Julian Borchart

Das Kapital: Zur Kritik der politischen Ökonomie
von Karl Marx

* * *

13. Wirkung der Akkumulation auf die Arbeiter
Die industrielle Reservearmee
Die Verelendungstheorie

(Bd. I, Kapitel 23)

Wenn ein Teil des Mehrwerts zum Kapital geschlagen, also als zusätzliches Kapital verwendet wird, so versteht es sich, dass dieses Zusatzkapital auch wieder Arbeiter braucht. Sofern alle anderen Umstände unverändert bleiben, sofern insbesondere die gleiche Menge Produktionsmittel (konstantes Kapital) nach wie vor dieselbe Menge Arbeitskraft (variables Kapital) zu ihrer Verarbeitung erfordern, muss daher die Nachfrage nach Arbeit wachsen, und dies umso rascher, je rascher das Kapital wächst. Nun wird alljährlich Mehrwert produziert und ein Teil davon alljährlich zum Kapital geschlagen; ja, dieser Mehrwert wird sogar jedes folgende Jahr größer, weil – eben durch die Akkumulation – das Kapital größer geworden; endlich, wenn der Bereicherungstrieb besonders angespornt ist, wie z. B. durch Öffnung neuer Märkte, durch Entstehung neuer Industrien infolge neu entwickelter gesellschaftlicher Bedürfnisse usw., so genügt eine Verringerung des privaten Konsums der Kapitalisten, um plötzlich sehr viel mehr Mehrwert akkumulieren zu können. Aus all diesen Gründen können die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals das Wachstum der Arbeiteranzahl überflügeln und daher die Arbeitslöhne steigen. Dies muss sogar schließlich der Fall sein bei unveränderter Fortdauer obiger Voraussetzung. Da in jedem Jahr mehr Arbeiter beschäftigt werden als im vorhergehenden, so muss früher oder später der Punkt eintreten, wo die Bedürfnisse der Akkumulation anfangen, über die gewöhnliche Zufuhr von Arbeit hinauszuwachsen, wo also Lohnsteigerung eintritt. Klage hierüber ertönt in England während des ganzen 15. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die mehr oder minder günstigen Umstände, worin sich die Lohnarbeiter erhalten und vermehren, ändern jedoch nichts an dem Grundcharakter der kapitalistischen Produktion. Wie die einfache Reproduktion fortwährend das Kapitalverhältnis neu erzeugt, Kapitalisten auf der einen Seite, Lohnarbeiter auf der anderen, so erzeugt die erweiterte Reproduktion (oder Akkumulation) das Kapitalverhältnis auf erweiterter Stufenleiter, mehr Kapitalisten oder größere Kapitalisten auf dieser Seite, mehr Lohnarbeiter auf jener. Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats. [1]

Schon 1696 sagte John Bellers:

„Wenn jemand 100.000 Acres hätte und ebenso viele Pfunde Geld und ebenso viel Vieh, was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter außer selbst ein Arbeiter? Und wie die Arbeiter Leute reich machen, so je mehr Arbeiter, desto mehr Reiche ... Die Arbeit der Armen ist die Goldquelle des Reichen.“

So Bertrand de Mandeville im Anfang des 18. Jahrhunderts (1728):

„Wo das Eigentum hinreichend geschützt ist, wäre es leichter ohne Geld zu leben als ohne Arme, denn wer würde die Arbeit tun? ... Wie die Arbeiter vor Aushungerung zu bewahren sind, so sollten sie nichts erhalten, was der Ersparung wert ist. Wenn hier und da einer aus der untersten Klasse durch ungewöhnlichen Fleiß und Bauchkneipen sich über die Lage erhebt, worin er aufgewachsen war, so muss ihn keiner daran hindern; ja es ist unleugbar der weiseste Plan für jede Privatperson, für jede Privatfamilie, sparsam zu sein; aber es ist das Interesse aller reichen Nationen, das der größte Teil der Armen nie untätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was sie einnehmen ... Diejenigen, die ihren Lebensunterhalt durch ihre tägliche Arbeit gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt, dienstlich zu sein, außer ihren Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu kurieren. Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleißig machen kann, ist ein mäßiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmütig oder verzweifelt, ein zu großer macht ihn unverschämt und faul ... Aus dem bisher Entwickelten folgt, dass in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht. Außerdem, dass sie die nie versagende Zufuhrquelle für Flotte und Armee, gäbe es ohne sie keinen Genuss und wäre das Produkt keines Landes verwertbar. Um die Gesellschaft (die natürlich aus den Nichtarbeitern besteht) glücklich und das Volk selbst in kümmerlichen Zuständen zufrieden zu machen, ist es nötig, dass die große Mehrheit sowohl unwissend als arm bleibt. Kenntnis erweitert und vervielfacht unsere Wünsche, und je weniger ein Mann wünscht, desto leichter können seine Bedürfnisse befriedigt werden.“

Was Mandeville, ein ehrlicher Mann und heller Kopf, noch nicht begreift, ist0 dass die Akkumulation selbst mit dem Kapital die Masse der „arbeitsamen Armen,“ d. h. der Lohnarbeiter vermehrt.

Unter den bisher unterstellten, den Arbeitern günstigsten Akkumulationsbedingungen kleidet sich ihre Abhängigkeit vom Kapital in erträgliche Formen. Von ihrem eigenen anschwellenden und in Zusatzkapital verwandelten Mehrprodukt strömt ihnen ein größerer Teil in der Form von Zahlungsmitteln zurück, sodass sie den Kreis ihrer Genüsse erweitern, ihren Konsum von Kleidern, Möbeln usw. besser ausstatten und kleine Reserven von Geld bilden können. So wenig aber bessere Kleidung, Nahrung, Behandlung und ein größeres Taschengeld die Abhängigkeit und die Ausbeutung des Sklaven aufheben, so wenig die des Lohnarbeiters. Steigender Preis der Arbeit infolge der Akkumulation des Kapitals besagt in der Tat nur, dass der Umfang und die Wucht der goldenen Kette, die der Lohnarbeiter sich selbst bereits geschmiedet hat, ihre losere Spannung erlauben. Zunahme des Arbeitslohns besagt im besten Falle nur Abnahme der unbezahlten Arbeit, die der Arbeiter leisten muss. Diese Abnahme kann nie bis zu dem Punkt fortgehen, wo sie das System selbst bedrohen würde. Entweder fährt der Preis der Arbeit fortzusteigen, weil seine Erhöhung den Fortschritt der Akkumulation nicht stört; es liegt darin nichts Wunderbares, denn, sagt A. Smith (1774), „selbst bei gesunkenem Profit vermehren sich die Kapitale dennoch; sie wachsen selbst rascher als vorher ... Ein großes Kapital wächst selbst bei kleinerem Profit im Allgemeinen rascher als ein kleines Kapital bei großem Profit.“ In diesem Fall ist es augenscheinlich, dass eine Verminderung der unbezahlten Arbeit die Ausdehnung der Kapitalherrschaft keineswegs beeinträchtigt. – Oder die Akkumulation erschlafft infolge des steigenden Arbeitspreises, weil der Stachel des Gewinns abstumpft. Die Akkumulation nimmt ab. Damit hört dann aber auch die starke Nachfrage nach Arbeitskräften auf, die ja gerade aus der starken Akkumulation entsprang, und der Arbeitslohn sinkt wieder. Die kapitalistische Produktion beseitigt also selbst die Hindernisse, die sie vorübergehend schafft.

Man sieht also: im ersten Fall ist es nicht die Abnahme im (absoluten oder verhältnismäßigen) Wachstum der Arbeiterbevölkerung, welche das Kapital überschüssig, sondern umgekehrt die Zunahme des Kapitals, welche die verfügbare Arbeitskraft unzureichend macht. Im zweiten Fall ist es nicht die Zunahme im Wachstum der Arbeiterbevölkerung, welche das Kapital unzureichend, sondern umgekehrt die Abnahme des Kapitals, welche die verfügbare Arbeitskraft, oder vielmehr ihren Preis überschüssig macht. Es sind diese absoluten Bewegungen in der Akkumulation des Kapitals, welche sich als relative Bewegungen in der Masse der verfügbaren Arbeitskraft widerspiegeln und daher der eigenen Bewegung der letzteren geschuldet erscheinen. Und es ist eine völlige Verkennung der Tatsachen, wenn jene Vorgänge der Akkumulation dahin gedeutet werden, dass das eine Mal zu wenig und das andere Mal zu viel Lohnarbeiter existieren.

Was eine Lohnerhöhung herbeiführt, ist also weder der vorhandene Umfang des gesellschaftlichen Reichtums noch die Größe des bereits erworbenen Kapitals, sondern lediglich das fortgesetzte Wachsen der Akkumulation und die Geschwindigkeit des Wachstums. Bisher haben wir diesen Vorgang nur unter der Voraussetzung betrachtet, dass die Produktivkraft der Arbeit unverändert bleibt, d. h., dass die gleiche Menge Produktionsmittel nach wie vor die gleiche Menge Arbeitskraft zu ihrer Verarbeitung erheischen, und dass daher die Teilung des Kapitals in konstante und variable Bestandteile (das Verhältnis von c zu v) unverändert bleibt. Aber diese Voraussetzung wird durch den Vorgang selbst überholt und umgestoßen.

Durch die Akkumulation steigt die Produktivkraft der Arbeit. „Dieselbe Ursache,“ sagt A. Smith, „die die Löhne erhöht, nämlich die Zunahme des Kapitals, treibt zur Steigerung der produktiven Fähigkeiten der Arbeit und setzt eine kleinere Arbeitsmenge instand, eine größere Menge von Produkten zu erzeugen.“ Wachsende Produktivität der Arbeit bedeutet aber nichts anderes, als dass dieselbe Menge Arbeitskraft (v) eine größere Menge Produktionsmittel (c) verbraucht. Es muss also notwendigerweise im Fortgang der Akkumulation die innere, technische Zusammensetzung des Kapitals sich ändern, derart, dass verhältnismäßig ein größerer Teil des Kapitals für Produktionsmittel (c), ein kleinerer für Arbeitskraft (v) Verwendung findet. Es werden z. B. von einem Kapital ursprünglich 50 Prozent in Produktionsmitteln und 50 Prozent in Arbeitskraft ausgelegt. Später, mit der Zunahme der Produktivkraft der Arbeit, 80 Prozent in Produktionsmitteln und 20 Prozent in Arbeitskraft usw. Dies Gesetz des steigenden Wachstums des konstanten Kapitalteils im Verhältnis zum variablen wird auf jedem Schritt bestätigt durch die vergleichende Untersuchung der Warenpreise, gleichviel ob wir verschiedene Zeiten bei einer einzigen Nation vergleichen oder verschiedene Nationen zu derselben Zeit.

Die Abnahme des variablen Kapitalteils gegenüber dem konstanten oder die veränderte Zusammensetzung des Kapitalwerts zeigt jedoch nur annähernd den Wechsel in der Zusammensetzung seiner stofflichen Bestandteile an. Wenn z. B. heute der in der Spinnerei angelegte Kapitalwert zu ⅞ konstant und ⅛ variabel ist, während er Anfang des 18. Jahrhunderts ½ konstant und ½ variabel war, so ist dagegen die Masse von Rohstoff, Arbeitsmitteln usw., die ein bestimmtes Quantum Spinnarbeit heute aufzehrt, viele hundertmal größer als im Anfang des 18. Jahrhunderts. Denn mit der wachsenden Produktivität der Arbeit ist der Wert der Produktionsmittel gesunken, so dass er zwar an sich zugenommen hat, aber bei weitem nicht in dem Maße, wie ihr Umfang gewachsen ist. Obgleich also die Differenz zwischen konstantem und variablem Kapital wächst, so wächst doch viel schneller die Differenz zwischen der Masse der Produktionsmittel, worin das konstante, und der Masse Arbeitskraft, worin das variable Kapital umgesetzt wird.

Übrigens, wenn der Fortschritt der Akkumulation die relative Größe des variablen Kapitalteils vermindert, schließt er damit die Steigerung seiner absoluten Größe keineswegs aus. Gesetzt, ein Kapitalwert spalte sich anfangs in 50 c und 50 v, später in 80 c und 20 v. Ist inzwischen das ursprüngliche Kapital, sage 120.000 M, gewachsen auf 360.000 M, so ist sein variabler Bestandteil auch um ⅕ gewachsen. Er war 60.000 M, er beträgt jetzt 72.000 M. Wo aber früher ein Kapitalzuwachs von 20 Prozent genügt hätte, die Nachfrage nach Arbeit um 20 Prozent zu steigern, erfordert das jetzt Verdreifachung des ursprünglichen Kapitals.

Es wurde früher gezeigt, wie die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit eine Kooperation auf großer Stufenleiter voraussetzt, wie nur unter dieser Voraussetzung Teilung und Zusammenwirken der Arbeit organisiert, Produktionsmittel durch massenhafte Konzentration erspart, solche Arbeitsmittel, die schon ihrer Natur nach nur gemeinsam anwendbar sind, z. B. Maschinerie, ins Leben gerufen, ungeheure Naturkräfte in den Dienst der Produktion gepresst werden können.

Auf Grundlage der Warenproduktion, wo die Produktionsmittel Eigentum von Privatpersonen sind, wo der Handarbeiter daher entweder vereinzelt oder selbständig Waren produziert oder seine Arbeitskraft als Ware verkauft, weil ihm die Mittel zum Selbstbetrieb fehlen, verwirklicht sich jene Voraussetzung – nämlich die Kooperation – nur durch das Wachstum der Einzelkapitale oder im Maße, worin die Produktions- und Lebensmittel in das Privateigentum von Kapitalisten übergehen. Der Boden der Warenproduktion kann die Produktion auf großer Stufenleiter nur in kapitalistischer Form tragen. Eine gewisse Anhäufung von Kapital in den Händen einzelner Warenproduzenten bildet daher die Voraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise. Aber alle Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit, die auf dieser Grundlage erwachsen, sind zugleich Methoden der gesteigerten Produktion des Mehrwerts oder Mehrprodukts, woraus wiederum die Akkumulation entspringt. Sie sind also zugleich Methoden einer beschleunigten Akkumulation des Kapitals. Die fortgesetzte Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital stellt sich dar als wachsende Größe des in den Produktionsprozess eingehenden Kapitals. Diese wird ihrerseits Grundlage zur Erweiterung der Produktion, der sie begleitenden Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit und beschleunigter Produktion von Mehrwert. Wenn also ein gewisser Grad von Kapitalakkumulation als Bedingung der kapitalistischen Produktionsweise erscheint, verursacht die letztere rückschlagend eine beschleunigte Akkumulation des Kapitals. Mit der Akkumulation des Kapitals entwickelt sich daher die kapitalistische Produktionsweise, und mit der kapitalistischen Produktionsweise die Akkumulation des Kapitals. Diese beiden erzeugen, nach dem zusammengesetzten Verhältnis des Anstoßes, den sie sich gegenseitig erteilen, den Wechsel in der technischen Zusammensetzung, durch welchen der variable Bestandteil immer kleiner und kleiner wird verglichen mit dem konstanten.

Jedes einzelne Kapital ist eine größere oder kleinere Ansammlung von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee. Jede Akkumulation wird das Mittel neuer Akkumulation. Sie erweitert mit der vermehrten Masse des als Kapital funktionierenden Reichtums seine Konzentration (Zusammenfassung) in den Händen der einzelnen Kapitalisten, daher die Grundlage der Produktion auf großer Stufenleiter und der spezifisch kapitalistischen Produktionsmethoden. Das Wachstum des gesellschaftlichen Kapitals vollzieht sich im Wachstum vieler Einzelkapitale. Zugleich reißen sich Ableger von den Einzelkapitalen los und funktionieren als neue selbständige Kapitale. Eine große Rolle spielt dabei unter andrem die Teilung des Vermögens in Kapitalistenfamilien. Mit der Akkumulation des Kapitals wächst daher auch mehr oder minder die Anzahl der Kapitalisten. Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andererseits als Abstoßung vieler Einzelkapitale voneinander.

Dieser Zersplitterung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in viele Einzelkapitale wirkt entgegen ihrer Anziehung. Darunter ist zu verstehen Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer Selbständigkeit, Enteignung von Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleineren in wenig größere Kapitale. Dieser Vorgang unterscheidet sich von der Akkumulation dadurch, dass er nur veränderte Verteilung der bereits vorhandenen Kapitale voraussetzt, sein Spielraum also durch das Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums nicht beschränkt ist. Das Kapital schwillt hier in einer Hand zu großen Massen, weil es dort in vielen Händen verloren geht. Es ist die eigentliche Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration.

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Der Konkurrenzkampf wird durch Verwohlfeilerung der Waren geführt. Die Wohlfeilheit der Waren hängt – unter sonst gleichen Umständen – von der Produktivität der Arbeit, diese aber von dem Umfang der Produktion ab. Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. Man erinnert sich ferner, dass mit der Entwickelung der kapitalistischen Produktionsweise der Mindestumfang des Einzelkapitals wächst, das erheischt ist, um das Geschäft unter seinen normalen Bedingungen zu betreiben. Die kleineren Kapitale drängen sich daher in Produktionszweige, deren sich die große Industrie nur erst vereinzelt oder unvollkommen bemächtigt hat. Die Konkurrenz endet stets mit Untergang vieler kleinerer Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehen, teils untergehen. Abgesehen hiervon bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine neue Macht, das Kreditwesen. Es wird nicht nur selbst zur neuen gewaltigen Waffe im Konkurrenzkampf. Durch unsichtbare Fäden zieht es die über die Oberfläche der Gesellschaft in größeren oder kleineren Mengen zersplitterten Geldmittel in die Hände einzelner oder assoziierter Kapitalisten. Es ist die spezifische Maschine zur Zentralisation der Kapitale.

Die Zentralisation der Kapitale nimmt zu in dem Verhältnis, worin sich mit der Akkumulation die kapitalistische Produktionsweise entwickelt. Ihrerseits wird die Zentralisation einer der großen Hebel jener Entwicklung. Sie ergänzt das Werk der Akkumulation, indem sie die Kapitalisten instand setzt, den Umfang ihrer Betriebe auszudehnen. Die gewachsene Ausdehnung der industriellen Etablissements bildet überall den Ausgangspunkt für eine umfassendere Organisation des Zusammenarbeitens vieler, für eine breitere Entwicklung ihrer materiellen Triebkräfte.

Es ist aber klar, dass die Akkumulation, die allmähliche Vermehrung des Kapitals durch kapitalisierten Mehrwert, ein gar langsames Verfahren ist im Vergleich mit der Zentralisation die nur die schon vorhandenen Kapitale zusammenzieht, ihre Gruppierung ändert. Die Welt wäre noch heute (1874) ohne Eisenbahnen, hätte sie so lange warten müssen, bis die Akkumulation einige Einzelkapitale dahin gebracht hätte, dem Bau einer Eisenbahn gewachsen zu sein. Die Zentralisation dagegen hat dies, vermittelst der Aktiengesellschaften, im Handumdrehen fertiggebracht. Und während die Zentralisation so die Wirkungen der Akkumulation steigert und beschleunigt, erweitert und beschleunigt sie gleichzeitig die Umwälzungen in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, die dessen konstanten Teil vermehren auf Kosten seines variablen Teils und damit die Nachfrage nach Arbeit verhältnismäßig vermindern.

Die durch die Zentralisation über Nacht zusammengeschweißten Kapitalmassen reproduzieren und vermehren sich wie die anderen, nur rascher, und werden damit zu neuen mächtigen Hebeln der Akkumulation.

Der wachsende Umfang der Einzelkapitale wird zur Grundlage einer beständigen Umwälzung der Produktionsweise selbst. Fortwährend erobert die kapitalistische Produktionsweise Arbeitszweige, die ihr noch gar nicht oder nur teilweise oder nur formell unterworfen sind. Daneben erwachsen auf ihrem Boden neue, ihr von vornherein angehörige Arbeitszweige. Endlich wird in den bereits kapitalistisch betriebenen Arbeitszweigen die Produktivkraft der Arbeit treibhausmäßig gereift. In allen diesen Fällen sinkt die Arbeiterzahl verhältnismäßig zur Masse der von ihr verarbeiteten Produktionsmittel. Ein stets größerer Teil des Kapitals wird in Produktionsmittel umgesetzt, ein stets kleinerer in Arbeitskraft. Mit dem Umfang, der Konzentration und der technischen Wirksamkeit der Produktionsmittel vermindert sich progressiv der Grad, worin sie Beschäftigungsmittel der Arbeiter sind. Ein Dampfpflug ist ein ungleich wirksameres Produktionsmittel als der gewöhnliche Pflug, aber der in ihm ausgelegte Kapitalwert ist ein ungleich geringeres Beschäftigungsmittel, als wenn er in gewöhnlichen Pflügen ausgelegt wäre.

Zunächst ist es gerade die Zufügung von neuem Kapital zu altem, welche den Produktionsprozess auszuweiten und technisch umzuwälzen erlaubt. Bald aber ergreift die veränderte Zusammensetzung und technische Umgestaltung mehr oder minder alles alte Kapital, das ausgedient hat und daher neu ersetzt wird.

Einerseits zieht also das im Fortgang der Akkumulation gebildete Zuschusskapital, verhältnismäßig zu seiner Größe, weniger und weniger Arbeiter an, andererseits stößt das periodisch in anderer Zusammensetzung erneuerte alte Kapital mehr und mehr früher von ihm beschäftigte Arbeiter ab.

Die Steigerung der Produktivkraft und der dadurch verursachte Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals halten nicht nur Schritt mit dem Fortschritt der Akkumulation oder dem Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums. Sie schreiten ungleich schneller, weil die einfache Akkumulation oder die Vermehrung des Gesamtkapitals begleitet ist von der Zentralisation, d. h. von der Zusammenziehung der Einzelkapitale, und weil die technische Umwälzung des neuen Kapitals die gleiche technische Umwälzung des alten nach sich zieht. Mit dem Fortgang der Akkumulation wandelt sich also das Verhältnis des konstanten zum variablen Kapitalteil, wenn es ursprünglich wie 1 : 1 war, in 2 : 1, 3 : 1, 4 : 1, 6 : 1, 7 : 1 usw., sodass, wie das Kapital wächst, statt der Hälfte seines Gesamtwertes nur ⅓, ¼, ⅕, ⅙, ⅛ usw. in Arbeitskraft, dagegen ⅔, ¾, ⅘, ⅚, ⅞ usw. in Produktionsmittel umgesetzt werden. Da die Nachfrage nach Arbeit nicht durch den Umfang des Gesamtkapitals, sondern durch den seines variablen Bestandteils bestimmt ist, fällt sie also progressiv mit dem Wachstum des Gesamtkapitals, statt, wie vorhin unterstellt, verhältnismäßig mit ihm zu wachsen. Sie fällt verhältnismäßig zur Größe des Gesamtkapitals, und umso schneller, je schneller das Gesamtkapital wächst. Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch sein variabler Bestandteil oder die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmendem Verhältnis. Die Zwischenpausen, worin die Akkumulation als bloße Erweiterung der Produktion auf gegebener technischer Grundlage wirkt, verkürzen sich. Nicht nur wird eine in wachsendem Maße beschleunigte Akkumulation des Gesamtkapitals erheischt, um eine zusätzliche Arbeiterzahl oder auch – weil ja auch das alte Kapital sich beständig ändert – die bereits vorhandenen Arbeiter zu beschäftigen. Ihrerseits schlagen diese wachsende Akkumulation und Zentralisation selbst wieder um in eine Quelle neuer Wechsel der Zusammensetzung des Kapitals oder abermalig beschleunigter Abnahme seines variablen Bestandteils verglichen mit seinem konstanten. Da also mit dem Wachstum des Gesamtkapitals dessen variabler Bestandteil verhältnismäßig abnimmt und sogar schneller abnimmt, als das Gesamtkapital wächst, so erweckt dies auf der anderen Seite den Schein, als ob die Arbeiterbevölkerung schneller zunehme als das variable Kapital oder die Mittel sie zu beschäftigen. Infolge der kapitalistischen Akkumulation entsteht daher beständig eine für die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige Arbeiterbevölkerung. Mit der durch sie selbst bewirkten Akkumulation des Kapitals erzeugt die Arbeiterbevölkerung also in wachsendem Umfang die Mittel, sie selbst relativ überzählig zu machen. Es ist dies ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliches Bevölkerungsgesetz, wie in der Tat jede besondere Produktionsweise ihre besonderen, nur für ihre Zeit gültigen Bevölkerungsgesetze hat. Ein für immer gültiges Bevölkerungsgesetz existiert nur für Pflanze und Tier, soweit der Mensch nicht geschichtlich eingreift.

Wenn aber eine Arbeiter-Übervölkerung notwendiges Resultat der Akkumulation oder der Entwicklung des Reichtums auf kapitalistischer Grundlage ist, wird diese Übervölkerung umgekehrt zum Hebel der kapitalistischen Akkumulation, ja zu einer Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie bildet eine verfügbare industrielle Reservearmee, die dem Kapital ganz so absolut gehört, als ob es sie auf seine eigenen Kosten großgezüchtet hätte. Sie schafft für seine wechselnden Verwertungsbedürfnisse das stets zur Ausbeutung bereite Menschenmaterial, unabhängig von den Schranken der wirklichen Bevölkerungszunahme. Mit der Akkumulation und der sie begleitenden Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit wächst die plötzliche Ausdehnungskraft des Kapitals. Die mit dem Fortschritt der Akkumulation überschwellende und in Zusatzkapital verwandelbare Masse des gesellschaftlichen Reichtums drängt sich mit Überschwang in alte Produktionszweige, deren Markt sich plötzlich erweitert, oder in neu eröffnete, wie Eisenbahnen usw., deren Bedürfnis aus der Entwicklung der alten entspringt. In allen solchen Fällen müssen große Menschenmassen plötzlich und ohne sie den anderen Branchen zu entziehen auf die entscheidenden Punkte werfbar sein. Die Übervölkerung liefert sie. Der charakteristische Lebenslauf der modernen Industrie, die Form eines durch kleinere Schwankungen unterbrochenen 10-jährigen Kreislaufs von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Hochdruck, Krise und Stillstand, beruht auf der beständigen Entstehung, größeren oder geringeren Aufsaugung und Wiederentstehung der industriellen Reservearmee oder Übervölkerung.

Dieser eigentümliche Lebenslauf der modernen Industrie, der uns in keinem früheren Zeitalter der Menschheit begegnet, war auch in der Kindheit der kapitalistischen Produktion unmöglich. Die Zusammensetzung des Kapitals aus c und v veränderte sich nur allmählich. Seiner Akkumulation entsprach also im ganzen verhältnismäßiges Wachstum der Arbeitsnachfrage. Langsam wie der Fortschritt seiner Akkumulation war, stieß er auf Naturschranken der verfügbaren Arbeiterbevölkerung, welche nur durch später zu erwähnende Gewaltmittel weggeräumt werden konnten. Die plötzliche und ruckweise Ausdehnung des Umfanges der Produktion ist die Voraussetzung seiner plötzlichen Zusammenziehung; letztere ruft wieder die erstere hervor, aber die erstere ist unmöglich ohne verfügbares Menschenmaterial, ohne eine vom natürlichen Wachstum der Bevölkerung unabhängige Vermehrung von Arbeitern. Sie wird geschaffen durch den einfachen Prozess, der einen Teil der Arbeiter beständig „freisetzt“, durch Methoden, welche die Anzahl der beschäftigten Arbeiter im Verhältnis zur vermehrten Produktion vermindern. Die ganze Bewegungsform der modernen Industrie erwächst also aus der beständigen Verwandlung eines Teils der Arbeiterbevölkerung in unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Hände. Der kapitalistischen Produktion genügt keineswegs das Quantum verfügbarer Arbeitskraft, welches der natürliche Zuwachs der Bevölkerung liefert. Sie bedarf zu ihrem freien Spiel einer von dieser Naturschranke unabhängigen industriellen Reservearmee.

Bisher wurde unterstellt, dass der Zu- oder Abnahme des variablen Kapitals genau die Zu- oder Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl entspricht. Bei gleichbleibender oder selbst verminderter Zahl der von ihm kommandierten Arbeiter wächst jedoch das variable Kapital, wenn der einzelne Arbeiter mehr Arbeit liefert und daher sein Arbeitslohn wächst, obgleich der Arbeitspreis gleich bleibt oder selbst sinkt, nur langsamer als die Arbeitsmasse steigt. Jeder Kapitalist hat das absolute Interesse, ein bestimmtes Arbeitsquantum aus kleinerer, statt ebenso wohlfeil oder selbst wohlfeiler aus größerer Arbeiterzahl auszupressen. In dem letzten Fall wächst die Auslage von konstantem Kapital verhältnismäßig zur Masse der in Fluss gesetzten Arbeit, im ersten Fall viel langsamer. Je größer der Umfang der Produktion, desto entscheidender das Motiv. Seine Wucht wächst mit der Akkumulation des Kapitals.

Man hat gesehen, dass die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und Produktivkraft der Arbeit – zugleich Ursache und Wirkung der Akkumulation – den Kapitalisten befähigt, mit derselben Auslage von variablem Kapital mehr Arbeit durch größere Ausbeutung der einzelnen Arbeitskräfte flüssig zu machen. Man hat ferner gesehen, dass er mit demselben Kapitalwert mehr Arbeitskräfte kauft, indem er immer mehr geschicktere Arbeiter durch ungeschicktere, reife durch unreife, männliche durch weibliche, erwachsene durch jugendliche oder kindliche verdrängt. Einerseits macht also, im Fortgange der Akkumulation, größeres variables Kapital mehr Arbeit flüssig, ohne mehr Arbeiter zu werben, andererseits macht variables Kapital von derselben Größe mehr Arbeit mit derselben Masse Arbeitskraft flüssig und endlich mehr niedere Arbeitskräfte durch Verdrängung höherer.

Die Erzeugung einer relativen Übervölkerung oder die Freisetzung von Arbeitern geht daher noch rascher voran als die ohnehin mit dem Fortschritt der Akkumulation beschleunigte technische Umwälzung des Produktionsprozesses und die entsprechende verhältnismäßige Abnahme des variablen Kapitalteils gegen den konstanten. Im Maß wie die Produktivkraft wächst, steigert das Kapital das Angebot von Arbeit rascher als seine Nachfrage nach Arbeitern. Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Gebote des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teils der Arbeiterklasse zu erzwungenem Müßiggang durch Überarbeit des anderen Teils, und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten und beschleunigt zugleich die Erzeugung der industriellen Reservearmee auf einem dem Fortschritt der Akkumulation entsprechenden Maßstab. Wie wichtig dies Moment in der Bildung der relativen Übervölkerung, beweist z. B. England. Seine technischen Mittel zur „Ersparung“ von Arbeit sind kolossal. Dennoch, würde morgen (1867) allgemein die Arbeit auf ein vernünftiges Maß beschränkt, und für die verschiedenen Schichten der Arbeiterklasse wieder entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandene Arbeiterbevölkerung absolut unzureichend zur Fortführung der Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die große Mehrheit der jetzt „unproduktiven“ Arbeiter müsste in „produktive“ verwandelt werden.

Im Großen und Ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohns ausschließlich reguliert durch die Vergrößerung und Verkleinerung der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Kreislaufs entsprechen. Sie sind also nicht bestimmt durch die Bewegung der absoluten Anzahl der Arbeiterbevölkerung, sondern durch das wechselnde Verhältnis, worin die Arbeiterklasse in aktive Armee und Reservearmee zerfällt, durch die Zunahme und Abnahme der relativen Übervölkerung, durch den Grad, worin sie bald aufgesaugt, bald wieder freigesetzt wird. Für die moderne Industrie mit ihrem 10-jährigen Kreislauf und dessen periodischen Abschnitten (mittlere Lebendigkeit, Hochkonjunktur, Krise, Stockung), die außerdem im Fortgang der Akkumulation durch stets rascher auf einander folgende unregelmäßige Schwankungen durchkreuzt werden, wäre es in der Tat ein schönes Gesetz, welches die Nachfrage und Zufuhr von Arbeit nicht durch die Ausdehnung und Zusammenziehung des Kapitals, also nach seinen jedesmaligen Verwertungsbedürfnissen regelte, sodass der Arbeitsmarkt bald relativ untervoll erscheint, weil das Kapital sich ausdehnt, bald wieder übervoll, weil es sich zusammenzieht, sondern umgekehrt die Bewegung des Kapitals von der absoluten Bewegung der Bevölkerungsmenge abhängig machte. So jedoch sieht die bürgerliche Wissenschaft die Dinge an. Sie hat das Dogma aufgestellt, dass infolge der Kapitalakkumulation der Arbeitslohn steigt. Der erhöhte Arbeitslohn spornt zur rascheren Vermehrung der Arbeiterbevölkerung, und diese dauert fort, bis der Arbeitsmarkt überfüllt ist. Nun sinkt der Arbeitslohn und es kommt die Kehrseite der Medaille. Durch den fallenden Arbeitslohn wird die Arbeiterbevölkerung nach und nach dezimiert, sodass nun wieder die Nachfrage von Seiten des Kapitals überwiegt, oder auch, wie andere es erklären, der fallende Arbeitslohn, der dem Kapital einen größeren Profit lässt, beschleunigt wieder die Akkumulation, während gleichzeitig der niedere Lohn das Wachstum der Arbeiterklasse in Schach hält. So tritt wieder das Verhältnis ein, worin die Arbeitszufuhr niedriger als die Arbeitsnachfrage, der Lohn steigt usw. Eine schöne Bewegungsmethode dies für die entwickelte kapitalistische Produktion! Bevor infolge der Lohnerhöhung irgendein merkliches Wachstum der wirklich arbeitsfähigen Bevölkerung eintreten könnte, wäre die Frist aber und abermals abgelaufen, worin der industrielle Feldzug geführt, die Schlacht geschlagen und entschieden sein muss.

Zwischen 1849 und 1859 trat, zugleich mit fallenden Getreidepreisen, eine (praktisch betrachtet nur nominelle) Lohnerhöhung in den englischen Ackerbaudistrikten ein, z. B. in Wiltshire stieg der Wochenlohn von 7 auf 8 Schillinge, in Dorsetshire von 7 oder 8 auf 9 usw. Es war die Folge des übergewöhnlichen Abflusses der ländlichen Bevölkerung, verursacht durch Kriegsnachfrage, massenhafte Ausdehnung der Eisenbahnbauten, Fabriken, Bergwerke usw. Je niedriger der Arbeitslohn, desto höher drückt sich jedes noch so unbedeutende Steigen in Prozentzahlen aus. Ist der Wochenlohn z. B. 20 Sch. und steigt er auf 22, so macht dies 10 Prozent aus; ist er dagegen nur 7 Sch. und steigt auf 9, so sind das 28&frac47; Prozent, was sehr erklecklich klingt. Jedenfalls heulten die Pächter und schwatzte sogar der London Economist ganz ernsthaft von „einer allgemeinen und wesentlichen Steigerung“ mit Bezug auf diese Hungerlöhne. Was taten nun die Pächter? Warteten sie, bis die Landarbeiter sich infolge dieser brillanten Zahlung so vermehrt hatten, dass ihr Lohn wieder fallen musste? Sie führten mehr Maschinerie ein und im Umsehen waren die Arbeiter wieder „überzählig“ in einem selbst den Pächtern genügenden Verhältnis. Es war jetzt „mehr Kapital“ in der Landwirtschaft angelegt als vorher und in einer produktiveren Form. Damit fiel die Nachfrage nach Arbeit nicht nur relativ, sondern absolut.

Jenes Dogma der bürgerlichen Wissenschaft verwechselt die Gesetze, welche die allgemeine Bewegung des Arbeitslohns regeln, mit den Gesetzen, welche die Arbeiterbevölkerung auf die verschiedenen Produktionszweige verteilen. Wenn z. B. infolge günstiger Konjunktur die Akkumulation in einer bestimmten Branche besonders lebhaft, die Profite hier größer als die Durchschnittsprofite, Zuschusskapital dahin drängt, so steigt natürlich Arbeitsnachfrage und Arbeitslohn. Der höhere Arbeitslohn zieht einen größeren Teil der Arbeiterbevölkerung in die begünstigte Branche, bis sie mit Arbeitskraft gesättigt ist und der Lohn auf die Dauer wieder auf seine frühere Durchschnittshöhe oder darunterfällt, falls der Zudrang zu groß war. Dann hört nicht nur die Einwanderung von Arbeitern in den fraglichen Geschäftszweig auf, sie macht sogar ihrer Auswanderung Platz. Hier glaubt die bürgerliche Wissenschaft zu sehen, „wo und wie“, mit Zunahme des Lohns eine absolute Zunahme von Arbeitern, und mit der absoluten Zunahme der Arbeiter eine Abnahme des Lohns. Aber sie sieht in der Tat nur die lokale Schwankung des Arbeitsmarkts einer besonderen Branche, sie sieht nur Vorgänge der Verteilung der Arbeiterbevölkerung in die verschiedenen Anlagezweige des Kapitals, je nach seinen wechselnden Bedürfnissen.

Die industrielle Reservearmee drückt, während der Perioden des Stillstandes und des mittleren Geschäftsganges auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und des fieberhaft überstürzten Geschäftsganges im Zaum. Die relative Übervölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt. Sie zwängt den Spielraum dieses Gesetzes in die der Ausbeutungsgier und Herrschsucht des Kapitals zusagenden Schranken ein. Der Mechanismus der kapitalistischen Produktion sorgt dafür, dass der Zuwachs von Kapital von keiner entsprechenden Steigerung der allgemeinen Arbeitsnachfrage begleitet ist.

Sobald daher die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, wie es zugeht, dass im selben Maß, wie sie mehr arbeiten, mehr fremden Reichtum produzieren und die Produktivkraft ihrer Arbeit wächst, sogar ihre Beschäftigung immer unsicherer wird, sobald sie entdecken, dass die Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und gar von dem Druck der relativen Übervölkerung abhängt, sobald sie daher durch Gewerkschaften usw. ein planmäßiges Zusammenwirken zwischen Beschäftigten und Unbeschäftigten zu organisieren suchen, um die vernichtenden Folgen jenes Naturgesetzes der kapitalistischen Produktion auf ihre Klasse zu brechen oder zu schwächen, zetert das Kapital und sein Sachwalter, die bürgerliche Wissenschaft, über Verletzung des „ewigen“ und sozusagen „heiligen“ “Gesetzes von Angebot und Nachfrage. Jeder Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten stört nämlich das „reine“ Spiel jenes Gesetzes. Sobald andererseits, in den Kolonien z. B. widrige Umstände die Schöpfung der industriellen Reservearmee und mit ihr die absolute Abhängigkeit der Arbeiterklasse von der Kapitalistenklasse verhindern, rebelliert das Kapital, samt seinem wissenschaftlichen Sachwalter, gegen das „heilige“ Gesetz von Angebot und Nachfrage und sucht ihm durch Zwangsmittel unter die Arme zu greifen.

Die relative Übervölkerung existiert in allen möglichen Schattierungen. Jeder Arbeiter gehört ihr an während der Zeit, wo er halb oder gar nicht beschäftigt ist. Sowohl in den eigentlichen Fabriken wie in allen großen Werkstätten, wo Maschinerie verwandt wird oder auch nur die moderne Teilung der Arbeit durchgeführt ist, braucht man massenhaft männliche Arbeiter bis zur Zurücklegung des Jugendalters. Dieser Termin einmal erreicht, bleibt nur eine sehr geringe Anzahl in denselben Geschäftszweigen verwendbar, während die Mehrzahl regelmäßig entlassen wird. Ein Teil davon wandert aus und reist in der Tat nur dem auswandernden Kapital nach. Eine der Folge ist, dass die weibliche Bevölkerung rascher wächst als die männliche; Beweis: England. Dass der natürliche Zuwachs der Arbeitermasse die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals nicht sättigt und sie dennoch zugleich überschreitet, ist ein Widerspruch seiner Bewegung selbst. Es braucht größere Massen Arbeiter im früheren Alter, geringere im männlichen. Der Widerspruch ist nicht schreiender als der andere, dass über Mangel an Händen geklagt wird zur selben Zeit, wo viele Tausende auf dem Pflaster liegen, weil die Teilung der Arbeit sie an einen bestimmten Geschäftszweig kettet. Der Verbrauch der Arbeitskraft durch das Kapital ist zudem so rasch, dass der Arbeiter von mittlerem Alter sich meist schon mehr oder minder überlebt hat. Er fällt in die Reihen der Überzähligen oder wird von einer höheren auf eine niedrigere Staffel hinabgedrängt. Gerade bei den Arbeitern der großen Industrie stoßen wir auf die kürzeste Lebensdauer.

„Dr. Lee, der Gesundheitsbeamte von Manchester, hat festgestellt, dass in jener Stadt die mittlere Lebensdauer der wohlhabenden Klasse 38, die der Arbeiterklasse nur 17 Jahre ist. In Liverpool beträgt sie 35 Jahre für die erstere, 15 für die zweite. Es folgt also, dass die privilegierte Klasse eine Anweisung aufs Leben hat, mehr als doppelt so groß als die ihrer weniger begünstigten Mitbürger.“ (Eröffnungsrede der Gesundheitskonferenz, zu Birmingham, 15. Januar 1875 von J. Chamberlain, damals Bürgermeister der Stadt, 1883 Handelsminister.)

Sobald sich die kapitalistische Produktion der Landwirtschaft, oder im Grad, worin sie sich derselben bemächtigt hat, nimmt mit der Akkumulation des hier funktionierenden Kapitals die Nachfrage für die ländliche Arbeiterbevölkerung absolut ab. Ein Teil der Landbevölkerung befindet sich daher fortwährend auf dem Sprung, in städtisches oder Manufakturproletariat überzugehen. Diese Quelle der relativen Übervölkerung fließt also beständig. Aber ihr beständiger Fluss nach den Städten setzt auf dem Lande selbst eine fortwährend verborgene Übervölkerung voraus, deren Umfang nur sichtbar wird, sobald sich die Abzugskanäle ausnahmsweise weit öffnen. Der Landarbeiter wird daher auf das Minimum des Lohns herabgedrückt und steht mit einem Fuß stets im Sumpf des Pauperismus (Zustand vollständiger Verarmung und Verkommenheit.)

Dazu kommt ein Teil der aktiven Arbeiterarmee, aber mit durchaus unregelmäßiger Beschäftigung. Sie bietet so dem Kapital einen unerschöpflichen Behälter verfügbarer Arbeitskraft. Ihre Lebenslage sinkt unter die normale Lage der arbeitenden Klasse und gerade dies macht sie zur breiten Grundlage eigener Ausbeutungszweige des Kapitals. Maximum der Arbeitszeit und Minimum des Lohns charakterisieren sie. Hauptsächlich lebt sie von der Hausarbeit. Sie rekrutiert sich fortwährend aus den Überzähligen der großen Industrie und Landwirtschaft, und namentlich auch in untergehenden Industriezweigen, wo der Handwerksbetrieb dem Manufakturbetrieb, letzterer dem Maschinenbetrieb erliegt. Jedoch vermehrt sie sich auch durch eigene Fortpflanzung, stärker als die übrigen Teile der Arbeiterklasse. In der Tat steht nicht nur die Masse der Geburten und Todesfälle, sondern die absolute Größe der Familien im umgekehrten Verhältnis zur Höhe des Arbeitslohns. Dies Gesetz der kapitalistischen Gesellschaft klänge unsinnig unter Wilden oder selbst zivilisierten Kapitalisten.

Es erinnert an die massenhafte Fortpflanzung schwacher und vielgehetzter Tierarten.

Der tiefste Niederschlag der relativen Übervölkerung endlich wird gebildet durch den Pauperismus. Abgesehen von Vagabunden, Verbrechern, Prostituierten, kurz dem eigentlichen Lumpenproletariat, besteht diese Gesellschaftsschicht aus drei Abteilungen. Erstens Arbeitsfähige. Man braucht die Statistik des englischen Pauperismus nur oberflächlich anzusehen und man findet, dass seine Masse mit jeder Krise schwillt und mit jeder Wiederbelebung des Geschäfts abnimmt. Zweitens Waisen und Pauperkinder. Sie sind Kandidaten der industriellen Reservearmee und werden in Zeiten großen Aufschwungs, wie 1860 z. B., rasch und massenhaft in die aktive Arbeiterarmee eingereiht. Drittens Verkommene, Verlumpte, Arbeitsunfähige. Es sind namentlich Personen, die an ihrer durch die Teilung der Arbeit verursachten Unbeweglichkeit untergehen, solche, die über das Normalalter des Arbeiters hinausleben, endlich die Opfer der Industrie, deren Zahl mit gefährlicher Maschinerie, Bergbau, chemischen Fabriken usw. wächst, Verstümmelte, Erkrankte, Witwen usw. Der Pauperismus bildet das Invalidenhaus der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht der industriellen Reservearmee. Seine Schöpfung ist eingeschlossen in der Schöpfung der relativen Übervölkerung, seine Notwendigkeit in ihrer Notwendigkeit, mit ihr bildet er eine Existenzbedingung der kapitalistischen Produktion und Entwicklung des Reichtums. Er gehört zu den Unkosten der kapitalistischen Produktion, die das Kapital jedoch großenteils von sich selbst ab auf die Schultern der Arbeiterklasse und der kleinen Mittelklasse zu wälzen weiß.

Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, je größer deshalb auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die verfügbare Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt, wie die Ausdehnungskraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Quellen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarus-Schicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Produktion. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände abgeändert, deren Untersuchung nicht hierher gehört.

Man begreift die Narrheit der ökonomischen Weisheit, die den Arbeitern predigt, ihre Zahl den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals anzupassen. Der Mechanismus der kapitalistischen Produktion und Akkumulation passt diese Zahl beständig diesen Verwertungsbedürfnissen an. Erstes Wort dieser Anpassung ist die Schöpfung einer relativen Übervölkerung oder industriellen Reservearmee, letztes Wort das Elend stets wachsender Schichten der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht des Pauperismus.

Das Gesetz, wonach eine immer wachsende Masse von Produktionsmitteln, dank dem Fortschritt in der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, mit einer progressiv abnehmenden Ausgabe von Menschenkraft in Bewegung gesetzt werden kann – dies Gesetz drückt sich auf kapitalistischer Grundlage darin aus, dass, je höher die Produktivkraft der Arbeit, desto größer der Druck der Arbeiter auf ihre Beschäftigungsmittel, desto unsicherer also ihre Existenzbedingung: Verkauf der eigenen Kraft zur Vermehrung des fremden Reichtums oder zur Selbstverwertung des Kapitals. Rascheres Wachstum der Produktionsmittel und der Produktivität der Arbeit als der produktiven Bevölkerung drückt sich kapitalistisch also umgekehrt darin aus, dass die Arbeiterbevölkerung stets rascher wächst als das Verwertungsbedürfnis des Kapitals.

Wir sahen im 8. und 9. Kapitel: innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehen sich alle Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Mittel zur Beherrschung und Ausbeutung des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Vorgänge des Arbeitsprozesses, im selben Maße worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Hilfskraft einverleibt wird; sie verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie, verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit, schleudern sein Weib und Kind unter das Juggernautrad des Kapitals. Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, dass im Maße, wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss. Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation im Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum aus der einen Seite ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und Moralischer Herabwürdigung auf der anderen.

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Anmerkung

1. Unter „Proletarier“ ist ökonomisch nichts zu verstehen als der Lohnarbeiter, der Kapital produziert und verwertet und aufs Pflaster geworfen wird, sobald er für die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überflüssig ist.

 


Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024