würde, wäre die
Bereitstellung von leicht verkäuflichen Waren gegen langfristige
Zahlung an die unterentwickelten Länder.
Ein weiteres schwer lösbares Problem ist
die Eroberung der Technik. Jedermann kennt den Mangel an Technikern,
der in den unterentwickelten Ländern herrscht. Es fehlen Ausbildungsstätten
und -kader. Es fehlt oft auch am richtigem Bewußtsein über
unsere Bedürfnisse und an der Entschiedenheit, eine Politik
der technischen, kulturellen und ideologischen Entwicklung durchzuführen,
der Vorrang vor allem andern gebührt. Die sozialistischen Länder
müssen die nötige Hilfe leisten, um technische Ausbildungsorgane
zu schaffen, müssen immer wieder auf ihre entscheidende Bedeutung
hinweisen, und sie müssen die Kader stellen, um dem gegenwärtigen
Mangel abzuhelfen.
Auf diesen letzten Punkt sollten wir noch genauer
eingehen: die Techniker, die in unsere Länder kommen, müssen
vorbildlich sein, diese Genossen werden auf ein unbekanntes, der
Technik oft feindlich gegenüberstehendes Milieu treffen, das
eine andere Sprache spricht und völlig andere Gebräuche
hat. Die Techniker, die sich dieser schwierigen Aufgabe stellen,
müssen vor allem also Kommunisten sein, im tiefsten und vornehmsten
Sinne dieses Wortes: mit dieser Eigenschaft und einem Minimum an
Organisations- und Anpassungsfähigkeit werden. sie Wunder vollbringen.
Wir wissen, daß dies möglich ist,
weil uns Bruderländer bereits eine gewisse Anzahl von Technikern
geschickt haben, die mehr leisteten für die Entwicklung unseres
Landes als zehn Institute und wirksamer zu unserer Freundschaft
beitrugen als zehn Botschafter oder hundert diplomatische Empfänge.
Wenn die hier angeschnittenen Punkte wirklich
in die Tat umgesetzt werden könnten, und den unterentwickelten
Ländern darüber hinaus die ganze Technologie der entwickelten
Länder zur Verfügung gestellt würde, ohne das herrschende
System der Patente anzuwenden, das die Entdeckungen eines jeden
Landes schützt, dann könnten wir einen riesigen Fortschritt
in unserer gemeinsamen Aufgabe erzielen. Der Imperialismus ist in
vielen Teilschlachten besiegt worden. Doch stellt er noch immer
in der Welt eine beachtliche Macht dar und wir können mit seiner
endgültigen Überwindung nicht rechnen ohne die Kraft und
das Opfer aller.
Doch all diese vorgeschlagenen Maßnahmen
dürfen nicht einseitig durchgeführt werden. Zwar muß
die Entwicklung der unterentwickelten von den sozialistischen Ländern
getragen werden. Ebenso aber müssen auch die unterentwickelten
Länder all ihre Kraft zusammennehmen und entschlossen den Weg
zum Aufbau einer neuen Gesellschaft einschlagen - unter welchem
Namen immer -, in der die Maschine ein Instrument der Arbeit, aber
nicht ein Instrument für die Ausbeutung des Menschen durch
den Menschen darstellt. Man kann auch nicht das Vertrauen der sozialistischen
Länder für sich an Anspruch nehmen, wenn man zwischen
Kapitalismus und Sozialismus hin- und herpendelt und versucht, beide
Kräfte gegeneinander auszuspielen, um bestimmte Vorteile aus
dieser Konkurrenz zu ziehen.
Eine neue Politik absoluter Aufrichtigkeit sollte
in den Beziehungen zwischen beiden Gesellschaftsgruppen herrschen.
Noch einmal dürfen wir hervorheben, daß die Produktionsmittel
vorzugsweise in den Händen des Staates liegen sollten, damit
allmählich die Zeichen der Ausbeutung verschwinden. Außerdem
darf die Entwicklung nicht völliger Improvisation überlassen
bleiben; der Aufbau der neuen Gesellschaft muß geplant werden.
Planung ist eines der Gesetze des Sozialismus, ohne die er nicht
existieren würde. Ohne entsprechende Planung kann nicht hinlänglich
garantiert werden, daß die wirtschaftlichen Sektoren eines
Landes harmonisch ineinandergreifen, um die Sprünge nach vorn
zu ermöglichen, wie die Epoche, in der wir leben, es fordert.
Planung ist kein isoliertes Problem für jedes unserer kleinen
Länder, die in ihrer Entwicklung verzerrt wurden, die irgendwelche
Rohstoffe besitzen, einige Fabrikate oder Halbfabrikate herstellen,
aber an allen übrigen Mangel leiden. Sie sollte von Anfang
an auf eine gewisse Regionalisierung der Produktion zielen, um den
wirtschaftlichen Gegebenheiten der Länder zu entsprechen und
zu einer Integration auf der Grundlage echten wechselseitigen Nutzens
zu gelangen.
Wir sind überzeugt, daß der gegenwärtige
Weg voller Gefahren ist; Gefahren, die nicht durch irgendeinen obwaltenden
Geist erfunden oder für eine ferne Zukunft gesponnen werden,
sondern handgreifliches Ergebnis der realen Umstände sind,
die uns quälen.
Der Kampf gegen den Kolonialismus hat seine letzten
Stationen erreicht, doch ist in unserer gegenwärtigen Epoche
der Kolonialstatus auch nur eine Folge der imperialistischen Herrschaft.
Solange der Imperialismus der Sache nach besteht,
wird er seine Herrschaft über andere Länder ausüben:
diese Herrschaft heißt heute Neokolonialismus.
Der Neokolonialismus hat sich als erstes in Südamerika
entwickelt, auf dem gesamten Kontinent, und macht sich heute mit
wachsender Intensität in Afrika und Asien bemerkbar. Seine
Unterwanderung und Entfaltung trägt unterschiedliche Züge:
auf der einen Seite die brutale Form, wie wir sie im Kongo kennenlernten.
Die brutale Gewalt ohne irgendwelche Rücksicht oder Verschleierung
ist seine äußerste Waffe. Daneben gibt es eine weit subtilere
Form: die Unterwanderung der Länder, die sich politisch befreien,
die Verbrüderung mit den aufkommenden nationalen Bourgeoisien,
die Förderung einer schmarotzenden bürgerlichen Klasse,
welche mit den Interessen der Metropole eng liiert ist, und begünstigt
wird durch einen gewissen Wohlstand oder ein zeitweiliges Anheben
im Lebensniveau der Völker - demzufolge in äußerst
rückständigen Ländern der einfache Übergang
von den feudalen zu den kapitalistischen Verhältnissen schon
als ein großer Fortschritt erscheint, unabhängig von
den verheerenden Folgen, die er auf die Dauer für die Arbeiter
erbringt.
Der Neokolonialismus hat seine Krallen im Kongo
gezeigt; das ist kein Zeichen für Macht, sondern für Schwäche;
er mußte zur äußersten Waffe greifen, zur Gewalt
als wirtschaftlichem Argument, was intensive Gegenreaktionen hervorrief.
Doch wurde gleichzeitig in einer Reihe von afrikanischen und asiatischen
Ländern jene andere subtilere Form angewandt und es bildete
sich schnell etwas, das man die "Südamerikanisierung" jener
Kontinente nannte, das heißt also die Entwicklung einer Schmarotzerbourgeoisie,
die dem Nationalvermögen nichts hinzufügt, statt dessen
außerhalb des Landes in den kapitalistischen Banken ihre ungeheuren
unredlichen Profite häuft und mit dem Ausland paktiert, um
noch mehr Gewinne zu erzielen, mit einer absoluten Verachtung für
das Wohlergehen ihres Volkes.
Es gibt noch andere Gefahren wie etwa die Konkurrenz
zwischen Bruderländem, die, obwohl politisch Freunde und manchmal
sogar Nachbarn, zur gleichen Zeit gleiche Investitionsgüter
zu entwickeln suchen für Märkte, die oft genug gar nicht
aufnahmefähig sind.
Derlei Konkurrenz hat den Nachteil, daß
sie Energien verschleudert, die eingesetzt werden könnten,
um eine viel breitere wirtschaftliche Ergänzung zu ermöglichen,
und daß sie dem Spiel der imperialistischen Monopole Auftrieb
gibt.
In gewissen Fällen, wenn keinerlei Möglichkeit
besteht, mit Hilfe des sozialistischen Lagers bestimmte Investitionen
einzuleiten, führt man diese durch, indem man mit den Kapitalisten
Verträge schließt. Diese kapitalistischen Investitionen
haben nicht nur ihre Mängel hinsichtlich der Form, in der sie
getätigt werden, sondern noch andere entscheidende Begleiterscheinungen
wie etwa die Schaffung von gemischten Gesellschaften mit einem gefährlichen
Nachbarn. Da die Investitionen im allgemeinen parallel laufen zu
denen anderer Staaten, wird die Gefahr beschworen, daß befreundete
Länder sich wegen wirtschaftlicher Streitigkeiten miteinander
überwerfen; außerdem droht Korruption durch die ständige
Anwesenheit des Kapitalismus, der es wohl versteht, Entwicklung
und Wohlstand vorzugaukeln und den Verstand vieler Leute zu benebeln.
Wenig später erfolgt dann der Preissturz
auf den Märkten, weil diese mit gleichen Produkten übersättigt
werden. Die betroffenen Länder sehen sich gezwungen, entweder
weitere Anleihen aufzunehmen oder zusätzliche Investitionen
zu erlauben, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der Übergang
der Wirtschaft in die Hände der Monopolisten und ein langsamer
aber sicherer Rückfall in die Vergangenheit ist schließlich
die Folge einer derartigen Politik.
Unserer Meinung nach ist die einzig sichere Form,
Investitionen durchzuführen, die einer direkten Beteiligung
des Staates, der rechtlich die Güter erwirbt, die imperialistische
Aktion einschränkt auf die Abfassung von Lieferungsverträgen
besteht und sie nicht weiter kommen läßt als bis vor
unsere Haustür. In diesem Falle soll man ruhig die interimperialistischen
Widersprüche ausnutzen, um weniger schändliche Bedingungen
zu erzielen. Man darf darüber nicht die "uneigennützigen"
wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Hilfen vergessen, welche
der Imperialismus von sich aus gewährt, oder auch über
Marionettenstaaten, die in gewissen Teilen der Welt freundlicher
aufgenommen werden.
Wenn all die aufgezeigten Gefahren nicht rechtzeitig
erkannt werden, dann kann in Ländern, die eben noch voll Glauben
und Enthusiasmus ihre Aufgabe der nationalen Befreiung erfüllt
haben, der Weg für den Neokolonialismus frei werden: die Herrschaft
der Monopole nistet sich ganz vorsichtig ein, so allmählich,
daß es schwer fällt, ihre Auswirkungen wahrzunehmen,
bis sie sich schließlich brutal spüren läßt.
Es gilt eine große Aufgabe zu verwirklichen:
unendliche Probleme stellen sich unseren beiden Welten, der Welt
der sozialistischen Länder und dieser sogenannten Dritten Welt;
Probleme, die direkt verknüpft sind mit dem Menschen und seinem
Wohlbefinden und mit dem Kampf gegen den Hauptschuldigen an unserem
Rückstand. Diesen Problemen gegenüber müssen alle
Länder und Völker - im Bewußtsein ihrer Pflichten,
im Bewußtsein der Gefahren, die unsere Lage mit sich bringt,
der Opfer, die unsere Entwicklung fordert - konkrete Maßnahmen
ergreifen, damit unsere Freundschaft sich auf den beiden Ebenen
der Wirtschaft und der Politik verbindet, welche nicht voneinander
getrennt werden können, und damit ein großer kompakter
Block entsteht, der seinerseits neuen Ländern hilft, sich nicht
nur von der politischen, sondern auch von der wirtschaftlichen Macht
des Imperialismus zu befreien.
Der Gesichtspunkt einer Befreiung durch Waffen
von einer politischen Unterdrückermacht muß nach den
Regeln des proletarischen Internationalismus behandelt werden: So
absurd die Vorstellung ist, daß der Direktor eines Unternehmens
in einem kriegführenden sozialistischen Land zögern würde,
seine Panzer, die er herstellt, an eine Front zu entsenden, die
keine Zahlungsgarantien leisten kann, so absurd sollte es auch erscheinen,
nach der Zahlungsfähigkeit eines Volkes zu fragen, das für
seine Befreiung kämpft oder Waffen braucht, um seine Freiheit
zu verteidigen.
Die Waffen dürfen in unseren Welten keine
Handelsware sein, sie müssen völlig kostenfrei und in
den genügenden - und möglichen - Mengen an die Völker
geliefert werden, die sie erbitten, um sie gegen den gemeinsamen
Feind einzusetzen. In diesem Geist haben die UdSSR und die Volksrepublik
China uns ihre militärische Unterstützung gewährt.
Wir sind Sozialisten, wir sind eine Garantie für den richtigen
Einsatz dieser Waffen, aber wir sind nicht die einzigen, und allen
sollte die gleiche Behandlung zuteil werden. Als Antwort auf den
abscheulichen Angriff des nordamerikanischen Imperialismus auf Vietnam
und den Kongo müssen jene Bruderländer alle Verteidigungsmittel
erhalten, die sie brauchen, und dazu unsere uneingeschränkte
Solidarität.
Auf wirtschaftlicher Ebene müssen wir den
Weg unserer Entwicklung mit einer möglichst fortschrittlichen
Technik erkämpfen. Wir können den langen und langsamen
Aufstieg der Menschheit vom Feudalismus zum Zeitalter der Atombombe
und Automatik nicht nachvollziehen, denn es wäre ein Weg mit
unendlichen und zum Teil unnützen Opfern. Wir müssen uns
die Technik holen da, wo sie ist - den großen technischen
Sprung vollziehen, um nach und nach den Abstand zwischen den fortgeschrittensten
und unseren Ländern zu verringern.
Diese Technik muß sowohl in den großen
Fabriken eingesetzt werden als auch in einer angemessen entwickelten
Landwirtschaft; außerdem muß sie sich stützen auf
eine technische und ideologische Kultur, die stark genug und in
den Massen verankert ist, um ständig die Institute und Forschungsapparate
zu versorgen, welche ein jedes Land sich schaffen sollte, um die
Menschen zu stellen, welche die gegenwärtige Technik anwenden
und in der Lage sind, sich neuen technischen Errungenschaften anzupassen.
Diese Kader müssen sich klar sein über
ihre Pflicht gegenüber der Gesellschaft, in der sie leben;
es kann keine angemessene technische Kultur geben, wenn sie nicht
begleitet wird von einer ideologischen Kultur. Und in den meisten
unserer Länder kann es keine ausreichende Basis für industrielle
Entwicklung - von der die Entwicklung einer modernen Gesellschaft
abhängt - geben, solange man nicht damit beginnt, dem Volk
die nötige Nahrung zu sichern, die unentbehrlichsten Verbrauchsgüter
und eine angemessene Bildung.
Ein großer Teil des Volkseinkommens muß
in die sogenannten unproduktiven Investitionen der Erziehung gesteckt
werden, und ganz besonders muß man sich um die Entwicklung
der landwirtschaftlichen Produktivität kümmern. Diese
hat in mehreren kapitalistischen Ländern nahezu unglaubliche
Grade erreicht und im Rückschlag widersinnige Krisen von Überproduktion
bewirkt, eine Invasion von Getreide und anderen Nahrungsmitteln
oder industriellen Rohstoffen aus den entwickelten Ländern,
während eine ganze Welt an Hunger leidet, obwohl sie Land und
Menschen genug hat, um ein Mehrfaches dessen zu produzieren, was
die ganze Welt braucht, um sich zu ernähren.
Die Landwirtschaft muß als einer der Grundpfeiler
der Entwicklung betrachtet werden, und deshalb muß es eine
unserer Grundaufgaben sein, die landwirtschaftlichen Strukturen
zu ändern und sie den neuen Möglichkeiten der Technik,
als auch den neuen Pflichten - der Aufhebung der Ausbeutung des
Menschen - anzupassen. Bevor man kostspielige Entscheidungen fällt,
die unheilbaren Schaden anrichten könnten, gilt es eine sorgfältige
Prospektion des Nationalgebietes vorzunehmen; das ist einer der
entscheidenden Schritte vor jeder wirtschaftlichen Untersuchung
und eine elementare Notwendigkeit für eine korrekte Planung.
'Wir unterstützen voll und ganz den Vorschlag
Algeriens, unsere Beziehungen zu institutionalisieren. Wir möchten
dazu nur einige ergänzende Überlegungen vortragen.
Erstens: damit diese Union wirklich ein Instrument des Kampfes
gegen den Imperialismus wird, ist es nötig, daß die
lateinamerikanischen Völker einbezogen und ein Bündnis
mit den sozialistischen Ländern geschlossen wird.
Zweitens: es gilt über den revolutionären Charakter
der Union zu wachen, indem man jenen Regierungen und Bewegungen
den Beitritt verweigert, die sich nicht mit den allgemeinen Bestrebungen
der Völker identifizieren, und indem man Mechanismen schafft,
die es ermöglichen, sich von jedem loszusagen, der vom rechten
Weg abweicht, sei es nun Regierung oder Volksbewegung.
Drittens: man muß es erreichen, neue Beziehungen auf der
Grundlage der Gleichheit zwischen unseren und den kapitalistischen
Ländern zu errichten, indem man eine revolutionäre Rechtsprechung
etabliert, die uns in Streitfällen schützt und den Beziehungen
zwischen uns und der übrigen Welt ein neues Gewicht verleiht.
Wir sprechen eine revolutionäre Sprache
und wir kämpfen aufrichtig für den Sieg dieser Sache der
Revolution, aber wir verfangen uns selber oft in den Maschen eines
internationalen Rechts, das geschaffen wurde als das Produkt der
Zusammenstöße zwischen den imperialistischen Mächten
und nicht aus dem Kampf der freien, der gerechten Völker erwuchs.
Unsere Völker leiden z. B. unter dem beängstigenden
Druck fremder, auf ihrem Gebiet errichteter Militärbasen oder
unter dem schweren Gewicht unglaublich hoher Auslandsschulden.
Die Geschichte dieser Belastungen ist wohlbekannt:
Marionettenregierungen, Regierungen, die durch einen langen Befreiungskampf
oder die Entwicklung der kapitalistischen Marktgesetze geschwächt
wurden, stimmten dem Abschluß von Verträgen zu,- die
unsere innere Stabilität bedrohen und unsere Zukunft gefährden.
Es ist Zeit, das Joch abzuwerfen, eine Revision der drückenden
Auslandsschulden zu fordern und die Imperialisten zu zwingen, ihre
Aggressionsbasen aufzugeben.
Ich möchte diese Worte, diese Wiederholung
von Prinzipien, die Sie alle kennen, nicht abschließen, ohne
die Aufmerksamkeit dieser Konferenz noch einmal auf die Tatsache
zu lenken, daß Cuba nicht das einzige amerikanische Land ist,
nur wurde ihm die Gelegenheit zuteil, heute vor Ihnen zu sprechen;
weitere Völker vergießen ihr Blut, um jenes Recht zu
erwerben, das wir besitzen - und so müssen wir von hier aus
wie von jeder Konferenz und jedem Ort, an dem sie stattfinden mag,
unseren Gruß entsenden an die heldenmütigen Völker
Vietnams, Laos, des sogenannten Portugiesisch Guinea, Südafrikas
oder Palästinas, an alle ausgebeuteten Länder, die um
ihre Emanzipation kämpfen, müssen wir gleichzeitig den
Brudervölkern Venezuelas, Guatemalas und Kolumbiens, welche
heute mit den Waffen in der Hand dem imperialistischen Feind ein
endgültiges "Nein" entgegenstellen, unsere Freundesstimme,
unsere Hand und unsere Ermutigung bieten.
Es gibt wenig Plätze für eine solche
Erklärung, die so symbolträchtig wären wie Algier,
eine der tapfersten Hauptstädte der Freiheit. Möge das
großartige algerische Volk, das wie kaum ein anderes ausgebildet
ist in den Leiden für die Unabhängigkeit, unter der entschlossenen
Führung seiner Partei, mit unserem lieben Genossen Ahmed Ben
Bella an der Spitze, uns zur Inspiration dienen in diesem erbarmungslosen
Kampf gegen den weltweiten Imperialismus.
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