Julian Borchart

Das Kapital: Zur Kritik der politischen Ökonomie
von Karl Marx

* * *

11. Sinken der Profitrate

(Bd. III, 1, Kapitel 13–15)

Die andauernde relative Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl muss auf die Rate (den Prozentsatz) des Profits eine eigentümliche Wirkung ausüben.

Der Zweck der Maschinen (wie auch der technischen Fortschritte früherer Zeiten) ist, Arbeit zu ersparen. Die gleiche oder sogar eine größere Menge Waren wird von weniger Arbeitern produziert. Die lebendige Arbeit wird ertragreicher, ergiebiger, produktiver. Steigerung der Produktivität, das ist das A und O alles wirtschaftlichen Fortschritts.

Dies bedeutet aber, dass die gleiche Arbeiterzahl eine immer größere Menge von Rohstoffen und Arbeitsmitteln verarbeitet. Wenn z. B. mit Hilfe der Maschine die Arbeiter instandgesetzt werden, 10-mal so viel Baumwollgarn herzustellen wie früher in der gleichen Zeit, so verbrauchen sie auch 10-mal so viel Baumwolle, und der gewaltige und kostbare Körper der Maschine, viel wertvoller als das einfache Handwerkszeug von ehedem, kommt noch hinzu. Mit anderen Worten: jeder wirtschaftliche Fortschritt, im gewaltigsten Maße aber der durch die Maschine erzeugte Fortschritt, steigert die Masse des konstanten Kapitals, welches von einer gegebenen Arbeiterzahl verarbeitet wird. Damit aber verringert er den Prozentsatz des Profits, wie die folgende Tabelle veranschaulicht.

Wir nehmen, der einfachen Rechnung halber, überall eine Mehrwertrate von 100 Prozent an, d. h. wir nehmen an, dass die Arbeit, über den Ersatz des Lohnes hinaus, dem Kapital einen Mehrwert schafft, der genau ebenso groß ist, wie der gezahlte Lohn. Ist nun z. B. v (das variable Kapital, der Arbeitslohn) – 100, und demzufolge m (der Mehrwert) auch = 100, so ergibt dieser Überschuss von 100 m einen ganz anderen Prozentsatz, je nachdem c (das konstante Kapital, die Rohstoffe, Arbeitsmittel usw.) groß oder klein ist.

Kommen auf 100 v

  50 c, dann beträgt das Gesamtkapital  150, wovon die 100 m = 66⅔ %
100 c, dann beträgt das Gesamtkapital 200, wovon die 100 m = 50 %
200 c, dann beträgt das Gesamtkapital 300, wovon die 100 m = 33⅓ %
300 c, dann beträgt das Gesamtkapital 400, wovon die 100 m = 25 %
400 c, dann beträgt das Gesamtkapital 500, wovon die 100 m = 20 %.

Es ist also immer dieselbe Menge Mehrwert, die mit jeder Steigerung des Gesamtkapitals, eine immer kleinere Profitrate ergibt. Die Folge des technischen Fortschritts, wie er am handgreiflichsten bei der Einführung und andauernden Verbesserung der Maschinerie zu Tage tritt, ist also ein allmähliches Anwachsen des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen, und damit ein ebenso allmähliches Sinken der Profitrate. Dieselbe Arbeiterzahl, dieselbe Menge Arbeitskraft, verarbeitet eine stets wachsende Masse Arbeitsmittel, Maschinerie, Roh- und Hilfsstoffe, also ein konstantes Kapital von stets wachsendem Werte.

Diesem wachsenden Werte des konstanten Kapitals entspricht eine fortschreitende Verbilligung des Produkts. Jedes einzelne Stück des Produkts, für sich betrachtet, enthält eine geringere Summe von Arbeit als auf niedrigeren Stufen der Produktion. Die fortschreitende Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit. Es ist damit nicht gesagt, dass die Profitrate nicht auch aus anderen Gründen vorübergehend fallen kann, aber es ist damit aus dem Wesen der kapitalistischen Produktionsweise als eine selbstverständliche Notwendigkeit bewiesen, dass in ihrem Fortschritt die allgemeine Durchschnittsrate des Mehrwerts sich in einer fallenden allgemeinen Profitrate ausdrücken muss.

Da die Masse der angewandten lebendigen Arbeit stets abnimmt im Verhältnis zu der Masse der von ihr in Bewegung gesetzten Produktionsmittel, so muss auch der Teil dieser lebendigen Arbeit, der unbezahlt ist und sich in Mehrwert vergegenständlicht, in einem stets abnehmenden Verhältnis stehen zum Werte des angewandten Gesamtkapitals.

Das Gesetz des fortschreitenden Falls der Profitrate schließt in keiner Weise aus, dass die absolute Masse der vom Kapital in Bewegung gesetzten und ausgebeuteten Arbeit, daher auch die absolute Masse der von ihm angeeigneten Mehrarbeit wächst. Steigt z. B. in einem Lande die Zahl der beschäftigten Arbeiter von 2 auf 3 Millionen und steigt damit zugleich der an sie bezahlte Arbeitslohn (das variable Kapital) von 2 auf 3 Millionen, so wächst auch die Masse der Mehrarbeit und des Mehrwerts um die Hälfte. Wenn aber gleichzeitig die Produktivkraft der Arbeit derart zunimmt, dass die von ihnen verarbeiteten Produktionsmittel (das konstante Kapital) von 4 auf 15 Millionen steigen, so würde nichts desto weniger die an sich gewachsene Masse des Mehrwerts im Verhältnis zum Gesamtkapital kleiner sein als zuvor. Wir hätten

im ersten Fall   4 c + 2 v =   6; 2 m = 33⅓ % Profit,
im zweiten Fall 15 c + 3 v = 18; 3 m = 16⅔ % Profit.

Während die Mehrwertmasse um die Hälfte gestiegen, ist die Profitrate auf die Hälfte der früheren gefallen. Die absolute Größe des Profits, seine Gesamtmasse, wäre also um 50 Prozent gewachsen, trotz enormer Abnahme im Verhältnis dieser Profitmasse zum vorgeschossenen Gesamtkapital, oder trotz der enormen Abnahme in der allgemeinen Profitrate. Die Anzahl der vom Kapital angewandten Arbeiter, also die von ihnen geleistete Arbeit und Mehrarbeit und damit die Masse des Mehrwerts kann also wachsen und progressiv wachsen, trotz des progressiven Falls der Profitrate. Dies kann aber nicht nur, sondern es muss sogar der Fall sein – vorübergehende Schwankungen abgerechnet – auf Basis der kapitalistischen Produktion.

Wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll, erfordert der kapitalistische Betrieb – und zwar gerade wegen des Sinkens der Profitrate – andauernde Erweiterung, Arbeitsprozesse auf steigend größerer Stufenleiter und dementsprechend steigende Kapitalvorschüsse für jedes einzelne Etablissement. So versteht es sich für die einzelnen Kapitalisten, dass sie überwachsend große Arbeiterarmeen kommandieren, dass die Masse des von ihnen angeeigneten Mehrwerts wächst, gleichzeitig mit und trotz dem Fall der Profitrate. Dieselben Ursachen, die Massen von Arbeiterarmeen unter dem Kommando einzelner Kapitalisten zusammenführen, sind es ja gerade, die auch die Masse des angewandten fixen Kapitals wie der Roh- und Hilfsstoffe in wachsender Proportion anschwellen gegenüber der angewandten lebendigen Arbeit.

Das Gesetz, dass der durch Entwicklung der Produktivkraft verursachte Fall der Profitrate begleitet ist von einer Zunahme in der Profitmasse, drückt sich auch darin aus, dass der Fall im Preis der Waren begleitet ist von einer relativen Steigerung der in ihnen enthaltenen und durch ihren Verkauf realisierten Profitmassen.

Da die Entwicklung der Produktivkraft ein stets größeres Quantum Produktionsmittel durch ein stets geringeres Quantum Arbeit in Bewegung fetzt, enthält jeder einzelne Teil des Gesamtprodukts, jede einzelne Ware weniger Arbeit. Der Preis der einzelnen Ware fällt daher. Aber es werden insgesamt um so viel mehr Waren produziert. An der Oberfläche zeigt sich also: Fallen der Profitmasse auf die einzelne Ware, Fallen ihres Preises, Wachsen der Profitmasse auf die vermehrte Gesamtzahl der Waren, die das Gesamtkapital der Gesellschaft oder auch der einzelne Kapitalist produziert. Es wird dies dann so aufgefasst, dass der Kapitalist aus freiem Belieben weniger Profit auf die einzelne Ware schlägt, aber sich entschädigt durch die größere Anzahl Waren, die er produziert.

Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte selbst nur in den letzten 30 Jahren (vor 1867) betrachtet, wenn man namentlich die enorme Masse von fixem Kapital betrachtet, das außer der eigentlichen Maschinerie angewandt wird, so erscheint es erstaunlich, dass die Profitrate nicht bedeutend schneller und mehr gesunken ist, als es tatsächlich der Fall war. Es müssen entgegenwirkende Einflüsse im Spiel sein. Die wichtigsten dieser Einflüsse sind folgende.

Natürlich versuchen die Kapitalisten dem Fall der Profitrate ein Gegengewicht zu bieten durch stärkere Ausbeutung der Arbeitskraft. Aus dem einzelnen Arbeiter soll mehr Leistung und dadurch mehr Wert herausgeholt werden durch Verlängerung der täglichen Arbeitszeit und schärfere Anspannung seiner Kräfte. Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, wie die Maschine die Möglichkeit dazu bietet. Indessen liegt auf der Hand, dass das doch nur bis zu einer gewissen, nicht sehr fernen Grenze geht. Zwei Arbeiter, die 12 Stunden täglich arbeiten, können nicht dieselbe Masse Mehrwert liefern wie 24, die jeder nur zwei Stunden arbeiten, selbst wenn sie von der Luft leben könnten und gar keinen Lohn bekämen. Dieses Mittel kann daher den Fall der Profitrate wohl hemmen, aber nicht aufheben.

Ein weiteres Mittel, die Ausbeutung der Arbeit und damit die Menge Mehrwert, die aus jedem einzelnen der verringerten Arbeiterzahl herausgeholt wird, zu steigern, ist die Herabdrückung des Arbeitslohns unter den Wert der Arbeitskraft. Dies ist in der Tat eine der bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall der Profitrare aufhalten.

Sodann wirkt der Umstand entgegen, dass der Wert des konstanten Kapitals nicht ebenso schnell wächst wie seine Menge. Z. B. die Baumwollmasse, die ein einzelner europäischer Spinnarbeiter in einer modernen Fabrik verarbeitet, ist gewachsen im kolossalsten Verhältnis zu dem, was ein europäischer Spinner früher mit dem Spinnrad verarbeitete. Aber der Wert der verarbeiteten Baumwolle ist nicht in demselben Verhältnis gewachsen. Ebenso mit den Maschinen und anderem fixen Kapital.

Das wichtigste Mittel endlich, um der Abnahme des Profits und damit dem drohenden Untergang zu entgehen, ist die unaufhörliche Vergrößerung des Kapitals. Wenn durch den wirtschaftlichen Fortschritt die Profitrate von 20 auf 10 Prozent gesenkt wird, so ist zwar nichts dagegen zu machen, dass aus 100 Kapital fortan nur 10 Mehrwert zu ziehen sind. Aber für den einzelnen Kapitalisten kann die Sache dadurch wett gemacht werden, dass er sein Kapital verdoppelt. Da er nun überall 200 statt 100 anwendet, so bleibt die Menge seines Profits auf der alten Höhe. Er kann sie sogar steigern, wenn er das Kapital noch mehr vergrößert.

Die andauernde Vergrößerung, Anhäufung, Akkumulation des Kapitals spielt deshalb eine wichtige Rolle. Sie ist jetzt zu betrachten.

 


Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024