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Quelle: New International, Band XXII, Nr. 2, (USA), S. 86–106
http://marxists.org/archive/draper/1956/xx/tragedy.html.
Übersetzung aus dem Englischen von Rosemarie Nünning
Die englische Fassung dieses Texts ist Copyright © Center for Socialist History, Berkeley, California.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.
Die mir selbst auferlegte Grundregel für diesen Artikel lautet, dass alle wichtigen Stellungnahmen aus zionistischen oder zionismusfreundlichen Quellen, auch israelischen, stammen sollen, und falls das nicht möglich ist, dann zumindest aus Quellen, die Zionisten als eher projüdisch und nicht proarabisch einschätzen. Ausnahmen oder Einschränkungen sind im Text oder in den Fußnoten besonders gekennzeichnet, wenn sich das nicht von selbst erschließt. Der einzige Grund für diese rein künstliche Beschränkung liegt in dem typisch zionistischen, automatischen Reflex, jede unschöne Wahrheit über den Zionismus oder die israelische Regierung als per se vorurteilsbehaftet, proarabisch, antisemitisch oder fabriziert darzustellen. Alle verwendeten Quellen sind deshalb tatsächlich, abgesehen von den wenigen besonders gekennzeichneten Stellen zugunsten Israels voreingenommen.
Soweit die Ichud erwähnt wird, sei in Erinnerung gerufen, dass diese kleine Gruppe in Israel als einzige Strömung in der zionistischen Bewegung nach wie vor konsequent für eine jüdisch-arabische Zusammenarbeit eintritt. [1]
Berichtet es nicht in Gat, verkündet die Botschaft nicht auf den Straßen von Aschkelon, dass sich nicht freuen die Töchter der Philister, dass nicht jubeln die Töchter der Unbeschnittenen! – 2. Samuel 1,20
Es ist niemals angenehm, auf die Fehler in den Dingen zu verweisen, die wir lieben, und es ist immer wieder eine undankbare Aufgabe. […] Was aber sollte ein Reporter mit den vorhandenen Fehlern tun? Ich denke, er sollte seine Arbeit tun – und darüber berichten. […] Wenn die Wahrheit schließlich ans Licht kommt, und das muss sie, werden die Falschinformierten den Fabelschmieden nicht dankbar sein.
Es gibt noch einen weiteren Grund, die volle Wahrheit deutlich auszusprechen. Israel ist neu. Israel ist noch formbar, wie ein Kind mit weichen, zerbrechlichen Knochen. Die Schlechtigkeiten älterer Staaten sind Alterserscheinungen, sind die langsame Verhärtung jugendlicher Tendenzen in alte Rituale. Noch ist Zeit in Israel. Aber in Israel altert das Böse wie das Gute sehr schnell. – Hal Lehrman, Commentary, Juli 1949 [2]
Alle Anhänger Israels, einschließlich der offiziellen Zionisten selbst, kennen die Plattitüde, dass sein Friede und seine Sicherheit von normalen Beziehungen mit der Israel umgebenden arabischen Welt abhängen. Stattdessen ist es zu wachsenden Feindseligkeit in einem Teufelskreis gegenseitigen Hasses gekommen, der die Region oder gar die Welt in einen Krieg hineinzuziehen droht. Es steht zu befürchten, dass das Ergebnis der zionistischen „Erfüllung“ nicht so sehr die Lösung der jüdischen Frage ist, wie der Zionismus sie verkündete, sondern ein neuer Akt in der Tragödie des jüdischen Volks.
Die Tragödie ist nicht unvermeidlich. Denn in diesem Teufelskreis gibt es eine Bruchstelle. Bedauerlicherweise ist eben diese Bruchstelle blockiert durch tief verankerte Elemente der offiziellen zionistischen Ideologie, der die Führung Israels anhängt.
Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, müssen die Unterstützung und die Freundschaft der arabischen Massen gewonnen werden, gegen die arabischen Herrscher, um einen binationalen Staat zu errichten. Für Israel beginnt dieses Programm zu Hause: Israel wird niemals in Frieden mit der umliegenden arabischen Welt sein, selbst wenn es ein Abkommen mit Oberst Nasser schließen sollte, solange es mit seiner eigenen arabischen Minderheit im Krieg steht. Hier müssen wir ansetzen. [3] Die Existenz einer arabischen Minderheit in Israel ist den meisten US-Amerikanern kaum bewusst – einige behaupten, das gelte auch für die Israelis, obwohl sie ein Zehntel der Nation bilden, so wie die Minderheit der Neger [4] in den Vereinigten Staaten.
Soweit die israelischen Araber nicht ignoriert werden, werden sie häufig ohne Unterschied als „fünfte Kolonne“ und mögliche Agenten ausländischer, Israel feindlich gesinnter Araber gesehen; schließlich sind sie alle Araber, nicht wahr? Von ihnen wird als „Überreste des besiegten Feinds von 1948“ gesprochen, trotz der Tatsache, dass sie 1948 nicht besiegt wurden, denn sie haben nicht gegen Israel gekämpft.
Israels Araberproblem geht natürlich zurück auf die Anfänge der zionistischen Kolonialisierung. Es ist nicht wahr, dass die Zionisten nach dem Ersten Weltkrieg mit der Schaffung des Mandats als „Agenten des britischen Imperialismus“ nach Palästina kamen. Wahr ist, dass sie als bewusste Juniorpartner des britischen Imperialismus kamen: Sie würden die fortgesetzte britische Vorherrschaft über das Land garantieren, so ihr Vorschlag, wenn ihnen im Gegenzug freie Hand über die einheimischen Araber gegeben würde. Chaim Weizmann, der zum Führer des Weltzionismus wurde und als gewitzter Architekt dieser symbiotischen Beziehung später erster Präsident Israels, äußert sich in seiner Autobiografie sehr aufrichtig dazu. [5] Es war nicht sein Fehler, oder das des Zionismus, wenn diese Politik nach 1945 fehlschlug, als die britische Regierung unter Ernest Bevin eine scharfe Kehrtwende zugunsten der Araber vollzog.
Das Einsickern der Zionisten fand deshalb in Palästina unter den Augen der Araber als Eintritt einer fremden und feindlichen Kraft unter der Schirmherrschaft einer anderen fremden und feindlichen Kraft statt. Leider haben die zionistische Bewegung und die israelische Regierung trotz gelegentlicher Verbeugung vor einer jüdisch-arabischen Freundschaft niemals aufgehört, dieses Gefühl zu bestärken.
Spätestens seit Dr. Weizmann im Jahr 1919 damit herausplatzte, dass der Zionismus Palästina „so jüdisch“ machen wolle, „wie England englisch“ sei, fürchteten die Araber, dass dieses Ziel nur erreicht werden könne, wenn die Bevölkerung vertrieben oder anderweitig beseitigt würde. Die Zionisten begegneten dem mit gegenteiligen Versicherungen und Versprechungen. Aber Taten zählen immer mehr als Worte. Heute stellen wir fest, dass in Wahrheit die Gründung eines zionistischen Staats zusammenfiel mit einem Prozess, in dem die große Mehrheit der palästinensischen Araber von ihrem Land und ihren Häusern getrennt wurde. Wie kam es dazu?
Und es soll geschehen, wenn der HERR, dein Gott, dich in das Land bringt, das er deinen Vätern […] geschworen hat, dir zu geben: große und gute Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser voll von allem Guten, die du nicht gefüllt hast, und ausgehauene Zisternen, die du nicht ausgehauen hast, Weinberge und Olivenbäume, die du nicht gepflanzt hast […] – Deuteronomium 6,10–11
Das scheint mir ein sehr geeigneter Anfang für eine Untersuchung der jetzigen Lage der Araber in Israel zu sein und der um Israel lebenden arabischen Flüchtlinge. Dies ist eine Geschichte, die von beiden Seiten in Propagandanebel gehüllt wird.
Am 29. November 1947 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) die Resolution zur Teilung Palästinas. Als das britische Mandat im folgenden Mai endete, erklärten die Zionisten die Gründung des Staats Israel, und die arabischen Staaten marschierten in Palästina ein, um die Teilung mit Gewalt rückgängig zu machen.
Mit Ausbrechen der Kämpfe schon vor der Staatsgründung im Mai 1948 kam es zur Massenflucht und Entwurzelung der palästinensisch-arabischen Bevölkerung, einem regelrechten Exodus aus ihren Häusern und Ländereien. Als alles vorbei waren, lebten von 700.000 Arabern nur noch 170.000 bis 180.000 in den erweiterten Grenzen Israels.
Nach offizieller zionistischer Darstellung fand diese Flucht in Zusammenarbeit mit den einmarschierenden Armeen der arabischen Fremdstaaten statt. In der offiziellen israelischen Regierungsbroschüre „Die Araber in Israel“ heißt es:
Es begann mit dem Eilbefehl der arabischen Kommandeure und politischen Führung, die den [palästinensischen-arabischen] Menschen versicherten, ihre Evakuierung in die benachbarten arabischen Länder sei nur von kurzer Dauer und sie würden bald im Gefolge der siegreichen arabischen Armee zurückkehren und einen angemessenen Teil der Beute erhalten. [6]
Laut derselben offiziellen Version hatten die palästinensischen Araber außerdem geglaubt, dass der Einmarsch ein Spaziergang werde. Als die arabischen Armeen jedoch besiegt waren, „gerieten sie in Panik und stürmten zurück über die Grenzen. […] In dem Wissen um das, was sie ihren Nachbarn antun wollten, erwarteten sie jetzt von den siegreichen Juden dieselbe Behandlung.“ [7] Ein Massenschuldbewusstsein also. Die Juden andererseits versuchten vergeblich, diese Araber zum Bleiben zu bewegen und Frieden zu halten, so dieselbe Quelle.
Diese offizielle Version liefert uns die moralische und sogar rechtliche Begründung für drei Aspekte israelischer Politik:
Wie wichtig diese Version der Flucht der Araber für die Zionisten ist, lässt sich nur ermessen, wenn wir die wirtschaftliche Bedeutung in Betracht ziehen. In dem folgenden Überblick bezieht sich der juristische Begriff „Eigentum Abwesender“ oder „aufgegebenes“ Eigentum auf Eigentum, das Arabern entzogen wurde, die egal aus welchem Grund während der Kämpfe ihre Häuser verließen:
Von den 370 neuen jüdischen Siedlungen, die von 1948 bis Anfang 1953 errichtet wurden, befanden sich 350 auf dem Eigentum Abwesender. Im Jahr 1954 lebte über ein Drittel der israelisch-jüdischen Bevölkerung auf Eigentum Abwesender und fast ein Drittel der neuen Einwanderer (250.000 Menschen) siedelten sich in Stadtgebieten an, die von Arabern verlassen worden waren. […] die meisten arabischen Haine wurden von israelischen „Hütern“ des Eigentums Abwesender übernommen. […] In den Jahren 1951/52 kamen von arabischen Hainen eine Viertelmillion Kartons Früchte, von denen 400.000 exportiert wurden. Arabische Exportfrüchte brachten im Jahr 1951 rund 10 Prozent der ausländischen Devisen ein. Im Jahr 1949 standen Olivenprodukte von aufgegebenen arabischen Hainen an dritter Stelle von Israels Exporten, nach Zitronen und Diamanten […]
Die CCP [Conciliation Commission for Palestine] schätzte, dass das kultivierbare aufgegebene arabische Land in Israel fast zweieinhalb Mal so groß war wie das Gesamtgebiet des von Juden bewohnten Besitzes zum Ende der Mandatszeit [1948] […]
Im Jahr 1951 gehörten zu dem aufgegebenen Land fast 95 Prozent aller israelischen Olivenhaine […] [8]
Die „Hüter“ des Eigentums Abwesender waren im Jahr 1953 „mit die größten Arbeitgeber Israels und mit 65.000 vermieteten Wohnungen und Geschäftseinheiten ursprünglich arabischen Eigentums vielleicht die bedeutendsten Landeigentümer überhaupt […]“ [9]
Das vermittelt eine ungefähre Vorstellung von der Bedeutung, die die Flucht der palästinensischen Araber für die Gründung des Staats Israel hatte. Es steht also einiges auf dem Spiel, wenn die Zionisten betonen, dass diese Flucht ein Akt der Feindseligkeit gegen den Staat Israel sei.
Was aber ist, wenn das nur eine ganz normale Reaktion von Menschen war, die versuchten, den Gewehrkugeln zu entkommen? Was ist, wenn das nicht in Zusammenarbeit mit den arabischen Invasoren geschah, sondern aus Furcht vor ihnen? Was ist, wenn das aus Furcht vor israelischen Gewalttaten geschah? Was ist, wenn es auch wegen der Vertreibung friedlicher Araber durch israelische Truppen geschah?
Lasst uns die drei Kräfte untersuchen, die die Flucht auslösten: die arabischen Staaten als Invasoren; die zionistischen Kräfte, reguläre wie irreguläre Truppen; und die Briten, die das Land angesichts des Niedergangs ihrer Macht verbittert verließen.
Zwei Völker sind in deinem Leibe, und zweierlei Leute werden sich scheiden aus deinem Leibe […] – Genesis 25,23
Zum Verständnis der Situation muss zunächst etwas über die gesellschaftliche Struktur der arabischen Gemeinde in Palästina gesagt werden.
Als die Briten ihr Mandat beendeten und abzogen, gab es bereits eine vollständige Quasi- oder Schattenregierung in den jüdischen Gemeinden, die sofort antreten und alle wesentlichen Regierungsfunktionen und sozialen Aufgaben übernehmen konnte. Nicht so bei den Arabern:
Als die britische Verwaltung abzog […] gab es keine organisierte arabische Körperschaft, welche die für die kommunale Organisation so wichtigen Regierungsaufgaben hätte übernehmen können. Mit dem Zusammenbruch aller Regierungsfunktionen zur Aufrechterhaltung von öffentlichem Recht, von Ordnung und Wohlergehen – Wasser- und Stromversorgung, Postwesen, Polizei, Bildung, Gesundheitswesen, Abwasserentsorgung und so weiter – brach auch die Moral der Araber zusammen. [10]
Das war der Kontext, wenn auch nicht die Ursache für die Flucht. Abgesehen davon war eine Massenflucht im Nahen Osten nicht so ungewöhnlich, wenn die Bevölkerung Grund hatte, sich vor einem Krieg auf ihrem Boden zu fürchten.
Nicht nur die Verwaltung brach zusammen, sondern auch die Gesellschaftsstruktur. Wie wir noch sehen werden, floh als Erstes die arabische Oberschicht.
Die Oberschicht besteht in der Regel aus ein paar Großfamilien, deren Mitglieder Schlüsselpositionen im Wirtschaftsbereich und in den gehobenen Berufen des Landes besetzen […]. Diese kleine, aber außerordentlich wohlhabende und einflussreiche Schicht repräsentierte das arabische Palästina in faktisch jeder Äußerung des gesellschaftlichen, bürgerlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens. […] Es war allseits bekannt, dass ihre Interessen denen der Fellachen [Bauern; d. Übers.] meistens völlig entgegengesetzt waren. Letztere machten drei Viertel der arabischen Bevölkerung Palästinas aus, waren aber Analphabeten, die sich nicht artikulieren konnten und unfähig waren, irgendeine Meinung zu äußern. [11]
Diese dünne Oberschicht war stark nationalistisch eingestellt aber gleichzeitig sozial und politisch reaktionär. Auch wenn sie nicht die Interessen der Masse der arabischen Bauern vertrat, wurde die arabische Gemeinschaft mit ihrer Flucht strukturell instabil. Das galt noch mehr für die arabischen Stadtgemeinden wie Jaffa und Haifa.
Laut der offiziellen zionistischen und israelischen Version (zum Beispiel der Regierungspropaganda in der Broschüre „Araber in Israel“) unterstützten die palästinensischen Araber nicht nur den Einfall fremder arabischer Staaten, sondern sie bildeten schon vor dem Mai-Einmarsch auch die Mehrheit in den irregulären arabischen Banden, die Anfang 1948 jüdische Siedlungen drangsalierten. [12] Das mag vielleicht so gewesen sein, aber wie viele solcher palästinensischen Araber gab es dort? Auf der anderen Seite, wie war die Haltung der Mehrheit der palästinensischen Araber?
Arthur Koestler, sein Leben lang Zionist (Revisionist [13]), der damals in Palästina als Korrespondent tätig war, schrieb:
Immer mehr zerlumpte Fremde kamen in die arabischen Dörfer und Städte. […] Da die palästinensischen Araber wenig Bereitschaft zeigten, in den Kampf zu ziehen, gingen die Angriffe aus dem Hinterhalt und der Guerillakrieg von den fremden Freiwilligen aus. […] nach den ersten ernsthaften Zusammenstößen zwischen Arabern und Juden in Tiberias […] vereinbarten die Führungsköpfe der beiden Gemeinden einen Waffenstillstand, wobei die arabischen Delegierten erklärten, die Angreifer auf das jüdische Viertel seien „Fremde“ und „gewaltsam in den Ort eingedrungen“. [14]
Der jüdische Ethnologe Raphael Patai schreibt:
Die Mehrheit der israelisch-muslimischen Araber versucht jedoch, nicht in die arabisch-jüdischen Kämpfe verwickelt zu werden. Auf jüdischer Seite wurde nie Druck [auf die Araber; d. Übers.] ausgeübt, die Waffen zu ergreifen und auf ihre Brüder zu richten; und sie selbst [die Araber; d. Übers.] versuchten mit allen Mitteln, sich den Forderungen der arabischen Armeen und Guerillatruppen nach aktiver Unterstützung oder finanzieller Hilfe zu entziehen. [15]
David Ben Gurion selbst bezeugte in einem Magazin, das Anfang 1948 [16] erschien:
Tatsächlich weigert sich die übergroße Mehrheit der palästinensischen Araber immer noch, sich an diesem Krieg zu beteiligen. Sie weigern sich trotz des Drucks, den der Mufti und seine Banden, die hinter ihm stehenden arabischen Herrscher und Potentaten und die Mandatsmacht [Großbritannien], die mit ihrer Politik die arabische Aggression unterstützt und begünstigt, gemeinsam ausüben.
[…] die übergroße Mehrheit der arabischen Dörfer hielt sich fern vom Kampf. Wäre das arabische Volk Palästinas nicht von den arabischen Banden terrorisiert und von deren britischen Unterstützern angestiftet worden, dann hätte es schon bald wieder friedliche Beziehungen zu seinen jüdischen Nachbarn aufgenommen.
Das schrieb Ben Gurion vor Beginn des Landraubs. Erst später begannen israelische Propagandisten eine andere Version zu verbreiten, das heißt, nachdem der Landraub eingeleitet worden war.
In derselben Ausgabe dieses zionistischen Organs, aus dem wir Ben Gurion zitiert haben, zeichnete ein anderer arabischer Experte des Zionismus, Yaakov Shimoni, ein ähnliches Bild. [17] Unter anderem betonte er:
Die Tatsache bleibt bestehen, dass die arabische Bevölkerung sich in ihrer Mehrheit bisher von Angriffen auf die Juden ferngehalten hat. Bisher waren die Anstifter des Aufruhrs nicht in der Lage, die Mehrheit der arabischen Fellachen oder der städtischen Araber anzuwerben […]
Nach einem detaillierten Bericht über die Reaktion der Menschen kommt er zu dem Ergebnis:
[…] die Hoffnungen des Muftis und der AHE [Arab Higher Executive] wurden bisher enttäuscht, denn obwohl sie zum Angriff aufgewiegelt und ihn eingeleitet hatten, konnten sie die Ware nicht liefern: Die Mehrheit der arabischen Menschen in Palästina sind nicht auf ihre Anweisung hin aufgestanden und sie zeigten sich zögerlich und unfähig, gegen die Juden zu kämpfen.
Der interessierte Leser kann ähnliche Zeugnisse in etlichen anderen zionistischen Quellen finden. [18]
Wie gesagt lautet die zionistische Erzählung, dass die Arab Higher Executive, die obere arabische Führung, die palästinensischen Araber dazu aufrief, ihre Häuser zu verlassen, über die Grenze zu fliehen und dort zu warten, bis sie triumphierend in ein erobertes Land zurückkehren könnten. [19] Wenn wir dennoch einmal unterstellen, dass es zur Politik der AHE gehörte, diesen Aufruf zu verbreiten, dann sagt uns das immer noch nichts darüber, ob die palästinensischen Araber diesem Aufruf auch folgten. Dafür sind die oben zitierten Zeugen sehr viel wichtiger.
Wie kommt ihr dazu, mein Volk zu zerschlagen? Ihr zermalmt das Gesicht der Armen. – Jesaja 3,15
Fast alle Seiten sind sich in einer Frage jedoch einig: der Klassendifferenzierung bei der Flucht. Das könnte auch einen Kern Wahrheit in der zionistischen Geschichtsschreibung über die Flucht erklären.
Denn auf die wohlhabende arabische Oberschicht (eine kleine Minderheit) trifft die zionistische Erzählung teilweise durchaus zu, nicht aber auf die arabischen Massen. In der ersten Phase der Flucht – vor Ausbruch also der schweren Kämpfe und vor dem Massaker von Deir Jassin zum Beispiel – war es eben die reiche Führung der arabischen Gesellschaft, die freiwillig floh.
Selbst in der Broschüre der israelischen Regierung wird auf die Klassenunterschiede hingewiesen:
Zu Beginn der Kämpfe war die Bewegung [der Massenexodus] noch klein. Etwa 30.000 Araber, hauptsächlich aus den wohlhabenden Schichten, verließen das Land, um in Nachbarstaaten das Ergebnis der Kämpfe abzuwarten, so wie in den Auseinandersetzungen von 1936 bis 1939. [20]
Das ist aber ein recht widerwilliges Eingeständnis angesichts der Überfülle an Beweisen aus zionistischen Quellen. Im Israel Digest von April 1949 heißt es: „Die Wohlhabenden verließen in Umsetzung eines bewussten Plans vor dem 14. Mai das Land“ (mit Plan ist die AHE-Strategie laut der zionistischen Geschichtsschreibung gemeint; wichtig ist jedoch, dass dies nur den wenigen reichen Arabern zugeschrieben wird), aber: „Die ärmeren Klassen flüchteten erst im ersten Monat des Bestehens Israels […]“ [21] Demzufolge beteiligten sich die „ärmeren Klassen“ erst nach dem Massaker von Deir Jassin und vielen anderen Ereignissen an der Flucht. Was ist dann aber mit der jetzt offiziellen zionistischen Erzählung von einem Komplott der AHE zur Erzeugung eines Massenexodus, das als Rechtfertigung für Israels Flüchtlingspolitik, für seine Landnahme und die Verhängung einer Militärregierung über die arabische Minderheit gilt?
Genau dieselbe Feststellung wurde 1949 in der Januarausgabe des Tel-Aviver Magazins Israel & Middle East getroffen. [22]
Yaakov Shimoni schrieb einige Monate später, „die gebildeten und wohlhabenderen Menschen […] gehörten zu den Ersten, die wegrannten, im Gegensatz zu den ärmeren Schichten der Gemeinde […]“ [23] Schon am 4. Februar 1948 berichtete der britische Hochkommissar, dass „die Panik […] in der gesamten arabischen Mittelschicht weiter zunimmt und es einen stetigen Exodus derer gibt, die es sich leisten können, das Land zu verlassen“. [24]
Ein zionistischer Autor berichtet: „In den Städten blieben vor allem die Arbeiter und die Armen, neben einer sehr dünnen Schicht von Mittelstandsfamilien.“ [25] Der bekannte Journalist Hal Lehrman fasst in dem US-amerikanischen Monatsmagazin Commentary vom Dezember 1949 zusammen:
Die Imame flohen aus den Moscheen, die Kadis aus den Gerichten, die Ärzte, Lehrer, fast alle Intellektuellen flohen. Nur die Arbeiter und Bauern blieben. [26]
Um die Geschehnisse wirklich verstehen zu können, müssen wir uns daran erinnern, dass es bei dem israelisch-arabischen Minderheitenproblem wie wir es heute kennen um die Behandlung dieser Arbeiter und Bauern geht, die trotz allem dablieben.
Denn sie flohen vor den Schwertern, vor dem gezückten Schwert, vor dem gespannten Bogen und vor der Wucht des Krieges. – Jesaja 21,15
„Trotz allem“ bedeutet einiges. Selbst wenn der Beitrag der arabischen Invasoren zu der Flucht nicht der zionistischen Version entsprach (Aufruf zum Exodus und so weiter), spielte er dennoch eine große Rolle. Diese Rolle war aber in der Regel genau das Gegenteil von dem, was üblicherweise zur Rechtfertigung der israelischen Politik behauptet wird.
Die palästinensisch-arabische Bevölkerung floh nicht aus Sympathie und in Zusammenarbeit mit den arabischen Invasoren, sondern aus Furcht vor ihnen und vor dem Krieg. Das ist leicht zu verstehen, aber für die Zionisten hieße das, dass ihre anschließende Politik gegenüber der arabischen Minderheit mit einem Kainsmal versehen wäre.
Und doch schleicht sich das sogar in die israelische Propagandabroschüre ein, in der die offizielle Geschichte zu lesen ist. Hier erfahren wir zufälligerweise, dass die ausländischen arabischen Kommandanten immer wieder Gewalt anwenden mussten, um die lokale arabische Bevölkerung daran zu hindern, einen Waffenstillstand mit den israelischen Kräften zu schließen. [27] Diese Geschichte schleicht sich auch in das Buch des Revisionistenführers Schechtman ein, wo wir tatsächlich (von Schechtman) die Theorie serviert bekommen, dass die AHE zum Massenexodus aufrief, um „das Entstehen normaler Beziehungen zwischen den jüdischen Behörden und der arabischen Minderheit zu verhindern; denn wenn es dazu käme, könnte es zu einer jüdisch-arabischen Kooperation und letztendlich zur Anerkennung der Existenz Israels durch die Araber kommen.“ [28] Für einen Chauvinisten wie Schechtman besagt das einiges.
Pierre van Paassen, ein bekannter Zionistenfreund vom Schlag christlich-mystischer Mitläufer, bemüht sich in seinem Buch [29] um den Nachweis, dass die Araber nicht aus Angst vor israelischen Gewalttaten flüchteten. Nein, sagt er, sie flohen aus Furcht davor, von den Handlangern des Muftis getötet zu werden, wenn sie blieben und die Zusammenarbeit verweigerten. Er scheint dabei nicht zu bemerken, dass er gleichzeitig die offizielle Version der Zionisten Lügen straft und ihre Politik verurteilt.
Der Historiker Harry Sacher, der glühend für den Zionismus eintritt, übermittelt uns ebenfalls diese Wahrheit: Er stellt fest, dass „die arabischen Kommandanten den Arabern befahlen, nahe den evakuierten Dörfern zu bleiben“ (meine Hervorhebung). [30]
Ein israelischer Autor berichtete im Jahr 1949 von dem Ort Tarschiha, dessen Araber nicht flohen. Die Dörfler beschrieben, wie Fausi al-Kawukdschi, der syrische Anführer der arabischen Freischärler, der schon vor dem offiziellen Einmarsch größere Guerillaoperationen durchgeführt hatte,
diesen Bezirk mehrere Monate lang regierte und ihm sehr schnell Zerstörung und Tod brachte […] Überall in Westgaliläa kann man dieselbe Geschichte hören, in dutzenden Dörfern entlang der libanesischen Grenze, dieselbe Erzählung von der despotischen Herrschaft der Al-Kawukdschi-Briganten. Sie holten in der Dunkelheit der Nacht Leute aus ihren Häusern, ohne je Fragen zu stellen. Es reichte, „auf der Liste“ zu stehen wegen noch der geringsten Verdächtigung, wegen einem einzigen Wort der Briganten. Sie holten sie aus ihren Familien und brachten sie zu Orten außerhalb des Dorfs, ein paar Schüsse hallten durch die Dunkelheit, und wieder hatte die Bevölkerung ein paar Dorfbewohner verloren. [31]
Das ist wohl kaum die Beschreibung einer Bevölkerung, die so viele Sympathien mit dem arabischen Eindringling hegte, dass sie heute beraubt, diskriminiert und als „fünfte Kolonne“ verleumdet werden kann.
Chaim Weizmann sprach gegenüber US-Botschafter James Grover McDonald 1948 „von der Flucht der arabischen Bevölkerung aus Israel, einer Flucht, die zeitweise so panisch vor sich ging, dass auf den Tischen in den Hütten der arabischen Dörfer Geldmünzen zurückgelassen wurden […]“ [32] Das passt auch kaum in die offizielle Geschichte eines geplanten Auszugs nach Aufruf der ausländischen Araber.
Dennoch ist es ein beraubtes und geplündertes Volk; sie sind alle gebunden in Gefängnissen und verschlossen in Kerkern. Sie sind zur Beute geworden und es ist kein Erretter da; sie sind geplündert und es ist niemand da, der sagt: Gib wieder her! Wer ist unter euch, der das zu Ohren nimmt, der aufmerkt und es hört für künftige Zeiten? – Jesaja 42,22–23
Ein ähnliches Bild ergibt sich aus der Kriegsberichterstattung der britischen Palestine Post, einer halboffiziellen zionistischen Tageszeitung in Jerusalem. Als einmarschierende irakische Kräfte das damals und heute arabische Gebiet von Ramallah eroberten, mussten sie das Kriegsrecht und eine Ausgangssperre verhängen,
und die Bevölkerung wurde gewarnt, dass jeder, der dagegen verstieße, von den Irakern erschossen werde […]. Häuser von Arabern, die wegzulaufen versuchen, sollen gesprengt werden, verkündete der Rundfunksender PBS. Muchtars und Dorfältesten im Gebiet von Ramallah wurde […] ernsthafte Bestrafung angedroht, sollten Panik und Chaos ausbrechen. [7. Mai 1948]
Das ist eindeutig eine Bevölkerung unter Besatzung, und nicht eine, die mit den Invasoren kooperiert. Oder nehmen wir den Bericht über Tiberias, in dem ein Sprecher der Jüdischen Agentur für Israel zitiert wird, erschienen in der Palestine Post vom 21. April 1948: Die örtliche arabische Führung war immer freundlich gewesen, hatte sich gegen die antijüdische Politik der AHE ausgesprochen; Freischärler Kawukdschis hatten ihre Häuser besetzt, „gegen den Willen der Bewohner“:
Es kam zu einer Reihe von Zusammenstößen zwischen den örtlichen, uns fremden Arabern, und lokale Araber baten die britischen Behörden um Hilfe, um die Invasoren loszuwerden, erhielten aber keine.
Als dann die Invasoren durch die jüdischen Streitkräfte geschlagen worden waren, zwangen sie die arabischen Familien zum Verlassen ihrer Dörfer. „Mit dieser Maßnahme sollten die arabischen Nachbarstaaten aufgeschreckt werden, damit sie den Vertriebenen zu Hilfe kämen.“
In derselben Ausgabe kommentiert die zionistische Tageszeitung die Tatsache, dass die gesamte arabische Bevölkerung von Tiberias „auf arabischen Befehl gezwungen wurde, ihre Ortschaften zu verlassen. Tatsächlich wurde den Banden so weit wie möglich von denen Widerstand entgegengesetzt, die sie ‚schützen‘ wollten.“
Die fast fünf Monate anhaltenden Kämpfe in Palästina zeigten, dass die Araber des Landes, die einfachen Stadtbewohner, die Fellachen und die Bedu [Beduinen] des Südens, kein Interesse an dem Kampf hatten. Sie wollten ihn nicht beginnen, und sie wollen ihn auch nicht fortsetzen.
Aber viele dieser Araber, die zur Landaufgabe gezwungen waren, wurden später ihrer Ländereien durch die Gesetze über „aufgegebenes Land“ und das „Eigentum Abwesender“ beraubt, die von den Israelis eigens zu diesem Zweck geschaffen worden waren.
Oder sie endeten in Flüchtlingslagern hinter der Grenze und wurden wohl oder übel Teil der unglücklichen hunderttausenden Menschen, die als „Feinde“ und „fünfte Kolonne“ geschmäht wurden, während ihnen ihr Land gestohlen wurde.
Wie konnten nicht feindliche Araber hinter der Grenze enden? Lest zum Beispiel eine Reportage der Palestine Post vom 12. Mai 1948, mit Sympathie geschrieben von Dorothy Bar-Adon. Sie beschreibt, wie
die in Emek Schutz suchenden „vertriebenen“ Araber den Juden, denen sie an Straßensperren oder auf den Feldern begegnen, ihr Herz ausschütten. Es ist die altbekannte Klage, „sie“, die Fremden, sind dafür verantwortlich.
Und sie beschreibt, wie „die Flüchtlinge von Pontius zu Pilatus laufen müssen. Es gibt einfach keinen Platz und keine Nahrungsmittel.“ Sie gehen nach Nazareth, dann verzweifelt weiter nach Dschenin, nach Beisan, nirgendwo können sie versorgt werden.
Also überquert der Flüchtling den Jordan. Von dort wird er vielleicht wieder zurückdeportiert. Und wohin geht er dann?
Dorothy Bar-Adon hat zu diesem Bericht ein Vorwort geschrieben mit der eindringlichen Bemerkung: „Und wer könnte dieses irre machende Hin- und Herlaufen besser verstehen als die Juden, die das seit ein paar tausend Jahren immer wieder getan haben?“
Ein revisionistisch-zionistischer Autor, der in Bezug auf seine Ziele kein Blatt vor den Mund nimmt, nämlich alle Araber aus Palästina zu drängen – selbst dieser Chauvinist schaffte es im Jahr 1950, einen ehrlichen Bericht abzugeben:
Ich empfinde Sympathie mit der großen Pein jener tausenden von Arabern, die unter dem Druck der Muftibanden aus Israel flohen, obwohl sie selbst in guter Nachbarschaft mit den Juden leben und Arbeit und ein Auskommen bei ihnen finden wollten. Ich kenne Dörfler, die sich mit Waffen gegen das gewaltsame Eindringen der vom Mufti angeheuerten Soldaten wehrten und schließlich das Dorf angesichts der Drohung, vor ein Militärgericht gestellt zu werden, „evakuierten“. [33]
Er erwähnt etwa ein Dutzend, die er „persönlich“ kennt.
Oder nehmen wir den Fall des Stamms der Dschawarisch (oder arabisch: al-Guarisch), deren Geschichte ans Tageslicht kam, nachdem sie schließlich umgesiedelt worden waren. Dieser Stamm war ein solch enger Verbündeter der zionistischen Kolonisatoren gewesen, dass ihm die Bewachung der jüdischen Siedlungen in Gedere anvertraut worden war. Die Stammesmitglieder hatten den Juden bei der Umgehung britischer Verordnungen geholfen und gaben ihren Namen für Landkäufe von Juden her, die der Feindschaft der Araber entgehen wollten. Als die Kämpfe begannen, mussten sie fliehen, wenn sie überleben wollten, und landeten schließlich in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen. [34] Sie wurden erst Jahre später wieder eingebürgert. Aber selbst diese Araber, die aus Sicht der Nationalisten Quislinge waren, selbst sie bekamen ihr Land niemals zurück, sondern wurden im Jahr 1953 vom Staat bei einer öffentlichen Zeremonie auf neuem Land angesiedelt.
Der vielleicht bemerkenswerteste Fall eines Stamms, der den Juden freundlich gesinnt war und sie unterstützt hatte, aber während der Kämpfe über die Grenze floh, ist der aus dem Dorf Abu Gosch, den wir hier aber nicht dokumentieren werden, da es sich um eine längere und wichtigere Geschichte handelt, die eher in einen Folgeartikel über Israels Araber seit 1948 gehört.
In den meisten Fällen war es aber egal, ob die Araber freundlich oder feindlich gesinnt waren; es war egal, warum sie fliehen mussten; es war egal, ob sie aus Angst vor den arabischen „Befreiern“ oder israelischen Gewalttaten wie in Deir Jassin flohen. Viele wurden ohne Ansehen der Person ihres Grund und Bodens und ihres Eigentums beraubt, oder in die elenden Flüchtlingslager gedrängt, oder der Militärherrschaft in Israel unterworfen unter dem Vorwand, sie seien geflohen, um dem Ruf der Feinde Israels zu folgen!
Du machst uns zum Beispiel unter den Heiden und dass die Völker das Haupt über uns schütteln. – Psalm 44,14.
Zwar sind an erster Stelle die arabischen Invasoren verantwortlich zu machen für die Fluchtbewegung, an zweiter jedoch die Briten.
Die Haltung der britischen Imperialmacht bei der Aufgabe des Mandats war bösartige Verachtung: „Wir waschen unsere Hände in Unschuld angesichts dieses Schlamassels, auch wenn ihr alle darin untergeht …“ Und wenn das anschließende Wirrwarr sich noch schlimmer entwickelte, wer weiß, ob die Briten nicht zurückgerufen würden? Sie waren nicht traurig, nach ihrem Abzug das Chaos ausbrechen zu sehen. Aber mehr als nur ein Beobachter lastete ihnen an, bei dem Chaos ein bisschen nachgeholfen zu haben.
Die schärfste Verurteilung Großbritanniens und seiner Rolle bei der Flucht der Araber kam von E. N. Koussa, einem prominenten isaelisch-arabischen Anwalt, in einem Brief an die Palestine Post vom 2. Februar 1949. [35] Koussa bezeugt, wie die britischen Behörden vor dem Abzug zur Evakuierung der Araber ermutigten und diese nicht selten einleiteten, wie sie daran arbeiteten, „eine Atmosphäre der Angst und Alarmstimmung zu schaffen“ und so weiter. „Als die Lage in Tiberias akut wurde, wo die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Arabern und Juden ein leuchtendes Beispiel für die Kooperation zweier Gemeinschaften war, transportierten die britischen Behörden die arabischen Einwohner zwangsweise in Massen nach Transjordanien“, klagte er an (zitiert nach Schechtman).
Der griechische katholische Bischof von Haifa, Monsignor George Hakim, wies den Briten ebenfalls einen Großteil der Verantwortung zu. [36] Ein Führer des Jüdischen Weltkongresses, Noah Barou, schrieb, dass die Briten die Flucht beförderten, indem sie „Geschichten von Gewalttaten verbreiteten […] Sie organisierten auch den Transport, die Konvois und so weiter.“ [37] Und er wiederholt die Anschuldigung wegen Tiberias. Als die britischen Behörden den Arabern erklärten (in Haifa zum Beispiel), dass die Juden sie in Stücke hacken würden, wenn sie blieben [38], werden das einige wirklich geglaubt haben, oder sie waren von Arglist geleitet. Aber egal wie es war, haben wir folgende Frage für unsere Untersuchung:
Wenn also die Rolle der Briten darin bestand, die Flucht mit zu erzeugen, wie kann dann die drakonische Bestrafung der arabischen Minderheit und der Flüchtlinge durch Israel für etwas, das nicht in ihrer Verantwortung lag, gerechtfertigt werden? Selbst die bezahlten israelischen Propagandisten können doch nicht guten Gewissens behaupten, dass die harte Flüchtlingspolitik oder der Landraub oder die Militärregierung gerechtfertigt sind, weil diese vertriebenen Araber die „Feinde Israels“ waren?
Nun zieh hin und schlage Amalek! Und vollstrecke den Bann an ihnen, an allem, was es hat, und verschone ihn nicht, sondern töte Mann und Frau, Kind und Säugling, Rind und Schaf, Kamel und Esel! – 1. Samuel 15,3
All das mag an sich schon reichen, um die zionistische Version zu widerlegen; aber wenn wir außerdem feststellen können, dass die zionistisch-israelischen Kräfte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Förderung und Verstärkung der Flucht spielten, dann fällt ein noch dunklerer und unheilvollerer Schatten über die harten Strafen, die später über die arabischen Opfer der eigenen Aktionen verhängt wurden.
Der erste Teil dieser Frage betrifft die zionistisch-terroristische Gruppe, die Irgun Zwai Leumi (Nationale Militärorganisation), den militärischen Auswuchs des revisionistischen Flügels des Zionismus – also den chauvinistischen, am meisten araberfeindlichen, reaktionärsten Flügel, der durchaus faschistische Tendenzen aufweist (heute organisiert in der jetzt zweitstärksten Partei Israels, der Herut [Freiheitspartei]). Diese extremen Chauvinisten verfolgten immer im Gegensatz zu den anderen Zionisten am konsequentesten das Ziel eines Palästinas, das nicht nur „so jüdisch ist wie England englisch“, sondern auch so araberrein wie Hitler Deutschland judenrein [39] machen wollte.
Schon zu Beginn der Kämpfe wurde deutlich, dass die Irgun darauf ausgerichtet war, den Krieg für ihre eigenen Ziele zu nutzen, deutlich vor dem offiziellen Umschwenken der Zionisten. Ihren großen Schlag verübte sie am 9. April 1948 gegen Deir Jassin, ein arabisches Dorf nahe Jerusalem an der Fernstraße nach Tel Aviv. [40]
Warum gerade Deir Jassin? Der angesehene britisch-zionistische Chefredakteur Jon Kimche schreibt:
Deir Jassin war eins der wenigen arabischen Dörfer, deren Einwohner ausländischen arabischen Freischärlern die Erlaubnis verweigerten, den Ort als Stützpunkt für Operationen gegen die jüdische Lebensader nach Jerusalem zu benutzen, sie hatten gelegentlich auch mit der Jüdischen Agentur zusammengearbeitet. [41]
Deir Jassin wurde zum Opfer, gerade weil die arabischen Einwohner freundliche Beziehungen zu den Juden pflegten. In Labor Action gaben Al und Ed Findley gestützt auf die jüdische Presse einen genaueren Bericht:
Es war das einzige Dorf im Gebiet von Jerusalem, das sich nicht an eine der arabischen Behörden wegen Bedrohung durch die Juden gewandt hat. Die Dorfbewohner hatten ein Friedensabkommen mit den jüdischen Siedlungen um sie herum geschlossen. Im Winter 1947 (lange vor dem Massaker von Deir Jassin im April 1948) erwähnt Abba Huschi, ein jüdischer Führer der Labour-Partei, eine Reihe arabischer Dörfer, in denen die Einwohner arabische Banden zurückgeschlagen hatten, die in die Orte eindringen und sie als Stützpunkte gegen die Juden benutzen wollten. Vor allem Deir Jassin wurde erwähnt. Seine Dorfbewohner hatten erfolgreich eine bewaffnete arabische Bande abgewehrt, die sich in der Dorfmühle festsetzen wollte. Diese arabischen Dorfbewohner […] kamen getreulich ihrer Pflicht nach, Fremde auszuschließen und friedliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, trotz der Teilungskämpfe […] [42]
Dieser Ort wurde also von der Irgun für ihr geplantes Massaker an „rund 250 unschuldigen Arabern, unter ihnen über hundert Frauen und Kinder“ ausgewählt, schreibt Kimche. [43] Jacques de Reynier, Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes, der die Schreckensszene ebenfalls besuchte, berichtete, dass die Leichen von etwa 150 Männern, Frauen und Kindern in eine Zisterne geworfen worden waren und etwa 90 Leichen verstreut herumlagen. [44] Die Häuser waren zerstört. Die wenigen Dorfbewohner, die nicht umgebracht worden waren, wurden von der Irgun triumphierend durch die Straßen Jerusalems geführt.
Deir Jassin rief großes Echo im Land und sogar weltweit hervor und mit dem gewünschten Effekt. Selbst freundschaftliche Beziehungen zu Juden boten keinen Schutz, waren keine Versicherung. Nach dem Massaker von Deir Jassin weitete sich die Flucht der Araber zu einem allgemeinem Phänomen aus.
Fraglos wurden von den bewaffneten Kräften des Kawukdschi und des Muftis Grausamkeiten an Juden begangen, die Invasoren richteten ebenfalls ihr Deir Jassin an, wenn auch in kleinerem Maßstab. Es gibt eine Vielzahl von Zeugnissen dafür. Das wäre aber nur relevant in einer Debatte über einen Gegenstand, der uns hier nicht interessiert, nämlich welche Seite im palästinensischen Krieg schlimmer war.
So ist der Weg einer ehebrecherischen Frau: Sie isst und wischt ihren Mund und sagt: Ich habe nichts Unrechtes getan! – Sprüche 30,20
Aber hat die Jüdische Agentur das Massaker von Deir Jassin nicht verurteilt und sich dafür entschuldigt? Sie tat es. Doch selbst wenn das die ganze Geschichte wäre, würden sich nur wenige Menschen fragen, warum die Mehrzahl der Araber, die bereits verwirrt waren und von den arabischen Invasoren und den Briten in Panik versetzt, entschieden, dass die Flucht größere Sicherheit bot als den bedauernden Worten Ben Gurions zu trauen. Es gibt aber zwei Facetten dieser Geschichte:
Nur sieben Monate zuvor, am 18. September 1947, hatte die Haganah die Irgun und die Stern-Gang noch scharf verurteilt: „Diese Organisationen verdienen sich ihr Auskommen durch Gangsterei, Schmuggel, großangelegten Drogenhandel, bewaffneten Raub, Organisation des Schwarzmarkts und Diebstahl“, und verkündete Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus. [47] Die Teilung des Landes im November änderte all das. Im Dezember hatte die Haganah ihre moralischen Bedenken überwunden und verhandelte mit der Irgun über ein Kooperationsabkommen. Solch ein Abkommen wurde im April erzielt, eben in dem Monat, in dem das Massaker von Deir Jassin stattfand.
Der prominente zionistische Historiker Harry Sacher beschränkt seinen Kommentar etwas unbehaglich auf Folgendes:
„An der Beziehung zwischen der Haganah oder der Regierung und der Irgun ist vieles noch unklar. Aus verständlichen Gründen geht die Regierung nicht davon aus, dass die Zeit für eine offene und ehrliche Erzählung dieser Geschichte schon gekommen ist … [48]
Zu den unklaren Beziehungen gehört ohne Zweifel die Rolle der anderen offiziellen zionistischen Streitkraft, dem Palmach. [49] Die Palestine Post berichtete vier Tage nach dem Massaker:
In der Stellungnahme der Haganah werden Behauptungen der IZL [Irgun] abgestritten, dass Palmacheinheiten an dem Angriff beteiligt waren, und es wurde darauf hingewiesen, dass erst nach dringenden Hilfsanforderungen der Palmach Feuerschutz gab, um der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, den verwundeten Dissidenten [Irgunmitgliedern] in dem Dorf erste Hilfe zu leisten [13. April 1948].
Es ist leicht zu erkennen, was laut der offiziellen Geschichtsschreibung die Palmach dort vor allem tat.
Deshalb ist es nicht ganz wahr, dass das Massaker von Deir Jassin einfach der unkontrollierbare Akt von Außenseitern war, für die die offiziellen Zionisten nicht verantwortlich waren, wie es von allen guten zionistischen Schreibern behauptet wird, die brav ihr Erschrecken darüber äußern. Sie äußern sich nicht im Geringsten erschreckt über die Vorstellung, dass die Regierung und die Haganah zu diesem Zeitpunkt ihr Bündnis mit denen geschlossen hatte, die dieses „Lidice“ [50] angerichtet hatten, und das Bündnis fortsetzten. (Es war nicht die Araberauslöschung, die sie schließlich dazu bewegte, mit den Terroristen zu brechen, sondern die Ermordung des UN-Vermittlers Count Bernadotte durch die Stern-Gang fünf Monate später.)
Haben wir noch einen Anteil und ein Erbe im Haus unseres Vaters? – Genesis 31,14
Das Massaker von Deir Jassin war „ein Wendepunkt“, wie Sacher völlig richtig sagt. Die ausländischen arabischen Invasoren verbreiteten ihren Schrecken wo sie nur konnten, ohne Zweifel in der Absicht, die Stimmung unter der dem Krieg abgeneigten palästinensischen Bevölkerung gegen Israel anzuheizen. Das Ergebnis ihrer Propaganda bestand darin, alle Schichten, die armen wie die reichen Araber, höchstens davon zu überzeugen, dass es am besten war, aus dem Kriegsgebiet zu flüchten, bis die Feindseligkeiten vorüber waren.
Der außerordentliche Wirkung des Massakers von Deir Jassin auf die Fluchtbewegung ist von allen Seiten bezeugt. [51] Zum ersten Mal kam es zur Massenflucht. Chronologische Abläufe festzuhalten ist wichtig, denn sie beweisen, dass die Flucht nicht einfach als Folge von Aufrufen der arabischen Invasoren dahingestellt werden kann, wie zionistische Parteigänger und die offiziellen Geschichtsumschreiber Israels es getan haben.
Noch etwas anderes muss über die Auswirkungen von Deir Jassin gesagt werden: Wie andere haben wir den Begriff „offizielle Zionisten“ im Gegensatz zu den Terroristen benutzt. Aber das war der Monat vor der Staatsgründung. Konnten die Araber wissen, dass die Irgun weniger „offiziell“ als die Haganah war?
In Jon Kimches Buch findet sich ein wichtiges Stück Hintergrund dazu. Er erklärt ausführlich, wie die Irgun sich daranmachte, die Briten, die Weltpresse und die Araber davon zu überzeugen, dass sie und nicht die Haganah die entscheidende Kraft in der zionistischen Gemeinde sei, dass sie die Sache „übernahm“ und so weiter. Die Briten leiteten das an die arabischen Regierungen weiter.
Das hatte bei den Arabern den gewünschten Effekt. Es beeinflusste viele derer, die noch mit der Entscheidung gezögert hatten, entweder die Vereinten Nationen zu missachten und in den Krieg gegen die palästinensischen Zionisten zu ziehen oder nicht. Denn wenn es auch zur Gewohnheit unter Israelis und Freunden des Zionismus geworden war, zu glauben, dass hinter der arabischen Entscheidung, Krieg gegen Israel zu führen, allein böser Hass stand, und dass die arabische Erklärung, sie seien gekommen, um ihre Brüder und Schwestern vor dem Angriff der Terroristen zu schützen, eine billige Ausrede für die war, die das glauben wollten, muss betont werden, dass es große und echte Besorgnis gab über das Schicksal der palästinensischen Araber. Diese Besorgnis erreichte ihren Höhepunkt, als die Information der Briten bekannt wurde, dass die Terroristen zum entscheidenden Faktor in den jüdischen Streitkräften geworden waren. [52]
Kimche notiert, dass dieser Glaube verstärkt wurde, als die Irgun Jaffa, die arabische Partnerstadt von Tel-Aviv, selbstständig angriff.
Weh dem, der eine Stadt mit Blut baut und eine Ortschaft auf Unrecht gründet! – Habakuk 2,12
Deir Jassin war allen noch frisch im Gedächtnis, als die zionistischen Kräfte sich später im April aufmachten, Haifa und seinen Hafen anzugreifen, da die britischen Truppen bald abziehen würden. Die Lage in Haifa erfordert besondere Aufmerksamkeit, denn sie gilt als Paradestück für die Behauptung der Zionisten, dass die Juden die Araber nicht vertrieben, sondern sie inständig baten, dazubleiben. Wie in ein paar anderen Fällen gibt es auch hier einen Kern Wahrheit, den die Verteidiger der Zionisten als die ganze Geschichte ausgeben.
Menachem Begin, der Kommandant der Irgun, betont in seinem Buch, dass die Wirkung von Deir Jassin für die Flucht aus Haifa entscheidend war:
Die Legende von Deir Jassin half uns insbesondere bei der Rettung von Tiberias und der Eroberung von Haifa […] [Und nach der Beschreibung des Angriffs auf Haifa:] Alle jüdischen Kräfte schnitten durch Haifa wie ein Messer durch Butter. Die Araber begannen mit dem Ruf ‚Deir Jassin!‘ auf den Lippen in Panik zu fliehen. [53]
Zu dieser Zeit gab es in der Tat Fälle, wo offizielle Zionisten die Araber von der Flucht abzuhalten versuchten. Haifa gehörte dazu. [54] In dieser Handelsstadt waren die jüdisch-arabischen Beziehungen besonders freundschaftlich gewesen. Es waren die Terroristen und die Chauvinisten, die früher als die anderen begriffen, dass sich den Zionisten die außerordentliche Gelegenheit bot, „das arabische Problem“ innerhalb des künftigen jüdischen Staats zu lösen, indem sie die Araber einfach loswurden. Freundschaftliche Beziehungen standen diesem Ziel im Weg. Deshalb hatte ein Jahr zuvor eben in dieser Hafenstadt die Irgun ein „Deir Jassin“ in kleinerem Maßstab anzurichten versucht:
Die Irgun suchte sich ein Gebiet in Haifa aus, das für freundschaftliche jüdisch-arabische Beziehungen bekannt war, und warf eine Bombe in den Eingang einer Fabrik, die 1.800 Araber und 400 Juden beschäftigte, dabei tötete sie sechs Araber und drei britische Arbeiter. Ihre Provokation führte zu einem Massaker an 42 Juden. [55]
Wie wir bereits gesehen haben, behielt sich die obere arabische Führung ihren ausgewählten Hass ebenfalls für die Araber vor, die versuchten, freundschaftliche Beziehungen mit den Juden zu pflegen.Dazwischen stand die arabische Führung der Gemeinde in Haifa, die gegen die AHE war und einen Waffenstillstand mit den zionistischen Behörden schließen wollte. [56]
Wenn es eine arabische Gemeinschaft in Palästina gab, die keine Sympathie für den Krieg gegen Israel hegte, dann die der Araber Haifas, die ihr gesamtes Auskommen und ihre Existenz verlieren würden – und es auch verloren. Dass sie die Stadt räumten, war auf die Drohungen der arabischen Invasoren und die panische Angst vor den Grausamkeiten der Irgun zurückzuführen, angeheizt und ermutigt von den Briten. [57]
Dieses Panikgefühl wurde noch verstärkt durch die Taktiken der Haganah und ihre Belagerung, trotz der Tatsache, dass zionistische Institutionen die Bevölkerung zum Bleiben aufforderten. Das war gegen die Bevölkerung gerichtete psychologische Kriegsführung, um sie zu demoralisieren. Koestler betont, dass diese Demoralisierung ein wesentlicher Grund für die Flucht aus Haifa war, zudem:
Inzwischen setzte die Haganah nicht nur ihre Rundfunkstationen ein, sondern auch Lautsprecherwagen, die ihre finsteren Nachrichten in der Umgebung der arabischen Suks [Marktviertel; d. Übers.] erschallen ließen. Sie warnten die arabische Bevölkerung, sich von den Quartieren der ausländischen Söldner fernzuhalten, die die Stadt infiltriert hatten, warnten sie, ihre Frauen und Kinder fortzuschicken, ehe die neuen Kontingente wilder Iraker ankämen, versprachen ihnen sichere Führung und Begleitung auf arabisches Territorium und deuteten fürchterliche Folgen an, wenn ihre Warnungen nicht beachtet würden [meine Hervorhebung]. [58]
Kimche, der sich dort aufhielt, beschreibt ebenfalls den „psychologischen Blitzkrieg“ gegen die arabischen Viertel und kommt zu dem Schluss: „Die Araber verloren kurz nach Anbruch der Dunkelheit die Nerven, und die Flucht aus der Stadt nahm panische Ausmaße an, noch bevor die allgemeinen Kämpfe einsetzten.“ [59] (Er sagt kein Wort zu den Warnungen, Frauen und Kinder wegzuschicken.) Gerade nach diesem Ereignis versuchten die Juden die übrigen Araber zum Bleiben zu bewegen. Letztere hatten Bedenken, dem nachzukommen und einen Waffenstillstand abzuschließen, aber laut Kimches persönlichem Bericht waren es schließlich die Drohungen der Arabischen Liga, die die Araber Haifas überzeugten, dass eine Flucht sicherer sei. Nur 5.000 von 65.000 Arabern blieben in der Stadt.
Doch obwohl sie in Panik geflohen waren, war die Stimmung im Hafengebiet merkwürdig entspannt. Die abreisenden Araber ließen sich demütig von der Haganah durchsuchen. Sie tauschten Abschiedsgrüße mit jüdischen Hafenarbeitern aus, mit denen sie viele Jahre zusammengearbeitet hatten. [60]
Diese Araber gehörten zu denen, deren Flucht nach den späteren zionistischen Haudraufversionen Folge finsterer Feindschaft gegen die Juden war.
Welches Gewicht auch immer dem von verschiedenen Seiten ausgeübten grausamen Druck auf diese Araber, der sie zur Flucht trieb, beizumessen sein mag, keiner dieser Fluchtgründe rechtfertigt die spätere erbarmungslose Bestrafung dieser Opfer durch die Israelis für das „Verbrechen“ der Flucht.
Im Falle Jaffas gab es noch zwei zusätzliche Faktoren: Wie schon erwähnt, war dieser Angriff von der Irgun selbst ausgeführt worden, eben den Tätern von Deir Jassin. Und: „Das Bedürfnis, den arabischen Bomben zu entgehen, die schon bald auf Tel Aviv fallen sollten, war ein ebenso starker Anreiz wie die Furcht vor den Juden“, erklärt ein zionistischer Schreiber. [61]
Nach und nach werde ich sie vor dir vertreiben, bis du so fruchtbar geworden bist, dass du das Land in Besitz nehmen kannst. […] denn ich werde die Bewohner des Landes in deine Hand geben, so dass du sie vor dir vertreiben wirst. […] Sie sollen nicht in deinem Land wohnen bleiben […] – Exodus 23,30–33
Aber der dunkelste Teil der wahren Geschichte kommt erst noch. Nur in der ersten Zeit gehörte es zur offiziellen zionistischen Politik, die Flucht zu missbilligen. Sie waren immer noch beeinflusst von dem Lippenbekenntnis zur jüdisch-arabischen Freundschaft, das sie bisher abgelegt hatten. Die Flucht war unerwartet, aber es dauerte nicht lange, bis die Zionisten sich reorientiert hatten. Innerhalb von drei Monaten nach Deir Jassin trieben die Streitkräfte der Haganah selbst die palästinensisch-arabische Bevölkerung wie Vieh aus ihren Dörfern und Städten.
Bezug nehmend auf die Flucht „sprach Dr. Weizmann […] sehr emotional zu mir über diese ‚wundersame Vereinfachung von Israels Aufgaben‘ […]“, berichtete der Botschafter der USA, McDonald (ein aktiver zionistischer Propagandist), in seinem Buch. [62] Die Flucht wurde nicht nur von Weizmann als „Wunder“ bezeichnet, und wie alle anderen frommen Menschen hatten sie nichts dagegen, dem Wunder etwas nachzuhelfen.
Am 1. August erklärte Außenminister Scharett, dass „der palästinensisch-arabische Exodus von 1948 zu den verhängnisvollen Phänomenen gehört, die nach aller Erfahrung mit anderen Ländern den Lauf der Geschichte ändern“. Während israelische Soldaten unschuldige Araber aus ihren Häusern trieben, machte die Regierung bereits deutlich, dass es lange dauern würde, bis irgendein Flüchtling zurückkehren dürfe.
Der Kriegsberichterstatter der New York Herald Tribune, Kenneth Bilby, sagt in seinem Buch, das für den allgemein objektiv gehaltenen Ton bemerkenswert ist, zu der Behauptung, die Zionisten Haifas hätten die Menschen zum Bleiben gedrängt:
Erst als das Kriegsgeschick sich offensichtlich zugunsten der Juden wendete und sich der Druck des Einwandererstroms von Juden bemerkbar machte, begann die israelische Regierungspolitik sich zu ändern. Denn diesen arabischen Zivilisten, die in das Netz der Armee fielen, wurde nicht nur erlaubt, zu gehen, sie wurden dazu angespornt. Und die Grenzen Israels schlossen sich vor den Flüchtlingen, außer für einige wenige Familienkategorien. [63]
Ähnlich Jon Kimche in der britisch-zionistischen Zeitschrift, die er herausgibt:
Nach der ersten Kampfphase fühlten sich die palästinensischen Araber nicht mehr ermutigt, dazubleiben, im Gegenteil: Sie waren „ermutigt“ worden, Lydda und Ramleh und später Städte wie Beerscheba zu verlassen. [64]
In Kimches Buch wird deutlicher, was die Anführungszeichen bei „ermutigt“ bedeuten:
Ramleh und Lydda fielen am 13. [Juli]; und eine Flut von 60.000 panischen Arabern fühlte sich dazu gedrängt, sich zu den nahen arabischen Linien aufzumachen. Das war nicht Haifa. Die Juden hofften nicht mehr, dass die Araber blieben. Sie hatten einen Geschmack von den Vorteilen bekommen, die die frühere arabische Politik der Evakuierung ihnen beschert hatte. [65]
Die Bescherung bestand in der Vertreibung von 60.000 Menschen. Es hatte nicht einmal eine Feldschlacht mit arabischen Kräften gegeben (und schon gar nicht mit Zivilisten), weil die Arabische Legion kampflos zurückgezogen worden war. Die Leute waren einfach rausgetrieben worden, um die Städte araberrein zu machen und Eigentum für die ankommenden Juden bereitzustellen. Unter den vertriebenen Menschen befanden sich Flüchtlinge aus Haifa und Jaffa. Dafür war die Haganah verantwortlich, nicht die Irgun. [66]
Aber obwohl die Arabische Legion bereits zurückgezogen worden war, marschierten die israelischen Truppen in Lydda ein. Bilby beschreibt das Ereignis, und das ist die einzige Passage in seinem Buch, die gerne von Zionisten als Quelle zitiert wird, um andere arabische Vorwürfe wegen begangener Schreckenstaten zu entkräften.
Der Ring um die Zwillingsstädte [Lydda und Ramleh] war jetzt geschlossen:
Eines Abends brach eine israelische Jeepkolonne in der Dämmerung vom Flughafen Lydda auf und raste in die Stadt, während die Soldaten unablässig aus ihren Gewehren und Maschinenpistolen feuerten. Die Kolonne jagte durch die Hauptstraßen und schoss auf alles, was sich bewegte. Die Stadt stürzte in Panik. Ich ging am folgenden Tag mit Major Jeruhant Cohen, dem Brigadenachrichtenffizier, nach Lydda und sah die Leichen arabischer Männer, Frauen und sogar Kinder, die nach diesem mitleidslosen, brillanten Angriff überall in den Straßen verstreut lagen. Zivilisten, die durch die Einkesselung in der Falle saßen, verschanzten sich hinter ihren Fensterläden; an jedem Haus hingen weiße Fahnen. [67]
Der Leser sei daran erinnert, dass viele der arabischen Einwohner, die das Gewehrfeuer überlebt hatten und lediglich auf die offene Straße getrieben worden waren, anschließend per Gesetz als „Abwesende“ bestraft wurden, indem ihnen ihr „aufgegebenes“ Eigentum entzogen wurde.
Im Jahr 1949 schrieb Hal Lehrman in Commentary (Dezember):
Nachdem ich jetzt jeden Winkel diese Landes [Israel] bereist habe, ist mir klar geworden, dass die israelischen Truppen während des Kriegs bewusst hart vorgegangen sein müssen, selbst gegen nicht am Kampf beteiligte Araber. Es gibt zum Beispiel zu viele Ortschaften der ursprünglichen Bevölkerung, die gesprengt und zerstört wurden, in denen es kaum oder gar nicht zu Kämpfen kam. Die Juden gingen einfach rein und legten den Ort in Schutt und Asche, wobei sie häufig nur die Moscheen verschonten. […] Es ist auch offensichtlich, dass die Israelis – die selbst von dem Ausmaß und der Geschwindigkeit des arabischen Exodus überrascht waren – besonders gründliche Zerstörungsarbeit verrichteten, damit nichts blieb, wohin die Araber zurückkehren konnten. Es gibt keinen Beleg dafür, dass dies offizielle Regierungspolitik war, aber es war sicher im Sinne der meisten lokalen Kommandeure […] Auch Plünderungen wurden nicht allzu eifrig verhindert. Kein Geringerer als der gegenwärtige Sprecher der Knesset, Joseph Sprintzak, soll gesagt haben, dass die Plünderung der arabischen Häuser und Geschäfte eine große Niederlage für die neue Regierung Israels sei.
Dann fragt Lehrman, nachdem er Bezug auf das Massaker von Deir Jassin genommen hat: „Gab es noch andere Gewalttaten?“ Und er zitiert einen UN-Beobachter, der darauf mit einem Ja antwortet. [68] Er fährt fort:
Noch erschütterter bin ich von den Bekundungen der Trauer und Beschämung, die ich privat von nicht politischen, aber prominenten Israelis erhielt, deren persönliche Integrität außer Frage steht. „Der israelische Soldat hat geplündert, niedergebrannt und gemetzelt“, wurde mir gesagt, „und es tröstet uns nicht, dass Soldaten jeder anderen Armee dasselbe tun.“ Es wird sogar angedeutet, dass bestimmte Offiziere faktisch ihre Truppen angewiesen haben, sich gehen zu lassen. Der beste Beweis für begangene Gewalttaten – und ich denke, die beste Entschuldigung für sie, wenn solche Dinge überhaupt entschuldigt werden können – lieferte mir ein hochrangiger Veteran der Jerusalemer Belagerung: „Unsere Soldaten“, sagte er, „waren nicht schlimmer als die Amerikaner oder die Briten. Sie waren sogar besser …“
Die uns hier interessierende Frage lautet aber nicht, ob die Plünderer und Gewalttäter der Haganah den Amerikanern oder Briten moralisch überlegen waren oder umgekehrt, sondern sie ist viel einfacher: Vielen arabischen Bauern, die ausgeplündert, die Opfer von Gewalttaten und vertrieben wurden oder aus Furcht flüchteten, wurde später ihr Eigentum und Land genommen und eine Militärregierung über sie errichtet, weil sie flohen oder vertrieben wurden – das heißt, weil sie ihre Behausung wegen Gräueltaten oder aus Angst davor verließen – und das war nicht das Werk der Soldaten der Haganah, sondern des Parlaments und der Regierung Israels. Das war die wirkliche Gräueltat.
Nun denn, mein Vater hat euch ein schweres Joch aufgeladen, ich aber will euer Joch noch schwerer machen. Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich aber will euch mit Skorpionen züchtigen. – 1. Könige 12,11
Im Übrigen geschahen die Plünderungen nicht um des Plünderns willen; zumindest teilweise wurden sie für die zionistische Sache begangen, das heißt als Mittel, die Araber zu vertreiben. Jon Kimche erklärt schweren Herzens in seinem Buch mit Blick auf die Haganah und die Jüdische Agentur:
[…] die Praxis der Irgun, arabische Häuser und Läden zu plündern, wurde schon bald als Hilfe für die bedürftigen evakuierten Juden erklärt und später gerechtfertigt, die ihr Hab und Gut bei dem viermonatigen Angriff auf Jaffa verloren hatten. Vielleicht war das natürlich, aber dennoch abscheulich, dass binnen kurzer Zeit die übrigen jüdischen Soldaten der Haganah und des Palmach sich an der Orgie von Plünderungen und mutwilliger Zerstörung beteiligten, die wie ein schwarzes Leichentuch über fast allen militärischen Erfolgen der Juden lag. Das hätte durch hartes Durchgreifen gleich zu Beginn verhindert werden können. Aber es wurde bald zur Praxis, für die es immer einen materiellen Anreiz gab, eine ausgeklügelte Rechtfertigung und eine Entschuldigung. [69]
Die Tatsache, dass die „abscheuliche“ Praxis von der Irgun eingeleitet wurde, ist von Bedeutung. Die Irgun war der Arm einer Bewegung, die bewusst und systematisch darauf abzielte, Palästina araberrein zu machen. Plünderung und „mutwillige Zerstörung“ waren ein politisches Mittel. Wie in so vielen anderen Fällen wies die revisionistische Irgun-Herut-Bewegung den Weg zu konsequentem zionistischem Handeln, und die offiziellen Zionisten folgten mit mehr oder weniger Zögern, Festigkeit und Magenverstimmung.
Es wäre jedoch ein Fehler zu glauben, dass die Vertreibung der Araber durch offizielle israelische Kräfte nur eine Angelegenheit von Massakern oder inoffiziellen Plündereien gewesen sei. Das Seltsame an der offiziellen zionistischen Version von dieser Flucht ist, dass einer der wichtigsten Beiträge der Israelis zur Vertreibung der arabischen Bauern im Jahr 1948 unverhohlen und für jeden nachlesbar als Militärnachricht in der zionistischen Presse veröffentlicht wurde: Dabei ging es um das Sprengen von Dörfern und die Evakuierung ihrer Bevölkerung wegen oder unter dem Vorwand militärische Notwendigkeiten, wenn ausländische arabischer Invasoren sie als Stützpunkt nutzten oder nutzen konnten. Dazu gehörte auch die von den Briten eingeführte barbarische Praxis der kollektiven Bestrafung eines ganzen Orts, wenn jemand aus dem Hinterhalt geschossen hatte.
Arthur Koestler berichtet in seinem Tagebuch am 6. Juni 1948 von seiner Fahrt über die Straße von Haifa nach Tel Aviv und wie er einige friedliche Araber beobachtete, die immer noch ihre Felder bestellten:
Aber nicht mehr lange. Einige Wochen später werden ein paar arabische Burschen von diesen Ortschaften aus dem Hinterhalt auf jüdische Lastwagen auf der Landstraße schießen; die jüdische Armee wird die Einwohner zusammentreiben, ihre Häuser sprengen und die jungen Männer in Konzentrationslager verbringen, während die alten Männer eine Matratze und eine Messingkaffeekanne auf ihren Esel schnallen, die alten Frauen werden vorausgehen, den Esel am Zügel, auf dem der alte Mann reitet […] [70]
An dieser Stelle wird uns der offizielle zionistische Apologet darüber informieren, dass es sich um eine militärische Notwendigkeit handelt, wogegen nichts getan werden könne. Ehe wir das kommentieren, lasst uns noch mehr militärische Notwendigkeiten betrachten. Wir zitieren aus den Militärnachrichten, die wie selbstverständlich von der Palestine Post im Jahr 1948 veröffentlicht wurden:
[…] das Dorf Kolonia oberhalb von Motza wurde durch Angreifer der Haganah zerstört. […] Die meisten Häuser von Kolonia, die von arabischen Banden [Kawukdschis ausländische arabische Guerillas] besetzt waren, welche Castel angriffen, wurden Samstagnacht gesprengt, und nach einem kurzen aber heftigen Gefecht war die arabische Einheit in dem Dorf ausgelöscht […]. Gestern vollendeten die Männer der Haganah die Zerstörung des Dorfs, indem sie die übrig gebliebenen Häuser in die Luft jagten […] Die Dörfer waren in der vorhergehenden Woche fast vollständig von den Einwohnern verlassen worden […] [12. April 1948; meine Hervorhebung]
Am nächsten Tag berichtete die Zeitung in einer ähnlichen Nachrichtenrubrik, dass drei Dörfer „in Schutt gelegt“ wurden, nachdem sie von ihren Bewohnern verlassen und von „arabischen Banden“ besetzt worden waren. Sie ergänzt nüchtern:
Das Dorf Abu Schuscha […] wurde an diesem Morgen von der Haganah zurückerobert und gesprengt. [13. April 1948]
Tatsache ist also, dass arabische Dörfer systematisch gesprengt und geschleift wurden, nicht nur im Verlauf von Kämpfen, sondern nach der Eroberung. Die militärische Notwendigkeit bestand vermutlich darin, zu verhindern, dass sie durch feindliche Kräfte genutzt wurden. Ohne Zweifel besaß so gesehen das System der Zerstörung dieser Ortschaften bis auf die Fundamente einen echten Nutzen für die israelischen Streitkräfte, obwohl andere zivilisierte Armeen in den verschiedensten Kriegen anscheinend ohne diese Praxis auskamen. Zum Zwecke unserer Argumentation wollen wir auch annehmen, dass die zionistischen Behörden keinen Gedanken darauf verschwendet haben, dass diese bequeme Übung den zusätzlichen Nutzen hatte, die Erde für die arabischen Einwohner zu versengen und zur „Reinheit“ eines araberreinen Palästinas beizutragen. Wir bitten die Leser nur, sich daran zu erinnern, dass selbst dann, wenn wir das Argument der militärischen Notwendigkeit, das zur Rechtfertigung dieses Vorgehens vorgebracht wird, für bare Münze nehmen, die Frage bestehen bleibt, die wir uns für diese Untersuchung gestellt haben: Wie erging es den unschuldigen arabischen Bauern, die wegen dieser angeblichen militärischen Notwendigkeit vertrieben und ausgeplündert wurden, und nicht wegen ihres angeblichen Vergehens, dem Aufruf der arabischen Invasoren zur Flucht gefolgt zu sein.
Es würde großer Willensanstrengung bedürfen, sich einzureden, dass auch hier militärische Notwendigkeit vorlag. Kenneth Bilby schrieb zum Beispiel in seiner Zusammenfassung für das Jahr 1949, dass sich folgendes Bild ergab:
Israel beherrschte drei Viertel Palästinas, und eine große Anzahl arabischer Ortschaften, die als unbewohnbar galten, waren dem Erdboden gleichgemacht worden als Versicherung gegen die Rückkehr der Eigentümer. [meine Hervorhebung] [71]
Harry Sacher, ein bekannter britischer Zionistenführer, äußert sich sehr feinfühlig:
[…] die Juden begannen aus strategischen Gründen die von ihnen besetzten arabischen Dörfer zu sprengen […]. Das von der Irgun begangene Massaker von Deir Jassin am 9. April 1948 war ein Wendepunkt […]. Es wurde zur Regel, dass die arabischen Einwohner des besetzten Gebiets flohen, wenn die jüdischen Streitkräfte vordrangen; auch wurde die Flucht gelegentlich angeregt oder ermutigt durch die Juden. [meine Hervorhebung] [72]
Norman Bentwich, international bekannter Professor und Autor an der Hebräischen Universität, merkt in Bezug auf die Ungerechtigkeit des späteren Gesetzes über das Eigentum Abwesender an:
Viele [arabische Einwohner Israels] wurden im Verlauf des Feldzugs von den jüdischen Streitkräften aus ihren Dörfern getrieben und leben jetzt in Nachbarorten, sie werden gehindert, ihr Hab und Gut zu retten, die dem „Hüter“ übertragen worden sind. [73]
Hal Lehrman zitiert in einem völlig anderen Zusammenhang, nämlich der weit verbreiteten Vorurteile der israelischen Juden gegen die neu zugewanderten orientalischen Juden, einen israelischen Freund, der sich bei ihm „halb scherzhaft beklagte, dass ‚wir unsere guten Araber vertrieben haben, und jetzt schau dir an, was wir stattdessen bekommen haben!‘“ [74] Dieser „halbe Scherz“ bezieht sich auf die orientalischen Juden; die zufällig herausgerutschte Bemerkung über die Vertreibung der Araber gehört nicht zu diesem Scherz.
Und es geschah, als Joram den Jehu sah, sagte er: Ist es Friede, Jehu? Er aber sagte: Was, Friede? Bei den vielen Hurereien deiner Mutter Isebel und ihren vielen Zaubereien! – 2. Könige 9,22
Eigentlich begann der niederträchtige Landraub, der nach dem Krieg durch systematische Sondergesetze und Verordnungen durchgeführt wurde, bereits während des Kriegs unter dem Deckmantel militärischer Operationen. Dr. Don Peretz schreibt:
Anfangs, als Israels militärische und paramilitärische Kräfte verlassene arabische Gebiete besetzten, improvisierten die Feldkommandeure vor Ort und übergaben häufig Eigentum an die Sekretäre der jüdischen Landwirtschaftssiedlungen oder die örtlichen Sicherheitsoffiziere. [75]
In einer Reihe von Artikeln über israelische Araber, die in der führenden israelischen Tageszeitzung Ha’aretz erschienen, lesen wir:
Jedes Stück Land, das aus welchem Grund auch immer aufgegeben war – ob im Kriegsstrudel oder während des Waffenstillstands oder bald nach der israelischen Besetzung –, wurde sofort von der nahe gelegenen [jüdischen] Siedlung oder den Siedlungen übernommen und den eigenen Ländereien einverleibt. [76]
Bei diesem Landraub handelte es sich nicht einfach um individuelle Gesetzlosigkeit; er wurde organisiert und angeregt von zionistischen Behörden für zionistische Zwecke. Don Peretz beschreibt das für jene Zeit:
Illegale Siedler [auf arabischem Eigentum] erhielten häufig eine halboffizielle Genehmigung für ihre Besetzung leerer Gebäude. Sogar bevor der Status der aufgegebenen arabischen Gebiete festgelegt wurde, lenkte die Jüdische Agentur den Strom der Neueinwanderer zu den entleerten arabischen Siedlungen. Die Armee beteiligte sich ebenfalls an dieser ungenehmigten Massenbeschlagnahmung. In einem Fall konfiszierte eine Gruppe Armeeoffiziere unterstützt durch Panzer große Gebiete von Eigentum Abwesender [Arabern] in Jaffa. [Peretz’ Fußnote hier bezieht sich auf die Ausgabe der Ha’aretz vom 9. Januar 1949.]
Als im Juli 1948 der erste Hüter aufgegebenen Eigentums ernannt wurde, war ganz Jaffa bereits besetzt […]
In einem seiner ersten Berichte behauptete der Hüter, fast alle Häuser Abwesender seien besetzt worden und ihre Beschlagnahmung für die Neueinwanderer werde durch die Jüdische Agentur anerkannt. Fast alles Bewegliche in diesen Häusern, das nach den Plünderungen übrig geblieben und nicht zerstört war, wurde an die Armee verkauft, ehe der Hüter eintraf. [77]
Die Rolle der Jüdischen Agentur bei diesem Raub wurde durch eine Rede des Finanzministers Kaplan, dem zuständigen Kabinettsmitglied, im November in der Knesset bestätigt, als er auf Vorwürfe von Nachlässigkeit antwortete. Er „beschuldigte Einrichtungen wie die Jüdische Agentur, die zuständig waren für die Ansiedlung neuer Einwanderer, die größten Schwierigkeiten bei der Verwaltung von Eigentum Abwesender gemacht zu haben.“ [78]
Zu dieser Zeit wurde die kaltschnäuzige Beraubung der Araber noch nicht offiziell mit den Bedürfnissen der Neueinwanderer begründet. Das Konzept war noch nicht bei allen Kreisen verankert. Verbrechen gegen das europäische Judentum, begangen von bestialischen Antisemiten, waren ausreichend dafür, dass die Juden, denen so viel Unrecht zugefügt worden war, selbst Unrecht und Verbrechen gegen die einheimische palästinensisch-arabische Bevölkerung begehen durften. Es wurde getan, aber nur offiziell inoffiziell. Als der erste Hüter vor der Knesset berichtete, wurde solch ein Raub zumindest mit Worten verurteilt, obwohl absolut nichts dagegen getan wurde. Die Regierung wusch sich die Hände in Unschuld, ebenso die Haganah.
In seinem Bericht vom 18. April 1949 an das Finanzkomitee der Knesset behauptete der Hüter, dass die „moralischen Gefühle“ der jüdischen Gemeinschaft „die Ausplünderung des Feindes verhindert“ hätten, aber er gab immerhin zu:
Viele wurden jedoch von Rachegefühlen übermannt, sie fanden moralische Begründungen und ergaben sich der materiellen Versuchung.
Unter solchen Umständen hätten nur außerordentliche Maßnahmen der Armee, der Zivil- und Rechtsbehörden das Eigentum und vor allem viele Individuen und Institutionen vor dem moralischen Niedergang retten können.
Dazu kam es nicht und vielleicht war das unter den bestehenden Bedingungen auch nicht möglich, weshalb die Angelegenheiten in vielen Gebieten ungehindert ausufern konnten. [79]
Man beachte, dass dieser Funktionsträger „materielle Versuchung“, also Plünderung um der Beute willen, erst an dritter Stelle auflistet; und dass er sich nicht nur auf Individuen, sondern auch auf „Institutionen“ bezieht, womit zionistische Agenturen und Organisationen gemeint sind.
Die führende Tageszeitung Ha’aretz, damals wie heute wegen all dieser Dinge eine reuevolle zionistische Stimme, sprach Klartext. Ihr Leitartikelschreiber, der hebräische Autor Mosche Smilanski (von Ichud) stimmte mit dem Bericht des Hüters überein, dass ein großer Teil der Öffentlichkeit verantwortlich für den Diebstahl arabischen Eigentums war. [80] „Städte, Dörfer und landwirtschaftliches Eigentum wurden schamlos geraubt, und gesetzlose Individuen aus der Masse wie aus der Intelligenz bereicherten sich an dem besetzten Eigentum.“ Er forderte Maßnahmen gegen die Verantwortlichen, aber das war naiv.
Smilanski schrieb auch: „Es wird der Tag kommen, an dem wir Rechenschaft ablegen müssen über diesen Raub und die Plünderungen nicht nur vor unserem Gewissen, sondern auch vor dem Gesetz.“ Hier irrte er sich gründlich. Dieselben Leute, die den Raub tolerierten, verfassten eine ganze Reihe von Gesetzen, mit denen nicht nur der Raub legalisiert wurde, sondern seine systematische Ausweitung; aber das wird das Thema eines nächsten Artikels über die Geschichte der israelischen arabischen Minderheit sein.
Ersehen kann man aber dieses nicht sowohl aus den älteren Geschichten, die wir [und unsre Vorfahren] überliefert haben, als ihr könnet vor Augen sehen, wenn ihr Acht haben wollet, die durch die Vertilgungssucht unwürdiger Gewalthaber vollbrachten Anschläge. – Zusätze zum Buch Esther 16,5
Während der Raub angesichts der Macht des Staats immer mit dem Gesetz vereinbart werden konnte, konnte er nicht mit dem Gewissen der Israelis vereinbart werden, die sich gegen die Welle des Chauvinismus in dem kleinen Land zu stemmen suchten. Die Intellektuellen von Ichud oder der Ha’aretz pflegen über den moralischen Verfall zu klagen, wenn ein Volk, das selbst erst kurz zuvor in Europa verfolgt und beraubt worden war, solche Untaten gegen eine Minderheit verübt, die ihrer eigenen, soeben errungenen Macht unterstellt ist.
Ohne dieser moralischen Empörung über die Behandlung der arabischen Minderheit Abbruch tun zu wollen, da sie voll und ganz gerechtfertigt ist, gibt es jedoch einen Aspekt der Verurteilung, der sein Ziel verfehlt: Die moralische Empörung sollte nicht an erster Stelle gegen die elenden, verfolgten und gehetzten Juden aus Europa gerichtet werden, die in ihrer Angst und Not als Bauern in dem Spiel benutzt wurden, Land und Eigentum der enteigneten Araber an sich zu reißen. Sie wurden in diese Lage gedrängt von denen, die wussten, was sie taten – den zionistischen Ablegern wie der Jüdischen Agentur, zionistischen Verantwortlichen in den Streitkräften und in der Regierung, sowohl geplant als auch durch Tolerierung.
Zionismus – die Ideologie des jüdischen Chauvinismus – hat gezeigt, dass er zu den zutiefst reaktionären Konzepten der politischen Welt gehört. Als Kind des Antisemitismus wurde er zum Vater einer anderen Form der ethnischen Unterdrückung. Wenn Völkermord bedeutet, ein Volk als solches umzubringen, dann sollte es ein Wort für die Beraubung eines Volkes als solches geben.
Was der Zionismus in Palästina im Jahr 1948 geschaffen hat, war der erste Akt einer Tragödie.
Anm. der Übersetzerin: In seiner Textsammlung Zionism, Israel, & the Arabs (Center for Socialist History, Alameda, 1997, S. x) schrieb Draper rückblickend: „Ich neigte zu der Auffassung, die zum Beispiel auch Don Peretz vertrat, dass die offizielle israelische Politik der Vertreibung und des Ausschlusses der israelischen Araber sich anfangs erst langsam herausbildete und sich erst etwa 1949 zu einer bewussten und systematischen Staatspolitik verfestigte. Das ist nach wie vor nicht völlig falsch, aber Dokumente, die damals noch geheim waren, zeigen jetzt, dass mehr zionistische Führer als wir gedacht hatten (insbesondere Ben Gurion), von Anfang an begriffen, welche Richtung die Ereignisse nehmen müssten und warum die Zionisten diesen Weg einschlugen.“
1. Im Jahr 1942 wurde die Gruppe Ichud (Einheit) ins Leben gerufen, deren Mitglieder, wie Martin Buber, sich für die jüdisch-arabische Verständigung einsetzten und sich bewusst an Intellektuelle wandten; d. Übers.
2. Hal Lehrman war US-amerikanischer Journalist, der 1957 einen Preis für außergewöhnliche Auslandsberichterstattung verliehen bekam; d. Übers.
3. Eine umfassendere Erklärung dieses Standpunkts, die auch die eigentliche Einführung zu diesem Artikel darstellt, findet sich in meinem Aufsatz To Break the Vicious Spiral, in: Labor Action, 5. März 1956.
4. Zur Zeit der Abfassung des Aufsatzes war „Neger“ noch eine übliche Bezeichnung, die Selbstbezeichnung als Schwarze kam erst Ende der 60er Jahre auf mit der Parole „Black and proud!“ (Schwarz und stolz); d. Übers.
5. Chaim Weizmann, Memoiren: Das Werden des Staates Israel, Zürich 1953.
6. The Arabs in Israel, Israel Office of Information, New York, 1955, S. 9.
7. Ebenda, S. 11
8. Don Peretz, Israel and the Arab Refugees, Band II, S. 232–233, 237, unveröffentlichte Dissertation (Columbia 1954), selbst vervielfältigt. Das ist die maßgebliche Arbeit zu diesem Thema auf Englisch. Peretz schreibt vom Standpunkt der Ichud. (Das Buch wurde 1958 unter dem Titel Israel and the Palestine Arabs veröffentlicht. CCP = Versöhnungskommission der UN für Palästina; d. Übers.)
9. Ebenda, Band II, S. 240, 270.
10. Ebenda, Band I, S. 9.
11. Raphael Patai, Israel Between East and West, Jewish Publication Society, Philadelphia., 1953, S. 242–243.
12. Arabs in Israel (siehe Fußnote 6), S. 7. Zu dieser Version siehe auch Joseph B. Schechtman, The Arab Refugee Problem, Philosophical Library, New York 1952, S. 1–2. (Schechtman ist derzeit Führer der Weltorganisation der Revisionisten und vertritt in seinem Buch eine strikte zionistische Parteilinie.)
13. Der zionistische „Revisionismus“ geht auf Wladimir Jabotinsky zurück, der 1925 eine rechte Zionismusabspaltung vom offiziellen Zionismus Chaim Weizmanns begründete; d. Übers.
14. Arthur Koestler. Promise and Fulfillment, Macmillan, New York 1949, S. 155. Auf den anschließenden Seiten beschreibt Koestler Einzelheiten der Aktivitäten der ausländischen Freischärler, ohne auch nur eine Zusammenarbeit der Palästinenser anzudeuten.
15. Patai (siehe Fußnote 11), S. 256.
16. David Ben Gurion, The Fight for Freedom, Palestine and Middle East (Tel Aviv), Januar/Februar 1948.
17. Yaakov Shimoni, Inside the Arab Camp – Arab Masses Unwilling to Fight Jews, ebenda.
18. Harry Sacher, Israel, the Establishment of a State, British Book Centre, New York 1952, S. 149. Rufus Learsi, Fulfillment. The Epic Story of Zionism, World Publication Co., New York 1951, S. 371. Misha Louvish, Arab Minority in Israel, Zionist Newsletter (Jerusalem), 7. April 1952. Sonderkorrespondent, What Is Happening in the Arab Camp?, Zionist Review (London), 19. März 1948.
19. Zitate, die als Beweis dafür dienen sollen, finden sich in der regierungsoffiziellen Broschüre The Arabs in Israel, S. 9–10. Keins dieser Zitate stammt jedoch von der AHE oder ihrer Führung. Eine ebenfalls nur unbefriedigend behandelte Frage lautet, warum die Araber von ihrem eigenen Standpunkt aus gesehen solch einen Generalaufruf hätten verfassen sollen. Eine ganz andere Erklärung für die Flucht gibt James G. McDonald, der erste US-amerikanische Botschafter in Israel, in seinem Buch My Mission in Israel, 1948–1951, (siehe Fußnote 32), der noch viel zionistischer ist als die Zionisten selbst und der zweifellos nur wiedergibt, was ihm in Tel Aviv im Jahr 1946 erzählt wurde (S. 175). Siehe auch die unterschiedlichen Erklärungen in dem Propagandabuch des Revisionisten Schechtman (siehe Fußnote 12), S. 6–7. Eine arabische Widerlegung findet sich in Fayez A. Sayegh (Beamter des Arab Information Center in New York), The Palestine Refugees, Amara Press, Washington D. C. 1952. Ein Großbritannien nahe stehender Historiker empfiehlt, die zionistische Erzählung über den Aufruf der AHE zum Massenexodus zu der Zeit „mit Vorsicht zu behandeln angesichts fehlender Beweise“ (George Kirk, Royal Institute of International Affairs, ein Antizionist aus britisch-imperialistischem Blickwinkel, The Middle East 1945–1950, S. 263).
20. Arabs in Israel, S. 9. Ebenso Schechtman, S. 3–4.
21. Facts and Figures on Israel’s Arab Citizens, Israel Digest (Los Angeles, Isr. Off. of Info.), 5. April 1949.
22. Michael Arnon, Arabs in Israel, Israel & Middle East, Tel Aviv, Januar 1949
23. Yaakov Shimoni, The Palestine Arabs – The Breakdown of a Community, Zionistischer Rundbrief, Jerusalem, 9. August 1949.
24. Jacob Coleman Hurewitz, The Struggle for Palestine, Norton, New York 1950, S. 313–4. Siehe auch die ähnliche Beobachtung des Nahostwissenschaftlers C. B. Richardson aus Columbia in seinem Papier The Refugee Problem, Proceedings of the Academy of Political Science, Januar 1952 (sein Standpunkt ist mir unbekannt, der Ton ist akademisch).
25. Dvorah Metlinsky, New Deal for the Arab, Jewish Standard (Montreal), Juni 1951.
26. Hal Lehrman, The Arabs of Israel, Commentary, Dezember 1949.
27. Arabs in Israel, S. 10.
28. Schechtman, S. 6.
29. Pierre van Paassen, Jerusalem Calling! Dial Press, New York 1950, S. 177–178.
30. Sacher, S. 149. Siehe auch Patai, S. 256–257.
31. Gideon Weigert, The Arabs of Western Galilee, Youth Horizon (Jerusalem), Oktober/November 1949.
32. James G. McDonald, My Mission in Israel, 1948–1951, Simon & Schuster, New York, 1951, S. 29 (Siehe Fußnote auf S. 90).
33. Dr. Wolfgang von Weisl, Hard Facts About Israel’s Arabs, Jewish Herald (Johannesburg), 17. Februar 1950.
34. M. Bligh-Grotto & E. Koigen, These Arabs Came Back, American Zionist (New York), November 1955. Ihre Geschichte findet sich auch zusammengefasst in der New York Times, 12. Februar 1953, mit ein paar abweichenden Details zu dem Zeitpunkt der Wiederansiedlung.
35. Auch wenn Koussa Araber ist (ein Christ, kein Muslim), kann ich ihn im Rahmen meiner Grundregeln hier zitieren, denn er wird zu dieser Frage auch als anerkannte Autorität von dem revisionistischen Propagandisten Schechtman zitiert, S. 12–13, und von Bayou (siehe ebenda, Fußnote 30). Dasselbe gilt für Monsignore Hakim. Ich möchte auch hinzufügen, dass Koussa der wohl führende israelische Araber ist, der die Rechte seines Volks innerhalb des Staats als loyaler Bürger verteidigt und mit Ichud und seinem Organ Ner zusammenarbeitet.
36. New York Herald Tribune, 30. Juni 1949, zitiert nach: Schechtman, S. 13.
37. Congress Weekly (New York), 4. April 1949.
38. Siehe zum Beispiel Hal Lehrman, The Arabs of Israel.
39. Beides im Original auf Deutsch; d. Übers.
40. Laut Bulletin des Rats für jüdisch-arabische Kooperation (eine damals bestehende US-amerikanische Gruppe, die eine zionistische Ideologie nach Art der Ichud vertrat), zitiert in Labor Action, 23. August 1948, bereiteten sich die Terroristen in den vorhergehenden Tagen systematisch darauf vor: „Am 4. April stahl die Irgun Zwai Leumi 1.000 Stück Vieh aus den arabischen Dörfern der Küstenebene; die Haganah verfolgte sie und konnte einen Teil der Beute an die Araber zurückgeben. Am 5. April kaperten die Terroristen einen arabischen Lastwagen voller Zitrusfrüchte. Am 6. April sprengte die Stern-Gang das verlassene arabische Dorf Bir Adas, als die Araber am Morgen zurückkamen, um ihre Felder zu bestellen.“
41. Jon Kimche, Seven Fallen Pillars – The Middle East 1945–1952, Praeger, New York 1953, S. 227.
42. Labor Action, 27. Dezember 1948.
43. Kimche, S. 227.
44. Labor Action, 19. April 1948.
45. Text eines Briefs aus: Menachem Begin, The Revolt. Story of the Irgun, Schuman, New York, 1951, S. 163.
46. Zum Beispiel kommentierte die Palestine Post am 12. April 1948, dass „kein guter Grund für die Durchführung dieser Aktion als militärische Operation“ angegeben werden kann – das heißt, auch ohne das Massaker nicht. Sie führte weiter aus, dass die Irgun „einen billigen Sieg davongetragen hat, indem sie ein friedliches Dorf ‚eroberte‘, das keine Bedrohung darstellte, selbst wenn ein paar Iraker oder andere bewaffnete Araber sich dort entgegen den Wünschen der Einwohner aufhielten.“
47. Sacher, S. 192.
48. Ebenda, S. 193–194.
49. Der Palmach (Einsatztruppen) wurde von der Haganah, als diese noch Untergrundorganisation war, gegründet und bildete Jugendliche militärisch aus.
50. Im Jahr 1942 wurde der tschechische Ort Lidice aus „Vergeltung“ von der SS dem Erdboden gleichgemacht, insgesamt verloren 5.000 Menschen ihr Leben; d. Übers.
51. Siehe zum Beispiel Koestler, S. 160; Hurewitz, S. 814; Menachem Begin, S. 164–165; Richardson; McDonald, S. 175.
52. Kimche, S. 233.
53. Begin, S. 165.
54. Zionistische Quellen zitieren gerne aus dem Bericht der britischen Polizei über Haifa: „Die Juden unternehmen alles, um die arabische Bevölkerung zum Bleiben zu bewegen […]“. Siehe Schechtman, S. 7–9. In: Moshe Pearlmans The Army of Israel (Philosophical Library, New York 1950) sind diese britischen Berichte im Faksimile nachgedruckt. Dadurch wirkt es so, als träfe das für die Flucht der Araber insgesamt zu.
55. Labor Action, 12. Januar 1948.
56. Ben Gurion; Shimoni, ein weiterer Bericht ihrer Anstrengungen findet sich in: Kimche.
57. Zur Rolle der Briten siehe Fußnote 36.
58. Koestler, S. 207.
59. Kimche, S. 229.
60. Ebenda, S. 230.
61. Arnon.
62. McDonald, S. 176.
63. Kenneth W. Bilby, New Star in the Near East, Doubleday, New York 1950, S. 31. (Bilby war in diesem Krieg Berichterstatter der New York Herald Tribune; in seinem Buch kritisiert er offen beide Seiten; eine Parteinahme ist nicht zu erkennen.)
64. Jon Kimche, The Arabs in Israel, Jewish Observer & Middle East Review (London), 15. Februar 1952.
65. Kimche, S. 265.
66. Kirk, S. 90, Fußnote) ergänzt, dass eine Vertreibung der arabischen Bevölkerung auch in Acre, Beerscheba und Westgaliläa stattfand (S. 264). Der UN-Vermittler Graf Bernadotte berichtete im Juli 1948 dem Sicherheitsrat über die Vertreibung von 8.000 arabischen Einwohnern aus drei Ortschaften südlich von Haifa und die Zerstörung ihrer Häuser durch Israel.
67. Bilby, S. 43.
68. Arabische Quellen haben der Haganah auch andere Massaker vorgeworfen, aber keines in dem Ausmaß von Deir Jassin, beispielsweise in Nasr-al-Din. In Bezug auf diesen Ort siehe die Palestine Post vom 13. April 1948, die den offiziellen zionistischen Bericht zitiert, in dem es heißt: „Ehe die Haganah einen Gegenangriff einleitete, wurden die Frauen, Kinder und älteren Einwohner gewarnt und aufgefordert, den Ort zu verlassen.“ Was mit ihnen geschah, wird nicht ausgeführt. Am nächsten Tag berichtete dieselbe Zeitung ohne Kommentar über den Vorwurf des britischen Oberst in dem Gebiet (Tiberias), dass „zwanzig Araber, einschließlich Frauen und Kinder, getötet und ihre Häuser in Brand gesetzt wurden“. In der Monatszeitschrift Ner der Gruppe Ichud hieß es, ein Grund für die Flucht der Araber sei „die jüdische Führung“ gewesen, „die sich Deir Jassin und ähnliche Taten zunutze machte, nicht alle wurden von (jüdischen) Kräften begangen, um Terror unter den arabischen Massen zu verbreiten und sie hinauszutreiben.“ (Mai 1954, zitiert nach Freeland, Mai–Juli 1954; meine Hervorhebung)
69. Kimche, S. 234.
70. Koestler, S. 199.
71. Bilby, S. 3.
72. Sacher, S. 149.
73. Norman Bentwich, Israel, Benn, London 1952, S. 158.
74. Hal Lehrman, Israel, The Beginning and Tomorrow, Sloane, New York, 1951, S. 66.
75. Peretz, Band.II, S. 242.
76. Yaakov Aviel, The Arabs Among Us, Article III, Ha’aretz (Tel-Aviv), 7. Januar 1955.
77. Peretz, Band II, S. 257–258.
78. Ebenda, Band II, S. 256.
79. Zitiert nach: Peretz, Band II, S. 242.
80. In Ha’aretz (Tel Aviv), 26. Juli 1949; zitiert nach: Peretz, Band II, S. 254.
Zuletzt aktualisiert am 1.12.2010