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Vorbemerkung des Herausgebers: Die Krisentheorie ist für das Ganze der Marx’schen Lehre so wichtig, dass sie hier nicht übergangen werden durfte. Leider jedoch erwies sich jeder Versuch, sie in derselben Weise, wie die anderen Teile des WerKs, durch Verkürzung und gelegentliche Änderung der Ausdrucksweise leicht verständlich zu machen, als vergeblich. Sie nimmt im Kapital mehrere hundert Seiten ein. [1] Was Marx dort gibt, ist eine bis ins einzelne gehende genaue Berechnung, in welchen Verhältnissen Kapital und Arbeit in den verschiedenen Zweigen der Produktion verteilt sein müssten, wenn das Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsum ungestört bleiben soll; sowie der Nachweis, dass die kapitalistische Wirtschaft bei jeder Steigerung der Produktion – die ihr durch das Akkumulationsbedürfnis des Kapitals unaufhörlich aufgezwungen wird – jene Gleichgewichtsverhältnisse in Unordnung bringt und dadurch Krisen verursacht. Der Nachweis also, dass die Krisen nicht etwa durch falsche Maßnahmen der Kapitalisten entstehen, sondern vielmehr eine unvermeidliche Folge der regelrechten Geschäftstätigkeit des Kapitals sind. Wollten wir diese Berechnungen hier wiederholen, so würden sich eben auch endlos lange trockene Zahlenexempel ergeben, aus denen nur derjenige klug wird, der mit äußerster Energie alle die unzähligen Einzelheiten im Kopfe behält, und die deshalb wahrscheinlich niemand lesen würde. Das aber würde dem Zweck dieses Buches durchaus widersprechen.
Wir haben uns deshalb anders entschlossen. Wir geben an dieser Stelle nur einen kleinen Teil der Berechnungen von Marx wieder, gewissermaßen nur eine Probe, um zu zeigen, in welcher Art Marx die Sache bearbeitet hatDafür fügen wir im Anhang einen vom Herausgeber verfassten Aufsatz bei, welcher dem Leser das, worauf es in diesem Kapitel ankommt, zeigen und verständlich machen soll.
Bemerkt sei noch, dass Rudolf Hilferding in seinem FinanzkapitaI [2] (Kapitel 16–20, insbesondere S. 304–318) eine gute Zusammenfassung der hier in Betracht kommenden Ausführungen von Marx gegeben hat. Desgleichen ist in Franz Mehring’s Karl Marx [3] der von Rosa Luxemburg verfasste dritte Abschnitt des zwölften Kapitels (S. 378 bis 387) mit Nutzen zu dem Thema zu lesen.
Betrachten wir das Warenprodukt, welches die Gesellschaft während des Jahres liefert, so umschließt es sowohl diejenigen Teile, welche Kapital ersetzen, als auch die Teile, welche dem Konsum anheimfallen und durch Arbeiter und Kapitalisten verzehrt werden. Wie wird nun das in der Produktion verzehrte Kapital seinem Wert nach aus dem jährlichen Produkt ersetzt, und wie verschlingt sich dies mit dem Konsum des Mehrwerts durch die Kapitalisten, und des Arbeitslohns durch die Arbeiter?
Wir untersuchen die Frage zunächst unter der Voraussetzung der Reproduktion auf einfacher Stufenleiter, d. h. unter der Voraussetzung, dass die Produktion nur im gleichen Umfang wie früher, ohne Erweiterung vor sich geht. Ferner wird unterstellt, dass die Produkte ihrem Wert nach sich austauschen und dass die Bestandteile des produktiven Kapitals auch ihren Wert nicht ändern. Soweit die Preise von den Werten abweichen, kann dies auf die Bewegung des Gesamtkapitals der Gesellschaft keinen Einfluss ausüben. Es tauschen sich nach wie vor im ganzen dieselben Massen Produkte aus, nur dass die Werte, mit denen die einzelnen Kapitalisten daran beteiligt sind, nicht mehr im Verhältnis stehen zu dem Kapitalvorschüssen jedes einzelnen und zu dem von ihm produzierten Mehrwert. Was aber Wertänderungen angeht, so ändern sie, soweit sie allgemein und gleichmäßig sind, nichts an den Verhältnissen zwischen den Wertbestandteilen des jährlichen Gesamtprodukts. Soweit sie dagegen partiell und nicht gleichmäßig verteilt sind, können sie nur verstanden werden, indem man sie als Abweichungen von gleichbleibenden Wertverhältnissen betrachtet. Sodann aber: wenn es gelingt, die Regel aufzufinden, wonach ein Wertteil des jährlichen Produkts konstantes, ein anderer variables Kapital ersetzt, so würde eine Änderung im Werte des konstanten oder variablen Kapitals an dieser Regel nichts ändern, sondern nur an der Größe der Wertteile, welche in die eine oder in die andere Funktion übergehen.
Die Bewegung, mit der wir es jetzt zu tun haben, nämlich (die Rückverwandlung eines Teils des Produktenwerts in Kapital, indes der andere Teil in den Konsum der Kapitalisten- wie der Arbeiterklasse eingeht, ist nicht nur Wertersatz, sondern Stoffersatz, und ist daher ebenso sehr bedingt durch das gegenseitige Verhältnis der Wertbestandteile des gesellschaftlichen Produkts, wie durch ihre stoffliche Gestalt.
Es sei noch eigens darauf hingewiesen, dass einfache Reproduktion auf gleichbleibender Stufenleiter in der kapitalistischen Wirklichkeit nicht vorkommt. Einerseits ist das Fehlen aller Akkumulation auf kapitalistischer Basis eine befremdliche Annahme, andererseits bleiben die Verhältnisse, worin produziert wird, in verschiedenen Jahren nicht absolut gleich. Indes, soweit Akkumulation stattfindet, bildet die einfache Reproduktion stets einen Teil derselben, kann also für sich betrachtet werden.
Das Gesamtprodukt, also auch die Gesamtproduktion, der Gesellschaft zerfällt in zwei große Abteilungen:
In jeder dieser beiden Abteilungen zerfällt das Kapital in zwei Bestandteile:
Der Wert des in jeder der beiden Abteilungen erzeugten Jahresprodukts zerfällt in einen Wertteil, der das aufgezehrte und seinem Wert nach auf das Produkt übertragene konstante Kapital c darstellt, und in den durch die Jahresarbeit zugesetzten Wertteil. Dieser letztere zerfällt wieder in den Ersatz des vorgeschossenen variablen Kapitals v, und in den Überschuss, den Mehrwert m. Wie der Wert jeder einzelnen Ware, so zerfällt also auch der des gesamten Jahresprodukts jeder Abteilung in c + v + m.
Der Wertteil c, der das in der Produktion verzehrte konstante Kapital darstellt, deckt sich nicht mit dem Wert des in der Produktion angewandten konstanten Kapitals. Die Produktionsstoffe sind zwar ganz verzehrt und ihr Wert ist daher ganz auf das Produkt übertragen. Aber nur ein Teil des angewandten fixen Kapitals ist ganz verzehrt, sein Wert daher auf das Produkt übergegangen. Ein anderer Teil des fixen Kapitals, Maschinen, Gebäude usw. existiert und fungiert fort, nach wie vor, wenn auch mit durch den Jahresverschleiß vermindertem Wert. Dieser fortfungierende Teil des fixen Kapitals scheidet für uns aus, wenn wir den Wert des Produkts betrachten. Aber auch von dem Wertteil, welchen das fixe Kapital durch Verschleiß während des Jahres auf das Produkt überträgt, müssen wir vorläufig absehen, soweit dieses fixe Kapital nicht während des Jahres auch wieder in natura ersetzt worden ist. Wir werden dann später diesen Punkt getrennt erörtern.
Für unsere Untersuchung der einfachen Reproduktion wollen wir folgendes Schema zu Grunde legen, worin c – konstantes Kapital, v = variables Kapital, m = Mehrwert ist und das Verwertungsverhältnis m/v zu 100 Prozent angenommen wird. (D. h. dass der Mehrwert genau so groß ist wie der Arbeitslohn.) Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.
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Demnach beträgt das jährliche Gesamt-Warenprodukt:
Gesamtwert = 9000, |
wovon das in seiner Naturalform fortexistierende fixe Kapital ausgeschlossen ist.
Untersuchen wir nun, welche Umsätze hierbei notwendig werden – auf der Grundlage einfacher Reproduktion, wo also der ganze Mehrwert aufgezehrt wird – und lassen wir dabei die sie vermittelnde Geldzirkulation zunächst unbeachtet, so ergeben sich von vornherein drei große Anhaltspunkte.
Dies einstweilen nur zum besseren Verständnis des Nachfolgenden.
Beginnen wir nun mit dem großen Austausch zwischen den beiden Abteilungen.
(1000 v + 1000 m) I – Pm in den Händen der Produzenten von Abteilung I – tauschen sich aus gegen 2000 c II, gegen Werte in der Naturalform von Ks. Die Kapitalisten von Abteilung II sehen dadurch ihr konstantes Kapital aus der Form von Ks wieder in die Form von Pm um, und zwar von solchen Pm, womit wieder neue Ks produziert werden können. Andererseits erhalten auf diesem Wege die Arbeiter und Kapitalisten von Abteilung I gegen ihren Arbeitslohn und Mehrwert die Ks, deren sie benötigen.
Dieser wechselseitige Umsatz wird aber vermittelt durch eine Geldzirkulation, die sein Verständnis erschwert, die aber entscheidend wichtig ist, weil der Arbeitslohn (der variable Kapitalanteil) immer von neuem in Geldform auftreten muß. In allem Geschäftszweigen, einerlei ob sie der Abteilung I oder II angehören, muß der Arbeitslohn in Geldform ausgezahlt werden. Um dieses Geld zu erlangen, muß der Kapitalist die Ware kerkaufen.
In Abteilung I hat der Gesamtkapitalist also 1.000 £, bloß um zu bezeichnen, daß es Wert in Geldform ist) = 1000 v an die Arbeiter gezahlt für denjenigen Wertteil des Produkts, der bereits als v-Teil existiert. Die Arbeiter kaufen mit diesen 1.000 £ Ks von den Kapitalisten II I und verwandeln so deren konstantes Kapital zur Hälfte in Geld; die Kapitalisten II ihrerseits kaufen mit diesen 1.000 £ Pm von den Kapitalisten I; damit ist für diese letzteren der variable Kapitalwert wieder in Geld verwandelt, und sie können dafür von neuem Arbeitskraft kaufen. Dieses Geld haben also die Kapitalisten I ursprünglich selbst vorgeschossen.
Weiteres Geld ist nötig, um jene Pm, welche den Mehrwert der Kapitalisten I repräsentieren, umzusetzen gegen die zweite Hälfte des konstanten Kapitals von Abteilung II. Diese Summen können auf verschiedene Weise vorgeschossen werden, müssen aber unter allen Umständen von den Kapitalisten herrühren, da wir mit der von den Arbeitern in Zirkulation geworfenen Geldmasse bereits abgerechnet haben. Es kann bald ein Kapitalist der Abteilung II aus seinem neben dem produktiven Kapital vorhandenen Geldkapital sich Pm kaufen, bald umgekehrt ein Kapitalist der Abteilung I aus einem für persönliche Ausgabe (nicht Kapitalausgabe) bestimmten Geldvorrat HZ kaufen. Gewisse Geldvorräte – sei es für Kapitalvorschuss, sei es für persönlichen Bedarf – müssen unter allen Umständen neben dem produktiven Kapital in den Händen der Kapitalisten als vorhanden vorausgesetzt werden. Unterstellen wir – die Proportion ist dabei ganz gleichgültig für unsern Zweck – die Hälfte des Geldes werde von den Kapitalisten II im Ankauf von Pro vorgeschossen, die andere Hälfte von den Kapitalisten I für Ks verausgabt. Dann hat mit 500 £ (einschließlich der von den Arbeitern herrührenden 1000 £) Abteilung 75 % ihres konstanten Kapitals in natura ersetzt. Abteilung I aber gibt die so erhaltenen 500 £ an Abteilung II für Ks zurück und Abteilung II empfängt auf diesem Wege die 500 £ zurück als Geldkapital, das sie neben ihrem produktiven Kapital besitzt. Außerdem gibt die Abteilung I nochmal 500 £ her zum Ankauf von Ks. Mit denselben 500 £ kauft II Pm und hat damit sein ganzes konstantes Kapital (1000 + 500 + 500 = 2000) in natura ersetzt, während I seinen ganzen Mehrwert in Ks umgesetzt hat. Im Ganzen hätte ein Umsatz von Waren zum Belauf von 4.000 £ stattgefunden mit einer Geldzirkulation von 2.000 £. Dieser Geldbetrag kommt nur heraus, weil angenommen wird, dass das gesamte Jahresprodukt auf einmal in wenigen großen Posten umgesetzt wird. Das Wichtige hierbei ist nur der Umstand, dass II sein konstantes Kapital, das es zunächst in Form von Ks in Händen hatte, wieder in die Form von Pm umsetzt und außerdem die 500 £, die es im Ankauf von Pm vorschießt, wieder zurückbekommt; und dass ebenso I sein variables Kapital, das nach der Produktion die Form von Pm angenommen hatte, wieder in Geldform besitzt, womit es von neuem Arbeitskraft kaufen kann, und außerdem ebenfalls die 500 £ zurückbekommt, die es vor dem Verkauf des Mehrwertteils seines Kapitals vorweg im Ankauf von Ks verausgabt. Sie strömen ihm aber zurück, nicht durch diese Verausgabung, sondern durch den nachfolgenden Verkauf eines, seinen halben Mehrwert tragenden Teils seines Warenprodukts.
Daraus folgt allgemein: von dem Geld, das die produzierenden Kapitalisten in Zirkulation werfen zur Vermittlung ihrer eigenen Warenumsätze, kehrt soviel in die Hände eines jeden Kapitalisten zurück, wie er für die Geldzirkulation vorgeschossen hat.
Es bleibt nun noch das variable Kapital (der Arbeitslohn) der Abteilung I. Es existiert nach Beendigung der Produktion zunächst in der Warenform, worin es die Arbeiter geliefert haben, d. h. in Pm. Den Arbeitslohn haben die Arbeiter von den Kapitalisten der Abteilung I empfangen. Die Arbeiter jedoch kaufen keine Pm, dieses Geld kehrt nicht direkt an die Kapitalisten 1 zurück, sondern geht zuerst an die Kapitalisten II, von denen die Arbeiter ihre Ks kaufen. Und erst indem die Kapitalisten II das Geld zum Ankauf von Pm verwenden, erst auf diesem Umwege kehrt es in die Hände der Kapitalisten I zurück.
Bei einfacher Reproduktion muss demnach derjenige Teil des Jahresprodukts der Abteilung I, welcher die Wertsumme v + m der Abteilung I repräsentiert, gleich sein dem konstanten Kapital der Abteilung II, oder demjenigen Teil des Gesamtprodukts der Abteilung II, welcher deren konstantes Kapital repräsentiert. I (v + m) = II c.
Vom Wert des Produkts der Abteilung II sind nun noch zu untersuchen die Bestandteile v + m. Mit dem von den Kapitalisten II erhaltenen Arbeitslohn kaufen die Arbeiter II offenbar einen Teil ihres eigenen Produkts wieder. Dadurch verwandelt die Kapitalistenklasse II ihr in Arbeitslohn vorgeschossenes Geldkapital zurück in Geldform; es ist ganz dasselbe, als hätten sie die Arbeiter in bloßen Wertmarken gezahlt.
Die Abteilung II der Warenproduktion besteht aus den mannigfaltigsten Industriezweigen, die aber in zwei große Unterabteilungen zerfällt werden können:
Bei den notwendigen Ks ist klar, dass der in ihrer Produktion vorgeschossene Arbeitslohn in Geldform direkt zurückfließen muss an den Teil der Kapitalisten II, welcherdiese notwendigen Lebensmittel produziert (also an die Kapitalisten II a). Hier wird das Zirkulationsmittel direkt geliefert durch das von den Arbeitern ausgegebene Geld. Anders mit der Unterabteilung II b. Hier handelt es sich um Luxusartikel, welche von den Arbeitern nicht gekauft werden. Soll der darin ausgelegte Arbeitslohn wieder in Geldform zu den Kapitalisten zurückkehren, so kann das nicht direkt geschehen, sondern es ist eine Vermittlung nötig, und es ergibt sich bei genauer Durchrechnung ein Schema ganz ähnlich wie bei dem Umsatz des Mehrwerts der Abteilung I (Pm) gegen Ks, das auch eine ähnliche Verhältnismässigkeit zwischen der Produktion von notwendigen Lebensmitteln und der von Luxusartikeln als erforderlich nachweist.
Als notwendiges Resultat, bei Voraussetzung einfacher Reproduktion ergibt sich:
1. Insbesondere 23b. II Kapitel 18–21, Bd. II Kapitel 7–10 und 13–17, Bd. III 1. Kapitel 15, Bd. III 2. Kapitel 30, wozu noch in allen drei Bänden verstreute Bemerkungen kommen.
2. Wien, 1910, Ignaz Brand & Co.
3. Leipzig 1918, Leipziger Buchdruckerei A. G. Bd. II Kapitel 20.
4. Anmerkung des Herausgebers: Hier brechen wir – im Sinne der Vormerkung zu diesem Kapitel – die Darstellung dieses Gegenstandes ab und verweisen aus den Aufsatz im Anhang: Das Wese» der Marx’schen Krisenthorie.
Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024