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(Bd. III, 1. Kapitel 13, 25, 27. Bd. III, 2. Kapitel 29)
Der Kapitalist hat beständig an viele Personen Geld auszuzahlen und beständig von vielen Personen Geld in Zahlung zu empfangen. Diese bloß technische Operation des Geld-Zahlens und Geld-Einkassierens bildet Arbeit für sich, die keinen Wert schafft, sondern zu den Kosten der Zirkulation gehört. Ferner muss ein bestimmter Teil des Kapitals beständig als Schatz vorhanden sein: Reserve von Kaufmitteln, Reserve von Zahlungsmitteln, unbeschäftigtes, in Geldform seiner Anwendung harrendes Kapital; und ein Teil des Kapitals strömt beständig in dieser Form zurück. Dies macht, außer Einkassieren, Zahlen und Buchhalten, Aufbewahrung des Schatzes nötig, was wieder eine besondere Arbeit ist.
Diese rein technischen Bewegungen, die das Geld durchmachen muss, und die dadurch verursachten Arbeiten und Kosten werden dadurch abgekürzt, dass sie von einer besonderen Abteilung Agenten oder Kapitalisten für die ganze übrige Kapitalistenklasse ausgeführt werden. Sie werden durch Arbeitsteilung besonderes Geschäft einer Abteilung von Kapitalisten und dadurch (ganz wie beim Kaufmannskapital) konzentriert, auf großer Stufenleiter ausgeübt; und nun findet wieder Teilung der Arbeit innerhalb dieses besonderen Geschäfts statt, sowohl durch Spaltung in verschiedene, voneinander unabhängige Zweige, wie durch Ausbildung der Werkstatt innerhalb dieser Zweige: Auszahlung des Geldes, Einkassierung, Ausgleichung der Bilanzen, Führung laufender Rechnungen, Aufbewahren des Geldes usw.
Ich habe früher darauf hingewiesen, wie das Geldwesen überhaupt sich ursprünglich entwickelt im Produktenaustausch zwischen verschiedenen Gemeinwesen. Es entwickelt sich der Geldhandel, der Handel mit der Geldware, daher zunächst aus dem internationalen Verkehr. Sobald verschiedene Landesmünzen existieren, haben die Kaufleute, die in fremden Ländern einkaufen, ihre Landesmünze in die Lokalmünze umzusehen und umgekehrt, oder auch verschiedene Münzen gegen ungemünztes reines Silber oder Gold als Weltgeld. Daher das Wechselgeschäft, das als eine der naturwüchsigen Grundlagen des modernen Geldhandels zu betrachten ist. [1] Es entwickelten sich daraus Wechselbanken, wo Silber (oder Gold) als Weltgeld – jetzt als Bankgeld oder Handelsgeld – im Unterschied zur Kurantmünze fungieren.
Dieses Wechselgeschäft, dieser Handel mit Geld, bildet eine der Entstehungsursachen des Kredits. Die eingehende Untersuchung des Kredits und der Instrumente, die er sich schafft (Kreditgeld usw.), liegt außerhalb unseres Planes. Es sind hier nur einige wenige Punkte hervorzuheben, notwendig zur Charakteristik der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt. Wir haben es dabei nur mit dem Handels- und Bankierkredit zu tun. Der Zusammenhang zwischen der besten Entwicklung und der des öffentlichen Kredits bleibt außer Betracht. Wir haben früher (Kapitel 16, S. 224) gezeigt, wie sich aus der einfachen Warenzirkulation die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel und damit ein Verhältnis von Gläubiger und Schuldner unter den Warenproduzenten und Warenhändlern bildet:
„Die eine Warenart erheischt längere, die andere kürzere Zeitdauer zu ihrer Produktion, die Produktion verschiedener Waren ist an verschiedene Jahreszeiten geknüpft. Die eine Ware wird auf ihrem Marktplatz geboren, die andere muss zu entferntem Markt reisen. Der eine Warenbesitzer kann daher als Verkäufer auftreten, bevor der andere als Käufer. Bei steter Wiederkehr derselben Geschäfte zwischen denselben Personen regeln sich die Verkaufsbedingungen der Waren nach ihren Produktionsbedingungen. Andererseits wird die Benutzung gewisser Warenarten, z. B. eines Hauses, für einen bestimmten Zeitraum verkauft. Erst nach Ablauf des Termins hat der Käufer den Gebrauchswert der Ware wirklich erhalten. Er kauft sie daher, bevor er sie zahlt. Der Verkäufer wird Gläubiger, der Käufer Schuldner.“
Mit der Entwicklung des Handels und der kapitalistischen Produktionsweise, die nur für die Zirkulation produziert, wird diese naturwüchsige Grundlage des Kredits erweitert, verallgemeinert, ausgearbeitet. Im Großen und Ganzen fungiert das Geld hier nur als Zahlungsmittel, d. h. die Ware wird verkauft nicht gegen Geld, sondern gegen ein schriftliches Versprechen der Zahlung an einem bestimmten Termin. (Diese Zahlungsversprechen wollen wir der Kürze halber sämtlich als Wechsel zusammenfassen.) Bis zu ihrem Verfalltage zirkulieren solche Wechsel selbst wieder als Zahlungsmittel, und sie bilden das eigentliche Handelsgeld.
„In jedem Lande vollzieht sich die Mehrzahl der Kreditgeschäfte im Kreis der industriellen Beziehungen selbst ... Der Produzent des Rohstoffs schießt diesen dem verarbeitenden Fabrikanten vor und erhält von ihm ein Zahlungsversprechen auf fixen Verfalltag. Der Fabrikant, nach Ausführung seines Teils der Arbeit, schießt wiederum und zu Ähnlichen Bedingungen, sein Produkt einem anderen Fabrikanten vor, der es weiter verarbeiten muss, und so erstreckt sich der Kredit immer weiter, vom einen zum andern bis zum Konsumenten. Der Großhändler macht dem Kleinhändler Warenvorschüsse, während er selbst solche vom Fabrikanten oder vom Kommisiionär erhält. Jeder borgt mit der einen Hand und leiht mit der anderen, zuweilen Geld, aber weit häufiger Produkte. So vollzieht sich in den industriellen Beziehungen ein unaufhörlicher Austausch von Vorschüssen, die sich kombinieren und nach allen Richtungen durchkreuzen. Gerade in der Vervielfältigung und dem Wachstum dieser gegenseitigen Vorschüsse besteht die Entwicklung des Kredits, und hier ist der wahre Sitz seiner Macht.“ [2]
Die andere Seite des Kreditwesens schließt sich an die Entwicklung des Geldhandels, die natürlich in der kapitalistischen Produktion Schritt hält mit der Entwicklung des Warenhandels. Die Aufbewahrung der Reservefonds der Geschäftsleute, die technischen Operationen des Geldeinnehmens und Auszahlens, die internationalen Zahlungen und damit der Barrenhandel konzentrieren sich in den Händen der Geldhändler.
„Der Kassierer empfängt von den Kaufleuten, die seine Dienste anwenden, einen gewissen Betrag in Geld, wofür er ihnen ein „Credit“ in seinen Büchern eröffnet; ferner senden sie ihm ihre Schuldforderungen, die er für sie einzieht und sie dafür kreditiert; dagegen macht er gegen ihre Anweisungen Zahlungen und belastet ihre laufende Rechnung mit deren Beträgen. Für diese Eingänge und Auszahlungen berechnet er dann eine geringe Provision, die nur durch die Bedeutung der Umsätze, zu denen er es zwischen beiden bringt, einen entsprechenden Lohn für seine Arbeit abwirft. Wenn Zahlungen auszugleichen sind zwischen zwei Kaufleuten, die beide mit demselben Kassierer arbeiten, so erledigen sich solche Zahlungen sehr einfach durch gegenseitige Buchungen, während die Kassierer ihnen von Tag zu Tag ihre gegenseitigen Forderungen ausgleichen.“ (Vissering, Handbuch der praktischen Staatshaushaltskunde, Amsterdam 1860, Bd. I, S. 247. In holländischer Sprache.)
„Durch das Bedürfnis und die Oertlichkeit von Venedig, wo das Herumtragen von Barschaften lästiger als an anderen Orten, führten die Großhändler dieser Stadt Kassenvereine ein. Unter gehöriger Sicherheit, Aufsicht und Verhaftung legten die Mitglieder eines solchen Vereins gewisse Summen nieder, auf die sie ihren Gläubigern Anweisungen ausstellten, worauf dann die gezahlte Summe auf dem Blatt des Schuldners in dem darüber geführten Buche abgeschrieben und der Summe, welche der Gläubiger darin zu gut hatte, zugesetzt wurde. Die ersten Anfänge der Girobanken.“ (Hüllmann, Städtewesen des Mittelalters, Bonn 1826–29, Bd. I, S. 550.)
Im Anschluss daran entwickelt sich die Verwaltung des zinstragenden Kapitals oder Geldkapitals als besondere Funktion der Geldhändler. Das Borgen und Verleihen des Geldes wird ihr besonderes Geschäft. Sie treten als Vermittler zwischen den wirklichen Verleiher und den Borger von Geldkapital. Allgemein ausgedrückt besteht das Bankiergeschäft nach dieser Seite hin darin, das verleihbare Geldkapital in seiner Hand zu großen Massen zu konzentrieren, sodass statt des einzelnen Geldverleihers die Bankiers als Repräsentanten aller Geldverleiher den industriellen und Handelskapitalisten gegenübertreten. Sie werden die allgemeinen Verwalter des Geldkapitals. Andererseits konzentrieren sie, allen Verleihern gegenüber, die Borger, indem sie für die ganze Handelswelt borgen. Ihr Profit besteht im Allgemeinen darin, dass sie zu niedrigeren Zinsen borgen als sie ausleihen.
Das verleihbare Kapital, worüber die Banken verfügen, fließt ihnen in mehrfacher Weise zu. Zunächst konzentriert sich in ihrer Hand, da sie Kastierer der industriellen Kapitalisten sind, das Geldkapital, das jeder Produzent und Kaufmann als Reservefonds hält oder das ihm als Zahlung zufließt. Dadurch wird der Reservefonds der Handelswelt, weil als gemeinschaftlicher konzentriert, auf das nötige Minimum beschränkt, und ein Teil des Geldkapitals, der sonst als Reservefonds schlummern würde, wird ausgeliehen. Zweitens bildet sich ihr verleihbares Kapital aus den Depositen der Geldkapitalisten, die ihnen das Ausleihen überlasten. Sobald sie Zins für Depositen zahlen, werden ferner die Geldersparnisse und das augenblicklich unbeschäftigte Geld aller Klassen bei ihnen deponiert. Kleine Summen, jede für sich unfähig als Geldkapital zu wirken, werden zu großen Massen vereinigt und bilden so eine Geldmacht. Endlich werden auch die Einkünfte, die nur allmählich verzehrt werden sollen, bei den Banken deponiert.
Das Verleihen geschieht durch sogen. Diskontieren der Wechsel – d. h. Bezahlung derselben in Geld vor ihrer Verfallzeit – und durch Vorschüsse in verschiedenen Formen: direkte Vorschüsse auf persönlichen Kredit, Lombardvorschüsse auf zinstragende Papiere aller Art, namentlich aber auch Vorschüsse auf beglaubigte Besitztitel auf Waren usw.
Es ist augenscheinlich, dass die Masse des Geldkapitals, womit die Geldhändler zu tun haben, das in Zirkulation befindliche Geldkapital der Kaufleute und Industriellen ist, und dass die Operationen, die sie vollziehen, nur die Operationen jener sind, die sie vermitteln.
Es ist ebenso klar, dass ihr Profit nur ein Abzug vom Mehrwert ist, da sie nur mit schon realisierten Werten (selbst wenn nur in Form von Schuldforderungen realisiert) zu tun haben. – Ein Teil der mit der Geldzirkulation verbundenen technischen Operationen muss von den Warenhändlern und Warenproduzenten selbst verrichtet werden.
Die allgemeinen Bemerkungen, wozu das Kreditwesen uns bis jetzt Veranlassung gab, waren folgende:
(Zusatz von Friedrich Engels: Seit Marx obiges schrieb, haben sich neue Formen der Industriebetriebe entwickelt, die die zweite und dritte Potenz der Aktiengesellschaft darstellen. Die altgerühmte Freiheit der Konkurrenz ist am Ende ihres Lateins und muss ihren offenbaren skandalösen Bankrott selbst ansagen. Und zwar dadurch, dass in jedem Land die Großindustriellen eines bestimmten Zweigs sich zusammentun zu einem Kartell zur Regulierung der Produktion. In einzelnen Fällen kam es zeitweise sogar zu internationalen Kartellen, so zwischen der englischen und deutschen Eisenproduktion. Aber auch diese Form der Vergesellschaftung der Produktion genügte noch nicht. Die Interessengegensätze der einzelnen Geschäftsfirmen durchbrachen sie nur zu oft. So kam man dahin, in einzelnen Branchen, wo die Produktionsstufe dies zuließ, die gesamte Produktion dieses Geschäftszweigs zu einer großen Aktiengesellschaft mit einheitlicher Leitung zusammenzufassen.
So ist in diesen Branchen die Konkurrenz durch das Monopol ersetzt und der künftigen Enteignung durch die Gesamtgesellschaft, die Nation, aufs erfreulichste vorgearbeitet.)
Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktion innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst, und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der auf den ersten Blick als bloßer Übergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt.
Das Bankkapital besteht aus 1) barem Geld, Gold oder Noten, 2) Wertpapieren.
Diese können wir wieder in zwei Teile teilen (Bd. II, 2. Kapitel 29):
Das aus diesen sachlichen Bestandteilen sich zusammensetzende Kapital scheidet sich wieder in das Anlagekapital des Bankiers selbst und in die Depositen. Bei den Banken mit Notenausgabe kommen noch die Noten hinzu.
Die Depositen und Noten lassen wir zunächst außer Acht.
Die Form des zinstragenden Kapitals bringt es mit sich, dass jede bestimmte und regelmäßige Geldeinnahme als Zins eines Kapitals erscheint, sie mag aus einem Kapital entspringen oder nicht. Ebenso erscheint jede Wertsumme als Kapital, sobald sie nicht als Einkommen verausgabt wird; nämlich als Hauptsumme im Gegensatz zum möglichen oder wirklichen Zins, den sie tragen kann.
Die Sache ist einfach: gesetzt, der Durchschnittszinsfuß sei 5 Prozent jährlich. Eine Summe von 500 M würde also, wenn in zinstragendes Kapital verwandelt, jährlich 25 M einbringen. Jede feste jährliche Einnahme von 25 M wird daher als Zins eines Kapitals von 500 M betrachtet. Dies ist und bleibt jedoch rein illusorisch, außer in dem Fall, dass die Quelle der 25 M – sei diese nun ein bloßer Eigentumstitel resp. Schuldforderung, oder ein wirkliches Produktionsmittel wie etwa ein Grundstück – übertragbar ist.
Nehmen wir als Beispiele Staatsschuld und Arbeitslohn.
Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich ein gewisses Quantum Zins für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forderung verkaufen.
Das Kapital selbst ist aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es existiert nicht mehr.
Was der Staatsgläubiger besitzt, ist 1) ein Schuldschein auf den Staat, sage von 100 M, 2) kraft dieses Schuldscheins ein Anspruch auf die jährlichen Staatseinnahmen, d. h. das jährliche Ergebnis der Steuern, für einen gewissen Betrag, sage 5 M oder 5 Prozent; 3) kann er diesen Schuldschein beliebig an andere Personen verkaufen. Aber in all diesen Fällen bleibt das Kapital, als dessen Abkömmling die Staatszahlung betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital. Nicht nur, dass die Summe, die dem Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existiert. Sie war überhaupt nie bestimmt, als Kapital angelegt zu werden.
Nun die Arbeitskraft. Der Arbeitslohn wird hier als Zins aufgefasst und daher die Arbeitskraft als das Kapital, das diesen Zins abwirft. Ist z. B. der Arbeitslohn eines Jahres – 1.000 M und steht der Zinsfuß auf 5 Prozent, so gilt die jährliche Arbeitskraft als gleich einem Kapital von 20.000 M. Die Verrücktheit der kapitalistischen Vorstellung erreicht hier ihre Spitze. Leider wird diese gedankenlose Vorstellung durch die zwei Umstände durchkreuzt, dass erstens der Arbeiter arbeiten muss, um diesen „Zins“ zu erhalten, und dass er zweitens den „Kapitalwert“ seiner Arbeitskraft nicht durch Übertragung versilbern kann.
Diese Berechnungsart nennt man „kapitalisieren.“ Man kapitalisiert jede regelmäßig sich wiederholende Einnahme, indem man sie nach dem Durchschnittszinsfuß berechnet, alsErtrag, den ein Kapital, zu diesem Zinsfuß ausgeliehen, abwerfen würde. Aller Zusammenhang mit dem wirklichen Verwertungsprozess des Kapitals geht so bis auf die letzte Spur verloren, und es befestigt sich die Vorstellung, dass das Kapital sich auf irgendeine geheimnisvolle Weise durch sich selbst verwerte.
Auch da, wo der Schuldschein – das Wertpapier – nicht wie bei den Staatsschulden rein illusorisches Kapital vorstellt, ist der Kapitalwert dieses Papieres rein illusorisch. Die Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schiffahrtsgesellschaften stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unternehmungen angelegte Kapital. Aber dieses Kapital existiert nicht doppelt, einmal als Kapitalwert der Aktien und das andere Mal als das in jenen Unternehmungen wirklich angelgelegte Kapital. Es existiert nur in dieser letzter Form, und die Aktie nichts als ein Eigentumstitel auf den durch jenes zu machenden Mehrwert.
Diese Papiere nun sind verkäuflich, werden also Waren und ihr Preis hat eine eigentümliche Bewegung und Festsetzung. Mit steigendem Profit der Unternehmungen steigt auch der Preis ihrer Aktien. Ist der Nominalwert einer Aktie, (d. h. die eingeschossene Summe, die die Aktie ursprünglich repräsentiert) 100 M und steigt der Profit des Unternehmens von 5 auf 10 Prozent, so ist nunmehr die Aktie, (unter sonst gleichen Umständen und bei einem Zinsfuß von 5 Prozent), 200 M wert. Umgekehrt, wenn der Ertrag des Unternehmens abnimmt. Bleibt aber die Verwertung des wirklichen Kapitals sich gleich oder ist, wie bei den Staatsschulden, kein wirkliches Kapital vorhanden, so steigt und fällt der Preis dieser Wertpapiere umgekehrt wie der Zinsfuß. Steigt der Zinsfuß von 5 auf 10 Prozent, so stellt ein Wertpapier, das einen Ertrag von 5 M sichert, nur noch ein Kapital von 50 M vor. Fällt er auf 2,5 Prozent, so stellt dasselbe Wertpapier ein Kapital von 200 M vor. In Zeiten einer Klemme im Geldmarkt werden diese Wertpapiere also doppelt im Preise fallen, erstens weil der Zinsfuß steigt, und zweitens weil sie massenhaft auf den Markt geworfen werden.
Alle diese Papiere stellen in der Tat nichts vor als akkumulierte Ansprüche, Rechtstitel auf künftige Produktion.
Der größte Teil des Bankierkapitals ist daher rein fiktiv und besteht aus Schuldforderungen (Wechseln), Staatspapieren (die vergangenes Kapital repräsentieren) und Aktien (Anweisungen auf künftigen Ertrag).
Mit der Entwicklung des Kreditsystems scheint sich also alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis zu verdreifachen, weil die Schuld- und Eigentumstitel, die immer nur dasselbe Kapitel repräsentieren, in verschiedenen Händen und unter verschiedenen Formen sich befinden. Ein großer Teil des angeblich vorhandenen Kapitals löst sich in bloßes Hirngespinst auf. Dies gilt sogar auch vom „Reservefonds“, wo man endlich glaubt, etwas Solides zu packen.
(Beispiel von Friedrich Engels: Im November 1892 hatten die 15 größten Londoner Banken Reservefonds von insgesamt fast 28 Millionen £. Davon befanden sich aber höchstens 3 Millionen bar in ihren Kassenschränken. Der Rest von 25 Millionen bestand in ihren Guthaben bei der Bank von England. Diese Bank selbst aber hatte im selben Monat nie volle 16 Millionen £ in barer Reserve.)
Das Banksystem ist, der formellen Organisation nach, das künstlichste und ausgebildetste Produkt, wozu es die kapitalistische Produktionsweise überhaupt bringt. Daher die ungeheure Macht eines Instituts wie die Bank von England auf Handel und Industrie, obgleich deren wirkliche Bewegung ganz außerhalb ihres Bereichs bleibt und sie sich passiv dazu verhält. Es ist damit allerdings die Form einer allgemeinen Buchführung und Verteilung der PM auf gesellschaftlicher Stufenleiter gegeben, aber auch nur die Form. Wir haben gesehen, dass der Durchschnittsprofit des einzelnen Kapitalisten, oder jedes besonderen Kapitals, bestimmt ist, nicht durch die Mehrarbeit, die dieses Kapital in erster Hand aneignet, sondern durch das Quantum von Gesamtmehrarbeit, die das Gesamtkapital aneignet, und wovon jedes besondere Kapital nur als proportioneller Teil des Gesamtkapitals seine Dividende zieht. Dieser gesellschaftliche Charakter des Kapitals wird erst vermittelt und vollauf verwirklicht durch volle Entwicklung des Kredit- und Banksystems. Andrerseits geht dies weiter. Es stellt den in der Produktion und im Handel tätigen Kapitalisten alles zur Zeit unbeschäftigte Kapital der Gesellschaft zur Verfügung, sodass weder der Verleiher noch der Anwender dieses Kapitals dessen Eigentümer oder Erzeuger sind. Es hebt damit den Privatcharakter des Kapitals auf und enthält so an sich, aber auch nur an sich, die Aufhebung des Kapitals selbst. Durch das Bankwesen ist die Verteilung des Kapitals den Händen der Privatkapitalisten und Wucherer entzogen und zu einer besonderen gesellschaftlichen Funktion gemacht. Bank und Kredit werden aber dadurch zugleich das kräftigste Mittel, die kapitalistische Produktion über ihre eigenen Schranken hinauszutreiben, und eins der wirksamsten Förderer der Krisen und des Schwindels.
Endlich unterliegt es keinem Zweifel, dass das Kreditsystem als ein mächtiger Hebel dienen wird während des Übergangs aus der kapitalistischen Produktionsweise in die Produktionsweise der vergesellschafteten Arbeit; jedoch nur als ein Element im Zusammenhang mit anderen großen organischen Umwälzungen der Produktionsweise selbst. Dagegen entspringen die Illusionen über die wunderwirkende Macht des Kredit- und Bankwesens im sozialistischen Sinn aus völliger Unkenntnis der kapitalistischen Produktionsweise und des Kreditwesens als einer ihrer Formen.
1. „Schon aus der großen Verschiedenheit der Münzen sowohl in Ansehung des Schrots und Korns, als des Gepräges der vielen münzberechtigten Fürsten und Städte, entsprang die Notwendigkeit, in Handelsgeschäften, wo Ausgleichung vermittelst einer Münze nötig war, sich überall der örtlichen zu bedienen. Zum Behuf von Barzahlungen versahen sich die Kaufleute, wenn sie einen fremden Markt bereisten, mit ungemünztem reinem Silber, wohl auch mit Gold. Ebenso vertauschten sie bei Antritt der Rückreise die eingenommene Ortsmünze in ungemünztes Silber oder Gold. Wechselgeschäfte, Umsatz ungemünzter edler Metalle gegen örtliche Münze und umgekehrt, wurden daher ein sehr verbreitetes, einträgliches Geschäft.“ (Hülkmann, Städtewesen des Mittelalters. Bonn 1826–29. Bd. I, Seite 437.)
2. Coquelin, Kredit und Banken in der Industrie, Revue des deux raondes, 1842. (Französisch).
Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024