Victor Adler

Das Wahlrecht und das Wahlunrecht in Oesterreich

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Schlußwort


Welches Schicksal der jungtschechische Antrag auf allgemeines Wahlrecht im Abgeordnetenhaus haben wird, läßt sich natürlich nicht voraussehen. Soviel aber können wir mit Sicherheit Vorhersagen: Das „objektive Verfahren“, mittels welchem das Präsidium gewöhnlich unangenehme Anträge konfisziert und dem Papierkorb überantwortet, wird sich diesmal nicht anwenden lassen. Herr Baron Chlumecky wird den jungtschechischen Antrag auf die Tagesordnung setzen müssen, ob es ihm genehm ist oder nicht. Und zwar bald. Noch wäre die Schwierigkeit zu erörtern, ob nicht die Annahme des Antrages eine Zweidrittelmehrheit erfordere. Die Wahlreform Zeithammer, welche den böhmischen Fideikommissaren neue Privilegien gab, die Wahlreform Lienbacher, welche den Fünfguldenmännern das Wahlrecht verschaffte, sie kam mit einfacher Majorität zustande. Wie die Herren Staatsweisen darüber entscheiden mögen und ob sich dafür innerhalb des Parlaments eine Mehrheit finde: Für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht gibt es bereits eine Zweidrittelmehrheit außerhalb des Parlaments, die Zweidrittelmehrheit des arbeitenden Volkes, die Zweidrittelmehrheit der bisher Rechtlosen. Und diese Zweidrittelmehrheit wird ihre Stimmen geltend zu machen wissen. Das allgemeine Wahlrecht wird auch in Österreich durchgesetzt werden, so oder – so.


Zuletzt aktualisiert am 19. Dezember 2020