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Wenn es jedem Einzelgebiet der politischen Oekonomie überhaupt eigentümlich ist, sich in einer bestimmten Richtung zu entwickeln, je nachdem, wer dieses Einzelgebiet bearbeitet, so trifft dies ganz besonders zu für die Lehre von der Verteilung, im besonderen aber für die Profittheorie. Dieses Problem berührt sich ja sehr nahe mit der „Praxis“ der kämpfenden Klassen; es berührt am stärksten ihre Interessen, und so ist es leicht begreiflich, daß sich gerade hier eine bald ziemlich grobe, bald sehr feine, aber dennoch leicht zu enthüllende Apologie der modernen Gesellschaftsordnung fest eingenistet hat. Von der logischen Seite her kommt der Verteilungsfrage, die nach Ricardo zu den wichtigsten Problemen der politischen Oekonomie gehört [1], zweifelsohne eine eminente Bedeutung zu. Es ist unmöglich, die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zu verstehen, ohne – wenn es sich um die moderne Gesellschaft handelt – den Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Kapitals analysiert zu haben. Einer der ersten Versuche schon, die Bewegung des Kapitals zu begreifen – wir meinen die berühmte Oekonomische Tabelle von Quesnay – mußte dem Verteilungsplan einen bedeutenden Platz einräumen. Doch wenn man auch von der Aufgabe absieht, den Mechanismus der gesamten kapitalistischen Produktion in ihrem ganzen Umfange und ihrem „vollen gesellschaftlichen Maßstab“ zu erfassen, so bietet auch noch die Frage von der Verteilung an und für sich ein ungeheures theoretisches Interesse. Welches sind die Gesetze, nach denen die Verteilung der Güter unter die verschiedenen Gesellschaftsklassen erfolgt; welches sind die Gesetze des Profits, der Rente, des Arbeitslohns; in was für einem Verhältnis stehen diese Kategorien zueinander, wovon hängt in jedem gegebenen Augenblick ihre Größe ab; welches sind die Tendenzen der gesellschaftlichen Entwicklung, die diese Größe bestimmen? Dies sind die Grundfragen, die die Distributionstheorie sich stellt. Wenn die Werttheorie das umfassende Grundphänomen der Warenproduktion analysiert, so hat die Verteilungstheorie die antagonistischen sozialen Phänomene des Kapitalismus, des Klassenkampfes, zu analysieren, der neue spezifische, der Warenwirtschaft als solcher zukommende Formen annimmt. Wie dieser Klassenkampf seine kapitalistische Formulierung gewinnt, mit anderen Worten, wie sich dieser Kampf in der Form von ökonomischen Gesetzen kund tut – dies zu zeigen ist eben die Aufgabe einer Theorie der kapitalistischen Verteilung. [2] Freilich, bei weitem nicht alle Theoretiker fassen so die Aufgaben einer Verteilungstheorie auf. Schon in der Aufstellung des Problems lassen sich zwei Grundrichtungen erkennen.
„Es gibt hier – schreibt einer der neuesten Forscher auf diesem Gebiete, N. Schaposchnikow – zwei diametral verschiedene Standpunkte, von denen nur einer richtig sein kann.“ [3]
Der Unterschied ist der, daß die eine Gruppe der Oeko-nomisten die Entstehung des sogenannten „arbeitslosen Einkommens“ durch die ewigen und „natürlichen“ Bedingungen des menschlichen Wirtschaftens zu erklären sucht, die andere sieht in ihnen dagegen die Folge der besonderen historischen Verhältnisse oder, konkret gesprochen, das Ergebnis des Privatbesitzes an Produktionsmitteln. Doch kann dem Problem eine weitere umfassendere Formulierung gegeben werden, denn erstens handelt es sich nicht nur um „arbeitsloses Einkommen“, sondern auch um „Arbeitseinkommen“ (der Begriff des Arbeitslohns ist z. B. ein Korrelatbegriff zu dem des Profits, er steht und fällt mit diesem letzteren); zweitens kann man die Frage über die Verteilungsformen überhaupt stellen, d. h., nicht nur die Formen der kapitalistischen Verteilung, sondern auch die allgemeine Abhängigkeit der Verteilungsformen von den Formen der Produktion. Die Analyse dieser Frage ergibt folgendes: Seiner funktionellen Bedeutung nach ist der Verteilungsprozeß nichts anderes als ein Reproduktionsprozeß der Produktionsverhältnisse; jede historisch bestimmte Form der Produktionsverhältnisse weist eine adäquate Form der Verteilung auf, die das gegebene Produktionsverhältnis reproduziert. So ist es auch mit dem Kapitalismus.
„... der kapitalistische Produktionsprozeß (ist) eine geschichtlich bestimmte Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses überhaupt. Dieser letztere ist sowohl Produktionsprozeß der materiellen Existenzbedingungen des menschlichen Lebens wie ein in spezifischen, historisch-ökonomischen Produktionsverhältnissen vor sich gehender, diese Produktionsverhältnisse selbst und damit die Träger dieses Prozesses, ihre materiellen Existenzbedingungen und ihre gegenseitigen Verhältnisse, d. h., ihre bestimmte ökonomische Gesellschaftsform produzierender und reproduzierender Prozeß.“ [4]
Der Prozeß der kapitalistischen Verteilung, der sich ebenso in ganz bestimmten historischen Formen vollzieht (Kauf und Verkauf der Arbeitskraft, Bezahlung ihres Wertes durch die Kapitalisten, Entstehung von Mehrwert), ist eben nur ein Bestandteil, eine bestimmte Seite dieses Prozesses der kapitalistischen Produktionsweise, als Ganzes genommen. Wenn das Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter das grundlegende Produktionsverhältnis der kapitalistischen Gesellschaft bildet, so reproduzieren die Formen der kapitalistischen Verteilung – die Kategorien des Arbeitslohns und des Profits – dieses grundlegende Verhältnis. Wenn man deshalb Produktions- und Verteilungsprozeß „als solche“ nicht mit den jeweiligen ökonomisch-historischen Formen vermengt, die die „ökonomische Gesellschaftsstruktur“, d. h., den jeweiligen Typus der menschlichen Beziehungen bilden, so gewinnt man ein klares Ergebnis, und zwar: Wollen wir irgendeine konkrete Gesellschaftsstruktur erklären, so müssen wir sie nur als einen spezifischen, historisch gewordenen Typus von Verhältnissen auffassen, d. h., als einen Typus, der historische Schranken und ihm allein zukommende Besonderheiten hat. Die bürgerliche politische Oekonomie tritt infolge ihrer Beschränktheit nicht aus den Grenzen der allgemeinen Definitionen heraus.
„... die Nationalökonomen (haben) den natürlichen Vorgang der Produktion mit dem durch das Grund- und Kapitaleigentumsrecht bedingten sozialen Vorgänge der Produktion verwechselt oder vermischt und sind infolgedessen zu einem Kapitalbegriff gelangt, der in der wirklichen nationalökonomischen Welt gar nicht seinesgleichen hat.“ [5]
Doch auch Rodbertus selbst ließ sich, im Gegensatz zum einheitlichen und konsequenten Marxschen Gesichtspunkt, ein bequemes Schlupfloch, indem er den „logischen“ Kapitalbegriff heraussonderte, als eine Kategorie, die allen Wirtschaftsformen eigen sein soll; indessen ist das vom Standpunkte der Terminologie aus gänzlich überflüssig (für den betreffenden Begriff gibt es den Ausdruck: „Produktionsmittel“) und dem Wesen nach schädlich, denn es führt nicht selten dazu, daß unter dem Deckmantel der unschuldigen Erörterungen über die Produktionsmittel („Kapital“) die Lösung von sozialen Problemen ganz anderer Art durchgeschmuggelt wird.
Also, haben wir uns einmal die Aufgabe gestellt, das Wesen der Verteilung in der modernen Gesellschaft zu untersuchen, so werden wir nur dann zum Ziele kommen, wenn wir dabei die Besonderheiten des Kapitalismus nicht aus dem Auge verlieren. Das hat Marx in geradezu glänzender Weise in folgendem Satze kurz zusammengefaßt:
„Wie das Kapital, so sind Lohnarbeit und Grundeigentum geschichtlich bestimmte gesellschaftliche Formen; die eine der Arbeit, das andere des monopolisierten Erdballs, und zwar sind sie beide, dem Kapital entsprechende und derselben ökonomischen Gesellschaftsformation angehörende Formen.“ [6]
In seiner Profittheorie folgt Böhm-Bawerk, wie dies schon aus der Untersuchung seiner Werttheorie zu erwarten war, ganz und gar jenen Oekonomen, die es für angebracht halten, den Profit nicht etwa von den historischen, sondern von den allgemeinen Bedingungen der gesellschaftlichen Produktion „abzuleiten“. Damit allein schon wäre im Grunde genommen das Urteil über seine „neuen Bahnen“ gefällt [7]; denn von allen Oekonomen, die den Profit, die Grundrente und den Arbeitslohn nicht als historische, sondern als „logische“ Kategorien betrachten, gilt das Wort, daß sie vom „richtigen Wege abkamen“. [8] Wohin der unhistorische Gesichtspunkt der Böhmschen Werttheorie ihn gebracht hat, haben wir bereits aus dem Vorhergehenden gesehen. Zu noch größeren Widersprüchen und Konflikten mit der Wirklichkeit führt dieser Gesichtspunkt in der Verteilungstheorie, im besonderen in der Profittheorie.
Seine Analyse des Kapitalbegriffs beginnt Böhm-Bawerk damit, daß er den einmal liebgewonnenen „isolierten Menschen“ bald „mit der nackten Faust“ arbeiten läßt, bald ihn mit Produktionsmitteln versieht, die von diesem Menschen selbst hergestellt werden. Daraus folgert er, daß es überhaupt zwei Produktionsmethoden gibt: „Entweder ... werten wir unsere Arbeit ganz knapp vor dem Ziele ein ... oder wir schlagen absichtlich einen Umweg ein“ [9], d. h., wir gehen entweder direkt auf das Ziel aus oder unternehmen einige vorläufige Operationen (die Produktion der Produktionsmittel). Da im letzteren Falle der Mensch die Naturkräfte zur Hilfe nimmt, die „stärker als die nackte Faust“ sind, so ist die Benutzung des „Umwegs“ von größerem Erfolg begleitet, als wenn nur mit „der nackten Faust“ gearbeitet wird.
Diese allgemeinen Sätze genügen Böhm-Bawerk, um zu einer Definition des Kapitals und der kapitalistischen Produktionsweise zu kommen.
„Die Produktion, die kluge Umwege einschlägt, ist nichts anderes, als was die NationalÖkonomie die kapitalistische Produktion nennt, so wie die Produktion, die geradeaus mit der nackten Faust auf das Ziel zugeht, die kapitallose Produktion darstellt. Das Kapital aber ist nichts anderes als der Inbegriff der Zwischenprodukte, die auf den einzelnen Etappen des ausholenden Umweges zur Entstehung kommen.“ [10]
Und an anderer Stelle:
„Kapital überhaupt nennen wir einen Inbegriff von Produkten, die als Mittel des Gütererwerbes dienen. Aus diesem allgemeinen Kapitalbegriff löst sich als engerer Begriff der des Sozialkapitals ab. Sozialkapital nennen wir einen Inbegriff von Produkten, die als Mittel sozialwirtschaftlichen Gütererwerbs dienen; oder ... da sozialwirtschaftlicher Güter verbrauch nicht anders als durch Produktion stattfindet... oder, kurz gesagt, einen Inbegriff von Zwischenprodukten.“ [11]
Die angeführten Definitionen genügen, um die „Grundlagen“ der Böhm-Bawerkschen Profittheorie kennenzulernen; sie verhüllt den geschichtlichen Charakter der modernen Produktionsweise und – was in diesem Falle noch wichtiger ist – sie verschleiert ihr Wesen als einer kapitalistischen Produktion im wahren Sinne des Wortes, d. h., einer Produktion, die auf Lohnarbeit beruht, auf Monopolisierung der Produktionsmittel durch eine bestimmte gesellschaftliche Klasse; es verschwindet dabei völlig der charakteristische Zug der modernen Gesellschaft – die Klassenstruktur derselben, die von inneren Widersprüchen, von einem erbitterten Klassenkampf zerrissen wird. Welches sind die logischen Grundlagen für eine derartige Konstruktion? Böhm-Bawerk stellt folgende Erwägungen an: Auf allen Stufen der sozialen Entwicklung gibt es „Produktionswege“; im Zusammenhang damit befinden sich manche Erscheinungen auf dem Gebiete der endgültigen Ergebnisse der Produktion. Diese Erscheinungen können in Abhängigkeit von den konkreten geschichtlichen Bedingungen (z. B. Privateigentum) verschiedene Formen annehmen.
Doch muß hier „das Wesen“ von der „Erscheinungsform“ unterschieden werden. Eben deshalb ist es für eine gründliche wissenschaftliche Forschung erforderlich, die Analyse des „Kapitals“. des „Profits“, der „kapitalistischen Produktionsweise“ usw. nicht in ihrer jetzigen Formulierung, sondern in abstrakto zu vollziehen. Soweit im allgemeinen der Böhmsche Standpunkt. [12] Dies ist übrigens alles, was zugunsten des Böhm-Bawerkschen Standpunktes und ähnlichen Versuchen, das Kapital und den Profit als „ewige“ Wirtschaftskategorien zu betrachten, zu sagen
wäre. Wenn auch die Auseinanderhaltung zwischen „Wesen“ und „Erscheinungsform“ an und für sich richtig ist, in diesem Falle ist sie nicht am Platze. In der Tat, hängt doch mit dem Begriff „Kapital“, „kapitalistisch“ usw. nicht die Vorstellung von der sozialen Harmonie, sondern vom Klassenkampf zusammen. Dies weiß Böhm-Bawerk selbst sehr gut. In seiner Kritik der Oeko-nomen, die in den Begriff des Kapitals den Begriff der Arbeitskraft aufnehmen, sagt er:
„Wissenschaft und Volk haben sich längst gewöhnt, gewisse große soziale Probleme unter dem Schlagworte des Kapitals abzuhandeln, und haben dabei nicht einen die Arbeit mitumfassenden Begriff, sondern einen Gegensatz zu ihr im Auge gehabt. Kapital und Arbeit, Kapitalismus und Sozialismus, Kapitalzins und Arbeitslohn wollen wahrhaftig keine harmlosen Synonyma sein, sondern sie sind Schlagworte für die denkbar stärksten sozialen und ökonomischen Kontraste.“ [13]
Sehr schön. Doch wenn dem so ist, so müßte man konsequenterweise weitergehen und nicht bei der „Gewohnheit des Volkes“ und der „Wissenschaft“ stehen bleiben, sondern bewußt die Klassengegensätze in der kapitalistischen Warenwirtschaft an die Spitze der Betrachtung stellen. Dies bedeutet, daß das Merkmal der Klassenmonopolisierung der Produktionsmittel, wie sie unter den Bedingungen der Warenwirtschaft stattfindet, in den Begriff des Kapitals als dessen wesentlichster, konstituierender Bestimmungsgrund aufgenommen werden muß. Für den Böhmschen Kapitalbegriff bleibt die alte Auffassung der Produktionsmittel (vgl. seine „Zwischenprodukte“), deren Erscheinungsform in der gegenwärtigen Gesellschaft das „Kapital“ ist. Und so sind nach ihm die von den Kapitalisten monopolisierten Produktionsmittel nicht etwa die der modernen Gesellschaft eigenen „Erscheinungsformen“ des Kapitals, sondern das Kapital schlechthin; aber sie sind eine „Erscheinungsform“ der Produktionsmittel schlechthin, außerhalb jeder Beziehung zu einer konkreten historischen Struktur.
Man kann an die Frage auch von einer anderen Seite herantreten. Wenn alle „Zwischenprodukte“ Kapital sind, wie sind da die „Zwischenprodukte“ in der modernen Wirtschaftsordnung auszuscheiden? Nehmen wir an, – wenn auch eine derartige Annahme im Grunde widersinnig ist –, daß es auch im „sozialistischen Staat“ Profit gibt; in diesem Falle würde jedoch der „Profit“ in die Hände der gesamten Gesellschaft fallen, während er in der modernen Wirtschaftsordnung einer einzigen Klasse zufällt. Dieser Unterschied ist mehr als wesentlich. Trotz dem fehlt bei Böhm-Bawerk ein Terminus für den „jetzigen“ Profit. Doch sehen wir, wie streng Böhm-Bawerk seine Gegner beurteilt und wie er sie gerade darin kritisiert, worin er selber fehlt. In seiner Kritik gegen die Anwendung des Kapitalbegriffs auf Grund und Boden, bei der er sich auf das Prinzip der „terminologischen Oekonomie“ beruft, sagt er:
„Wenden wir nämlich den Namen Kapital allen sachlichen Erwerbsmitteln zu, so bleibt der engere der konkurierenden Begriffe und auch der mit ihm korrespondierende Einkommenszweig trotz ihrer Wichtigkeit ganz namenslos.“ [14]
Und doch ist es klar, daß der Unterschied zwischen „Profit“ im sozialistischen Staate, der das Fehlen von Klassen voraussetzt, und dem jetzigen „Profit“ viel größer und wichtiger ist als der Unterschied zwischen Profit und Rente: im ersten Falle handelt es sich um den Unterschied zwischen einer Klassengesellschaft und einer klassenlosen Gesellschaft, im zweiten nur um den Unterschied zwischen zwei Klassen ein und derselben Gesellschaft, die im Grunde genommen nur einer Klassenkategorie angehören, nämlich der der Besitzer und Eigentümer.
Die Widersinnigkeit der Böhmschen Terminologie vergrößert sich noch durch den Umstand, daß seinem Begriff der „unkapitalistischen“ Produktion in der Wirklichkeit keine einzige reale wirtschaftliche Tatsache entspricht: Die Produktion mit „der nackten Faust“ ist eine der zahlreichen Fiktionen Böhm-Bawerks. Umgekehrt ist der Wilde, der mit dem Stock im Boden herumstochert, in einen „Kapitalisten verwandelt, der eine „kapitalistische“ Wirtschaft führt und sogar „Profit“ einheimst! ... Doch wenn jede Produktion (da es Produktion ohne Produktionsmittel nicht gibt) „kapitalistisch“ sein soll, so müssen doch im Rahmen dieser „kapitalistischen“ Produktion Unterschiede gemacht werden, denn es ist doch – gleichviel wie – notwendig, die „kapitalistische“ kapitalistische Produktionsweise, die „kapitalistische“ sozialistische, die „kapitalistische“ urkommunistische Produktionsweise usw. voneinander zu unterscheiden. Bei Böhm-Bawerk finden wir aber nur einen Terminus für all diese drei verschiedenen Arten der „kapitalistischen Produktion“.
Eine glänzende Illustration für die von Böhm-Bawerk hineingetragene Konfusion bietet der Abschnitt: „Der Zins im Sozialistenstaat“. Auch in diesem „Staate“ soll das Profitprinzip in seiner vollen Kraft aufrechterhalten bleiben, das man jetzt doch als Ergebnis der Ausbeutung ansieht. Diese „sozialistische Ausbeutung“ erläutert Böhm wie folgt:
„Angenommen – sagt er – es gibt zwei Produktionszweige: das Bäckergewerbe und die Waldkultur. Das Ergebnis eines Arbeitstages des Bäckers ist das Produkt Brot, dessen Wert sich nach Böhm auf 2 Florin stellt (nach Böhm bleiben im ‚Sozialistenstaate‘ sogar die Florins).“
Die Tagesarbeit des Waldarbeiters besteht darin, daß er 100 junge Eichen anpflanzt, die ohne weiteres Zutun sich in hundert Jahren in große Bäume umwandeln, so daß der Gesamtwert der Arbeit des Waldarbeiters sich auf 1,000 Florin stellen wird. Dieser Umstand, nämlich der Zeitunterschied in der Produktion (die allgemeine Wertschätzung der dazu gehörenden Erwägungen folgt in der weiteren Darstellung) wird eben zur Grundlage für die Profitentstehung gemacht.
„Zahlt man aber – sagt Böhm-Bawerk – auch den Aufforstungsarbeitern gerade so wie den Bäckern nur 2 Florin täglich, dann begeht man ihnen gegenüber dieselbe „Ausbeutung“, die heute die kapitalistischen Unternehmer ausüben.“ [15]
Während des Zeitabschnittes von hundert Jahren erfolgt ein Wertzuwachs, und diesen „Mehrwert“ „steckt die Gesellschaft ein und nimmt ihn somit den ihn erzeugenden Arbeitern weg, die Arbeitsfrüchte genießen also die anderen“. „In der Verteilung bekommen ihn (d. h. den Zins. N. B.) ganz andere Leute als jene, an deren Arbeit und Produkt er verdient wurde ... andere Leute, und zwar ganz wie heute (!), nicht aus dem Titel der Arbeit, sondern aus dem Titel des Eigentums bzw. des Miteigentums.“ [16]
Diese Ueberlegung ist von Anfang bis Ende falsch. Sogar in der sozialistischen Gesellschaft gibt es keinen Wertzuwachs aus dem Boden. [17] Für sie ist es ganz gleich, ob die Arbeit für die un mittelbare Produktion von Gebrauchsgütern angewandt wird oder irgendeinem „entfernteren Zweck“ dient, da in dieser Gesellschaft nach einem im voraus aufgestellten Wirtschaftsplan gearbeitet wird, und die einzelnen Arbeitskategorien als Teile einer gemeinsamen gesellschaftlichen Arbeit betrachtet werden, die für den ununterbrochenen Gang der Produktion, Reproduktion und des Konsums notwendig ist. Aehnlich wie die Produkte der verschieden entfernten Einheiten ununterbrochen und gleichzeitig konsumiert werden, ebenso ununterbrochen und gleichzeitig laufen auch die ihrem Ziel nach verschieden entfernten Arbeitsprozesse ab. Alle Teile der gemeinsamen gesellschaftlichen Arbeit sind in ein einheitliches unzertrennbares Ganzes verschmolzen, in dem für die Bestimmung des Anteils eines jeden Mitglieds nur eins wichtig ist (nach Abzug für den Produktionsmittelfonds) die Menge der aufgewendeten Arbeit. Dies sieht man auch am Böhmschen Beispiel: Wenn er von den Bäckern spricht, deren Arbeitsprodukt Brot ist, so vergißt er ganz und gar, daß das Brot keinesfalls nur das Arbeitsprodukt der Bäcker ist, sondern aller Arbeiter, angefangen mit denjenigen, die in der Landwirtschaft beschäftigt waren; die Arbeit der Bäcker ist nur das Schlußglied in dem gesamten Prozeß. Wenn also die Aufforstungsarbeiter Produkte gemäß ihrer Arbeit bekommen, so erhalten sie damit gesellschaftliche Arbeitseinheiten von verschiedenen Graden der Entfernung, d. h. sie befinden sich im Verhältnis zu den anderen Mitgliedern der Gesellschaft in derselben Lage, wie jede andere Arbeiterkategorie, denn, wie gesagt, bei dem gegebenen Wirtschaftsplan hängt die Wichtigkeit der Arbeit nicht von der Entfernung des Zieles derselben ab.“ [18]
Diese Frage hat jedoch noch eine andere, wichtigere Seite. Angenommen, die sozialistische Gesellschaft erhält in einem gegebenen Produktionszyklus einen gewissen Ueberschuß an „Wert“ (für uns ist es in diesem Falle ohne Belang, zu wissen, warum sie ihn hat und auf Grund welcher „Werttheorie“ sich die Abschätzung des Produkts vollzieht). BöhmBawerk stimmt damit überein, daß dieser „Mehrwert“ „zu einer allgemeinen Aufbesserung der Lohnquote (!) der Volksarbeiter dient“. Damit ist doch sichtbar jeder Grund für die Deutung des erhaltenen Ueber-schusses als Profit genommen. Doch macht hier Böhm-Bawerk folgenden Einwand geltend. „Der Profit – sagt er – hört noch nicht auf, Profit zu sein, weil man ihn in Relation zum Verwendungszweck setzt – wird doch niemand die Behauptung aufzustellen wagen, daß der Kapitalist und sein Profit aufhören, Kapitalist und Profit zu sein, wenn irgendein Unternehmer . .. ein Vermögen von Millionen anhäuft und über dieses dann zu gemeinnützigen Zwecken verfügt.“ [19]
Dieser „Einwand“ enthüllt sofort die innere Unrichtigkeit der Böhm-Bawerkschen Position. Denn warum wird niemand „zu behaupten wagen“, daß der Profit im Zusammenhang mit den wohltätigen Bestrebungen der Kapitalisten zu existieren aufhört? Ja, doch nur eben deshalb, weil dies ein Einzelfall ist, der ohne jeglichen Einfluß auf die allgemeine Struktur des sozial-wirtschaftlichen Lebens ist: Die Klassennatur des Profits wird keinesfalls vernichtet; es wird nicht die Kategorie des Einkommens vernichtet, das die Klasse, dank der Monopolisierung der Produktionsmittel an sich nimmt. Anders wäre es, wenn die Kapitalisten als Klasse auf den Profit verzichten und ihn für gemeinnützige Zwecke anwenden würden. In diesem – praktisch ganz unmöglichen – Falle würde die Profitkategorie verschwinden, und die wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft ein anderes Gesicht annehmen, als es die kapitalistische Gesellschaft zeigt. Die Monopolisierung der Produktionsmittel würde sogar vom privaten Unternehmerstandpunkt aus jeden Sinn verlieren, und die Kapitalisten als solche aufhören zu existieren. Und so w’erden wir wiederum auf den Klassencharakter des Kapitalismus und dessen Kategorie – des Profits – gestoßen. [20] Und nur dank eines geradezu unglaublichen Daltonismus, der es verhindert, diese Klassennatur zu sehen, sind folgende Behauptungen möglich: „Sogar in der einsamen Wirtschaft eines Robinson könnte der Grundzug des Zinsphänomens ... nicht fehlen.“ [21] Wie erklärt sich nun dieser Daltonismus? Eine sehr richtige Erklärung dafür gibt uns Böhm-Bawerk selbst. „Auch unter uns (d. h. unter den bourgeoisen Oekonomen. N. B.) – sagt er – liebt man es so sehr, unbequeme Gegensätze zu verkleistern, dornige Probleme zu vertuschen.“ Dieses offene Geständnis enthüllt am besten die psychologische Unterlage, die dazu führt, daß man die Erkenntnis der widerspruchsvollen sozialen Wirklichkeit meidet und zu den künstlich ausgedachten, an den Haaren herbeigezogenen Konstruktionen, zur Rechtfertigung der Wirklichkeit, seine Zuflucht nimmt. „Auch Böhm-Bawerks Kapitalzinstheorie – schreibt Dietzel –, welche aus der Grenznutzentheorie geflossen ist, soll nicht bloß das Zinsphänomen erklären, sondern daneben auch Material zur Widerlegung derer beitragen, welche die Zinsinstitution angreifen. [22] Diese apologetische Seite veranlaßt Böhm-Bawerk, das Phänomen des Zinses sogar dort zu sehen, wo es selbst weder Klassen noch Warentausch gibt (Robinson, Sozialistenstaat); sie veranlaßt ihn, das soziale Phänomen des Zinses von den „allgemeinen Eigenschaften der menschlichen Psyche“ abzuleiten. Wir gehen nun zur Analyse dieser wunderlichen Theorie über, deren Erfolg sich nur durch den völligen Niedergang der bourgeoisen politischen Oekonomie erklären läßt.
Wie wir bereits wissen, versteht Böhm-Bawerk unter kapitalistischer Produktion eben eine solche, die mit Hilfe von Produktionsmitteln oder, in der Böhmschen Sprache, auf „Produktionsumwegen“ erfolgt. Diese „kapitalistische“ Produktionsmethode weist eine vorteilhafte und eine nachteilige Seite auf: Erstere besteht darin, daß eine größere Menge von Produkten erzielt wird; die zweite besteht darin, daß diese Steigerung mit größerem Zeitverlust verbunden ist. Infolge der vorangehenden Operationen (der Produktion von Produktionsmitteln und überhaupt aller Zwischenprodukte) erhält man die Verbrauchsprodukte nicht sofort, sondern nach relativ längerer Zeit: „Der Nachteil, der mit der kapitalistischen Produktionsmethode verbunden ist, liegt in einem Opfer an Zeit. Die kapitalistischen Umwege sind ergiebig, aber zeitraubend, sie liefern mehr oder bessere Genußgüter, aber sie liefern sie erst in einem späteren Zeitpunkt.“ Dieser Satz gehört „... zu den Grundpfeilern der gesamten Lehre vom Kapital. [23] Aus dieser fatalen Zeitdifferenz“ ergibt sich die Notwendigkeit des Wartens: „In der überwältigenden Mehrzahl der Fälle müssen wir die Produktionsumwege unter solchen technischen Bedingungen beschreiten, daß wir eine Zeitlang und oft sehr lange Zeit auf die Erlangung der genußreifen Schlußprodukte warten müssen.“ [24] Diese Besonderheit der „kapitalistischen Produktionsweise“ – meint Böhm-Bawerk – bildet die Grundlage für die wirtschaftliche Abhängigkeit der Arbeiter von den Unternehmern: Die Arbeiter können nicht bei den langen „Umwegen“ warten, bis die Verbrauchsprodukte geliefert werden [25]; umgekehrt können die Kapitalisten nicht nur warten, sondern unter gewissen Verhältnissen – direkt oder indirekt – sogar den Arbeitern die Gebrauchsprodukte gegen die sich in ihrem Besitz befindliche Ware – Arbeit – vorschießen. Der gesamte Prozeß vollzieht sich wie folgt: Die Unternehmer erwerben die Güter der „entfernteren Ordnung“ (Rohstoffe, Maschinen, Nutznießung von Grund und Boden und vor allem die Arbeit) und verwandeln sie durch den Produktionsprozeß in die Güter der ersten Ordnung, d. h. in die zum Konsum fertigen Güter (genußreife Güter). Dabei bleibt den Kapitalisten, nach Abzug der Entlohnung ihrer eigenen Arbeit usw. noch ein gewisser Ueberschuß an Wert übrig, dessen Größe für gewöhnlich der Summe des in das Unternehmen hineingesteckten Kapitals entspricht. Dies ist eben der „ursprüngliche Kapitalzins“ oder der „Profit“. [26] Wie erklärt sich nun die Entstehung des Profits? Auf diese Frage antwortet Böhm-Bawerk: „Ich muß die Erklärung mit der Feststellung einer wichtigen Tatsache einleiten. Die Güter entfernterer Ordnung sind nämlich, obschon sie körperlich gegenwärtig sind, ihrer wirtschaftlichen Natur nach Zukunftsware.“ [27] Hier möchten wir beim Begriff des „gegenwärtigen“ und der „zukünftigen“ Güter, der von Böhm-Bawerk eingeführt wird und eine überaus wichtige Rolle in seinem „System“ spielt, etwas näher verweilen. Die Bedürfnisse, die den Wert der Güter bestimmen, können auf verschiedene Zeitabschnitte verteilt werden; entweder beziehen sie sich auf die Gegenwart und werden dann unmittelbar und besonders scharf empfunden „(aktuell empfundene Gefühle“) oder sie beziehen sich auf die Zukunft (die Vergangenheit wird hier aus selbstverständlichen Erwägungen nicht erörtert). Diejenigen Güter, die gegenwärtige Bedürfnisse befriedigen, nennt Böhm-Bawerk „Gegenwartsgüter“, die anderen Güter, die Bedürfnisse in der Zukunft befriedigen – „Zukunftsgüter“. Wenn ich z. B. gegenwärtig über eine gewisse Geldsumme verfüge, mit deren Hilfe ich folglich meine laufenden Bedürfnisse befriedigen kann, so ist diese Summe nach Böhm-Bawerk zu den „Gegenwartsgütern“ zu zählen; kann ich dagegen eine ebensolche Geldsumme erst nach einer gewissen Zeit erhalten, so kann ich sie nicht zur Befriedigung meiner gegenwärtigen Bedürfnisse benutzen, vielmehr wird sie erst zur Befriedigung der zukünftigen Bedürfnisse dienen; demnach ist diese Geldsumme ein „Zukunftsgut“. Die gegenwärtigen und die zukünftigen Bedürfnisse sind, mögen sie auf noch so verschiedene Zeitabschnitte verteilt sein, miteinander zu vergleichen; deshalb kann auch der Wert der gegenwärtigen und zukünftigen Güter verglichen werden. Wir kommen dabei zu folgendem Gesetz: „Gegenwärtige Güter sind in aller Regel mehr wert als kiinftige Güter gleicher Art und Zahl.“ [28] – „Dieser Satz – sagt ferner Böhm-Bawerk – ist der Kern und Mittelpunkt der Zinstheorie, die ich vorzutragen habe.“ [29] Wenn wir nun dies auf die Beziehungen zwischen den Kapitalisten und den Arbeitern übertragen, so ergibt sich folgender Tatbestand. Unter anderen Produktionsmitteln kaufen die Kapitalisten auch die Arbeit. Die Arbeit aber ist, gleich jedem anderen Produktionsmittel, „ihrer wirtschaftlichen Natur nach“ ein Zukunftsgut; demnach hat sie einen geringeren Wert als die Güter, die durch sie – die Arbeit – hergestellt werden. Angenommen, daß durch X Arbeitseinheiten Y Einheiten Ware a hergestellt werden, deren Wert gegenwärtig gleich A ist; dann wird der Wert von Ya in der Zukunft, die von der Gegenwart um die ganze Zeitdauer des Produktionsprozesses getrennt ist, geringer als A sein; diesem „Zukunftswerte“ des Produkts ist eben der gegenwärtige Wert der Arbeit gleich.
Kauft man deshalb die Arbeit jetzt, wobei ihr Wert in „jetzigen Gulden“ ausgedrückt wrird, so bezahlt man dafür eine geringere Summe von Gulden, als der Unternehmer selbst beim Verkauf des Produkts, d. h. nach dem Abschluß des Produktionsprozesses, erhalten wird.
„Dies und nichts anderes ist der Grund des ‚billigen‘ Einkaufs von Produktionsmitteln und insbesondere von Arbeit, den die Sozialisten mit Recht für die Quelle des Kapitalgewinnes, aber mit Unrecht für die Frucht einer Ausbeutung der Arbeiter durch die Besitzenden erklären. [30] Also: Der Umtausch der gegenwärtigen Güter gegen zukünftige Güter ist es, der zur Entstehung des Profits führt.“ [31]
Uebrigens ergibt sich aus dem Tauschakt selbst noch kein Profit, denn der Unternehmer kaufte die Arbeit nach ihrem vollen gegenwärtigen Wert, d. h., dem Werte des Zukunftsproduktes.
„Seine Zukunftsware reift nämlich während des Fortschreitens der Produktion allmählich zur Gegenwartsware aus und wächst damit in den Vollwert der Gegenwartsware hinein.“ [32]
Eben dieser Wertzuwachs, der sich beim Prozeß der Verwandlung der zukünftigen Güter in gegenwärtige, der Produktionsmittel in Gebrauchsgüter ergibt, ist nun der Profit des Kapitals. Der Hauptgrund für den Profit wurzelt demnach in der verschiedenen Wertschätzung der gegenwärtigen und zukünftigen Güter, was wiederum die Folge der „elementaren Tatsachen der menschlichen Natur und der Produktionstechnik“ ist und nicht etwa der sozialen Beziehungen, die der modernen gesellschaftlichen Struktur eigen sind.
So weit die Böhm-Bawerksche Profittheorie in ihren Grundzügen. Ihr wesentlichster Teil ist die Begründung der Theorie der zukünftigen Werte im Vergleich zu den gegenwärtigen, dieser Teil ist von Böhm-Bawerk eingehend bearbeitet worden und seine Darstellung und Analyse beschäftigt uns weiter unten. Hier vor allem einige einleitende Bemerkungen allgemeiner Art.
Wir sahen bereits, daß zu den Sätzen, die zu den „Grundpfeilern der gesamten Lehre vom Kapitale“ gehören, auch der von der Notwendigkeit des Wartens, des Verbrauchsaufschubs gehört, weil die „kapitalistische Produktionsweise“ die Lieferung des fertigen Produkts auf relativ lange Zeit verschiebt. Das bedingt nach Böhm-Bawerk die wirtschaftliche Abhängigkeit der Arbeiter von den Kapitalisten. In Wirklichkeit aber braucht man weder zu „warten“ noch die Konsumtion zu verschieben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil das gesellschaftliche Produkt, welchen Produktionsabschnitt wir auch nehmen, falls wir es nur mit einem gesellschaftlichen Produktionsprozeß zu tun haben, sich gleichzeitig in allen Stadien seiner Herstellung befindet. Noch Marx setzte auseinander, daß die Arbeitsteilung die „Aufeinanderfolge in der Zeit“ durch die „Aufeinanderfolge im Raum“ ersetzt. Dieser Prozeß wird von Rodbertus folgendermaßen geschildert: „In allen ‚Unternehmungen‘ aller Fächer aller Produktionsstufen wird gleichzeitig und unausgesetzt gearbeitet. Während in den Produktionswirtschaften der Fächer der Rohproduktion neues Rohprodukt der Erde abgerungen wird, wird zu derselben Zeit in den Produktionswirtschaften der Fächer der Halbfabrikation das Rohprodukt des vorausgegangenen Zeitraums zu Halbfabrikat umgearbeitet, wird in den Produktionswirtschaften der Werkzeuge der Ersatz der vernutzten Werkzeuge hergestellt und so fort, werden endlich auf der letzten Produktionsstufe aufs neue Produkte zur unmittelbaren Konsumtion vollendet.“ [33] Ebenso wie der Produktionsprozeß ununterbrochen verläuft, ebenso ununterbrochen verläuft auch der Prozeß des Verbrauches. In der modernen Gesellschaft braucht man nicht wegen der „Umwege“ mit dem „Genuß“ der Güter zu warten, da der Produktionsprozeß weder mit der Gewinnung von Rohstoffen und allerhand „Zwischenprodukten“ beginnt noch mit der Herstellung von Gebrauchsgütern abschließt; vielmehr ist er die Einheit all dieser Prozesse, die nebeneinander verlaufen. Wenn wir die moderne Volkswirtschaft untersuchen, so haben wir es selbstredend mit einem bereits ausgebildeten System gesellschaftlicher Produktion zu tun; dies setzt geteilte gesellschaftliche Arbeit und gleichzeitiges Vorhandensein verschiedener Phasen des Produktionsprozesses voraus.
Der gesamte von Marx erläuterte Prozeß verläuft folgendermaßen: Angenommen, das konstante Kapital (bei einfacher Reproduktion) ist 3c gleich, von denen ein Drittel, d. h. c, sich jährlich in Konsumtionsmittel verwandelt. Bezeichnen wir das innerhalb des Jahres zirkulierende variable Kapital mit v, den jährlich anwachsenden Mehrwert mit m. Das Jahresprodukt wird dann in seinem Wert gleich c+v+m sein, dagegen wird der jährlich produzierte neue Wert nur gleich v+m sein; c wird überhaupt nicht reproduziert, sondern einfach dem Produkt zugerechnet und ist selbst nur das Ergebnis einer früheren Produktion des vergangenen Jahres oder auch vergangener Jahre. Ein Teil des c „reift“ somit jährlich zum „Gebrauchsgut“ aus, doch werden von der Zahl (v+m) der Arbeitsstunden c Stunden jährlich für die Herstellung der Produktionsmittel verbraucht. Und so sehen wir, daß jeder gegebene Produktionszyklus gleichzeitig sowohl die Produktion von Produktionsmitteln als auch von Konsumtionsgegenständen umfaßt, daß man ferner die Konsumtion nicht auf einen späteren Zeitpunkt zu „verschieben“ braucht, daß die Produktion von Produktionsmitteln nicht den Charakter von einleitenden Operationen besitzt, sondern daß die Prozesse der Produktion, Konsumtion und Reproduktion ununterbrochen verlaufen. Die Böhm-Bawerksche Idee von der Notwendigkeit des „Wartens“, die den Enthaltsamkeitsideen [34] verwandt sind, hält somit der Kritik nicht stand.
Es bleibt uns noch übrig, die Bedeutung dieser Idee im Zusammenhang mit der Böhmschen Bewertung der sozialen Natur des Profits zu erläutern. Oben sahen wir, daß Böhm-Bawerk die Ursache der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Arbeiter von den Unternehmern in der Notwendigkeit des Wartens sieht. „Nur weil die Arbeiter – meint er – nicht warten können, bis der von ihnen mit Rohstoffgewinnung und Werkzeugbau begonnene Umweg seine reife Genußfrucht liefert, kommen sie in wirtschaftliche Abhängigkeit von denjenigen, die die genannten Zwischenprodukte schon im fertigen Zustand besitzen, von den ,Kapitalisten‘.“ Doch wie wir bereits wissen, brauchen die Arbeiter keineswegs zu „warten“, sie können vielmehr, ohne auf die „reife Genußfrucht“ zu warten, ihre „Zwischenprodukte“ gleich verkaufen und somit die wirtschaftliche Abhängigkeit vermeiden. Der Kern der Sache besteht gar nicht darin, daß die Arbeiter mit dem Genuß der Güter „warten“ müssen, sondern eben darin, daß sie gegenwärtig überhaupt keine Möglichkeit haben, selbständig zu produzieren. Und dies aus doppeltem Grund: Erstens ist eine „ganz kapitallose Produktion“ in der kapitalistischen Wirtschaft ein technischer Unsinn. Um mit bloßen Händen auch nur einen einfachen Pflug herzustellen, wäre eine Zeitdauer erforderlich, die bei weitem ein Menschenalter überschreiten würde (aus diesem Umstand könnte ein Böhm-Bawerk Nr. 2 etwa schließen, daß der Grund der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Arbeiter und der Entstehung des Profits die kurze Dauer des menschlichen Lebens sei). Zweitens ist sogar „ganz kapitallose Augenblicksproduktion“, wie z. B. das Sammeln von Wurzeln zur Nahrung oder ähnliches, ebenfalls unmöglich, da der Grund und Boden in der kapitalistischen Gesellschaft nicht etwa res nullius ist, sondern sehr fest durch Bande des Privateigentums gebunden ist. Und so ist nicht etwa das „Warten“, sondern vielmehr die Monopolisierung der Produktionsmittel (darunter auch des Grund und Bodens) durch die Klasse der kapitalistischen Eigentümer die Grundlage der "wirtschaftlichen Abhängigkeit“ und des Profitphänomens. Die Theorie des „Wartens“ verhüllt aber den geschichtlichen Charakter der modernen Beziehungen, die Klassenstruktur der modernen Gesellschaft und den sozialen Klassencharakter des Profits.
Wenden wir uns nun einem anderen Punkt der Theorie zu. „Der Kern und Mittelpunkt der Zinstheorie“ ist, wie Böhm angibt, die geringere Wertschätzung der zukünftigen Güter im Vergleich mit den gegenwärtigen. Der berühmte Wilde Roschers gibt für die ihm geborgten 90 Fische nach einem Monat 180 zurück, wobei er noch einen beträchtlichen Ueberschuß von 720 Fischen übrig hat. [35] Und er schätzt die „gegenwärtigen“ 90 Fische höher als die „zukünftigen“ 180. Dasselbe geschieht annähernd auch in der modernen Gesellschaft. Nur ist die Wertdifferenz – meint Böhm-Bawerk – nicht so groß. Doch wodurch wird diese überhaupt bestimmt? Hierauf finden wir bei ihm folgende Antwort: „Sie (die Wertdifferenzen. N. B.) sind am größten für Leute, die von der Hand in den Mund leben ... Geringfügiger ... ist die Differenz ... bei Leuten, die schon einen gewissen Gütervorrat besitzen.“ [36] Da es aber „eine außerordentlich lange Reihe von Lohnarbeitern gibt, da infolge ihres „zahlenmäßigen Uebergewichts“ der Preis so gebildet wird, daß ein gewisses Agio als Ergebnis der subjektiven Wertschätzungen bleibt, der den Profit ausmacht [37], wird folgender Umstand klar: Wenn wir auch annehmen, daß die höhere Wertschätzung der gegenwärtigen Güter im Vergleich zu den zukünftigen eine der indirekten Ursachen für die Entstehung des Profits ist, so bleibt doch immerhin die Verschiedenheit der wirtschaftlichen Lage der verschiedenen Klassen der Kernpunkt dieser „Tatsache“. „Der Unterschied in der Wertschätzung setzt auch hier unvermeidlich den ‚sozialen‘ Unterschied voraus.“ [38] Dennoch bemüht sich Böhm-Bawerk, die Idee der sozialen Grundlagen des Profits auf jede mögliche Weise fernzuhalten. „Natürlich – sagt er – kann es vorkommen, daß außer den im Texte entwickelten Gründen eines scheinbar billigen Einkaufs (der Arbeit. N. B.) im einzelnen Falle auch noch andere Gründe eines wirklich anormalen billigen Einkaufs wirksam werden: z. B.: geschickte Ausnützung einer günstigen Konjunktur, wucherische Bedrückung des Verkäufers, insbesondere des Arbeiters.“ [39] Doch seien diese Fälle, meint er, als anormal zu betrachten; der sich dadurch ergebende Profit sei ein „Extragewinn“, den man nicht mit der zu untersuchenden Kategorie verwechseln dürfe: er fuße auf einer anderen Basis und habe eine andere sozialpolitische Bedeutung. Indessen sieht man bei genauer Betrachtung, daß es sich hier um keine prinzipiellen Unterschiede handelt: Sowohl in dem einen als auch im anderen Falle entsteht der „Profit“ oder der „Zins“ infolge des Tausches der gegenwärtigen Güter gegen die zukünftigen, aus dem Kauf der Arbeit; hier und da spielt die Ueberschätzung der gegenwärtigen Güter im Vergleich zu den zukünftigen eine Rolle; hier und da ist diese Ueberschätzung durch die soziale Lage der Käufer und Verkäufer bedingt, „die geschickte Ausnutzung einer günstigen Konjunktur“ kann in diesem Falle ebensowenig wie die „wucherische Bedrückung des Verkäufers“ ein neues Moment bilden. Denn die Kapitalisten sind ja immer bestrebt, die Konjunktur auszunutzen, und diese gestaltet sich für sie immer „günstig“, für die Arbeiter aber „ungünstig“. Andererseits bleibt es ja ganz unbestimmt, was als „wucherische“ und was als „nichtwucherische“ Bedrückung gilt: Irgendwelche Gründe wirtschaftlicher Art vermissen wir dafür ganz und gar; warum man in dem einen Falle den Arbeitskauf als „scheinbar“, im anderen als „wirklich“ billig annehmen soll, bleibt völlig unklar. Im Falle der „wucherischen Bedrückung“ vollzieht sich der Tatbestand nach der Böhmschen Theorie genau so, wie in dem „normalen“ Prozeß der Profitbildung; der Unterschied ist nur der, daß im ersten Falle der Arbeiter die gegenwärtigen Güter im Vergleich zu den künftigen beispielsweise um 15 Prozent überschätzt, im zweiten Falle aber nur um 10 oder 5 Prozent; ein anderer, prinzipieller Unterschied ist bei Böhm nicht zu finden. Wenn er behauptet, daß die „soziale Kategorie“ in seinen „Normalfällen“ keine Bolle spiele, so zeigt er nur seine eigene Inkonsequenz, wenn er bei der Erklärung der „anormalen Abweichungen“ die Annahme fallen läßt. Dabei läßt er sich aber von einem sicheren Instinkt leiten: Denn das Negieren der sozialen Bedrückung, sogar in „anormalen Fällen“, würde offenbar die ganze Theorie ad absurdum führen.
Wir haben die allgemeinen Thesen der Böhmschen Profittheorie analysiert, in dem Maße, als Böhm jede Berührung mit der sozialen Seite der zu deutenden Wirklichkeit zu vermeiden sucht. Damit wollten wir nur den theoretischen Hintergrund beleuchten, auf dem Böhm-Bawerk seine Zeichnungen entwirft. Dabei ergibt sich, daß die grundlegenden Voraussetzungen seiner Theorie entweder im direkten Widerspruch zur Wirklichkeit stehen (das „Warten“) oder daß das soziale Moment mühsam verhüllt und eingeschmuggelt wird (die Wertschätzung der zukünftigen Güter in Abhängigkeit von der Wirtschaftslage des Schätzenden). Dadurch besitzt – wie Charasoff sagt, „... die Arbeit stets weniger Wert ... als der gegenwärtige Lohn. Hiermit wird die Tatsache der Mehrarbeit keineswegs geleugnet, es wird ihr nur eine logisch unhaltbare Erklärung, oder vielmehr der Schein einer Rechtfertigung gegeben.“ [40] Auch Parvus [41] spottet geistreich hierüber: „Gegenwartswert und Zukunftswert, was ließe sich damit nicht beweisen?! Wenn jemand unter Drohung von Gewalttätigkeiten einem anderen sein Geld wegnimmt, was ist das? Raub? Nein, sollte Böhm-Bawerk sagen, es ist nur rechtmäßiger Tausch: Der Räuber zieht den Gegenwartswert des Geldes dem Zukunftswert der Seligkeit vor, der Beraubte zieht den Zukunftsnutzen des erhaltenen Lebens der Gegenwartsbedeutung seines Geldes vor!“
Doch ach! Auch mit Hilfe der schlau gekünstelten Erwägungen über den gegenwärtigen und zukünftigen Wert ist es Böhm-Bawerk nicht gelungen, das Problem zu klären. Wenn schon in den grundlegenden Gedanken seines Aufbaues sich Elemente zeigen, die in einer wissenschaftlichen Theorie des Profits und der Verteilung ganz unzulässig sind, so müssen sich dieselben Mängel notgedrungen bei den von ihm auf genommenen und hier analysierten Fragen wiederholen; in der einen oder anderen Form müssen sie auftauchen.
Wir wenden uns daher der Kritik der (sozusagen) inneren Seite der Böhmschen Theorie, vor allem der Kritik seiner Beweise des Uebergewichts des Wertes der gegenwärtigen Güter zu.
1. Siehe David Ricardo: Principles of political economy and taxation, Vorwort.
2. Struve macht aus der Schwierigkeit der Aufgabe ihre Unerfüllbarkeit. Siehe seine Artikel: Zur Kritik der Grundbegriffe ... der politischen Oekonomie in der Ztschr. Schisn (russ.), siehe auch N. Schaposchnikow, 1. c., Vorwort. Eine ähnliche wissenschaftliche Skepsis hinsichtlich der Verteilungstheorie begegnet man bereits bei Bernstein. (Die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums war zu allen Zeiten eine Frage der Macht und Organisation.“ Wirklich nur? Oder: „Das Lohnproblem ist ein soziologisches Problem, das sich niemals rein ökonomisch wird erklären lassen.“ E. Bernstein: Theorie und Geschichte des Sozialismus, 4. Aufl., S. 75, 76, zit. bei Lewin, 1. c., S. 92.
3. Schaposchnikow 1. c., S. 80.
4. Karl Marx: Kapital, Bd. III, 2. Teil, S. 350.
5. C. Rodbertus: Das Kapital, S. 230.
6. Karl Marx: Kapital, Bd. III, 2. Teil, S. 350.
7. Ueber seine Theorie sagt Böhm-Bawerk: „Während ich in den übrigen Teilen dieses Werkes (d. h. des Kapitals. N. B.) wenigstens im großen und ganzen den Spuren der bisherigen Theorie zu folgen in der Lage war, habe ich für die Erscheinung des Kapitalzinses eine Erklärung vorzutragen, die sich in vollständig neuen Bahnen bewegt.“ Positive Theorie, 1. Halbband, S. XVIII.
8. Schaposchnikow, 1. c., S. 81. Schaposchnikow stellt die Frage richtig, doch gerät er sofort auf eklektische Abwege. „Obgleich wir – schreibt er – ihren (d. h. der besagten Oekonomen. N. B.) grundlegenden Standpunkt nicht teilen, erkennen wir dennoch (!) an, daß sie in ihren Prinzipien der Enthaltung, Zurechnung und Grenzproduktivität solche Argumente brachten, mit denen ernst zu rechnen ist.“ Schaposchnikow entgeht es, daß diese „Prinzipien“ mit dem unhistorischen Standpunkt untrennbar verbunden sind. Darin aber liegt das Wesen der Sache.
9. Böhm-Bawerk: Positive Theorie, S. 15.
10. Ib., S. 21.
11. Ib., S. 54. Das Kapital heißt bei Böhm-Bawerk auch „Erwerbskapital“ oder „Privatkapital“; das Sozialkapital dagegen kann man auch gut und bündig „Produktivkapital“ nennen (Ib., S. 55). Und so ergibt sich, daß der Begriff des Sozialkapitals enger als der des Individualkapitals ist. (Erwerbskapital = Privatkapital); dazu kommt hinzu, daß der Begriff „Gütererwerb“ in den beiden Fällen etwas verschiedenes bedeutet. Darüber siehe Stolzmann: Der Zweck usw., S. 335. Wir heben diese Konfusion hervor, wenn dies auch ohne wesentliche Bedeutung für den Text ist.
12. Siehe z. B. Positive Theorie, S. 587, Anmerkung, wo Böhm-Bawerk Stolzmann vorhält, daß er das Wesen von der Erscheinungsform und den „Profit als solchen“ vom jetzigen Profit nicht unterscheidet.
13. Positive Theorie, S. 82. Eine ähnliche Fragestellung begegnet uns auch bei den Amerikanern. Vgl. I. B. Clark: The Distribution of Wealth, Neuyork 1908. Carver, 1. c. Sie sind eben zu einer anderen Lösung der Profitfrage gekommen.
14. Ib., S. 87.
15. Ib., S. 583.
16. Ib., S. 584.
17. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei erklärt: Wenn hier die Rede vom „Wert“ in der sozialistischen Gesellschaft ist, so ist doch darunter eine besondere Kategorie zu verstehen, die sich von dem Wertbegriff in der Warenwirtschaft unterscheidet. Hier wie da bildet die Arbeit den bestimmenden Faktor. Doch während in der sozialistischen Gesellschaft die Arbeitsbewertung einen bewußten gesellschaftlichen Prozeß bildet, stellt sie in der jetzigen Gesellschaft ein elementares Grundgesetz der Preise dar, in der das eigentliche Element der (Arbeits)Bewertung fehlt.
18. Ganz davon zu schweigen, daß die sozialistische Gesellschaft die Beseitigung der engen Spezialisierung voraussetzt.
19. Ib., S. 583.
20. Es ist interessant, daß sogar Oekonomen, die zwischen „rein ökonomischen“ und „historisch-rechtlichen“ Kapitalbegriff unterscheiden, nur das Privatkapital sehen und die Tatsache der Klassenmonopolisierung außer acht lassen. Bis zu einem gewissen Grade gilt es auch für Rodbertus. Adolf Wagner gibt folgende Definition des Kapitals:
„Kapital, als rein ökonomische Kategorie, unabhängig betrachtet von den geltenden Rechtsverhältnissen für den Kapitalbesitz, ist ein Vorrat solcher wirtschaftlicher Güter, welche als technische Mittel für Herstellung neuer Güter in einer Wirtschaft dienen können: es ist Produktionsmittel-Vorrat oder ‚National-Kapital‘, bzw. Partikel davon. Kapital im historisch-rechtlichen Sinne oder Kapitalbesitz ist derjenige Teil des Vermögensbesitzes einer Person (Sperrdruck vom Verfasser), welcher derselben als Erwerbsmittel zur Erlangung eines Einkommens aus ihm (Rente, Zins) dienen kann, also zu diesem Zwecke von ihr besessen wird, ein ‚Rentenfonds‘, ‚Privatkapital‘.“ (Ad. Wagner: Grundlegung, II. Aufl., S. 39, zitiert nach Böhm, S. 124, 125)
Ueberhaupt fällt bei Böhm-Bawerk sein Leichtsinn gegenüber der historischen Seite der Frage auf: Seite 125 macht er z. B. die Bemerkung, daß freilich alles historischen Charakter habe: Die Maschinen entstanden nicht vor dem 18. Jahrhundert, die Bücher erschienen erst nach der Erfindung der Buchdruckerkunst usw. Es kommt ihm gar nicht in den Sinn, daß es sich um ganz verschiedene Typen der ökonomischen Struktur handelt. In dem Marxschen Standpunkt sieht Böhm nur dies, daß bei Marx das Kapital „Ausbeutungsmittel“ ist, weiter nichts. (Siehe S. 90)
21. Böhm-Bawerk: Positive Theorie, S. 507.
22. H. Dietzel: Theoretische Sozialökonomik“, S. 211.
23. Böhm-Bawerk: Positive Theorie, S. 149. (Sperrdruck vom Verfasser.)
24. Ib., S. 149.
25. „Nur weil die Arbeiter nicht warten können, bis der von ihnen mit Rohstoffgewinnung und Werkzeugbau begonnene Umweg seine reife Genußfrucht liefert, kommen sie in wirtschaftliche Abhängigkeit von denjenigen, die die genannten Zwischenprodukte schon im fertigen Zustand besitzen, von den ‚Kapitalisten‘.“ (Ib., S. 150)
26. Vgl. Positive Theorie, S. 502.
27. Ib., S. 503.
28. Ib., S. 426.
29. Ib., S. 426.
30. Ib., S. 504.
31. Das veranlaßte Macfarland, die Böhmsche Profittheorie als Tauschtheorie zu bezeichnen („Exchange Theory“). Böhm-Bawerk selbst hält es für richtiger, sie als „Agio-Theorie“ zu bezeichnen. Siehe Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins.
32. Böhm-Bawerk: Positive Theorie, S. 505.
33. Carl Rodbertus: Das Kapital, S. 257, Berlin 1884.
34. Ein amerikanischer Vertreter dieser Theorie, Macvane, meinte sogar, man könne das Wort „Enthaltsamkeit“ durch „Warten“ (waiting) ersetzen. Siehe Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, Anhang. Er selbst sucht seine Theorie von der Abstinenztheorie sorgfältig abzugrenzen.
35. Bei dem Vorrat von 90 Fischen kann er Netze machen und somit die Produktivität seines Fischfanges steigern. Uebrigens nennt Böhm-Bawerk, ganz wie es sich für einen Rentier ziemt, die Profitkategorie „Zins“.
36. Böhm-Bawerk: Positive Theorie, S. 471 u. 472.
37. Siehe S. 539 ff. der Positiven Theorie. Darüber ausführlich weiter unten.
38. R. Stolzmann: Der Zweck, S. 288. „... Denn was ist die ‚Detaxation‘, das ‚Agio‘ des Kapitalgewinnes anderes als die Ausnutzung eines Vorteils, der dem Kapitalisten vermöge des ‚glücklichen Besitzes‘, d. i. vermöge des durch die Eigentumsordnung gewährleisteten Besitz- und Verteilungsstatus zufällt, und worauf dann nach Böhms eigenen Worten die Bezeichnung ‚Mehrwert‘ sogar ,in vollerem Maße zutrifft, als die Sozialisten bei ihrer Namengebung es wohl ahnten‘.“
39. Böhm-Bawerk: Positive Theorie, S. 505, Anm.
40. G. Charasoff: Das System des Marxismus, S. XXII.
41. J. H. (Parvus): Oekonomische Taschenspielerei: Eine Böhm-Bawerkiade, Neue Zeit, 10. Jahrg., Bd. I, S. 556.
Zuletzt aktualisiert am 12. Juni 2020