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(Bd. 1, Kapitel 13, Nr. 3–10)
Sofern die Maschinerie Muskelkraft entbehrlich macht, wird sie zum Mittel, Arbeiter ohne Muskelkraft oder von unreifer Körperentwicklung, aber größerer Geschmeidigkeit der Glieder anzuwenden. Weiber- und Kinderarbeit war daher das erste Wort der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie! Dies gewaltige Ersatzmittel von Arbeit und Arbeitern wurde damit sofort ein Mittel, die Zahl der Lohnarbeiter zu vermehren durch Einreihung aller Mitglieder der Arbeiterfamilie, ohne Unterschied von Geschlecht und Alter, unter die unmittelbare Botmäßigkeit des Kapitals. Die Zwangsarbeit für den Kapitalisten verdrängte nicht nur das Kinderspiel, sondern auch die freie Arbeit im häuslichen Kreis, innerhalb sittlicher Schranke, für die Familie selbst. [1]
Der Wert der Arbeitskraft war bestimmt nicht nur durch die zur Erhaltung des erwachsenen Arbeiters, sondern auch durch die zur Erhaltung seiner Familie nötige Arbeitszeit. Indem die Maschinerie alle Glieder der Arbeiterfamilie zur Arbeit heranzieht, entwertet sie die Arbeitskraft des Mannes. Eine ganze Familie von z. B. vier Arbeitskräften kostet vielleicht mehr als früher die Arbeitskraft des Mannes allein, aber dafür treten vier Arbeitstage an die Stelle von einem. Vier müssen nun nicht nur Arbeit, sondern Mehrarbeit für das Kapital liefern, damit eine Familie lebe. Im Jahre 1845 teilte ein englischer Schriftsteller mit: „Die Zunahme der Arbeiterzahl ist groß gewesen, weil immer mehr Männer durch Frauen, und insbesondere Erwachsene durch Kinder ersetzt wurden. Drei Mädchen von 13 Jahren, mit Löhnen von 6–8 Schilling die Woche haben den einen Mann in reifem Alter ersetzt, der zwischen 18 und 45 Schilling bekam.“ Da gewisse Funktionen der Familie, z. B. Warten und Säugen der Kinder usw. nicht ganz unterdrückt werden können, müssen die vom Kapital mit Beschlag belegten Familienmütter mehr oder minder Stellvertreter dingen. Die Arbeiten, welche der Familienkonsum erheischt, wie Nähen, Flicken usw. müssen durch Kauf fertiger Waren ersetzt werden. Die Verminderung der häuslichen Arbeit zwingt also zu vermehrter Geldausgabe. Die Unterhaltungskosten der Arbeiterfamilie wachsen daher und gleichen die Mehreinnahmen aus. Es kommt hinzu, dass Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit in Vernutzung und Bereitung der Lebensmittel unmöglich werden [2]
Auch die Form des Kontrakts zwischen Arbeiter und Kapitalist ändert sich, seit das Kapital Unmündige und Halbmündige kauft. Früher verkaufte der Arbeiter seine eigene Arbeitskraft, worüber er als formell freie Person verfügte. Jetzt verkauft er Weib und Kind; er wird Sklavenhändler. Die Nachfrage nach Kinderarbeit gleicht oft auch in der Form der Nachfrage nach Negersklaven, wie man sie in amerikanischen Zeitungsinseraten zu lesen gewohnt war. Noch in den jüngsten (1864–1866) Berichten der „Kinderarbeit-Kommission“ findet man wahrhaft empörende und durchaus sklavenhändlerische Züge der Arbeitereltern mit Bezug auf den Kinderschacher.
Eine Folge der auf solche Weise bewirkten Zersetzung des Familienlebens ist die ungeheure Sterblichkeit von Arbeiterkindern in ihren ersten Lebensjahren. In England gibt es 16 Bezirke, wo im jährlichen Durchschnitt auf 100.000 lebende Kinder unter einem Jahr nur 9.000 Todesfälle kommen (in einem Bezirk sogar nur 7.000),
in 24 Bezirken |
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zwischen 10.000 und 11.000 |
in 39 Bezirken |
zwischen 11.000 und 12.000 |
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in 48 Bezirken |
zwischen 12.000 und 13.000 |
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in 22 Bezirken |
zwischen 20.000 und 21.000 |
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in 25 Bezirken |
zwischen 21.000 und 22.000 |
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in 17 Bezirken |
zwischen 22.000 und 23,000 |
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in 11 Bezirken |
zwischen 23.000 und 24.000 |
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in Hoo |
} |
zwischen 24.000 und 25.000 |
in Nottingham |
} |
zwischen 25,000 und 26.000 |
in Wisbeach |
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26.000 |
in Manchester |
26.125 [3] |
Wie eine amtliche ärztliche Untersuchung im Jahre 1861 nachwies, ist, von örtlichen Zufälligkeiten abgesehen, die hohe Sterblichkeit der Säuglinge vorzugsweise der außerhäuslichen Beschäftigung der Mütter geschuldet und der daher entspringenden Vernachlässigung und Misshandlung der Kinder, u.&nsbp;a. unpassender Nahrung, Mangel an Nahrung, Fütterung mit Opiaten usw.; dazu kommt die natürliche Entfremdung der Mütter gegen ihre Kinder, im Gefolge davon absichtliche Aushungerung und Vergiftung. In solchen ländlichen Bezirken, „wo die weibliche Beschäftigung minimal ist, ist dagegen die Sterblichkeit (der Säuglinge) am niedrigsten.“ (Derselbe Bericht, Seite 454.)
Die aus der kapitalistischen Ausbeutung der Weiber- und Kinderarbeit entspringende moralische Verkümmerung ist von F. Engels in seiner Lage der arbeitenden Klassen Englands und von anderen Schriftstellern so erschöpfend dargestellt worden, dass ich hier nur daran erinnere. Die geistige Verödung aber, künstlich hervorgerufen durch die Ausnutzung unreifer Menschen als bloße Maschinen zur Fabrikation von Mehrwert, und sehr zu unterscheiden von jener naturwüchsigen Unwissenheit, welche den Geist in Brache legt ohne Verderb seiner Entwicklungsfähigkeit, seiner natürlichen Fruchtbarkeit selbst, zwang endlich sogar das englische Parlament, in allen dem Fabrikgesetz unterworfenen Industrien den Volksschulunterricht zur gesetzlichen Bedingung für die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren zu machen. Der Geist des Kapitalismus leuchtet hell aus der liederlichen Abfassung der sogenannten Erziehungsklauseln des Fabrikgesetzes, aus dem Mangel geeigneter Verwaltungsorgane zu ihrer Durchführung, aus dem Widerstand der Fabrikanten selbst gegen dieses Unterrichtsgesetz und aus ihren praktischen Kniffen und Schlichen zu seiner Umgehung. Am 30. Juni 1857 berichtet der englische Fabrikinspektor Leonhard Horner: Das Gesetz „bestimmt nichts, außer dass die Kinder drei Stunden per Tag innerhalb der vier Wände eines Platzes, Schule benannt, eingeschlossen werden sollen, und dass der Beschäftiger der Kinder hierüber wöchentlich eine Bescheinigung von einer Person erhalten muss, die sich als Schullehrer oder Schullehrerin mit ihrem Namen unterzeichnet.“ Vor dem Erlass des verbesserten Fabrikgesetzes von 1844 waren solche Bescheinigungen nicht selten mit einem Kreuz unterzeichnet, weil der Schulmeister oder die Schulmeisterin selbst nicht schreiben konnten.
„Es sind jedoch“, berichtet Leonhard Horner am 31. Oktober 1856, „nicht nur solche Jammerhöhlen, worin die Kinder Schulscheine, aber keinen Unterricht erhalten; denn in vielen Schulen, wo der Lehrer fähig ist, scheitern seine Bemühungen fast ganz an dem sinnverwirrenden Knäuel von Kindern aller Alter, aufwärts von Dreijährigen. Seine Einkünfte, elend im besten Fall, hängen ganz von der Zahl der Pence ab, und diese von der größten Anzahl Kinder, die es möglich ist in ein Zimmer zu stopfen. Dazu Mangel an Schulmöbeln, Mangel an Büchern und anderem Lehrmaterial und die niederschlagende Wirkung einer stinkigen und ekelhaften Luft auf die armen Kinder selbst. Ich war in vielen solchen Schulen, wo ich ganze Reihen Kinder sah, die absolut nichts taten; und dies wird als Schulbesuch bescheinigt, und diese Kinder zählen in der amtlichen Statistik als solche, die Unterricht genossen haben.“
Als Beispiel der Hinterhältigkeit, womit das Kapital dem Gesetz ein Schnippchen schlägt, sei noch folgende Stelle aus dem Bericht des englischen Fabrikinspektors A. Nedgrave vom 30. Juni 1857 angeführt: Nach den Bestimmungen des Gesetzes für Kattundruckereien und ähnliche Betriebe „muss jedes Kind, bevor es in einer solchen Druckerei beschäftigt wird, während der 6 Monate, die dem ersten Tag seiner Beschäftigung unmittelbar vorausgehen, mindestens 30 Tage lang und nicht weniger als 150 Stunden eine Schule besucht haben. Solange es in der Druckerei beschäftigt wird, muss es ebenfalls jedes Mal innerhalb 6 Monaten 30 Tage lang 150 Stunden die Schule besuchen. Und zwar muss der Schulbesuch zwischen 8 Uhr morgens und 6 Uhr nachmittags stattfinden und darf nicht weniger als 2½ Stunden und nicht mehr als 5 Stunden an einem Tage betragen.“ Wie führte nun das Kapital diese gesetzlichen Bestimmungen aus?
„Gewöhnlich gehen die Kinder 30 Tage hintereinander, vormittags und nachmittags, 5 Stunden jeden Tag zur Schule, und wenn die 30 Tage um sind, sodass die vorgeschriebene Summe von 150 Stunden erreicht ist – wenn sie, in ihrer eigenen Sprache zu reden, ihr Buch abgemacht haben – kehren sie zur Druckerei zurück und werden 6 Monate lang in der Schule nicht mehr gesehen, bis ein neuer Abschlagstermin für den Schulbesuch fällig wird, und dann bleiben sie wieder in der Schule, bis das Buch wieder abgemacht ist ... Sehr viele Jungen, welche auf diese Weise die vorschriftsmäßigen 150 Schulstunden abmachen, sind bei ihrer Rückkehr aus dem 6-monatlichen Aufenthalt in der Druckerei gerade so weit wie im Anfang ... Sie haben alles wieder verloren, was sie durch den früheren Schulbesuch gewonnen hatten. In anderen Kattundruckereien wird der Schulbesuch ganz und gar von den Bedürfnissen des Betriebes abhängig gemacht. Die vorgeschriebene Stundenzahl wird während jeder 6 Monatsperiode durch gelegentliche Abschlagszahlungen von 3 bis 5 Stunden vollgemacht, die vielleicht über die ganzen 6 Monate zerstreut sind. Das Kind kommt z. B. an einem Tage von 8 bis 11 Uhr morgens zur Schule, am nächsten Tage von 1 bis 4 Uhr nachmittags, dann bleibt es eine Reihe von Tagen weg und erscheint plötzlich wieder von 3 bis 6 Uhr nachmittags; nun kommt es vielleicht 3 oder 4 Tage hintereinander, oder auch eine ganze Woche, um dann wieder für 3 Wochen oder einen ganzen Monat zu verschwinden, und hinterher in einigen Abfallstunden, wo die Fabrik es zufällig nicht braucht, aufs Neue die Schule zu besuchen; und so wird das Kind sozusagen zwischen Schule und Fabrik hin- und hergepufft, bis die Summe von 150 Stunden erreicht ist.“
Durch den überwiegenden Zusatz von Kindern und Weibern zum
Arbeitspersonal bricht die Maschinerie endlich den Widerstand, den
der männliche Arbeiter in der Manufaktur der Despotie des
Kapitals noch entgegensetzte.
Wenn die Maschinerie das gewaltigste Mittel ist, die Produktivität der Arbeit zu steigern, d. h. die zur Produktion einer Ware nötige Arbeitszeit zu verkürzen, wird sie als Träger des Kapitals zum gewaltigsten Mittel, den Arbeitstag über jede naturgemäße Schranke hinaus zu verlängern. Sie schafft einerseits neue Bedingungen, welche das Kapital befähigen, dieser seiner beständigen Tendenz die Zügel frei schießen zu lassen, andererseits neue Motive zur Wetzung seines Heißhungers nach fremder Arbeit.
Die Maschine läuft von selbst, ihre Bewegung und Werktätigkeit ist vom Arbeiter unabhängig. Sie könnte ununterbrochen weiterlaufen, würde nicht die Körperschwäche und der Eigenwille ihrer menschlichen Gehilfen hindernd im Wege stehen. Deren Widerstand so weit wie möglich einzudämmen, ist daher das Streben des Kapitals. Dieser ist ohnehin vermindert durch die scheinbare Leichtigkeit der Arbeit an der Maschine und durch die größere Fügsamkeit und Biegsamkeit der Weiber und Kinder.
Je länger die Maschine funktioniert, desto größer die Warenmasse, die sie anfertigt, und desto kleiner der Wertteil, den sie jeder einzelnen Ware zufügt. Grund genug für das Kapital, ihre Tätigkeit an jedem einzelnen Tage so weit wie irgend möglich auszudehnen.
Der Verschleiß der Maschine entspricht keineswegs mathematisch genau ihrer Benutzungszeit. Und selbst wenn es so wäre, leistet eine Maschine, die 7½ Jahre lang täglich 16 Stunden dient, ebenso viel und setzt dem Gesamten von ihr erzeugten Produkt keinen größeren Wert zu als dieselbe Maschine, wenn sie 15 Jahre lang nur 8 Stunden täglich dient. Im ersteren Fall aber wäre der Wert der Maschine doppelt so rasch in Geld umgesetzt als im letzteren, und der Kapitalist hätte in 7½ Jahren so viel Mehrarbeit eingeschluckt wie sonst in 15.
Die Maschine verschleißt nicht nur durch ihren Gebrauch, sondern auch wenn sie stillsteht, wie ein untätiges Schwert in der Scheide verrostet. Die Elemente nagen dann an ihr, und dieser Verschleiß steht zu gewissem Grad in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem Gebrauch: je länger sie still steht, desto mehr zehren die Elemente an ihr.
Daneben jedoch ist die Maschine auch einem sozusagen moralischen Verschleiß ausgesetzt. Es können Maschinen derselben Konstruktion wohlfeiler hergestellt werden, oder es können bessere Maschinen konkurrierend neben sie treten. Beides verringert ihren Tauschwert. In beiden Fällen ist ihr Wert, so jung und lebenskräftig sie sonst noch sein mag, nicht mehr bestimmt durch die tatsächlich in ihr selbst vergegenständlichte Arbeitszeit, sondern nur noch durch diejenige Arbeit, welche jetzt die Herstellung einer gleichen oder besseren Maschine erfordert.
Sie ist daher mehr oder minder entwertet. Je schneller ihr Gesamtwert auf das Produkt übertragen, je schneller die Maschine verbraucht wird, desto geringer ist die Gefahr dieses moralischen Verschleißes; und je länger der Arbeitstag, desto schneller wird sie aufgebraucht. Bei der ersten Einführung der Maschinerie in irgendeinen Produktionszweig folgen Schlag auf Schlag neue Methoden zu ihrer wohlfeileren Herstellung, und Verbesserungen, die nicht nur einzelne Teile oder Apparate, sondern ihre ganze Konstruktion ergreifen. In ihrer ersten Lebensperiode wirkt daher dies besondere Motiv zur Verlängerung des Arbeitstages am kräftigsten. [4]
Will der Kapitalist ohne Verlängerung des Arbeitstages die doppelte Arbeiterzahl anwenden und Mehrwert aus ihnen ziehen, so muss er das in Maschinerie und Baulichkeiten ausgelegte Kapital ebenso wohl verdoppeln wie das in Rohmaterial, Hilfsstoffen usw. ausgelegte. Mit verlängertem Arbeitstag dehnt sich der Umfang der Produktion, ohne dass das in Maschinerie und Baulichkeiten ausgelegte Kapital vergrößert zu werden braucht. Zwar gilt dies mehr oder minder für jede Verlängerung des Arbeitstages, fällt aber bei Maschinenanwendung entscheidender ins Gewicht, weil hier der in Arbeitsmitteln angelegte Kapitalteil überhaupt mehr ins Gewicht fällt. „Wenn“, belehrte im Jahre 1837 Herr Ashworth, ein großer englischer Baumwollfabrikant, den Professor der Nationalökonomie Nastan W. Senior, „wenn ein Ackermann seinen Spaten niederlegt, macht er für diese Zeit ein Kapital von 18 Pence (ca. 1½ M) nutzlos. Wenn einer von unseren Leuten (d. h. den Fabrikarbeitern) die Fabrik verlässt, macht er ein Kapital nutzlos, das 100.000 Pfund Sterling (ca. 2 Millionen M) gekostet hat.“ Man denke nur! Ein Kapital, das 100.000 Pfund Sterling gekostet hat, auch nur für einen Augenblick „nutzlos“ zu machen!Es ist in der Tat himmelschreiend, dass einer unserer Leute überhaupt jemals die Fabrik verlässt! Der wachsende Umfang der Maschinerie macht, wie der von Ashworth belehrte Senior einsieht, eine stets wachsende Verlängerung des Arbeitstags „wünschenswert.“
Bei der ersten noch vereinzelten Einführung der Maschine in einen Industriezweig steht der gesellschaftliche Wert des Maschinenprodukts über seinem individuellen Wert; d. h. das Maschinenprodukt erfordert weniger Arbeit als das Produkt der Konkurrenz, die noch ohne Maschinen arbeitet, der Wert bestimmt sich aber nach der „gesellschaftlich notwendigen“ Arbeit, das ist in diesem Fall die größere Arbeit, die ohne Maschinen notwendig ist. Folglich kann das Maschinenprodukt weit über seinem eigenen Wert verkauft werden; während dieser Übergangsperiode, worin der Maschinenbetrieb eine Art Monopol bleibt, sind daher die Gewinne außerordentlich und der Kapitalist sucht diese „erste Zeit der jungen Liebe“ gründlichst auszubeuten durch möglichste Verlängerung des Arbeitstages. Die Größe des Gewinns wetzt den Heißhunger nach mehr Gewinn.
Dieser Extragewinn hört auf, sobald die Maschinerie im selben Produktionszweig allgemein eingeführt ist, und dann macht sich das Gesetz geltend, dass der Mehrwert nicht aus den Arbeitskräften entspringt, welche der Kapitalist durch die Maschine ersetzt hat, sondern umgekehrt aus denen, welche er an ihr beschäftigt. Der Mehrwert entspringt nur aus dem variablen Teil des Kapitals, d. h. aus der lebendigen Arbeit; er muss mithin umso größer sein, je mehr lebendige Arbeit das Kapital anwendet, und mit der Verringerung der lebendigen Arbeit muss er abnehmen. Nun aber ist es doch gerade der Zweck der Maschine, lebendige Arbeit zu verdrängen und zu ersetzen. Die Maschinerie steigert die Produktivkraft, sie verwohlfeilert das Produkt, indem sie es mit weniger Arbeit erzeugt, sie verringert dadurch die Kosten des Lebensunterhalts und folglich den Wert der Arbeitskraft. Aber das alles erreicht sie doch nur, indem sie die Anzahl der von einem gegebenen Kapital beschäftigten Arbeiter vermindert, oder mit anderen Worten: indem sie einen Teil des Kapitals, der früher variabel war (d. h. lebendige Arbeitskraft bezahlte), zu Maschinen verwendet, zu konstantem Kapital, das keinen Mehrwert produziert. Machen wir uns das an einem Beispiel anschaulich. Ein Kapital von 100 (z. B. 100.000 M) musste vor Einführung der Maschine vielleicht zu 40 Prozent zum Ankauf von Werkzeug und Rohstoffen dienen, während für 60 Prozent Arbeiter beschäftigt wurden. Nun kommt die Maschine und verdreifacht die Produktivität. Jetzt werden nur noch 20 Prozent des Kapitals zur Besoldung von Arbeitern verwandt, ⅔ der bisher beschäftigten Arbeiter werden entlassen, das früher zu ihrer Entlohnung verwandte Kapital dient jetzt zum Ankauf der Maschine und der größeren Mengen Rohmaterial, welche die Maschine verarbeitet.
Es ist aber unmöglich, aus der verringerten Anzahl Arbeiter ebenso viel Mehrwert auszupressen wie früher aus der größeren, z. B. aus zwei Arbeitern so viel wie aus 24. Wenn jeder der 24 Arbeiter auf 12 Stunden nur eine Stunde Mehrarbeit liefert, liefern sie zusammen 24 Stunden Mehrarbeit, während die zwei Arbeiter insgesamt nur 24 Stunden arbeiten. Es liegt also in der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie (d. h. in ihrer Anwendung zu dem Zweck, Mehrwert zu erzeugen) ein innerer Widerspruch. Sie kann den Mehrwert aus der einen Seite durch Senkung des Wertes der Arbeitskraft nur dadurch erhöhen, dass sie ihn auf der anderen Seite durch Verminderung der beschäftigten Arbeiter verkleinert. Und es ist dieser Widerspruch, der das Kapital, ohne dass es sich dessen bewusst wäre, zur gewaltsamsten Verlängerung des Arbeitstages treibt, um die Abnahme der Arbeiterzahl durch Zunahme der Mehrarbeit jedes Beschäftigten auszugleichen.
Wenn also die kapitalistische Anwendung der Maschinerie einerseits neue mächtige Motive zur maßlosen Verlängerung des Arbeitstages schafft und die Arbeitsweise in einer Art umwälzt, die den Widerstand der Arbeiter bricht, schafft sie andererseits – teils durch Einstellung der Weiber und Kinder, teils durch Freisetzung der von der Maschine verdrängten Arbeiter – eine überflüssige Arbeiterbevölkerung, die sich das Gesetz vom Kapital diktieren lassen muss. Daher die merkwürdige Tatsache in der Geschichte der modernen Industrie, dass die Maschine alle sittlichen und natürlichen Schranken des Arbeitstages über den Haufen wirft. Daher der auffallende Widerspruch, dass das gewaltigste Mittel zur Verkürzung der Arbeitszeit in das unfehlbarste Mittel umschlägt, die ganze Lebenszeit des Arbeiters und seiner Familie in Arbeitszeit für die Verwertung des Kapitals zu verwandeln. [5] Seit der Geburt der großen Industrie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erfolgte eine lawinenartig gewaltsame und maßlose Überstürzung in der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit. Jede Schranke von Sitte und Natur, Alter und Geschlecht, Tag und Nacht, wurde zertrümmert. Selbst die Begriffe von Tag und Nacht verschwommen so sehr, dass ein englischer Richter noch 1860 wahrhaft talmudistischen Scharfsinn aufbieten musste, um „urteilskräftig“ zu erklären, was Tag und Nacht sei. Das Kapital feierte seine Orgien.
„Die Tatsache ist, dass vor dem Fabrikgesetz von 1833 Kinder und junge Personen abgearbeitet wurden die ganze Nacht, den ganzen Tag oder beide nach Belieben.“ (Bericht der englischen Fabrikinspektoren 30. April 1860, S. 51)
Werfen wir jetzt [6] den Blick auf einige Produktionszweige, wo die Aussaugung der Arbeitskraft entweder noch heute (1863–1865) fesselfrei ist oder es gestern noch war.
„Herr Broughton, ein Friedensrichter, erklärte als Präsident einer Versammlung, abgehalten in der Stadthalle von Nottingham am 14. Januar 1860, dass in dem mit der Spitzenfabrikation beschäftigten Teile der städtischen Bevölkerung ein der übrigen zivilisierten Welt unbekannter Grad von Leid und Entbehrung vorherrscht ... Um 2, 3, 4 Uhr morgens werden Kinder von 9–10 Jahren ihren schmutzigen Betten entrissen und gezwungen, für den nackten Unterhalt bis 10, 11, 12 Uhr nachts zu arbeiten, während ihre Glieder wegschwinden, ihre Gestalt zusammenschrumpft, ihre Gesichtszüge abstumpfen und ihr menschliches Wesen ganz und gar in steinähnliche Erstarrung versinkt, deren bloßer Anblick schauderhaft ist ... Was soll man denken von einer Stadt, die eine öffentliche Versammlung abhält, um zu petitionieren, dass die Arbeitszeit für Männer täglich auf 18 Stunden beschränkt werden solle!“ (Aus der Londoner Zeitung Daily Telegraph vom 14. Januar 1860.)
Die Töpferei von Staffordshire ist während der letzten 22 Jahre (vor 1860) dreimal durch parlamentarische Kommissionen untersucht worden. Aus den Berichten von 1860 und 1863 seien einige Zeugenaussagen der beschäftigten Kinder selbst entlehnt. Von den Kindern mag man auf die Erwachsenen schließen, namentlich Mädchen und Frauen, und zwar in einer Industrie, woneben Baumwollspinnerei als ein sehr angenehmes und gesundes Geschäft erscheint.
Wilhelm Wood, 9-jährig, „war 7 Jahre 10 Monate alt, als er zu arbeiten begann.“ Er trug die fertig geformte Ware in die Trockenstube, um nachher die leere Form zurückzubringen. Er kommt jeden Tag in der Woche um 6 Uhr morgens und hört auf ungefähr 9 Uhr abends. „Ich arbeite bis 9 Uhr abends jeden Tag in der Woche, so z. B. während der letzten 7–8 Wochen.“ Also 15-stündige Arbeitszeit für ein 9jähriges Kind! J. Murray, ein 12jähriger Knabe, sagt aus:
„Ich trage Formen und drehe das Rad. Ich komme um 6 Uhr, manchmal um 4 Uhr morgens. Ich habe während der ganzen letzten Nacht bis diesen Morgen 8 Uhr gearbeitet. Ich war nicht im Bett seit der letzten Nacht. Außer mir arbeiteten 8 oder 9 andere Knaben die letzte Nacht durch. Alle außer einem sind diesen Morgen wiedergekommen. Ich bekomme wöchentlich 3 Sh. 6 P. (ungefähr 3,55 M). Ich bekomme nicht mehr, wenn ich die ganze Nacht durcharbeite. Ich habe in der letzten Woche zwei Nächte durchgearbeitet.“
Dr. Greenhow erklärt die Lebenszeit in den Töpfergegenden von Stoke-upon-Trent und Wolstanton für außerordentlich kurz. Obgleich in beiden Bezirken nicht ganz ⅓ der Männer über 20 Jahre in den Töpfereien beschäftig sind, entfällt auf die Töpfer in dem einen Bezirk mehr als die Hälfte, in dem andern ungefähr ⅖ der Todesfälle, und zwar infolge von Brustkrankheiten.
Dr. Boothrond, praktischer Arzt zu Hanley, sagt aus: „Jede folgende Generation der Töpfer ist zwerghafter und schwächer als die vorhergehende.“ Ebenso ein anderer Arzt, Herr Mc. Bean:
„Seit ich vor 25 Jahren meine Praxis unter den Töpfern begann, hat sich die auffallende Entartung dieser Klasse fortschreitend in Abnahme von Gestalt und Gewicht gezeigt.“
Diese Aussagen sind dem Bericht des Dr. Greenhow von 1860 entnommen. (Öffentliches Gesundheitswesen, 3. Bericht usw., S. 102, 104, 105.)
Aus dem Bericht der Kommissare von 1863: Dr. I. T. Arledge, Oberarzt des North-Staffordshire-Krankenhauses, sagt:
„Als eine Klasse repräsentieren die Töpfer, Männer und Frauen ... eine entartete Bevölkerung körperlich und sittlich. Sie sind in der Regel verzweigt, schlecht gebaut, und oft an der Brust verwachsen. Sie altern vorzeitig und sind kurzlebig; phlegmatisch und blutlos, verraten sie die Schwäche ihrer Konstitution durch hartnäckige Anfälle von Magenverstimmungen, Leber- und Nierenstörungen und Rheumatismus. Vor allem aber leiden sie an Brustkrankheiten, Lungenentzündung, Schwindsucht, Luftröhrenentzündungen und Asthma. Eine Form des letzteren ist ihnen eigentümlich und bekannt unter dem Namen Töpfer-Asthma oder Töpferschwindsucht, Unter Skrophulose, die Mandeln, Knochen oder andere Körperteile angreift, leiden mehr als ⅖ der Töpfer ... Dass die Entartung der Bevölkerung dieses Bezirks nicht noch viel größer ist, verdankt sie ausschließlich der Zuwanderung aus den umliegenden Landbezirken und den Zwischenheiraten mit gesünderen Rassen.“
Herr Charles Pearson, vor kurzem noch Wundarzt derselben Krankenanstalt, schreibt in einem Brief an den Kommissar Longe u. a.:
„Ich kann nur aus persönlicher Beobachtung, nicht statistisch sprechen; aber ich stehe nicht an zu versichern, dass meine Empörung wieder und wieder aufkochte bei dem Anblick dieser armen Kinder, deren Gesundheit geopfert wurde, um der Habgier ihrer Eltern und Arbeitgeber zu frönen.“
Er zählt die Ursachen der Töpfer Krankheiten auf und bezeichnet als deren wichtigste die langen Arbeitsstunden. – Das gleiche gilt für die Töpfereien in Schottland.
Die Manufaktur von Schwefelhölzern datiert von 1833, von der Erfindung, den Phosphor auf die Zündrute selbst anzubringen. Seit 1845 hat sie sich rasch in England entwickelt und von den dichtbevölkerten Teilen Londons namentlich auch nach Manchester, Birmingham, Liverpool, Bristol, Norwich, Newcastle, Glasgow verbreitet. Mit ihr die Mundsperre, die ein Wiener Arzt schon 1845 als eigentümliche Krankheit der Schwefelholzmacher entdeckte. Die Hälfte der Arbeiter sind Kinder unter 13 und junge Personen unter 18 Jahren. Die Manufaktur ist wegen ihrer Ungesundheit und Widerwärtigkeit so verrufen, dass nur der verkommenste Teil der Arbeiterklasse, halbverhungerte Witwen usw. Kinder für sie hergibt, „zerlumpte, halb verhungerte, ganz verwahrloste und unerzogene Kinder.“ Von den Zeugen, die Kommissar White 1863 verhörte, waren 270 unter 18 Jahren, 50 unter 10 Jahren, 10 nur 8 und 5 nur 6 Jahre alt. Wechsel des Arbeitstags von 12 auf 14 und 15 Stunden, Nachtarbeit, unregelmäßige Mahlzeiten, meist in den Arbeitsräumen selbst, die von Phosphor verpestet sind. Dante würde in dieser Manufaktur seine grausamsten Höllenphantasien übertroffen finden.
In der Tapetenfabrik werden die gröberen Sorten mit Maschinen, die feineren mit der Hand gedruckt. Die lebhaftesten Geschäftsmonate fallen zwischen Anfang Oktober und Ende April. Während dieser Periode dauert die Arbeit häufig und fast ohne Unterbrechung von 6 Uhr vormittags bis 10 Uhr abends und tiefer in die Nacht.
G. Apsden sagt aus (1862):
„Diesen meinen Jungen pflegte ich, als er 7 Jahre alt war, auf meinem Rücken hin und her über den Schnee zu tragen, und er pflegte 16 Stunden zu arbeiten! ... Ich bin oft niedergekniet, um ihn zu füttern, während er an der Maschine stand, denn er durfte sie nicht verlassen oder stillsetzen.“
Smith, der geschäftsführende Teilhaber einer Manchesterfabrik:
„Wir (er meint seine „Hände“, die für „uns“ arbeiten) arbeiten ohne Unterbrechung für Mahlzeiten, sodass die Tagesarbeit von 10½ Stunden um 4½ Uhr nachmittags fertig ist, und alles spätere ist Überzeit. (Ob dieser Herr Smith wohl keine Mahlzeit, während 10½ Stunden zu sich nimmt?) Wir (derselbe Smith) hören selten auf vor 6 Uhr abends ... die Kinder und Erwachsenen (152 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und 140 Erwachsene) haben gleichmäßig während der letzten 18 Monate im Durchschnitt allermindestens 7 Tage und 5 Stunden in der Woche gearbeitet oder 78½ Stunden wöchentlich. Für die 6 Wochen endend am 2. Mai dieses Jahres (1863), war der Durchschnitt höher – 8 Tage oder 84 Stunden in der Woche!“
Doch fügt derselbe Herr Smith schmunzelnd hinzu: „Maschinenarbeit ist leicht.“ Und so sagen die Anwender des Handdrucks: „Handarbeit ist gesünder als Maschinenarbeit“. Im Ganzen erklären sich die Herren Fabrikanten mit Entrüstung gegen den Vorschlag, „die Maschinen wenigstens während der Mahlzeiten still zu setzen.“
Im Januar 1866 standen vor einer Londoner Grand Jury [7] drei Eisenbahnarbeite]r, ein Zugbegleiter, ein Lokomotivführer und ein Signalgeber. Ein großes Eisenbahnunglück hat hunderte von Reisenden in die andere Welt befördert. Die Nachlässigkeit der Eisenbahnarbeiter ist die Ursache des Unglücks. Sie erklären vor den Geschworenen einstimmig, vor 10–12 Jahren habe ihre Arbeit nur 8 Stunden täglich gedauert. Während der letzten 5–6 Jahren habe man sie auf 14, 18 und 20 Stunden ausgeschraubt und bei besonders lebhaftem Zudrang der Reiselustigen, wie in den Perioden der Extrazüge, wäre sie oft ununterbrochen 40 bis 50 Stunden. Sie seien gewöhnliche Menschen und keine Zyklopen. Auf einem gegebenen Punkt versage ihre Arbeitskraft. Lähmung ergreife sie. Ihr Hirn höre auf zu denken und ihr Auge zu sehen. Der ganz und gar „respectable British Juryman“ antwortet durch einen Spruch, der sie wegen „Totschlags“ vor das nächste Schwurgericht schickt und in einem milden Anhang den frommen Wunsch äußert, die Herren Kapitalmagnaten der Eisenbahn möchten doch in Zukunft verschwenderischer im Ankauf der nötigen Anzahl von Arbeitskräften und „enthaltsamer“ oder „entsagender“ oder „sparsamer“ in der Aussaugung der bezahlten Arbeitskraft sein. [8]
Aus dem buntscheckigen Haufen der Arbeiter von allen Berufen greifen wir noch zwei Figuren heraus, deren frappanter Kontrast beweist, dass vor dem Kapital alle Menschen gleich sind – eine Putzmacherin und einen Grobschmied.
In den letzten Wochen des Juni 1863 brachten alle Londoner Tageblätter eine Mitteilung mit dem sensationellen Aushängeschild: Tod durch bloße Überarbeit. Es handelte sich um den Tod der Putzmacherin Mary Anne Walkley, 20jährig, beschäftigt in einer sehr respektablen Hofputzmanufaktur, ausgebeutet von einer Dame mit dem gemütlichen Namen Elise. Die alte oft erzählte Geschichte [9] ward nun neu entdeckt, dass diese Mädchen durchschnittlich 16 ½ Stunden, während der Saison aber oft 30 Stunden ununterbrochen arbeiten, indem ihre versagende Arbeitskraft durch gelegentliche Zufuhr von Sherry, Portwein oder Kaffee flüssig erhalten wird. Und es war gerade die Höhe der Saison. Es galt, die Prachtkleider edler Ladies für den Huldigungsball bei der frisch importierten Prinzessin von Wales im Umsehen fertig zu zaubern. Mary Anne Walkley hatte 26½ Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet zusammen mit 60 anderen Mädchen, je 30 in einem Zimmer, das kaum ⅓ der nötigen Luft gewährte, während sie nachts zu zweien in einem Bett schliefen in einem der Sticklöcher, in welche ein Schlafzimmer durch verschiedene Bretterwände abgepfercht ist. Und dies war eine der besseren Putzmachereien Londons. Mary Anne Walkley erkrankte am Freitag und starb am Sonntag, ohne, zum Erstaunen von Frau Elise, auch nur vorher das letzte Putzstück fertig zu machen. Der zu spät ans Sterbebett gerufene Arzt, Herr Keys, bezeugte bei der Totenschau in dürren Worten: „Mary Anne Walkley sei gestorben an langen Arbeitsstunden in einem überfüllten Arbeitszimmer und überengem, schlecht gelüfteten Schlafgemach.“ Um dem Arzt eine Lektion in guter Lebensart zu geben, erklärte dagegen das Totenschaugericht:
„Die Hingeschiedene sei gestorben am Schlagfluss, aber es sei Grund zu fürchten, dass ihr Tod durch Überarbeit in einer überfüllten Werkstatt usw. beschleunigt worden sei.“
Über die Lage der Putzmacherinnen erklärte damals Dr. Nichardson, Oberarzt eines Londoner Krankenhauses:
„Näherinnen aller Art, Putzmacherinnen, Kleidermacherinnen und gewöhnliche Näherinnen leiden an dreifachem Elend – Überarbeit, Luftmangel und Mangel an Nahrung oder Mangel an Verdauung. Es ist das Unheil des Geschäfts, dass es, namentlich in der Hauptstadt, von einigen 26 Kapitalisten monopolisiert wird ... Ihre Macht wird im Bereich diese! ganzen Klasse von Arbeiterinnen gefühlt. Kann eine Kleidermacherin einen kleinen Kreis von Kunden gewinnen, so zwingt die Konkurrenz sie, sich zu Hause tot zu arbeiten, um ihn zu erhalten, und mit derselben Überarbeit muss sie notwendig ihre Gehilfinnen heimsuchen. Misslingt ihr Geschäft oder kann sie sich nicht selbständig etablieren, so wendet sie sich an ein Unternehmen, wo die Arbeit nicht geringer, aber die Zahlung sicher ist. So gestellt, wird sie eine reine Sklavin, hin und her geschleudert von jeder Flutung der Gesellschaft; bald zu Hause in einem kleinen Zimmer verhungernd oder nahe so; dann wieder von 24 Stunden 15, 16, ja 18 Stunden beschäftigt in kaum erträglicher Luft und mit einer Nahrung, die, selbst wenn gut, aus Mangel an reiner Lust nicht verdaut werden kann. Von diesen Opfern lebt die Schwindsucht, welche nichts als eine Luftkrankheit ist.“ [10]
Ebenda fährt Dr. Richardson fort:
„Zu Tode arbeiten ist die Tagesordnung,
nicht nur in der Werkstätte der Putzmacherinnen, sondern an
tausend Plätzen, ja an jedem Platz, wo das Geschäft im Zuge
ist ... Lasst uns den Grobschmied als Beispiel nehmen. Wenn man den
Dichtern glauben darf, gibt es keinen so lebenskräftigen,
lustigen Mann als den Grobschmied. Er erhebt sich früh und
schlägt Funken vor der Sonne; er isst und trinkt und schläft
wie kein anderer Mensch. Rein körperlich betrachtet, befindet er
sich, bei mäßiger Arbeit, in der Tat in einer der besten
menschlichen Stellungen. Aber wir folgen ihm in die Stadt und sehen
die Arbeitslast, die auf den starken Mann gewälzt wird, und
welchen Rang nimmt er ein in den Sterblichkeitslisten unseres Landes?
Zu Marylebone (einem der größten Stadtviertel Londons)
sterben von 1.000 Grobschmieden jährlich 31, das sind 11 mehr
als die Durchschnittssterblichkeit erwachsener Männer in
England. Die Beschäftigung, eine fast instinktive Kunst der
Menschheit, an und für sich tadellos, wird durch bloße
Übertreibung der Arbeit zum Verderb des Mannes. Er kann so viel
Hammerschläge täglich schlagen, so viel Schritte gehen, so
viel Atemzüge holen, so viel Werk verrichten, und
durchschnittlich sage, 50 Jahre leben. Man zwingt ihn so viel mehr
Schläge zu schlagen, so viel mehr Schritte zu gehen, so viel
öfter des Tages zu atmen, und alles zusammen seine Lebensaufgabe
täglich um ein Viertel zu vermehren. Er macht den Versuch und
das Resultat ist, dass er eine beschränkte Zeit lang ein Viertel
mehr Werk verrichtet, und dafür im 37. Jahre statt im 50.
stirbt.“
Die maßlose Verlängerung des Arbeitstages [11], welche die Maschinerie in der Hand des Kapitals verursacht, führte später einen Eingriff der in ihrer Lebenswurzel bedrohten Gesellschaft herbei und damit einen Normalarbeitstag. Auf Grundlage des letzteren wurde die Intensität der Arbeit gewaltig gesteigert.<7p>
Es ist selbstverständlich, dass mit dem Fortschritt des Maschinenwesens und der gehäuften Erfahrung einer eigenen Klasse von Maschinenarbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensität der Arbeit naturwüchsig zunimmt. So geht in England während eines halben Jahrhunderts die Verlängerung des Arbeitstages Hand in Hand mit der wachsenden Intensität der Fabrikarbeit. Indes begreift man, dass bei einer Arbeit, wo es sich nicht um vorübergehende, fieberhaft gesteigerte Tätigkeit handelt, sondern um Tag aus Tag eine wiederholte regelmäßige Gleichförmigkeit, ein Knotenpunkt eintreten muss, wo Ausdehnung des Arbeitstags und Intensität der Arbeit einander ausschließen, so dass die Verlängerung des Arbeitstages nur mit schwächerer Intensität der Arbeit und umgekehrt erhöhte Intensität nur mit Verkürzung der Arbeitszeit verträglich bleibt. Sobald die allmählich anschwellende Empörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu verkürzen, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Erzeugung von Mehrwert durch Verlängerung des Arbeitstages ein für alle Mal abgeschnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewusstsein auf die Methode, den Mehrwert durch beschleunigte Entwicklung des Maschinensystems zu steigern. Und zwar nun nicht mehr bloß durch Verwohlfeilerung des Produkts und dadurch erzielte Senkung des Werts der Arbeitskraft, sondern zugleich durch „Intensifikation“ der Arbeit, d. h. durch schärfere Anspannung der Arbeitskraft, so dass in kürzerer Zeit ebenso viel und selbst mehr geleistet werden muss als früher in längerer Zeit. Die intensivere Stunde des 10-stündigen Arbeitstages enthält jetzt so viel oder mehr Arbeit, d. h. verausgabte Arbeitskraft, als die porösere Stunde des 12-stündigen Arbeitstages. Ihr Produkt hat daher so viel oder mehr Wert als das der poröseren 1⅕ Stunden. Abgesehen von der Erhöhung des Mehrwerts durch die gesteigerte Produktivkraft der Arbeit, liefern jetzt z. B. 31⅓ Stunden Mehrarbeit auf 6⅔ Stunden notwendige Arbeit dem Kapitalisten dieselbe Wertmasse wie vorher 4 Stunden Mehrarbeit auf 8 Stunden notwendige Arbeit.
Es fragt sich nun, wie wird die stärkere Intensität der Arbeit erreicht?
Die erste Wirkung des verkürzten Arbeitstags beruht auf dem selbstverständlichen Gesetz, dass die Wirkungsfähigkeit der Arbeitskraft im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Wirkungszeit steht. Je kürzere Zeit der Arbeiter tätig ist, desto intensiver kann er arbeiten. Es wird daher, innerhalb gewisser Grenzen, an Kraftäusserung gewonnen, was an Dauer der Arbeit verloren geht. Dass der Arbeiter aber auch wirklich mehr Arbeit flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode der Zahlung, namentlich durch den Stücklohn. In Manufakturen, der Töpferei z. B., wo die Maschinerie keine oder unbedeutende Rolle spielt, hat die Einführung des Fabrikgesetzes schlagend bewiesen, dass bloße Verkürzung des Arbeitstags die Regelmäßigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Stetigkeit und Energie der Arbeit wundervoll erhöht. (Siehe die Berichte der englischen Fabrikinspektoren vom 31. Oktober 1865.) Diese Wirkung schien jedoch zweifelhaft in der eigentlichen Fabrik, weil die Abhängigkeit des Arbeiters von der stetigen und gleichförmigen Bewegung der Maschine hier längst die strengste Disziplin geschaffen hatte. Als daher 1844 die Herabsetzung des Arbeitstages unter 12 Stunden verhandelt ward, erklärten die Fabrikanten fast einstimmig, „ihre Aufseher passten in den verschiedenen Arbeitsräumen auf, dass die Hände keine Zeit verlören“, „der Grad der Wachsamkeit und Aufmerksamkeit auf Seiten der Arbeiter sei kaum steigerungsfähig,“ und bei gleichbleibender Gang der Maschinerie „sei es daher Unsinn, von der gesteigerten Aufmerksamkeit usw. der Arbeiter in wohl geleiteten Fabriken irgend ein erkleckliches Resultat zu erwarten.“ (Bericht der englischen Fabrikinspektoren für 1844 bis 30. April 1845.) Diese Behauptung ward durch Experimente widerlegt. Herr R. Gardner ließ in seinen zwei großen Fabriken zu Preston vom 20. April 1844 an statt 12 nur noch 11 Stunden am Tag arbeiten. Nach ungefähr Jahresfrist ergab das Resultat, dass „dasselbe Quantum Produkt zu denselben Kosten erzielt ward, und sämtliche Arbeiter in 11 Stunden ebenso viel Arbeitslohn verdienten wie früher in 12.“ (Da der Stücklohn derselbe blieb, hing die Höhe des Wochenlohns vom Quantum des Produkts ab.) In der Webeabteilung, wo zudem sehr verschiedene Sorten leichter, figurenhaltiger Phantasieartikel gewebt wurden, fand durchaus keine Änderung der Arbeitsweise statt. Das Resultat war: „Vom 6. Januar bis 20. April 1844, mit 12stündigem Arbeitstag, wöchentlicher Durchschnittslohn jedes Arbeiters 10 Sh. 1½ P.; vom 20. April bis 29. Juni 1844, mit 11stündigem Arbeitstag, wöchentlicher Durchschnittslohn 10 Sh. 3½ P.“ Es wurde hier in 11 Stunden mehr produziert als früher in 12, ausschließlich infolge größerer gleichmäßiger Ausdauer der Arbeiter und besserer Ausnutzung ihrer Zeit. Während sie den¬ selben Lohn empfingen und eine Stunde freie Zeit gewannen, erhielt der Kapitalist dieselbe Produktenmasse und sparte Kohle, Gas usw. täglich eine Stunde. Ähnliche Experimente wurden mit gleichem Erfolg in den Fabriken der Herren Horrocks und Iacson ausgeführt. (Bericht für 1844, S. 21.) Dabei spielte das moralische Element eine bedeutende Rolle. Die Arbeiter erklärten dem Fabrikinspektor: „Wir arbeiten mit mehr Eifer, wir haben stets den Gewinn vor Augen, dass wir abends früher weggehen können, und ein tätiger und arbeitsfreudiger Geist durchweht die ganze Fabrik, vom jüngsten Andreher bis zum ältesten Arbeiter, und wir können uns in weitem Maße einander helfen.“
Sobald die Verkürzung des Arbeitstags zwangsgesetzlich wird, wird die Maschine in der Hand des Kapitals zum systematisch angewandten Mittel, mehr Arbeit in derselben Zeit zu erpressen. Es geschieht dies in doppelter Weise: durch erhöhte Geschwindigkeit der Maschinen und erweiterten Umfang der von demselben Arbeiter zu überwachenden Maschinerie oder seines Arbeitsfeldes. Die Verbesserung der Dampfmaschine erhöht die Anzahl ihrer Kolbenschläge in einer Minute und erlaubt zugleich, durch größere Kraftersparung einen umfangreicheren Mechanismus mit demselben Motor zu treiben, bei gleichbleibendem oder selbst fallenden Kohlenverzehr. Die Verbesserung des Transmissionsapparats vermindert die Reibung und, was die moderne Maschinerie so augenfällig vor der älteren auszeichnet, verringert Durchmesser und Gewicht der großen und kleinen Wellenbäume. Die Verbesserungen der Arbeitsmaschinerie endlich vermindern bei erhöhter Geschwindigkeit und ausgedehnterer Wirkung ihren Umfang, wie beim modernen Dampfwebstuhl, oder vergrößern mit dem Rumpf Umfang und Zahl der von ihr geführten Werkzeuge, wie bei der Spinnmaschine, oder vermehren die Beweglichkeit dieser Werkzeuge durch unscheinbare Detailveränderungen, wie bei der Selfaktor-Spinnmaschine auf solche Art vor etwa 10 Jahren (d. h. um 1855) die Geschwindigkeit der Spindeln um ⅕ gesteigert wurde.
Die Verkürzung des Arbeitstags auf 12 Stunden datiert in England von 1832. Schon 1836 erklärte ein englischer Fabrikant: „Verglichen mit früher ist die Arbeit, die in den Fabriken zu verrichten, sehr gewachsen, infolge der größeren Aufmerksamkeit und Tätigkeit, welche die bedeutend vermehrte Geschwindigkeit der Maschinerie vom Arbeiter erheischt!“ Im Jahre 1844 machte Lord Ashley folgende dokumentarisch belegten Aufstellungen im Hause der Gemeinen:
„Die Arbeit, der in den Fabriken Beschäftigten ist jetzt dreimal so groß wie bei der Einführung solcher Operationen. Die Maschinerie hat zweifelsohne ein Werk verrichtet, welches die Sehnen und Muskeln von Millionen Menschen ersetzt, aber sie hat auch erstaunlich die Arbeit der durch ihre furchtbare Bewegung beherrschten Menschen vermehrt ... Die Arbeit, einem Paar Mules während 12 Stunden auf und ab zu folgen zum Spinnen von Garn Nr. 40, schloss im Jahre 1825 das Durchlaufen von 8 (englischen) Meilen (= ca. 12.800 Meter) ein. Im Jahre 1832 betrug die im Gefolge eines Mulepaares, zum Spinnen derselben Nummer, während 12 Stunden zu durchreisende Entfernung 20 Meilen (32.000 Meter) und oft mehr. Im Jahre 1825 hatte der Spinner während 12 Stunden 820 Auszüge an jeder Mule zu machen, was eine Gesamtsumme von 1640 für 12 Stunden ergab. Im Jahre 1832 hatte der Spinner während seines 12stündigen Arbeitstages an jeder Mule 2.200 Auszüge zu machen, zusammen 4.400, im Jahre 1844 an jeder Mule 2.400, zusammen 4.800, und in einigen Fällen ist die erheischte Arbeitsmasse noch größer ... Ich habe hier ein anderes Dokument von 1842 in der Hand, worin nachgewiesen wird, dass die Arbeit progressiv zunimmt, nicht nur, weil eine größere Entfernung zu durchreisen ist, sondern weil die Quantität der produzierten Waren sich vermehrt, während die Händezahl im Verhältnis abnimmt; und ferner, weil nun oft schlechtere Baumwolle gesponnen wird, die mehr Arbeit erfordert ... Im Kardierraum hat auch große Zunahme der Arbeit stattgefunden. Eine Person tut jetzt die Arbeit, die früher auf zwei verteilt war ... In der Weberei, worin eine große Anzahl Personen, meist weiblichen Geschlechts, beschäftigt ist, ist die Arbeit während der letzten 10 Jahre um volle 10 Prozent gewachsen, infolge der vermehrten Geschwindigkeit der Maschinerie. Im Jahre 1838 war die Zahl der Strähnen, die wöchentlich gesponnen wurden, 18.000, im Jahre 1843 belief sie sich auf 21.000. Im Jahre 1819 war die Zahl der Schiffchenschläge beim Dampfwebstuhl 60 per Minute, im Jahre 1842 betrug sie 140, was einen großen Zuwachs an Arbeit anzeigt.“
Angesichts dieser merkwürdigen Intensität, welche die Arbeit unter der Herrschaft des 12 Stundengesetzes bereits 1844 erreicht hatte, schien damals die Erklärung der englischen Fabrikanten berechtigt, jeder weitere Fortschritt in dieser Richtung sei unmöglich, daher müsse jede weitere Abnahme der Arbeitszeit eine Abnahme der Produktion nach sich ziehen. Kommen wir jedoch zur Periode nach 1847, seit Einführung des 10 Stundengesetzes in die englischen Baumwoll-, Woll-, Seide- und Flachsfabriken.
„Die Geschwindigkeit der Spindeln ist auf Throstles um 500, auf Mules um 1.000 Drehungen in einer Minute gewachsen, d. h. die Geschwindigkeit der Throstlespindel, die 1839 4.500 Drehungen in einer Minute zählte, beträgt nun (1862) 5.000, und die der Mulespindel, die 5.000 zählte, beträgt jetzt 6.000 in der Minute.“ (Bericht der englischen Fabrikinspektoren vom 31. Oktober 1862, S. 62.)
J. Nasmyth, der berühmte Zivilingenieur von Patricroft bei Manchester, setzte 1852 in einem Brief an Leonhard Horner die von 1848 bis 1852 gemachten Verbesserungen in der Dampfmaschine auseinander und sagt dabei u. a.:
„Es unterliegt keinem Zweifel, dass Dampfmaschinerie von demselben Gewicht, oft dieselben Maschinen, an denen nur die modernen Verbesserungen angebracht sind, im Durchschnitt 50 Prozent mehr Werk verrichten, und dass in vielen Fällen dieselben Dampfmaschinen, die in den Tagen der beschränkten Geschwindigkeit von 220 Fuß per Minute 50 Pferdekraft lieferten, heute, mit vermindertem Kohlenverbrauch, über 100 liefern ... Die moderne Dampfmaschine von derselben nominellen Pferdekraft wird mit größerer Gewalt als früher getrieben, infolge der Verbesserungen in ihrer Konstruktion, vermindertem Umfang und Bau der Dampfkessel usw. ... Obgleich daher dieselbe Händezahl wie früher im Verhältnis zur nominellen Pferdekraft beschäftigt wird, werden weniger Hände verwandt im Verhältnis zur Arbeitsmaschinerie.“ (Berichte vom 31. Oktober 1856, S. 11.)
„Die durch die letzte amtliche Statistik von 1856 festgestellten Tatsachen sind, dass das Fabriksystem reißend rasch um sich greift, die Zahl der Hände im Verhältnis zur Maschinerie abgenommen hat, die Dampfmaschine durch Kraftersparnis und andere Methoden ein größeres Maschinengewicht treibt und ein vermehrtes Quantum Machwerk erzielt wird infolge verbesserter Arbeitsmaschinen, veränderter Methoden der Fabrikation, erhöhter Geschwindigkeit der Maschinerie und vieler anderer Ursachen“. (Berichte 31. Oktober 1856, S. 14, 15.)
„Die großen in Maschinerie jeder Art eingeführten Verbesserungen haben deren Produktivkraft sehr gesteigert. Ohne allen Zweifel gab die Verkürzung des Arbeitstages ... den Stachel zu diesen Verbesserungen. Letztere und die intensivere Anstrengung des Arbeiters bewirkten, dass wenigstens ebenso viel Machwerk in dem (um 2 Stunden oder ⅙) verkürzten Arbeitstag als früher während des längeren geliefert wird.“ (Berichte vom 31. Oktober 1858, S. 9, 10.)
So groß in den 8 Jahren 1848–1856, unter der Herrschaft des 10-stündigen Arbeitstages, der Fortschritt der englischen Industrie war, er wurde wieder weit überflügelt in der folgenden 6jährigen Periode von 1856–1862. In der Seidenfabrikation z. B. betrug die Zahl der
|
Spindeln |
Webstühle |
dagegen |
---|---|---|---|
1856 |
1.093.799 |
9.260 |
56.131 |
1862 |
1.388.544 |
10.709 |
52.429 |
Dies ergibt:
Zunahme der Spindeln |
26,90 % |
---|---|
Zunahme der Webstühle |
15,60 % |
Abnahme der Arbeiter |
7,00 % |
In der Kammgarnfabrikation wurden angewandt:
1850 |
875.830 Spindeln |
|
1856 |
1.324.549 Spindeln |
Zunahme 51,2 % |
---|---|---|
1862 |
1.289.172 Spindeln |
Abnahme 2,7 >% |
Zieht man aber die Dublierspindeln ab, die 1856 mitgezählt sind, 1862 aber nicht, so blieb die Anzahl der Spindeln seit 1856 ziemlich die gleiche. Dagegen ward seit 1850 in vielen Fällen die Geschwindigkeit der Spindeln und Webstühle verdoppelt.
Es betrug in der Kammgarnfabrikation die Zahl der
|
Dampf- |
dabei beschäftigten |
davon Kinder |
---|---|---|---|
1850 |
32.617 |
79.737 |
9.956 |
1856 |
38.956 |
87.794 |
11.228 |
1862 |
43.048 |
86.063 |
13.178 |
Trotz sehr vermehrter Anzahl der Webstühle, 1862 verglichen mit 1856, nahm also die Gesamtzahl der beschäftigten Arbeiter ab, unter ihnen aber stieg die Zahl der ausgebeuteten Kinder. (Berichte, 31. Oktober 1862, S. 100 u. 130.)
Am 27. April 1863 erklärte der Abgeordnete Ferrand im Unterhause:
„Arbeiterdelegierte von 16 Bezirken von Lancashire und Cheshire, in deren Auftrag ich spreche, haben mir mitgeteilt, dass die Arbeit in den Fabriken infolge der Verbesserung der Maschinerie beständig wachse. Statt dass früher eine Person mit Gehilfen zwei Webstühle bediente, bedient sie jetzt drei ohne Gehilfen, und es ist gar nichts Ungewöhnliches, dass eine Person ihrer vier bedient usw. 12 Stunden Arbeit, wie aus den mitgeteilten Tatsachen hervorgeht, werden jetzt in weniger als 10 Arbeitsstunden gepresst. Es ist daher selbstverständlich, in welchem ungeheuren Umfang die Mühen der Fabrikarbeiter sich seit den letzten Jahren vermehrt haben.“
Mit dem modernen Dampfwebstuhl fabriziert ein Weber jetzt (1867) in 60 Stunden per Woche auf zwei Stühlen 26 Stück einer gewissen Art von bestimmter Länge und Breite, wovon er auf dem alten Dampfwebstuhl nur 4 fabrizieren konnte. Die Webkosten eines solchen Stückes waren schon Anfang der 50er Jahre von 2 Schilling 9 Pence auf 5⅛ Pence gefallen (d. h. von 2.80 M auf 44 S). Am 5. Januar 1872 schrieb der Fabrikinspektor Alexander Redgrave im Journal der Gesellschaft der Künste:
„Vor 30 Jahren (1841) verlangte man von einem Baumwollgarnspinner mit drei Gehilfen nur die Überwachung eines Mulepaares mit 300.324 Spindeln. Mit fünf Gehilfen hat er jetzt (Ende 1871) Mules zu überwachen, deren Spindelzahl 2.200 beträgt und produziert mindestens 7-mal mehr Garn als 1841.“
Obgleich daher die Fabrikinspektoren die günstigen Resultate der Fabrikgesetze von 1844 und 1850 unermüdlich undc mit vollem Recht lobpreisen, gestehen sie doch, dass die Verkürzung des Arbeitstages bereits eine die Gesundheit der Arbeiter, also die Arbeitskraft selbst zerstörende Intensität der Arbeit hervorgerufen habe.
„In den meisten Baumwoll-, Kammgarn- und Seidenfabriken scheint der erschöpfende Zustand von Aufregung, den die Arbeit an der Maschinerie mit sich bringt, deren Bewegung in den letzten Jahren so außerordentlich beschleunigt worden ist, eine der Ursachen des Überschusses der Sterblichkeit an Lungenkrankheiten, die Dr. Greenhow in seinem jüngsten bewundernswerten Bericht nachgewiesen hat.“ (Berichte der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1861, S. 25, 26.)
Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass das Streben des
Kapitals, sobald ihm Verlängerung des Arbeitstags ein für
alle Mal durch das Gesetz abgeschnitten ist, sich durch systematische
Steigerung der Intensität der Arbeit gütlich zu tun und
jede Verbesserung der Maschinerie in ein Mittel zu größerer
Aussaugung der Arbeitskraft zu verkehren, bald wieder zu einem
Wendepunkt treiben muss, wo abermalige Abnahme der Arbeitsstunden
unvermeidlich wird.
Bei Betrachtung der (ohne Maschinen betriebenen) Manufaktur sahen wir, dass sie noch vollkommen auf der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeiters beruhte, auf der Virtuosität, womit er sein Werkzeug zu handhaben verstand, und wie infolgedessen eine Rangordnung, eine innere Ungleichheit unter den Arbeitern geschaffen wurde. Wir sahen ferner, wie der Unterschied zwischen Manufaktur und Maschinenbetrieb gerade darin liegt, dass dem Arbeiter das auf den Rohstoff wirkende Werkzeug aus der Hand genommen und an den Körper der Maschine angesetzt wird, so dass diese und nicht mehr der Arbeiter die Umformung des Rohmaterials besorgt, während der Arbeiter nur noch den Gang der Maschine zu überwachen hat. Damit ist die Leistungsfähigkeit des Werkzeugs nicht mehr an die persönlichen Schranken menschlicher Arbeitskraft gebunden. In der Manufaktur kann das Werkzeug nur solange und so intensiv und so geschickt und so kräftig arbeiten, wie der Mensch, der es handhabt. In der großen Industrie kann an Stelle des Menschen, der die Maschine überwacht, leicht ein anderer treten, und das Werkzeug kann weiterwirken, auch wenn der Mensch z. B. schlafen oder essen muss. So ist die technische Grundlage aufgehoben, worauf die Teilung der Arbeit in der Manufaktur beruht. An die Stelle der Rangordnung, die für die Manufaktur charakteristisch war, tritt daher in der automatischen Fabrik die Tendenz der Gleichmachung oder Nivellierung der Arbeiten, welche die Gehilfen der Maschinerie zu verrichten haben; an die Stelle der künstlich erzeugten Unterschiede der Teilarbeiter treten vorwiegend die natürlichen Unterschiede des Alters und Geschlechts. Obgleich nun die Maschinerie das alte System der Teilung der Arbeit technisch über den Haufen wirft, schleppt es sich zunächst als Tradition gewohnheitsmäßig in der Fabrik fort, um dann systematisch vom Kapital als Mittel zur Ausbeutung der Arbeitskraft in noch ekelhafterer Form wieder angewandt zu werden. Aus der lebenslangen Spezialität, ein Teilwerkzeug zu führen, wird die lebenslange Spezialität, einer Teilmaschine zu dienen. Die Maschinerie wird missbraucht, um den Arbeiter selbst von Kindesbeinen an in den Teil einer Teilmaschine zu verwandeln. Nicht nur werden so die zu ihrer eigenen Erneuerung nötigen Kosten bedeutend vermindert, sondern zugleich seine hilflose Abhängigkeit vom Fabrikganzen, also vom Kapitalisten, vollendet. Hier wie überall muss man unterscheiden zwischen der größeren Produktivität, die der Entwicklung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, und der größeren Produktivität, die seiner kapitalistischen Ausbeutung geschuldet ist.
In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Bewegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanismus. In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus, unabhängig von ihnen, und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt.
„Der trübselige Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Prozess immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus: die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abgematteten Arbeiter zurück.“ (Fr. Engels, Lage der arbeitenden Klassen in England, 2. Ausl., Stuttgart, S. 180.)
Während die Maschinenarbeit das Nervensystem aufs äußerste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der Muskeln sowie alle freie körperliche und geistige Tätigkeit. Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit ihres Inhalts entleert. Die Scheidung der geistigen Produktionskräfte von der Handarbeit und ihre Verwandlung in Mächte des Kapitals über die Arbeit vollendet sich in der auf Grundlage der Maschinerie aufgebauten großen Industrie. Die persönliche Geschicklichkeit des einzelnen Maschinenarbeiters verschwindet als ein winzig Nebending vor der Wissenschaft, den ungeheuren Naturkräften, und der gesellschaftlichen Massenarbeit, die im Maschinensystem verkörpert sind und mit ihm die Macht des Masters bilden. Dieser „Meister“, in dessen Hirn die Maschinerie und sein Eigentum an ihr unzertrennlich verwachsen sind, ruft daher in Streitfällen den „Händen“ verächtlich zu:
„Die Fabrikarbeiter sollten in heilsamer Erinnerung halten, dass ihre Arbeit in der Tat eine sehr niedrige Sorte geschickter Arbeit ist; dass keine leichter aneigenbar und in Anbetracht ihrer Qualität besser belohnt ist, dass keine durch kurze Unterweisung des mindest Erfahrenen in so kurzer Zeit und in solchem Überfluss zugeführt werden kann. Des Meisters Maschinerie spielt in der Tat eine viel wichtigere Rolle in dem Geschäft der Produktion als die Arbeit und das Geschick des Arbeiters, die eine Erziehung von sechs Monaten lehren und jeder Bauernknecht lernen kann.“ [12]
Die technische Unterordnung des Arbeiters unter den gleichförmigen Gang der Maschine und die Zusammensetzung der Arbeiter aus Personen beider Geschlechter und verschiedenster Altersstufen schaffen in der Fabrik eine kasernenmäßige Disziplin, wodurch die Arbeit der Aufsicht, also die Teilung der Arbeiter in Handarbeiter und Arbeitsaufseher, in gemeine Industriesoldaten und Industrieunteroffiziere, völlig entwickelt wird.
„Die Hauptschwierigkeit in der automatischen Fabrik bestand in der notwendigen Disziplin, um die Menschen auf ihre unregelmäßigen Gewohnheiten in der Arbeit verzichten zu machen und sie der unwandelbaren Regelmäßigkeit des großen Automaten anzupassen.“
Aber die Schwierigkeit ward überwunden, die Disziplin ward geschaffen. An die Stelle der Peitsche des Sklaventreibers trat das Strafbuch des Aufsehers. Alle Strafen lösen sich auf in Geldstrafen und Lohnabzüge, und der gesetzgeberische Scharfsinn der Fabrik-Lykurge (Name des mythischen Gesetzgebers von Sparta – Anmerkung d. Lektorats) macht ihnen die Verletzung ihrer Gesetze wo möglich noch eindringlicher als ihre Befolgung. Hierüber schreibt Fr. Engels (Lage der arbeitenden Klassen in England, S. 217 ff.):
„Die Sklaverei, in der die Bourgeoise das Proletariat gefesselt hält, kommt nirgends deutlicher ans Tageslicht als im Fabriksystem. Hier hört alle Freiheit rechtlich und faktisch auf. Der Arbeiter muss morgens um 5:30 Uhr in der Fabrik sein; kommt er ein paar Minuten zu spät, so wird er gestraft: kommt er 10 Minuten zu spät, so wird er gar nicht hereingelassen, bis das Frühstück vorüber ist, und verliert einen Vierteltag am Lohn. Er muss auf Kommando essen, trinken und schlafen ... Die despotische Glocke ruft ihn vom Bette, ruft ihn vom Frühstück und Mittagstisch. Und wie geht es nun gar erst in der Fabrik? Hier ist der Fabrikant absoluter Gesetzgeber. Er erlässt Fabrikregulationen, wie er Lust hat; er ändert und macht Zusätze zu seinem Strafgesetz, wie es ihm beliebt. Und wenn er das tollste Zeug hineinsetzt, so sagen doch die Gerichte zum Arbeiter: da ihr unter diesen Kontrakt euch freiwillig begeben habt, jetzt müsst ihr ihn auch befolgen ... Diese Arbeiter sind dazu verdammt, vom 9. Jahr bis zu ihrem Tod unter der geistigen und körperlichen Fuchtel zu leben.“
Wir deuten nur hin auf die äußeren Bedingungen, unter denen die Fabrikarbeit verrichtet wird. Alle Sinnesorgane werden gleichmäßig verletzt durch die künstlich gesteigerte Temperatur, die mit Abfällen des Rohmaterials geschwängerte Atmosphäre, den betäubenden Lärm usw., abgesehen von der Lebensgefahr unter dicht gehäufter Maschinerie, die mit der Regelmäßigkeit der Jahreszeiten ihre industriellen Schlachtberichte liefert. Die Ersparnis an Produktionsmitteln, erst im Fabriksystem treibhausmäßig gereift, wird in der Hand des Kapitals zugleich zum systematischen Raub an den Lebensbedingungen des Arbeiters während der Arbeit, an Raum, Luft, Licht, und an Schutzmitteln wider lebensgefährliche oder gesundheitswidrige Umstände des Produktionsvorgangs, von Vorrichtungen zur Bequemlichkeit des Arbeiters gar nicht zu sprechen.
Die Gesetze zum Schutz gegen gefährliche Maschinerie haben wohltätig gewirkt.
„Aber“ – so liest man im Bericht der englischen Fabrikinspektoren vom 31. Oktober 1866 – „es existieren jetzt neue Quellen von Unglücksfällen, die vor 20 Jahren nicht existiert haben, namentlich die vermehrte Geschwindigkeit der Maschinerie. Räder, Walzen, Spindeln und Webstühle werden jetzt mit vermehrter und stets noch wachsender Gewalt getrieben; die Finger müssen rascher und sicherer den gebrochenen Faden anpacken, denn wenn mit Zaudern oder Unvorsicht angelegt, sind sie geopfert ... Eine große Anzahl Unglücksfälle wird verursacht durch den Eifer der Arbeiter, ihr Werk rasch auszuführen. Man muss sich erinnern, dass es für die Fabrikanten von der höchsten Wichtigkeit ist, ihre Maschinerie ununterbrochen in Bewegung zu halten, d. h. Garn und Geweb zu produzieren. Jeder Stillstand von einer Minute ist nicht nur ein Verlust an Triebkraft, sondern an Produktion. Die Arbeiter werden daher durch Aufseher, deren Entlohnung mit der Menge des Machwerks steigt, dazu gehetzt, die Maschinerie in Bewegung zu halten; und es ist dies nicht minder wichtig für Arbeiter, die nach Gewicht oder Stück gezahlt werden. Obgleich es daher in den meisten Fabriken formell verboten ist, Maschinerie während ihrer Bewegung zu reinigen, ist dies doch allgemein üblich. Diese Ursache allein hat während der letzten sechs Monate 906 Unglücksfälle hervorgerufen ... Obgleich jeden Tag gereinigt wird, ist der Sonnabend jedoch meist für gründliches Reinigen der Maschinen festgesetzt und das geschieht großenteils während die Maschinen laufen ... Es wird nichts dafür bezahlt und die Arbeiter suchen daher so rasch als möglich damit fertig zu werden. Daher ist die Anzahl der Unglücksfälle freitags und ganz besonders samstags viel größer als an den übrigen Wochentagen. Zieht man den Durchschnitt der Unglücksfälle an den ersten vier Wochentagen, so übersteigt die Zahl der Unglücksfälle am Freitag diesen Überschuss um 12 Prozent, der Durchschnitt der ersten fünf Wochentage aber (also die hohe Freitagsziffer mit eingerechnet) wird am Samstag um 25 Prozent überschritten! Zieht man jedoch in Rechnung, dass die Arbeitszeit Samstags nur 7½ Stunden, an den übrigen Wochentagen 10½ Stunden zählt, so steigt der Samstags-Überschuss um mehr als 65 Prozent!“
Dazu noch folgendes Zitat aus einem amtlichen Bericht des Fabrikinspektors Leonhard Horner vom 31. Oktober 1855:
„Ich habe Fabrikanten mit unentschuldbarer Frivolität von einigen der Unglücksfälle sprechen hören, z. B. der Verlust eines Fingers sei eine Kleinigkeit. Das Leben und die Aussichten eines Arbeiters hängen so sehr von seinen Fingern ab, dass ein solcher Verlust ein äußerst ernstes Ereignis für ihn ist. Wenn ich solch gedankenloses Geschwätz höre, stelle ich die Frage: Nehmt an, Sie brauchen einen neuen Arbeiter und es melden sich zwei, beide in jeder anderen Hinsicht gleich tüchtig, aber der eine ohne Daumen oder Zeigefinger, welchen würden Sie wählen? Sie zögerten nie einen Augenblick, für den Vollfingerigen zu entscheiden.“
Immerhin muss erwähnt werden, dass in den Fabriken, die am längsten dem Fabrikgesetz
mit seiner Zwangsbeschränkung der Arbeitszeit und seinen
sonstigen Eingriffen unterworfen sind, manche früheren
Missstände verschwunden sind. Die Verbesserung der Maschinerie
selbst erheischt auf einem gewissen Punkt eine verbesserte
Konstruktion der Fabrikgebäude, die den Arbeitern zugutekommt.
Der Kampf zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter beginnt mit dem Kapitalverhältnis selbst. Er tobt fortwährend der ganzen Manufakturperiode. Aber während der Manufakturperiode wird die Teilung der Arbeit vorwiegend als Mittel aufgefasst, die Leistung von Arbeitern zu ersehen, die nicht vorhanden sind, aber nicht wirklich Arbeiter zu verdrängen. Sagt man z. B., es würden 100 Millionen Menschen in England erheischt sein, um mit dem alten Spinnrad die Baumwolle zu verspinnen, die jetzt von einer halben Million Menschen mit der Maschine versponnen wird, so heißt das natürlich nicht, dass die Maschine den Platz dieser Millionen, die nie existiert haben, einnahm. Sagt man dagegen, dass der Dampfwebstuhl in England 800.000 Weber auf das Pflaster warf, so spricht man von einer existierenden Arbeiterzahl, die tatsächlich durch Maschinerie ersetzt oder verdrängt worden ist. Während der Manufakturperiode blieb der handwerksmäßige Betrieb, wenn auch zerlegt, die Grundlage. Die neuen Kolonialmärkte konnten durch die relativ schwache Anzahl der vom Mittelalter überlieferten städtischen Arbeiter nicht befriedigt werden, und die eigentlichen Manufakturen öffneten zugleich dem mit Auflösung der Feudalität von Grund und Boden verjagten Landvolke neue Arbeitsgebiete. Damals trat also an der Teilung der Arbeit und der Kooperation in den Werkstätten mehr die positive Seite hervor, dass sie beschäftigte Arbeiter produktiver machten. Als Maschine dagegen wird das Arbeitsmittel sofort zum Konkurrenten des Arbeiters selbst. Die Selbstverwertung des Kapitals durch die Maschine steht im direkten Verhältnis zur Arbeiterzahl, deren Existenzbedingungen sie vernichtet. Sobald die Führung des Werkzeugs der Maschine anheimfällt, erlischt mit dem Gebrauchswert der Tauschwert der Arbeitskraft. Der Arbeiter wird unverkäuflich, wie außer Kurs gesetztes Papiergeld. Der Teil der Arbeiterklasse, den die Maschinerie so in überflüssige, d. h. nicht länger zur Selbstverwertung des Kapitals unmittelbar notwendige Bevölkerung verwandelt, geht einerseits unter in dem ungleichen Kampf des alten handwerksmäßigen und manufakturmäßigen Betriebs gegen den maschinenmäßigen, überflutet andererseits alle leichter zugänglichen Industriezweige, überfüllt den Arbeitsmarkt und senkt daher den Preis der Arbeitskraft unter ihren Wert. Ein großer Trost für die um ihr Brot gebrachten Arbeiter soll sein, dass ihre Leiden teils nur „vorübergehend“, teils dass die Maschinerie sich nur allmählich eines ganzen Produktionsfeldes bemächtigt wodurch Umfang und Intensität ihrer vernichtenden Wirkung gebrochen werde. Der eine Trost schlägt den andern. Wo die Maschine allmählich ein Produktionsfeld ergreift, verursacht sie andauerndes Elend in der mit ihr konkurrierenden Arbeiterschicht. Wo der Übergang rasch, wirkt sie massenhaft und akut. Die Weltgeschichte bietet kein entsetzlicheres Schauspiel als den allmählichen, über Jahrzehnte verschleppten, endlich 1838 besiegelten Untergang der englischen Handbaumwollweber. Viele von ihnen starben am Hungertod, viele vegetierten lange mit ihren Familien bei 20–25 S (Geld) täglich. Akut dagegen wirkte die englische Baumwollmaschinerie auf Ostindien, dessen Generalgouverneur 1834–35 konstatierte: „Das Elend findet kaum eine Parallele in der Geschichte des Handels. Die Knochen der Baumwollweber bleichen die Ebenen von Indien.“
Innerhalb der großen Industrie selbst wirkt fortwährende Verbesserung der Maschinerie in derselben Richtung weiter. „Der beständige Zweck verbesserter Maschinerie ist, die Handarbeit zu vermindern.“ (Berichte der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1858, S. 43.)
„Die Anwendung von Dampfund Wasserkraft auf Maschinerie, die bisher mit der Hand bewegt wurde, ist das Ereignis jedes Tages ... Die kleineren Verbesserungen in der Maschinerie, welche Ersparnis der Bewegungskraft, Verbesserung des Machwerks, vermehrte Produktion in derselben Zeit oder Verdrängung eines Kindes, einer Frau oder eines Mannes bezwecken, sind unaufhörlich, und obgleich scheinbar nicht von großem Gewicht, haben sie dennoch wichtige Resultate.“ (Berichte der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1856, S. 15.) „Überall, wo eine Arbeit viel Geschick und eine sichere Hand verlangt, entzieht man sie so schnell als möglich den Armen des zu geschickten und oft zu Unregelmäßigkeiten aller Art geneigten Arbeiters, um einen besonderen Mechanismus damit zu betrauen, der so gut geregelt ist, dass ein Kind ihn überwachen kann.“
Wer hätte 1860, im Glanzjahr der englischen Baumwollindustrie, die galoppierenden Verbesserungen der Maschinerie und die entsprechende Verdrängung von Handarbeit geahnt, welche die drei folgenden Jahre unter dem Stachel des amerikanischen Bürgerkrieges hervorriefen? Von den amtlichen Angaben der englischen Fabrikinspektoren über diesen Punkt genügen hier ein paar Beispiele. Ein Manchester-Fabrikant erklärt:
„Statt 75 Kardiermaschinen brauchen wir jetzt nur 12, welche dieselbe Quantität von ebenso guter, wenn nicht besserer Qualität liefern ... Die Ersparung an Arbeitslohn beträgt 200 M wöchentlich, die an Baumwollabfall 10 Prozent.“
In einer Manchester Feinspinnerei wurde „vermittelst beschleunigter Bewegung und Einführung verschiedener selbsttätiger Prozesse in einer Abteilung ¼, in einer über ½ des Arbeiterpersonals beseitigt, während die Kämm-Maschine an der Stelle der zweiten Kardiermaschine die Zahl der früher im Kardierraum beschäftigten Hände sehr vermindert hat.“ Eine andere Spinnfabrik schätzt ihre Ersparung von „Händen“ auf 10 Prozent. Die Herren Gilmore, Spinner zu Manchester, schätzten in einer Abteilung die infolge neuer Maschinerie gemachte Ersparung an Händen und Arbeitslohn auf ein volles Drittel, in zwei anderen Abteilungen auf ungefähr ⅓, im Spinnraum auf ungefähr ⅓.
„Aber das ist nicht alles; wenn unser Garn jetzt zum Weber geht, ist es so sehr verbessert durch die Anwendung der neuen Maschinerie, dass sie mehr und besseres Gewebe als mit dem alten Maschinengarn produzieren.“ (Berichte der Fabrikinspektoren 31. Oktober 1863, S. 108 ff.)
Das Gesamtresultat der dem amerikanischen Bürgerkrieg geschuldeten mechanischen Verbesserungen in der englischen Baumwollindustrie zeigt folgende Tabelle:
Zahl der
|
Fabriken |
Dampf- |
Spindeln |
beschäftigte |
---|---|---|---|---|
1858 |
2.210 |
298.847 |
28.010.217 |
379.213 |
1861 |
2.887 |
399.992 |
30.387.494 |
451.569 |
1868 |
2.549 |
379.329 |
32.000.014 |
401.064 |
Von 1861 bis 1868 verschwanden also 338 Baumwollfabriken, d. h. produktivere und großartigere Maschinerie konzentrierte sich in den Händen einer geringeren Zahl von Kapitalisten. Die Zahl der Dampfwebstühle nahm ab um 20.663; aber ihr Produkt hatte sich gleichzeitig vermehrt, sodass ein verbesserter Webstuhl jetzt mehr leistete als ein alter. Endlich die Spindelzahl wuchs um 1.612.541, während die Zahl der beschäftigten Arbeiter um 50.505 abnahm. Das „vorübergehende“ Elend, womit die Baumwollkrise die Arbeiter erdrückte, wurde also gesteigert und befestigt durch raschen und anhaltenden Fortschritt der Maschinerie. Die Maschinerie wirkt jedoch nicht nur als übermäßiger Konkurrent, stets auf dem Sprung, den Lohnarbeiter „überflüssig“ zu machen. Sie wird das machtvollste Kriegsmittel zur Niederschlagung der regelmäßig wiederkehrenden Arbeiteraufstände, Streiks usw. wider die Herrschaft des Kapitals. Nach Gaskell (London 1833) war gleich die Dampfmaschine ein Gegner der Menschenkraft, der den Kapitalisten befähigte, die steigenden Ansprüche der Arbeiter niederzuschmettern, die das beginnende Fabriksystem zur Krise zu treiben drohten. Man könnte eine ganze Geschichte der Erfindungen seit 1830 schreiben, die bloß als Kriegsmittel des Kapitals gegen den Widerstand der Arbeiter ins Leben traten. In seiner Aussage vor einer parlamentarischen Untersuchungskommission berichtet Nasmyth, der Erfinder des Dampfhammers, wie folgt über die Verbesserungen der Maschinerie, die er einführte infolge des großen und langen Streiks der Maschinenarbeiter 1851:
„Der bezeichnende Zug unserer modernen mechanischen Verbesserungen ist die Einführung selbsttätiger Werkzeugmaschinen. Was jetzt ein mechanischer Arbeiter zu tun hat und was jeder Junge tun kann, ist nicht, selbst zu arbeiten, sondern die schöne Arbeit der Maschine zu überwachen. Die ganze von ihrer Geschicklichkeit ausschließlich abhängende Klasse von Arbeitern ist jetzt beseitigt. Früher beschäftigte ich vier Jungen auf einen Mechaniker. Dank diesen neuen mechanischen Kombinationen habe ich die Zahl der erwachsenen Männer von 1.500 auf 750 ermäßigt. Die Folge war eine bedeutende Vermehrung meines Profits.“
Eine ganze Reihe bürgerlicher Schriftsteller behauptet [13], dass alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und notwendig ein entsprechendes Kapital zur Beschäftigung derselben Arbeiter freisetzt.
Man unterstelle, ein Kapitalist wende 100 Arbeiter an, z. B. in einer Tapetenmanufaktur, den Mann zu 600 M jährlich. Das von ihm jährlich ausgelegte variable (für Arbeitslohn verwandte) Kapital beträgt also 60.000 M. Er entlasse 50 Arbeiter und beschäftige die übrigbleibenden 50 mit einer Maschinerie, die ihm 30.000 M kostet. Der Vereinfachung halber wird von Baulichkeiten, Kohlen usw. abgesehen. Man nimmt ferner an, dass jährlich verzehrte Rohmaterial koste nach wie vor 60.000 M. Ist hierdurch irgendein Kapital freigesetzt? In der alten Betriebsweise bestand die ausgelegte Gesamtsumme von 120.000 M halb aus konstantem und halb aus variablem Kapital. Sie besteht jetzt aus
|
60.000 M für Rohmaterial |
30.000 M für Maschinerie | |
= |
90.000 M konstantem Kapital |
und |
30.000 M variablem Kapital. |
Statt der Hälfte bildet der variable (in lebendige Arbeitskraft umgesetzte) Kapitalteil nur noch ¼ des Gesamtkapitals. Statt der Freisetzung findet hier Bindung von Kapital in einer Form statt, worin es aufhört, sich gegen Arbeitskraft auszutauschen. Das Kapital von 120.000 M kann – unter sonst gleichbleibenden Umständen – jetzt niemals mehr als 50 Arbeiter beschäftigen. Mit jeder Verbesserung der Maschinerie beschäftigt es weniger.
Wenn aber die neu eingeführte Maschinerie weniger kostet als die Summe der von ihr verdrängten Arbeitskraft und Arbeitswerkzeuge, wie steht es dann? Nehmen wir an, sie koste statt 30.000 M nur 20.000 M. Von den 60.000 M, die ursprünglich als Arbeitslohn bezahlt wurden, dienen also hinfort 30.000 M weiter als Arbeitslohn, 20.000 M dienen zum Ankauf der Maschinerie und 10.000 M sind in der Tat „freigesetzt.“ Diese können aber im günstigsten Fall (zum alten Jahreslohn von 600 M) nur 16 Arbeiter statt 50 beschäftigen; in Wirklichkeit noch weniger, weil ja ein Teil der 10.000 M, wenn sie Arbeiter beschäftigen sollen, auch wieder zum Ankauf von Werkzeugen und Rohstoffen dienen muss.
Indes, die Anfertigung der neuen Maschinerie beschäftigt ja auch eine Anzahl Arbeiter, nämlich Mechaniker. – Soll das ein Ausgleich sein für die aufs Pflaster geworfenen Tapetenmacher? Doch selbst im besten Fall beschäftigt die Anfertigung der Maschinerie weniger Arbeiter als ihre Anwendung verdrängt. Früher wurde die Summe von 30.000 M in ihrer vollen Höhe als Arbeitslohn ausgegeben; jetzt zerteilt sie sich in:
Nur ein Teil der 30.000 M wird also nunmehr als Arbeitslohn verwandt. Ferner: einmal fertig, braucht die Maschine nicht erneuert zu werden, bis sie aufgebraucht ist. Um also die Mechaniker dauernd zu beschäftigen, muss ein Tapetenfabrikant nach dem andern Arbeiter durch Maschinen verdrängen.
In der Tat meinen jene Schriftsteller auch nicht diese Art Freisetzung von Kapital. Sie meinen die Lebensmittel der freigesetzten Arbeiter. Es kann nicht geleugnet werden, dass im obigen Fall z. B. die Maschinerie nicht nur 50 Arbeiter „freisetzt“ und dadurch „verfügbar“ macht, sondern zugleich ihren Zusammenhang mit Lebensmitteln zum Wert von 30.000 M aufhebt und so diese Lebensmittel „freisetzt“. Die einfache und keineswegs neue Tatsache, dass die Maschinerie dem Arbeiter die Erwerbung von Lebensmitteln unmöglich macht, lautet also „wissenschaftlich“, dass die Maschinerie Lebensmittel für den Arbeiter freisetzt oder dem Kapital die Möglichkeit gibt, mit diesen Lebensmitteln Arbeiter zu beschäftigen. Man sieht, es kommt alles auf die Ausdrucksweise an.
Nach dieser Theorie waren die Lebensmittel zum Werte von 30.000 M ein durch die Arbeit der 50 entlassenen Tapetenmacher verwertetes Kapital. Dieses Kapital verliert seine Beschäftigung, sobald die 50 Feiertag bekommen, und hat nicht Ruh noch Rast, bis es eine neue „Anlage“ gefunden, worin besagte 50 diese Lebensmittel wieder als Arbeitslohn in Empfang nehmen und verzehren können. Früher oder später müssen also Kapital und Arbeit sich wieder zusammenfinden, und dann ist der Ausgleich da. Die Leiden der durch die Maschinerie verdrängten Arbeiter sind also ebenso vergänglich wie die Reichtümer dieser Welt.
Die Lebensmittel zum Betrage von 30.000 M standen den entlassenen Arbeitern niemals als Kapital gegenüber. Was ihnen als Kapital gegenüberstand, waren die jetzt in Maschinerie verwandelten 30.000 M. Näher betrachtet, vertraten diese 30.000 M nur einen Teil der Tapeten, welche mit Hilfe der nun entlassenen 50 Arbeiter jährlich produziert wurden. Diese Tapeten wurden ihnen von ihrem Anwender in Geldform statt in natura zum Lohn gegeben. Mit den in 30.000 M verwandelten Tapeten kauften sie Lebensmittel zum gleichen Betrag. Diese Lebensmittel existierten für sie daher nicht als Kapital, sondern als Waren, und sie selbst existierten für diese Waren nicht als Lohnarbeiter, sondern als Käufer. Der Umstand, dass die Maschinerie sie von Kaufmitteln „freigesetzt“ hat, verwandelt sie aus Käufern in Nichtkäufer. Daher verminderte Nachfrage für jene Waren. Wird diese verminderte Nachfrage nicht durch vermehrte Nachfrage von anderer Seite ausgeglichen, so sinkt der Marktpreis der Waren. Dauert dies länger und in größerem Umfange, so wird die Produktion jener Waren eingeschränkt. Ein Teil des Kapitals, das früher notwendige Lebensmittel produzierte, wendet sich anderen Branchen zu und so werden auch die in der Produktion der notwendigen Lebensmittel beschäftigten Arbeiter von einem Teil ihres Lohnes „freigesetzt“, und das Resultat ist, dass die Maschinerie nicht nur in dem Produktionszweig, worin sie eingeführt wird, Arbeiter aufs Pflaster wirft, sondern auch in den Produktionszweigen, worin sie nicht eingeführt wird.
In Wirklichkeit werden die von der Maschinerie verdrängten Arbeiter aus der Werkstatt hinaus auf den Arbeitsmarkt geworfen und vermehren dort die Zahl der schon für kapitalistische Ausbeutung verfügbaren Arbeitskräfte. In einem späteren Kapitel dieses Buches wird sich zeigen, dass diese Wirkung der Maschinerie, die uns hier als ein Ausgleich für die Arbeiterklasse dargestellt wird, den Arbeiter im Gegenteil als furchtbarste Geißel trifft. Hier nur dies: die aus einem Industriezweig hinausgeworfenen Arbeiter können allerdings in irgendeinem anderen Beschäftigung suchen. Finden sie solche und knüpft sich damit das Band zwischen ihnen und den mit ihnen freigesetzten Lebensmitteln wieder, so geschieht dies vermittelst eines neuen, zuschüssigen Kapitals, das nach Anlage drängt, keineswegs aber vermittelst des schon früher tätigen und jetzt in Maschinerie verwandelten Kapitals. Und selbst dann, wie geringe Aussicht haben sie! Verkrüppelt durch die Teilung der Arbeit, sind diese armen Teufel außerhalb ihres alten Arbeitskreises so wenig wert, dass sie nur in wenigen, niedrigen und daher beständig überfüllten und unterbezahlten Arbeitszweigen Zugang finden. Ferner zieht jeder Industriezweig jährlich einen neuen Menschenstrom an sich, der ihm die nötigen Rekruten zum regelmäßigen Ersatz und Wachstum liefert. Sobald die Maschinerie einen Teil der bisher in einem bestimmten Industriezweig beschäftigten Arbeiter freisetzt, wird auch die Ersatzmannschaft neu verteilt und strömt in andere Arbeitszweige, während die ursprünglichen Opfer in der Übergangszeit großenteils verkommen und verkümmern.
Es ist eine unzweifelhafte Tatsache, dass die Maschinerie an sich nicht verantwortlich ist für die „Freisetzung“ der Arbeiter von Lebensmitteln. Sie verwohlfeilert und vermehrt das Produkt in dem Zweig, den sie ergreift, und lässt die in den anderen Industriezweigen produzierte Lebensmittelmasse zunächst unverändert. Nach wie vor ihrer Einführung besitzt die Gesellschaft also gleichviel oder mehr Lebensmittel für die verdrängten Arbeiter, ganz abgesehen von dem enormen Teil des jährlichen Produkts, der von Nichtarbeitern vergeudet wird. Und dies ist die Pointe der bürgerlichen Schaumschlägerei: die von der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie untrennbaren Widersprüche und Gegensätze werden als nicht vorhanden erachtet, weil sie nicht aus der Maschinerie selbst erwachsen, sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung! Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Arbeitenden vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verarmt usw., erklärt der bürgerliche Schriftsteller einfach, das Ansichbetrachten der Maschinerie beweise haarscharf, dass alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der gemeinen Wirklichkeit, aber an sich gar nicht vorhanden sind. Er spart sich so alles weitere Kopfzerbrechen und bürdet seinem Gegner obendrein die Dummheit auf, nicht die kapitalistische Anwendung der Maschinerie zu bekämpfen, sondern die Maschinerie selbst.
Keineswegs leugnet der bürgerliche Schriftsteller, dass dabei auch zeitweilige Unannehmlichkeiten vorkommen; aber wo gäbe es eine Medaille ohne Kehrseite! Eine andere als die kapitalistische Ausnutzung der Maschinerie kann er sich nicht vorstellen. Ausbeutung des Arbeiters durch die Maschine ist ihm gleichbedeutend mit Ausbeutung der Maschine durch den Arbeiter. Wer also enthüllt, wie es um die kapitalistische Anwendung der Maschinerie in Wirklichkeit bestellt ist, der will ihre kapitalistische Anwendung überhaupt nicht, der ist ein Gegner des sozialen Fortschritts! Ganz die Beweisführung des berühmten Gurgelschneiders Bill Sykes:
„Meine Herren Geschworenen! Diesem Handlungsreisenden ist allerdings die Gurgel abgeschnitten worden. Diese Tatsache aber ist nicht meine Schuld, sie ist die Schuld des Messers. Sollen wir wegen solcher zeitweiligen Unannehmlichkeiten den Gebrauch des Messers abschaffen? Bedenken Sie ja! Wo wäre Ackerbau und Handwerk ohne Messer? Ist es nicht ebenso heilbringend in der Wundbehandlung wie gelehrt in der Anatomie? Dazu williger Gehilfe bei fröhlichem Mahl? Schaffen Sie das Messer ab – Sie schleudern uns zurück in die tiefste Barbarei!“
Obwohl die Maschinerie in den Arbeitszweigen, wo sie eingeführt wird, notwendig Arbeiter verdrängt, kann sie dennoch in anderen Arbeitszweigen die Beschäftigung vermehren. Freilich, solange mit der Maschine insgesamt nicht mehr von einem Artikel produziert wird als vordem mit der Hand, so vermindert sich die Gesamtsumme der dazu angewandten Arbeit. Obwohl die Produktion der Maschinen selbst, der Kohle usw. Arbeit erfordert, die vordem nicht geleistet wurde, so muss doch die Arbeitsvermehrung, die hierdurch eintritt, kleiner sein als die Arbeitsersparnis, welche die Maschine bewirkt. Denn sonst wäre das Maschinenprodukt ebenso teuer oder teurer als das Handprodukt. Nun aber werden mit der Maschine nicht nur die gleichen, sondern viel größere Warenmengen produziert als mit der Hand. Und hierdurch muss allerdings zunächst in anderen Arbeitszweigen eine Vermehrung der Beschäftigung eintreten. Eine bestimmte Zahl Arbeiter hat z. B. mit der Hand 100.000 Ellen Geweb gefertigt. Nun kommt die Maschine, verdrängt einen Teil der Arbeiter, setzt aber die übrig gebliebenen in Stand, 400.000 Ellen Geweb zu fertigen. Dazu ist dann viermal so viel Rohmaterial erforderlich; die Produktion des Rohmaterials muss also vervierfacht werden. Und auch die Produktion der Baulichkeiten, Kohlen, Maschinen usw. darf bei einem Resultat von 400.000 Ellen mehr Arbeit erfordern, als bei der Produktion von 100.000 Ellen erspart wird.
Mit der Ausdehnung des Maschinenbetriebs in einem Industriezweig steigert sich also zunächst die Produktion in den anderen Zweigen, die ihm seine Produktionsmittel liefern. Wie weit dadurch die beschäftigte Arbeitermasse wächst, hängt sehr davon ab, wie weit die Maschinerie jene Gewerbe selbst schon ergriffen hat oder ergreift. Die Anzahl der zu Kohlen- und Metallbergwerken verurteilten Menschen schwoll ungeheuer mit dem Fortschritt des englischen Maschinenwesens, obgleich ihr Anwachsen in den letzten Jahrzehnten durch Gebrauch neuer Maschinerie für den Bergbau verlangsamt wird. Eine neue Arbeiterart springt mit der Maschine ins Leben, der Maschinenbauer. Was ferner das Rohmaterial anbetrifft, so unterliegt es z. B. keinem Zweifel, dass der Sturmmarsch der Baumwollspinnerei den Baumwollbau der Vereinigten Staaten und mit ihm nicht nur den amerikanischen Sklavenhandel treibhausmäßig förderte, sondern zugleich die Negerzucht zum Hauptgeschäft der sogenannten Grenzsklavenstaaten machte. Als 1790 zum ersten Mal die Sklaven in den Vereinigten Staaten gezählt wurden, betrug ihre Menge 697.000, dagegen 1861 ungefähr 4 Millionen. Andererseits ist es nicht minder gewiss, dass das Aufblühen der mechanischen Wollfabrik mit der fortschreitenden Verwandlung von Ackerland in Schafweide die massenhafte Versagung und „Überzähligmachung“ der Landarbeiter hervorrief. Irland macht noch in diesem Augenblick (1867) den Prozess durch, seine seit 20 Jahren beinahe um die Hälfte verminderte Bevölkerung noch weiter auf das dem Bedürfnis der Großgrundbesitzer und der englischen Herren Wollfabrikanten genau entsprechende Maß herabzudrücken.
Wird ein Halb- oder Zwischenfabrikat von der Maschine ergriffen und in größeren Massen hergestellt, während das Fertigfabrikat, dem es als Vorstufe dient, noch dem Handbetrieb bleibt, so ruft die größere Masse des Materials größere Nachfrage nach Arbeit hervor. Die Maschinenspinnerei z. B. lieferte das Garn so wohlfeil und so reichlich, dass die Handweber zunächst, ohne vermehrte Auslage, volle Zeit arbeiten konnten. So stieg ihr Einkommen. Daher Menschenzufluss in die Baumwollweberei, bis schließlich die von Jenny, Throstle und Mule in England z. B. ins Leben gerufenen 800.000 Baumwollweber wieder vom Dampfwebstuhl erschlagen wurden. So wächst mit dem Überfluss der maschinenmäßig produzierten Kleidungsstoffe die Zahl der Schneider, Kleidermacherinnen, Näherinnen usw., bis die Nähmaschine erscheint.
Eine weitere Arbeitszunahme erzeugt die Maschinerie zunächst in der Luxusproduktion. Denn sie steigert den Mehrwert und zugleich die Produktenmasse, worin der Mehrwert steckt. Also wächst der Reichtum der Kapitalistenklasse. Und da zudem die Anzahl der Arbeiter, die zur Produktion der notwendigen Lebensmittel erforderlich sind, relativ beständig fällt, so erwachsen mit neuem Luxusbedürfnis zugleich neue Mittel seiner Befriedigung: die Luxusproduktion wächst. Die Verfeinerung und Vermannigfachung der Produkte entspringt ebenso aus den neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die große Industrie schafft. Es werden nicht nur mehr ausländische Genussmittel gegen das heimische Produkt ausgetauscht, sondern es wird auch eine größere Masse fremder Rohstoffe, Ingredienzien, Halbfabrikate usw. als Produktionsmittel in der heimischen Industrie gebraucht. Mit diesen weltmarktlichen Beziehungen steigt die Arbeitsnachfrage in der Transportindustrie und spaltet sich letztere in zahlreiche neue Unterarten.
Die Vermehrung von Produktions- und Lebensmitteln bei relativ abnehmender Arbeiterzahl treibt zur Ausdehnung der Arbeit in Industriezweigen, deren Produkte, wie Kanäle, Warendocks, Tunnels, Brücken usw. erst in ferner Zukunft Früchte tragen. – Die außerordentlich erhöhte Produktivkraft in der großen Industrie sowie die dadurch verursachte starke Steigerung der Ausbeutung in allen übrigen Produktionszweigen erlaubt endlich, einen stets größeren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv zu verwenden und so namentlich die alten Haussklaven unter dem Namen der „dienenden Klasse“, wie Bediente, Mägde, Lakaien usw. stets massenhafter wieder herzustellen.
Nach der Statistik des Jahres 1861 betrug in England und Wales die Gesamtzahl aller
Ackerbauarbeiter |
|
rund 1.100.000 Personen |
---|---|---|
in Textilfabriken Beschäftigten |
rund 643.000 Personen |
|
in Bergwerken Beschäftigten |
rund 565.000 Personen |
|
in Metallfabriken Beschäftigten |
rund 400.000 Personen |
|
die dienende Klasse dagegen |
rund 1.210.000 Personen |
Dabei ist aber alles Personal, das nicht in Privathäusern dient, noch nicht mitgezählt.
Man begreift, trotz der von der Maschine faktisch verdrängten und in ihrer Leistung ersetzten Arbeitermasse, wie mit dem Wachstum des Maschinenbetriebs, ausgedrückt in vermehrter Anzahl von Fabriken derselben Art oder in erweiterter Größe vorhandener Fabriken, die Fabrikarbeiter schließlich zahlreicher sein können als die von ihnen verdrängten Manufakturarbeiter oder Handwerker. Nehmen wir als Beispiel ein wöchentliches Kapital von 10.000 M. Davon seien in der alten Betriebsweise 4.000 M in Produktionsmitteln angewandt und 6.000 M in Arbeitskraft, was bei einem Lohn von 20 M pro Mann eine Beschäftigung von 300 Arbeitern bedeutet. Bei Maschinenbetrieb werden nur noch 2.000 M für Arbeitskraft ausgelegt. ⅔ der früher beschäftigten Arbeiter werden also entlassen, nur noch 100 Mann werden beschäftigt. Dehnt sich dieser Betrieb aus, sodass – bei sonst gleichbleibenden Bedingungen – das Gesamtkapital von 10.000 auf 30.000 M wächst, so werden jetzt wieder 300 Arbeiter beschäftigt, wie vor Einführung der Maschine. Wächst das angewandte Kapital weiter auf 40.000 M, so werden 400 Arbeiter beschäftigt, also ⅓ mehr als mit der alten Betriebsweise. Absolut ist die Arbeiterzahl um 100 gestiegen, relativ, d. h. im Verhältnis zum Gesamtkapital, ist sie um 800 gefallen, denn das Kapital von 40.000 M hätte in der alten Betriebsweise 1.200 statt 400 Arbeiter beschäftigt. Relative Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl, verträgt sich also mit ihrer absoluten Zunahme.
1. Während der großen Baumwollkrise, die Anfang der 60er Jahre – infolge des amerikanischen Bürgerkrieges – in England tobte, schickte die englische Regierung einen Arzt Dr. Smith in einige Bezirke der Baumwollindustrie, um über den Gesundheitszustand der Arbeiter zu berichten. Er berichtete u. a.: Rein gesundheitlich habe die Krise mancherlei Vorteile. Die Arbeiterfrauen fänden jetzt die nötige Muße, ihren Kindern die Brust zu reichen, statt sie mit Opiat zu vergiften. Sie hätten die Zeit gewonnen kochen zu lernen. Unglücklicherweise fiel diese Kochkunst in einen Augenblick, wo sie nichts zu essen hatten. Ebenso wurde die Krise benutzt, um in eigens zu diesem Zweck errichteten Schulen die Töchter der Arbeiter nähen zu lehren. Eine amerikanische Revolution und eine Weltkrise musste also kommen, damit die Arbeitermädchen, die für die ganze Welt spinnen, nähen lernen! In solchem Maße eignet sich das Kapital – in regulären Zeiten – auch die für die Familienarbeit nötige Zeit an.
2. Über diese von der offiziellen politischen Ökonomie verheimlichten Tatsachen findet man reichliches Material in den Berichten der englischen Fabrikinspektoren, der „Kinderarbeit-Kommission“, und namentlich auch in den Berichten über das öffentliche Gesundheitswesen (in England).
3. 6. Bericht über das öffentliche Gesundheitswesen. London 1864. E. 34.
4. „Seit einigen Jahren sind so bedeutende und zahlreiche Verbesserungen in der Tüllfabrikation gemacht worden, dass eine gut erhaltene Maschine zum ursprünglichen Kostenpreis von 1.200 Pfund Sterling (ungefähr 24.000 M) einige später zu 60 Pfund Sterling (ungefähr 1.200 A) verkauft wurde ... Die Verbesserungen folgten sich mit solcher Geschwindigkeit, dass Maschinen unvollendet in der Hand ihrer Erbauer blieben, weil sie durch glücklichere Erfindungen bereits veraltet waren.“ (Babbage, London 1832.) In dieser Sturm- und Drangperiode dehnten daher die Tüllfabrikanten bald die ursprüngliche Arbeitszeit von 8 Stunden mit doppelter Mannschaft auf 24 Stunden aus.
5. Von hier ob Bd. I, Kapitel 8, Nr. 6.
6. Bd. 1, Kapitel 8, Nr. 3.
7. Eine Kammer von 24 Geschworenen, die zu entscheiden hat, ob ein Angeklagter vor das ordentliche Gericht gestellt wird.
8. Reynold’s Paper vom 20. Januar 1866. Woche für Woche bringt dasselbe Wochenblatt gleich darauf unter sensationellen Überschriften eine ganze Liste neuer Eisenbahnkatastrophen. Darauf antwortet am 4. Februar 1866 ein Arbeiter von der North Stafford-Linie:
„Jedermann kennt die Folgen, wenn die Aufmerksamkeit von Lokomotivführer und Heizer einen Augenblick erlahmt. Und wie ist es anders möglich bei maßloser Verlängerung der Arbeit, im rauesten Winter, ohne Pause und Erholung! Nehmt als Beispiel, wie es täglich vorkommt, folgenden Fall. Letzten Montag begann ein Heizer sehr früh morgens sein Tagewerk. Er endete es nach 14 Stunden 50 Minuten. Bevor er auch nur die Zeit hatte, seinen Tee zu nehmen, rief man ihn von neuem zur Arbeit. Er hatte also 29 Stunden 15 Minuten ununterbrochen durchzuschanzen. Der Rest seines Wochenwerks war wie folgt: Mittwoch 15 Stunden, Donnerstag 15 Stunden 35 Minuten, Freitag 14½ Stunden, Sonnabend 14 Stunden 10 Minuten; zusammen für die Woche 88 Stunden 40 Minuten. Und nun denkt euch sein Erstaunen, als er nur Zahlung für 6 Arbeitstage erhielt. Der Mann war ein Neuling und fragte, was man unter einem Tagewerk verstehe. Antwort: 13 Stunden, also 78 Stunden pro Woche. Aber wie mit der Zahlung für die überschüssigen 10 Stunden 40 Minuten? Nach langem Hader erhielt er eine Vergütung von 10 Pence (85 Pfennig).“
9. Vergleiche Fr. Engels, Lage der arbeitenden Klassen in England, S. 253, 254.
10. Dr. Richarden, Tod durch bloße Überarbeit, in Social Science Review Juliheft 1863.
11. Jetzt wieder Bd. I, Kapitel 13, 3, c.
12. Bericht des Komitees für den „Verteidigungsfonds der Spinnerei- und Manufaktur-Meister.“ Manchester 1854, S. 17. Man wird später (S. 151) sehen, dass der „Master“ aus einem anderen Loch pfeift, sobald er mit Verlust seiner „lebendigen“ Automaten bedroht ist.
13. Bd. 1, Kap 13, 6.
Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024