Julian Borchart

Das Kapital: Zur Kritik der politischen Ökonomie
von Karl Marx

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20. Einfluss des Handelskapitals auf die Preise

(Bd. III, 1, Kapitel 18)

Wenn der Produktionspreis von 1 Pfund Zucker 1 M beträgt, so könnte der Kaufmann mit 100 M 100 Pfund Zucker kaufen. Kauft und verkauft er im Lauf des Jahres dieses Quantum und ist die jährliche Durchschnittsprofitrate 15 Prozent, so würde er zuschlagen auf 100 M 15 M, und auf 1 M, den Produktionspreis von 1 Pfund, 0,15. Er würde also das Pfund Zucker zu 1,15, so würde der Kaufmann mit 100 M 1.000 Pfund einkaufen und das Pfund verkaufen zu 11½ S. Nach wie vor wäre der Jahresprofit auf das im Zuckergeschäft ausgelegte Kapital von 100 M = 15 M. Nur muss er in dem einen Fall 100, in dem anderen Fall 1.000 Pfund verkaufen.

(Von den Zirkulationskosten, wie Lagern, Transport usw., wird hier abgesehen. Nur das reine Kaufen und Verkaufen ist Gegenstand der Untersuchung.)

Die Höhe oder Niedrigkeit des Produktionspreises hätte nichts zu tun mit der Profitrate; aber sie hätte sehr viel, entscheidend damit zu tun, wie groß der Teil des Verkaufspreises jedes Pfundes Zucker ist, der sich in Handelsprofit auflöst; d. h. der Preiszuschlag, den der Kaufmann auf ein bestimmtes Quantum Ware macht.

Nehmen wir Fälle aus, wo der Kaufmann ein Monopol auf den Handel hat und zugleich die Produktion monopolisiert, wie etwa ihrer Zeit die holländisch-ostindische Kompanie, so kann nichts alberner sein als etwa die gangbare Vorstellung, dass es vom Kaufmann abhängt, ob er viel Ware zu wenig Profit oder wenig Ware zu viel Profit auf die einzelne Ware verkaufen will. Die beiden Grenzen für seinen Verkaufspreis sind: einerseits der Produktionspreis der Ware, über den er nicht verfügt; andererseits die Durchschnittsprofitrate, über die er ebenso wenig verfügt.

(Es ist hier nur vom gewöhnlichen Handel, nicht von der Spekulation die Rede.)

Zwischen dem produktiven und dem Handelskapital besteht demnach folgender Unterschied: Je häufiger ein produktives Kapital umschlägt, desto größer ist die Masse des Profits, den es bildet. Durch die allgemeine Profitrate wird nun zwar der Gesamtprofit verteilt unter die verschiedenen Kapitale nicht nach dem Verhältnis, worin sie an der Produktion teilnehmen, sondern im Verhältnis ihrer Größe. Aber je größer die Anzahl der Umschläge des produktiven Gesamtkapitals, desto größer die Profitmasse, und daher (bei sonst gleichen Umständen) die Profitrate.

Anders mit dem Handelskapital. Für dieses ist die Profitrate eine gegebene Größe, bestimmt einerseits durch die Masse des vom produktiven Kapital gelieferten Profits, andrerseits durch die relative Größe des Gesamthandelskapitals. Die Anzahl seiner Umschläge wirkt allerdings bestimmend ein auf sein Verhältnis zum Gesamtkapital, indem es klar ist, dass, je geschwinder der Umschlag des Handelskapitals, desto geringer seine absolute Größe und damit auch seine relative Größe (im Verhältnis zum vorhandenen Gesamtkapital der Gesellschaft).

Aber, die relative Größe des Handelskapitals im Verhältnis zum Gesamtkapital als gegeben vorausgesetzt, wirkt die Verschiedenheit der Umschläge in verschiedenen Handelszweigen nicht auf die Größe des Gesamtprofits der dem Handelskapital zukommt, noch auf die allgemeine Profitrate. Der Profit des Kaufmanns ist bestimmt nicht durch die Masse des Warenkapitals, das er umschlägt, sondern durch die Größe des Geldkapitals, das er zur Vermittlung dieses Umschlags vorschießt.

Ist die allgemeine Jahresprofitrate 15 Prozent und schießt der Kaufmann 100 vor (z. B. 100.000 M), so, wenn sein Kapital einmal im Jahre umschlägt, wird er seine Ware zu 115 verkaufen. Schlägt sein Kapital 5-mal im Jahre um, so wird er die zu 100 gekaufte Ware 5-mal im Jahr zu 103 verkaufen, also im ganzen Jahr ein Warenkapital von 500 zu 515. Dies macht aber auf sein vorgeschossenes Kapital von 100 nach wie vor einen Jahresprofit von 15. Wäre dies nicht der Fall, so würfe das Kaufmannskapital, im Verhältnis zur Zahl seiner Umschläge, viel höheren Profit ab als das industrielle Kapital, was dem Gesetz der allgemeinen Profitrate widerspricht.

Die Anzahl der Umschläge des Handelskapitals in verschiedenen Handelszweigen berührt also die Verkaufspreise der Waren direkt. Je öfter das Handelskapital im Jahre umschlägt, desto geringer der Aufschlag auf das von ihm jedesmal verkaufte Warenkapital.

Derselbe Prozentsatz des Handelsprofits in verschiedenen Handelszweigen erhöht also, je nach dem Verhältnis ihrer Umschlagszeiten, die Verkaufspreise der Waren um ganz verschiedene Prozente, auf den Wert dieser Waren berechnet. (Z. B. 15 Prozent Jahresprofit, bei einmaligem Umschlag 15 Prozent, bei fünfmaligem Umschlag 3 Prozent.) Bei dem industriellen Kapital dagegen wirkt die Umschlagszeit in keiner Weise auf die Wertgröße der einzelnen Waren, obgleich sie die Masse der von einem gegebenen Kapital in einer gegebenen Zeit produzierten Werte und Mehrwerte beeinflusst, weil die Masse der ausgebeuteten Arbeit. Dies versteckt sich allerdings und scheint anders zu sein, sobald man die Produktionspreise ins Auge fasst, aber nur, weil die Produktionspreise der verschiedenen Waren (nach früher entwickelten Gesetzen) von ihren Werten abweichen. Betrachtet man den gesamten Produktionsprozess, die vom gesamten industriellen Kapital produzierte Warenmasse, so findet man sofort das allgemeine Gesetz bestätigt.

Während also eine genauere Betrachtung des Einflusses der Umschlagszeit auf die Wertbildung beim industriellen Kapital zurückführt zum allgemeinen Gesetz und zur Basis der politischen Ökonomie, dass die Werte der Waren bestimmt sind durch die in ihnen enthaltene Arbeitszeit, zeigt der Einfluss der Umschläge des Handelskapitals auf den Handelsprofit Erscheinungen, die (ohne sehr weitläufige Durchforschung der Mittelglieder) eine rein willkürliche Bestimmung der Preise vorauszusetzen scheinen; nämlich eine Bestimmung bloß dadurch, dass das Kapital nun einmal entschlossen ist, ein bestimmtes Quantum Profit im Jahr zu machen. (Z. B. es will 15 Prozent im Jahr machen und richtet danach den Zuschlag auf den Einkaufspreis seiner Waren ein, z. B. jedesmal 3 Prozent, damit alles in allem 15 Prozent herauskommen das Jahr über.) Es scheint namentlich, durch diesen Einfluss der Umschläge, als ob der Zirkulationsprozess als solcher die Preise der Waren bestimme, unabhängig, innerhalb gewisser Grenzen, von der Produktion.

Infolgedessen sind die Vorstellungen eines Kaufmanns, Börsenspekulanten, Bankiers (über die Zusammenhänge der kapitalistischen Produktion) notwendig ganz verkehrt. Die der Fabrikanten sind verfälscht durch die Zirkulationsvorgänge, denen ihr Kapital unterworfen ist, und durch die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate. Die Konkurrenz spielt in diesen Köpfen notwendig auch eine ganz verkehrte Rolle. Sind die Grenzen des Werts und des Mehrwerts gegeben, so ist leicht einzusehen, wie die Konkurrenz der Kapitale die Werte in Produktionspreise und noch weiter in Handelspreise, den Mehrwert in Durchschnittsprofit verwandelt. Aber ohne diese Grenzen ist absolut nicht einzusehen, warum die Konkurrenz die allgemeine Profitrate auf diese statt auf jene Grenze reduziert, auf 15 Prozent statt auf 1500 Prozent. Sie kann sie doch höchstens auf ein Niveau reduzieren. Aber sie ist absolut nicht imstande, dies Niveau selbst zu bestimmen.

Vom Standpunkt des Handelskapitals erscheint also der Umschlag selbst als preisbestimmend.

Wenn dasselbe industrielle Kapital (unter sonst gleichen Umständen und namentlich bei gleicher organischer Zusammensetzung) 4-mal im Jahr statt 2-mal umschlägt, produziert es doppelt so viel Mehrwert und daher Profit; (und dies zeigt sich handgreiflich, sobald und solange dies Kapital das Monopol der verbesserten Produktionsweise besitzt, die ihm diese Umschlagsbeschleunigung gestattet). Die verschiedene Umschlagszeit in verschiedenen Handelszweigen erscheint umgekehrt darin, dass der Profit, der auf den Umschlag eines bestimmten Warenkapitals gemacht wird, im umgekehrten Verhältnis steht zur Anzahl der Umschläge des Geldkapitals der Kaufleute. „Großer Umsatz, kleiner Nutzen“ erscheint namentlich dem Kleinhändler als ein Prinzip, das er aus Prinzip befolgt.

Es versteht sich übrigens von selbst, dass dieses Gesetz nur für den Durchschnitt der Umschläge gilt, die das ganze in diesem Zweig angelegte Handelskapital macht. Das Kapital von A, der in demselben Zweig macht wie B, mag mehr oder weniger als die Durchschnittszahl der Umschläge machen. In diesem Fall machen die anderen weniger oder mehr. Es ändert dies nichts am Umschlag der in diesem Zweig angelegten Totalmasse von Handelskapital. Aber es ist entscheidend wichtig für den einzelnen Kaufmann oder Kleinhändler. Er macht in diesem Fall einen Mehrprofit. Zwingt die Konkurrenz dazu, so kann er wohlfeiler verkaufen als seine Kumpane, ohne seinen Profit unter den Durchschnitt zu senken. Sind die Bedingungen, die ihn zu rascherem Umschlag befähigen, selbst käuflich, z. B. Lage der Verkaufsstätte, so kann er extra Rente dafür zahlen, d. h. ein Teil seines Extraprofits verwandelt sich in Grundrente.

 


Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024